Kölner Stadt Anzeiger
29.06.03 | 13:15h | aktualisiert 17:48h

Wagners «Rienzi» begeistert Antikenfestspiel-Publikum

Von Ulf Mauder


Wagners „Rienzi" hat zum Start der VI. Antikenfestspiele in Trier sein Publikum im Sturm erobert.

Trier - Wagners tragischer römischer Volkstribun «Rienzi» hat zum Start der VI. Antikenfestspiele in Trier sein Publikum im Sturm erobert. Im römischen Amphitheater der Moselstadt feierten rund 1600 Zuschauer in lauer Sommernacht die Premiere dieser aufwendigen Oper um den Aufstieg und Fall Rienzis. Große Aufmärsche, gewaltige Chorszenen, farbenprächtige Licht- und Feuereffekte lassen die antike Ruine lebendig werden.

Da macht es auch nichts, dass die von dem Schriftsteller Edward Bulwer-Lytton überlieferte Geschichte eigentlich im Rom des 14. Jahrhunderts spielt. Der hier geschilderte Kampf eines Revolutionärs gegen alte Unterdrückerstrukturen ist quasi zeitlos. Hier auf dieser schönen Bühne von Pet Halmen kämpft Rienzi für ein freies Römisches Reich. Die fünf Akte spielen auf einer riesigen Scheibe, die von zwei aufrecht stehenden überdimensionierten Römermünzen flankiert wird. Dieses Set schwebt scheinbar über dem «Orchestre Symphonique et Lyrique de Nancy» aus Frankreich.

Halmen bezieht die antiken Überbleibsel mit ein, wenn der Chor zu den bei Wagner sonst ungewohnten melodiös-flotten Passagen aufmarschiert. Unverkennbar stark sind hier noch Anleihen bei französischen und italienischen Komponisten, wie etwa Rossini, Auber und Bellini. Dank Festspielleiter Heinz Lukas-Kindermann wird in Trier aber nicht nur der Wiedererkennungswert der Musik gepflegt, sondern die Handlung gewinnt an Bedeutung.

In Rom terrorisieren Aristokraten die Bürger. Die Kirche billigt, dass Rienzi die Macht an sich bringt. Was ihm vorschwebt, ist ein Römisches Reich nach antikem Vorbild. Kurz nach der Vertreibung kehrt der Stadtadel aber zurück. Blut fließt. Die Verluste im Aufstand, Rienzis Machtspiele und seine Einmischung in kirchliche Herrschaftsansprüche bringen ihn schnell zu Fall. Noch einmal regiert er kurz nach seiner Begnadigung in Rom, doch sein Volk tötet ihn.

Regisseur Lukas-Kindermann besetzte das Spektakel mit internationalen Gästen: in der Titelrolle John Horton Murray, der sich mit seinem lyrischen Tenor und mit Ausdauer in den teils langen Arien Unmengen an Bravos einheimste. In der Hosenrolle des Adriano, der mal als Freund, mal als Gegenspieler Rienzis in Erscheinung tritt, füllte Chariklia Mavropoulou die weitläufige Arena mit ihrem Mezzosopran aus.

Und Sopran Nancy Gustafson erfreute als Rienzis Schwester Irene, die von Adriano geliebt wird, die fast restlos begeisterten Zuschauer. Manchen etwa mag das abrupte Ende punkt Mitternacht, da waren samt Pause erst gut drei Stunden vorbei, etwas überrascht haben. Lukas-Kindermann macht kurzen Prozess mit «Rienzi». Das meuchelnde Volk beugt sich über ihn, weicht wieder, der Tribun ist wie vom Erdboden verschluckt, das Licht geht aus.

Bei der Uraufführung 1842 in Dresden brachte es «Rienzi» noch auf fast sechs Stunden, heute sind es im Schnitt knapp fünf, wie der Vorsitzende des internationalen Wagner-Verbandes, Josef Lienhart, anmerkt. Ein psychologisierendes Kammerspiel sei hier nicht möglich gewesen. «Für eine kleine Stadt wie Trier ist das aber eine immense Leistung», sagt er.

Für die sonst auf den Bayreuther Festspielkanon eingeschworene Gemeinde der Wagnerianer sei dieses Frühwerk allemal eine Reise Wert, findet der aus Freiburg angereiste Lienhart. Als nächste und damit auch schon letzte Premiere der Trierer Festspiele, die am 16. Juli enden, kommt Shakespeares «Julius Caesar» am 11. Juli auf die Bühne.

