Darmstädter Echo
15.4.2004

Das große Fressen der Raffgierigen
Ausblick: Birgitta Trommler inszeniert im Staatstheater Darmstadt Bruno Madernas Oper „Satyricon" mit Sängern und Tänzern – Premiere am Samstag (17.) im Kleinen Haus

DARMSTADT. Im Angesicht des eigenen Todes komponierte sich Bruno Maderna fröhlich collagierend durch die Musikgeschichte. Seine 1971/72 entstandene Oper „Satyricon" war ein lustvoller Affront gegen den seriellen Stil der „Darmstädter Schule": 16 Szenen und fünf Tonband-Einblendungen erzählen vom Festgelage des größenwahnsinnigen Römers Trimalchio im Jahre 60 nach Christus.

Es ertönt ein musikalisches Pastiche aus Tango, Jazz und Barockklängen, eine Hommage an Anton Webern vermischt mit Schweinegrunzen, Flötenspiel und Lustgestöhne, Rülpsen und Erbrechen als Orchesterimprovisation. Auch Verdi, Gluck und Offenbach, Wagner und Puccini klingen an in diesem grotesken Mosaik. Das Libretto ist in Englisch, Französisch, Deutsch, Italienisch und Vulgärlateinisch verfasst.

In welcher Reihenfolge Trimalchios musikalisches Menü serviert wird, hat der 1973 in Darmstadt gestorbene Maderna der Nachwelt überlassen: Wie es euch gefällt! Dafür schätzt Birgitta Trommler den Italiener besonders: „Es ist toll, dass jemand so nicht-linear gedacht hat", lobt die Leiterin des Darmstädter Tanztheaters, die vom konventionellen Geschichtenerzählen noch nie sehr viel gehalten hat. Seit fast 20 Jahren inszeniert die Choreografin auch Opern, 1990 hatte sie „Satyricon" in Münster schon einmal einstudiert, nun richtet sie Trimalchios Fest am Darmstädter Staatstheater ein zweites Mal aus: Premiere ist am Samstag (17.) im Kleinen Haus.

In den Siebzigern mochte man die römische Orgie als Kritik an der Konsumgesellschaft verstehen, Anfang der Neunziger war es für Trommler eine Party der Spaßgesellschaft, nun wird es das große Fressen der Raffgierigen. Vom „Schlüssellochblick auf die großen Bosse" berichtet Trommler im Vorgespräch: Sie zeigt die Ackermänner, Koppers und Essers auf einer Feier ohne Visionen und Moral. Statt acht Sängern treten in Darmstadt nur vier auf, Tänzer komplettieren das Ensemble. Das 18 Mann starke Orchester sitzt auf der Bühne, und auch der amerikanische Dirigent Niels Muus ist in Trommlers Inszenierung eingebunden.

In „Satyricon", ihrer vorletzten Produktion in Darmstadt, will die Tanzleiterin noch einmal zeigen, wie sie sich Theater über Gattungsgrenzen hinweg vorstellt. Zwei Monate hat sie geprobt und dabei vor allem den Sängern eine ungewohnte Arbeitsweise abverlangt: die improvisatorische Suche nach einer Haltung zur eigenen Rolle. „Was die für tolle Ideen hatten, von denen sie gar nichts ahnten", schwärmt die Regisseurin. „Als Sänger im Tanztheater kann man lernen, dass man nie wieder doof auf der Bühne stehen muss." (sb)

Premiere von „Satyricon" ist am Samstag (17.) um 19.30 Uhr im Kleinen Haus des Darmstädter Staatstheaters. Die Inszenierung dauert 70 Minuten ohne Pause. Bis zum Spielzeitende sind fünf weitere Aufführungen angesetzt.