OFFENBACH POST
22. Februar 2004

Schule der Liebenden liegt vor dem Vesuv
Mozarts "Così fan tutte" in Frankfurt mit Natur-Trompeten

Nun liegen also wieder schwarze Vulkansteine auf Frankfurts Opernbühne, dampft im Hintergrund der Vesuv, lässt Asche regnen in diese "Schule der Liebenden": Annegret Ritzels vier Jahre alte Inszenierung von Wolfgang Amadeus Mozarts "Così fan tutte" hält sich wacker im Frankfurter Repertoire. Jetzt wurde sie unter Generalmusikdirektor Paolo Carignani erneut aufgenommen - und doch war es so etwas wie eine Premiere.

Und zwar eine Premiere für die Trompeter des Museumsorchesters. Denn erstmals spielten sie auf Instrumenten, wie Mozart sie nicht anders kannte: Auf Natur-Trompeten nämlich, die dem Spieler noch nicht den Komfort bieten, die Tonhöhe auch mit Hilfe von Ventilen zu regulieren. Über Natur-Hörner verfügt das Museumsorchester schon länger: Auch sie kamen zum Einsatz. Das Resultat dieser vorsichtigen, zudem die Pauken einbeziehenden Annäherung an die so genannte "historische Aufführungspraxis" ließ sich bestens hören.

Denn die alten Instrumente fallen nicht selten durch eine heikle Intonation auf. Anders in Frankfurt: Hier spielen sie kernig und sauber; selbst die Arie der Fiordiligi im zweiten Akt ("Per pieta") mit ihren anspruchsvollen Horn-Passagen wird tadellos begleitet. Das Orchester sitzt übrigens, auch das historisch ganz richtig, deutlich erhöht im Graben. An Carignanis sichtbaren Rücken hat man sich bald gewöhnt.

Zumal die sechs Solisten und der Chor einmal mehr das bieten, was man in jüngster Zeit erfreulich häufig am "Opernhaus des Jahres" erleben kann: Eine Ensemble-Arbeit, die sich mehr durch ein geschlossen hohes Niveau als durch Spitzenleistungen einzelner Sänger auszeichnet: Zwar erntet die quecksilbrig leichte Fiordiligi von Maria Fontosh den stärksten Beifall. Aber Jenny Carlstedt verfügt in der Partie der Dorabella über die technisch wohl noch etwas ausgereiftere Stimme; die Registerwechsel gelingen ihr eine Spur organischer. Solide die Herren: Paul Armin Edelmann (Guglielmo) mit juvenilem Bariton, Shawn Mathey (Ferrando) mit nicht sehr großem, aber klangschönem Tenor. Schade nur, dass er manche längere Phrase mit einem weniger schönen Luftstoß abreißen lässt. Barbara Zechmeister ist eine gewohnt quirlige und wandlungsfähige Despina, Simon Bailey ein noch recht junger Don Alfonso. Bleibt nur ein unbedingtes Lob auszusprechen für einen, der im Orchestergraben agiert: Am Hammerflügel steuert Felice Venanzoni herrlich frische Rezitative bei, freizügig gewürzt sogar von neapolitanischen Weisen. Was wunderbar dazu passt, dass die Liebenden ihre Schule vor dem Vesuv besuchen.

AXEL ZIBULSKI

 

Frankfurter Neue Presse
24.02.2004

Mozarts "Così fan tutte" wurde an der Oper Frankfurt wieder aufgenommen.
Hitzige Leidenschaft

Von Rudolf Jöckle

Die Inszenierung von Annegret Ritzel hat ihre 5. Spielzeit erreicht, diese nun begonnene Staffel ist auch ihre letzte, bevor sie endgültig vom Spielplan genommen wird. Sie ist freilich nicht in die Jahre gekommen, wie man meinen könnte. Im Gegenteil: Sie hat eine nahezu sensationelle Vitalität erreicht, wie kaum in den Jahren zuvor.

Antreiber mit hitziger Leidenschaft ist Paolo Carignani, der nun selbst am Pult steht. Das klein besetzte Orchester ist hochgefahren, was ohnehin schon den Klang schärft, ein Effekt, der durch Naturhörner und -trompeten ebenso verstärkt wird wie durch die heftigen, fast angerissenen Akzente und durch die schroffe Dynamik. Da bleibt nichts mehr von einer seraphischen Heiterkeit, nichts auch vom lässig frivolen Spiel übrig. So führt Carignanis Interpretation genau zu den Spannungsgraden, die die permanenten Wechsel von Sein und Schein, also den Kern der Oper und der Musik offen legen.