 

Saarbrücker Zeitung
1.7.2003

Ruppigkeit trifft Geschmeidigkeit
Höhen und Tiefen beim Auftakt der Trierer Antikenfestspiele mit Wagners selten gespielter Oper "Rienzi"

Von Dieter Lintz

Trier.Vorhang auf für die Tragödie eines Politikers. Ein Mann aus dem Volk, charismatisch, populär. Einer, der es anfangs sehr ernst meint mit seinen Vorstellungen von Demokratie. Das bringt ihm Vertrauen, das wiederum Macht. Aber je mehr Macht er gewinnt, desto weniger verdient er das Vertrauen. Seine Feinde kann er besiegen, seine Freunde nicht. Sie intrigieren gegen ihn, und das Volk, das ihn gestern noch bejubelte, fordert nun sein Ende. Er aber bejammert die Undankbarkeit der Welt.

Zeitloses Polit-Drama

Man braucht Rienzi nicht zwanghaft zu aktualisieren, um festzustellen, wie bestürzend zeitlos Richard Wagners Polit-Drama ist. Es reicht, zwischen den Zeilen zu lesen. Heinz Lukas Kindermann hat seine Inszenierung im römischen Ambiente belassen, in einem von Pet Halmen geschickt stilisierten Bühnenbild mit einem runden, stark geschrägten, treppengesäumten Forums-Platz und zwei mächtigen, überdimensionalen römischen Münzen als Kulisse. Kindermanns Rienzi ist ein Versager, der den Versuchungen der Macht nicht widersteht - eine Figuren, die es zu analysieren lohnt. Dirigent Sebastian Lang-Lessing zieht am gleichen Strang. Schon die Ouvertüre zeigt, wo es lang geht: Nichts wird ausgewalzt oder ins Pathetische getrieben, das Orchester musiziert straff. Keine Spur von Beliebigkeit oder Routine.

Zum ersten Mal nutzt eine Produktion der Antikenfestspiele die Kulisse des Amphitheaters ernsthaft aus. Man spielt nicht mehr in der Nordkurve, sondern vor den westlichen Rängen. Das Ambiente mit seinen steilen Treppen wird für gelungene Lichteffekte und spektakuläre Aufmärsche genutzt, sogar die Zuschauertribüne wird einbezogen.

Doch was optisch so grandios wirkt, bringt musikalisch allerlei unerfreuliche Nebenwirkungen ein, für die vor allem der Chor die Zeche zahlen muss. Was an diesem Abend niemand merkt: Eigentlich ist Rienzi eine Chor-Oper, deren Handlung durch wuchtige, dynamische Chor-Passagen vorangetrieben wird. In Trier findet der Chor allenfalls statt, und das mehr schlecht als recht.

Das kann man nicht den engagierten Sängerinnen und Sängern, viele davon Laien, zurechnen. Sie müssen, bedingt durch die Bühnen-Konstruktion, in Einzelgruppen singen, teils 50 Meter voneinander entfernt, mit mühsamen Auf- und Abtritten, bei denen oft noch gar nicht alle da sind, wenn die großen Einsätze kommen. Vieles hakt. So wirkt ausgerechnet Wagners Schlachtengemälde, ein filigran gewebtes Netz von Chor, Orchester und Banda, wie ein schlecht synchronisiertes Getriebe mit ruppigen Übergängen.

Solche Einwände bleiben freilich insgesamt die Ausnahme. Dirigent Lang-Lessing hält die auseinanderstrebenden Fäden hoch konzentriert, mit eiserner Energie und einprägsamer Gestik zusammen. Davon profitieren auch die Solisten, vor allem Rollendebütant John Horton Murray. Da ist anfangs noch Unsicherheit spürbar, drohen manche Töne

Geschmeidigkeit im Übermaß

zu entgleiten. Aber das darstellerische Porträt, das Murray zeichnet, ist imponierend und von bemerkenswerter Konsequenz. Musikalisch eine Offenbarung: Chariklia Mavropoulous Adriano. Wer verstehen will, welche Brücke vom Schöngesang Bellinis zum Musiktheater Wagners führt, muss nur ihre große Arie im dritten Akt hören. Da braucht es elegante Geschmeidigkeit und dramatische Verve im Übermaß, eigentlich müsste man über zwei Stimmen verfügen, um diese Rolle zu singen. Mavropoulou vereinigt sie bruchlos und mit exzellentem Gespür für die Umsetzung von Text in musikalisch ausgedrücktes Gefühl.

Luxuriös die Besetzung von Rienzis Schwester Irene mit Nancy Gustafson, die makellos singt und spielt. Dass man ihre ohnehin schmächtige Rolle noch reduziert hat, ist das einzig Bedauernswerte an den ansonsten gelungenen Kürzungen, die Dirigent und Regisseur vorgenommen haben.

Wagners "Rienzi" ist wieder zu sehen am 4. und 6. Juli.
Nähere Infos und Karten gibt's unter (0651) 7181818.


Zug der Stimmen Wer verstehen will, welche Brücke vom Schöngesang Bellinis zu Wagner führt, muss nur Chariklia Mavropoulous große Arie im dritten Akt von "Rienzi" hören. Unser Foto zeigt sie neben Nancy Gustafson (links).
Foto: Vetter

 

WESTFÄLISCHER RUNDSCHAU
30.06.2003

Kindermanns Bekenntnis zur großen Oper

Von Sonja Müller-Eisold


Vor großen Münzen inszeniert Lukas-Kindermann "Rienzi".

Trier. Die Wolkenbrüche zogen nur wenige Kilometer an Trier vorbei. Ein grauer Himmel überwölbte das Amphitheater, der Duft von Lindenblüten schwelte in der Luft. Die Eröffnung der sechsten Antikenfestspiele mit Richard Wagners "Rienzi" wurde ein imposantes, überwältigendes Freiluft-Musiktheater-Erlebnis in lauer Sommernacht.

Heinz Lukas-Kindermann, Schöpfer der Festspiele in der alten Römerstadt, nutzte die einzigartige Atmosphäre der Stätte - die weite Rundung, die aufsteigenden Hänge, die Treppen - zu einem breiten Szenarium (Ausstattung: Pet Halmen). Er lässt das Schicksal des letzten römischen Tribunen in plastischen, oft atemberaubenden Bildern ablaufen, im Mittelpunkt eine runde Spielfläche, hinter der zwei große römische Münzen prangen.

"Rienzi" brachte dem 25-jährigen Wagner den ersten Erfolg ein. Dennoch führte er den traditionellen Weg pompöser Prunkentfaltung nicht weiter und wandte sich konsequent dem Gesamtkunstwerk "Musikdrama" zu. Er selbst mokierte sich über dieses gigantische Jugendwerk. Auch seinen Anhängern blieb es deshalb suspekt. Aber man spürt hier bereits die Pranke des genialen Theatermannes und seine musikalische Charakterisierungskunst. Und der noch unsicher formulierte Text enthält bereits die Ideen des Revolutionärs Wagner.

Kindermann kürzte die ausschweifende fünfstündige "Große Oper" auf kluge Weise auf drei Stunden Spieldauer. Die Form aus großen Chören, Rezitativen und Arien verträgt das durchaus. Er zeigt einen straffen Handlungsablauf, lässt die Orchestereinleitungen an ihrem Ort und findet zu einem guten Ausgleich zwischen auftrumpfenden Chorszenen und konzentrierter Figurenkonstellation, zwischen Massenauftritten und Intimität. Kindermann bekennt sich zur großen Oper: Er wagt es, die Friedensboten in weißen Gewändern und mit Palmwedeln auftreten zu lassen, deutet pathetischen Schlachtenlärm an und zeichnet die Solisten effektvoll in Charakter und Temperament.

Rienzi kämpft für Freiheit und Recht aller Römer. Das bringt ihm Erfolg und Verehrung ein. Doch die streitbaren Nobili und sein eigener Hochmut stürzen seine Macht - das Volk tötet ihn, das Kapitol brennt. Am Ende färbt sich der grüne Rasen blutrot vor dunklem Nachthimmel - ein Wunder der Lichtregie von Ulrich Schneider.

Jubel zum Festivalstart

Das großbesetzte Orchester aus dem Orchestre Symphonique et Lyrique de Nancy und dem Orchester des Theaters Trier übermittelte unter Leitung von Sebastian Lang-Lessing den blendenden jugendlichen Schwung dieser Partitur trotz der Freiluft-Probleme ausgewogen und klangintensiv und stützte die großartigen Sängerleistungen. Da ist in erster Linie Chariklia Mavropoulou zu nennen. Mit dramatischer Geste und überragender Mezzostimme durchglutete sie die Hosenrolle des Adriano. John Horton Murray überraschte in der Titelpartie mit glänzender, freilich an Grenzen stoßender Tenorstimme. Mit feinziseliertem Sopran sang Nancy Gustafson die Irene.