Wozu im übrigen auch die quirligen Rezitative mit dem brillanten Continuo Felice Venanzoni (Hammerflügel) und Kaamel Salah-Eldin (Cello) beitragen. Bei solchen Erregungszuständen spürt man auch hinter den sanft ausgeleuchteten lyrischen Momenten den Sprengstoff der Musik.

Die junge Sängerbesetzung geht mit leidenschaftlichem Engagement auf Carignanis Impulse ein, hervorragend in den Ensembles aufeinander abgestimmt und organisiert. Nur Maria Fontosh als koloraturgewandte, vibrierende Fiordiligi und Barbara Zechmeister als nie soubrettenhafte Despina hatten schon in dieser Inszenierung mitgewirkt. Erstmals dabei sind Jenny Carlstedt als geschickt zur "Schwester" kontrastierende, kantabel zwischen Lust und Zweifel changierende Dorabella, Shawn Mathey als Ferrando mit schöner lyrischer Stimme und sicherer Höhe, Paul Armin Edelmann als nobler und trefflich differenzierender Guglielmo, Simon Bailey schließlich als jung wirkender und geschmeidig artikulierender Libertin Don Alfonso. Das Publikum folgte mit steigender Spannung. Restlose Begeisterung.

 

Frankfurter Allgemeine Zeitung
24. Februar 2004

Das Frankfurter Museumsorchester bemüht sich immer stärker um eine historische Aufführungspraxis. Bei der Wiederaufnahme von Mozarts Così fan tutte kamen neben Naturhörnern - zum ersten Mal in der Oper Frankfurt, wie es hieß - auch ventillose Trompeten zum Einsatz und dazu die kleineren Militärpauken. Vor allem sie fielen mit ihrem trockenen, mit harten Schlegeln hervorgebrachten knackigen Klang gleich in der Ouvertüre auf. Die Blechbläser intonierten indes so geschmeidig und rein, daß vermutlich manchem im Publikum kaum der Unterschied zum Klang moderner Instrumente auffiel. Zu dem farbigen, schlackenfreien Gesamteindruck trugen allerdings auch die Holzbläser viel bei.

In dem munteren Marsch mit Chor "Bella vita militar!" und überhaupt immer wieder einmal wurde durch die historische Teilbesetzung eine größere Nähe Mozarts zu Beethoven spürbar. Generalmusikdirektor Paolo Carignani sorgte mit teils hartem Schlag für rhythmische Präzision, ohne daß an gegebenen Stellen der Orchesterklang an Leichtigkeit und Eleganz etwas eingebüßt hätte. Herausragend wirkte die spielfreudig-witzige Art der Rezitativbegleitung des Studienleiters Felice Venanzoni am Hammerflügel. Manche Anreicherung - bis hin zum "O sole mio"-Zitat - ließ sich da ausmachen.

Insgesamt ist für Annegret Ritzels unaufdringliche Inszenierung aus der Spielzeit 1999/2000, die durch Katharina Ebersteins Kostüme passend zur Musikdeutung ebenfalls eine historisierende Note hat, mit zahlreichen Neubesetzungen ein denkbar geschlossenes Ensemble gefunden worden. Ensemblemitglied Maria Fontosh ist schon von der vergangenen Saison her mit ihrer Rolle als Fiordiligi vertraut und bringt für die anspruchsvolle Partie einen weiten Ambitus und große Koloraturensicherheit mit. Gleich im ersten Duett mit Dorabella erweist sich die im wahrsten Sinne schwesterliche Homogenität mit ihrer Ensemble-Kollegin Jenny Carlstedt, die im übrigen köstlich die frisch Verliebte spielt.

Auf dem schwankenden Boden der neapolitanischen Dachterrasse am Fuße des Vesuvs (das Bühnenbild hat Johannes Leiacker entworfen) werden sie von Shawn Mathey (Ferrando) und dem Gastsänger Paul Armin Edelmann (Guglielmo) aber auch mit allem vokalen Schmelz umworben: mit strahlend-hellem Tenor und einem nicht zu groß mensurierten schlanken Bariton. Barbara Zechmeister ist erneut eine darstellerisch wie stimmlich wendig-agile Despina mit einigem Lacherfolg auch in der Verkleidung als Arzt und Notar. Simon Bailey gibt dazu als Don Alfonso einen intelligenten Zyniker und gelassenen Fadenzieher.

GUIDO HOLZE