Es gab viel Jubel für diesen geglückten Start des Festivals, das mit William Shakespeares "Julius Caesar" ab dem 11. Juli ein weiteres Highlight im Amphitheater bietet.

 

Online Musik Magazin
29.6.2003

Wer seine Prinzipien nicht durchhält, kann seine Siege nicht verteidigen!

Von Ralf Jochen Ehresmann

Rienzi ist zweifellos viel zu selten auf deutschen Bühnen zu sehen, woran zuvörderst sein eigener Schöpfer schuldig ist, der in fortgeschrittenem Alter seine drei ersten fertiggestellten Bühnenwerke als Jugendsünden abtat und nicht weiter gelten lassen wollte. Noch der Fliegende Holländer tat sich schwer, sich seinen Zugang zum Festspielhaus zu erkämpfen, wo ihn Cosima erst zum 25-jährigen Jubiläum 1901 ankern ließ; Rienzi hat es bis heute nicht auf das Bayreuther Capitol geschafft.

Das hat durchaus seine Gründe, ist doch jener besondere Charakter dessen, was Wolzogen als Musikdrama fassen und verstanden wissen wollte, hier kaum rudimentär angelegt und die ZuschauerInnen gleichsam ZeugInnen einer Grand Opera francaise im Stile Spontinis, den Meister Richard wenig später mit Spott und Verachtung bekübelte.

Die Antikenfestspiele in Trier, heuer im Amphitheater nach Kaiserthermen und Porta Nigra in den Vorjahren, können sich derlei Unbesorgtheit getrost erlauben, da keine Tradition des Ortes sie bindet oder einschränkt. Vielmehr erkennt der geübte Blick leichthin die ideale Eignung des Wagnerwerkes, das Rom zu Ruinen werden lässt, für die Kulissen altrömischer Ruinen an der Mosel.

Im Trierer Amphitheater, nicht zu verwechseln mit dem Neubau namens Arena-Halle am anderen Ende der Stadt und hier bereits mit eingeplant als Ausweichort bei Regen, war naturgemäß auch für wechselnde Schauplätze nur eine Einheitsbühne denkbar. Und ebenso wenig Überraschung liegt darin, wenn dabei Bilder einer Altrom-Imagination heraufbeschworen werden, deren Wert in der Stiftung einer bestimmten Atmosphäre liegt und also weniger auf kritische Werkausdeutung orientiert, zumal diese nicht einmal ansatzweise differenziert zwischen Antike und dem XIV‚Jahrhundert des historischen Cola Rienzi, genauso wenig wie das Selbstverständnis jener Epoche selbst. Und als ob der vom Blut der frühen Christen getränkte Ort nicht schon genügend Aura an sich besäße, wählte man die Spielzeiten so, dass ein herrlicher Sonnenuntergang den Niedergang Rienzis meteorologisch vergoldete.

Angesichts der unverkennbar angestrebten und von solis Gnaden auch trefflich erzielten Festspielatmosphäre mit mehr als nur einem Hauch Verona, stellen sich manche Fragen ohnehin anders dar, zumal auch Kreise zum Besuch der Veranstaltung angesprochen werden sollen, die sonst für gewöhnlich kein Theater betreten würden.

Konkret installierte Hausintendant Heinz Lukas-Kindermann auf einem schrägen Teller als eigentlichem Bühnenboden, der unschwer als späte Hommage an Wieland Wagner als den Meister der Bayreuther Scheiben zu erkennen war, weitere zwei stehende Kreise wie eine aufgeklappte Münze, deren einer ein versinkendes Caesarenhaupt zeigt und der andere das oft benötigte Kirchen-, Palast- oder Sonstwasportal abgibt. Für die diversen Auf- und Abtritte werden die gewaltigen Räume der Arena ideal einbezogen – durch fern postierte Bläser oder symmetrische Fackelzüge - Oper für die Augen at its best!

Tragen die meisten Gestalten noch sehr opernhafte Züge, so sind es hier alleine Cecco und Baroncelli, die unbeirrt ihr politisch definiertes Programm verfolgen, dessen Demokratisierungsanspruch ungefähr dem Stand der Debatte im deutschen Vormärz entspricht. Rienzi als Held dieser Freiheitsbewegung hingegen scheitert daran, dass er von seinem anfänglichen Standpunkt: die Gleichheit aller vor dem Gesetz – dem bürgerlichen Prinzip schlechthin – ablässt, indem er einem anderen, non rationalen Trieb folgt und familiären Blutsbindungen den Vorrang vor Frieden und Wohlfahrt des Volkes einräumt. Dazu kommt die Gestalt des Adelssprössling Adriano, der sicher Gutes will, gleichzeitig aber von Anfang an zurückschreckt vor den Konsequenzen, die unvermeidlich sind, wenn denen das Handwerk gelegt werden soll, deren blutiges Geschäft es ist, durch Ausbeutung von Volk und Land sich zu bereichern und dabei die Substanz des kulturellen Erbes zu beschädigen. Wehe dem Staat, dessen Exekutive Politik nach persönlicher Bindung betreibt, dessen Protagonisten so leicht verführbar und prinzipienlos sind!

Kindermann zeigt, was in der zunehmenden Farbenpracht seiner Gewandung sich spiegelt: den tiefen Sturz des redebegabten Emporkömmlings Rienzi, dessen soziales Gewissen fortschreitendem Realitätsverlust weicht; das Fiasko der dramatischen Wende durch die schicksalsprägende Fehlentscheidung zur abermaligen Begnadigung seiner Mörder wider alle politische Vernunft bei Außerachtlassung sämtlicher Poenalvarianten zwischen Hinrichtung und Freilassung verdankt sich leider auch einer gehörigen Portion Dämlichkeit, die unser Mitleiden an seinem Showdown erträglich begrenzt. Nur in dieser Hinsicht wäre es konsequent, ansonsten eigentlich nur schade, wenn das gewaltige Finale keine Antizipation der Götterdämmerung mit berstender Bühne sein darf, sondern in der dezenten Andeutung rötlichen Fackelscheins beinahe sanft ausklingt. Hier wäre etwas mehr Brimborium im Rahmen des Gesamtkonzeptes durchaus zulässig gewesen!

Die Kostüme fallen daher ebenfalls antikisierend aus, was nur im Falle der Irene gründlich danebengeht, dieweil sie schlechterdings zu schön ist. Hier scheint der Wunsch nach Augenweide und sein beachtliches Resultat die Frage nach dem Sinn von Trachten und deren Spiegelung sozialer Widersprüche überlagert zu haben, ist sie doch gerade keine Adelstochter und nur daher in ihre unverschuldete Not einer Verschleppung durch die Nobili geraten, weil sie eben ein armes hilfloses Bürgermädchen sei, mit der manN es schon treiben könne.

Die Chöre sind seitlich postiert, was unsere Bewunderung für deren musikalische Leistung erheblich steigert, ist doch zwischen den Stimmgruppen ein räumlicher Abstand um die 50m zu überbrücken, was hinsichtlich Intonation und Isometrie nicht immer gelingt. Hier scheint klar unzureichendes Probenvolumen die Ursache zu sein, zumal besser einstudierte Passagen von ähnlicher Schwierigkeit mit Bravour gemeistert werden. Die Tempoübermittlung an die Ferntrompeten und –posaunen mittels Sekundärdirigent war da leider weniger erfolgreich.

Die SängerInnen waren von recht unterschiedlicher Statur, da sie nicht gleich gut mit der besonderen Akustik einer Freiluftbühne klarkamen. Hervorzuheben sind zuvörderst John Horton Murray (New York), dem man sein Rollendebüt kaum glauben mag, sowie der wohl prominentesten Gast Nancy Gustafson als seine Schwester Irene, deren Höhe allerdings besser durchdrang als ihre tieferen Lagen. Murray hingegen präsentiert sich überall gleich stark, in Ton und Gestik eine ideale Besetzung. Ebenfalls aus Wien gastierte Chariklia Mavropoulou in der Hosenrolle des Adriano, die ihren Part und dessen wahrlich opernhafte Wankelmütigkeit glaubhaft zu transportieren vermochte, ansonsten aber eher etwas blass blieb.

Die anderen Partien konnten mit heimischem Personal besetzt werden, so dass einige Namen bereits auf den Besetzungszetteln von Lohengrin und Tannhäuser zu lesen waren. Das größte Lob geht hier an László Lukács, der in Orsini nach dem verunglückten Wolfram nun wieder eine zu seiner Stimmlage herben Diktion passende Rolle wie vordem in Telramund gefunden hatte und damit auch Juri Zinovenko als Colonna überragte, dessen Vorzug eher in der Klarheit der Stimme lag. Peter Koppelmann als Baroncelli und Andreas Scheel als Cecco wuchsen gleichermaßen über sich hinaus und gestalteten ihren Part entsprechend der dramatischen Wichtigkeit ihrer Charaktere für das dramatische Gefüge. Hier war besondere Acht auf saubere Diktion zu spüren, was der Textverständlichkeit sehr zugute kam.

Unterhalb ist das Orchester untergebracht, dessen französischen Gästen aus Nancy ohne Abstrich zu gratulieren ist. Gleichzeitig spürte man hier die relativ größte Abweichung zu gewohntem Theaterorchesterklang , der sich aus der Aufstellung ergibt und einen stark Synthesebetonten, streicherlastigen und wandigen Sound präsentierte, zu dessen Beschreibung am besten der Vergleich von CD versus Schellack taugt. Demzufolge tritt das Phänomen in kleinbesetzten Passagen weit weniger auf als bei voller tutti-Dröhnung. Der befürchtete Verpuffungseffekt ist erfreulicherweise weitgehend ausgeblieben, was umso überraschender erscheint, wenn man bedenkt, dass die römischen Architekten der Anlage diese überdeckelt hatten, obwohl es in der ursprünglich vorgesehenen Veranstaltungsform sicherlich kaum um akustische Raffinesse gegangen sein dürfte...

Von Rienzi zu schreiben ist unmöglich, ohne die Frage der leidigen Kürzungen anzuschneiden, zumal eine Lösung wie die der Dresdner Urinszenierung von 1842 in Form einer Aufteilung auf zwei Abende nicht mehr zu Gebote steht – auch angesichts der mangelnden Akzeptanz schon damals. Immerhin scheint hier der Gedanke eines mehrtägigen Festspieles seinen Sitz im Leben zu haben!

In Trier hat man leider nicht überall ein gleichermaßen gutes Händchen gezeigt. Insgesamt 82 Striche, deren Umfang von nur wenigen Takten bis zu mehrminütigen Passagen reicht, die im Wesentlichen von der Dresdner Produktion 2001 übernommen werden konnten, zeugen einerseits von sorgsam überlegter Auswahl, vermögen aber nicht immer zu überzeugen. So durfte man sich freuen, das sonst fast nie gespielte Vorspiel zum 2.Aufzug zu hören, doch fehlte gleichzeitig unverzichtbare Substanz, wie z.B. Rienzis politisches Credo in I,2 sowie teilweise in I,4; der Marsch der Orsini in I,3; der Friedensbotenchor in ihrer Durchschreitung der Bühne ähnlich den Pilgerchören aus Tannhäuser, der hier verkürzt nur als Stehchor erscheint, v.a. aber der Auftritt des einzelnen Friedensboten in II,1; Gleiches gilt für die Kernstelle in II,3, die uns Rienzis Bruch seiner Vorsätze und damit die eigentliche dramatische Wende berichtet; schade um die nicht zweimalige Darbietung der Schlachthymne in III,3.

Weniger problematisch stellt sich der kaum überraschende Verzicht auf den Einzug der Gesandtschaften oder die Pantomime (II,3) dar oder auf Adrianos sentimentales Geflenne in III,3, selbst noch die halbe Schwurszene in IV,1, obwohl eigentlich der gestrichene Teil die wichtigeren Formulierungen enthielte, kann als entbehrlich gelten, nicht aber Rienzis letzte Wendung der Herzen der Verschwörer zu seinen Gunsten in IV,2. Ganz unverständlich bleibt zuletzt, wieso noch im wohl bekanntesten Einzelstück der Oper nach der Ouvertüre, in Rienzis Gebet (V,1) gekürzt werden musste. Immerhin darf man feststellen, dass insgesamt eine flotte stringente Handlung erkürzt worden ist, die das rahmensprengende Ungetüm auf handliches und praxistaugliches Format concenTRIERt hat.

Das Programmheft kommt daher in Gestalt eines sehr ansprechenden 84-seitigen A4-Journal, das sich auf die gesamten Festspiele bezieht, deren Schauspielwerk diesmal Julius Caesar von Shakespeare ist und wohinein weiters ein "Rienzi-Abend" als Symposium der Universität Trier sowie ein Liederabend des örtlichen Richard-Wagner-Verbandes mit Kurt Moll gehört.

FAZIT
Das nördlichste Freiluftfestspiel in antikem Ambiente liefert ein gelungenes Spektakel für Auge und Ohr, um dessen Aura willen man gerne bereit ist, gewisse Abstriche bei Akustik oder Werktreue zu akzeptieren.