Frankfurter Rundschau
18. April 2005

Da dampfen die Schuhe
In Darmstadt verliert sich Werner Heinrichmöllers Inszenierung der "Ariadne auf Naxos" zwischen Glas, das kein Glas ist

VON STEFAN SCHICKHAUS


Ariadne (Nicola Beller-Carbone) ist in Darmstadt in Plexiglas-Land gelandet.
Dort gibt es auch Tiere mit langen Hälsen.
(Barbara Aumüller)

Plexiglas ist eine schöne Sache. Transparent einerseits, nicht immer ganz durchsichtig andererseits. Wirkt kühl und modern, nicht gemütlich oder gar plüschig. Hat etwas Zwittriges, technisch gesehen. Und harmoniert damit ausgezeichnet mit der Inszenierung der Richard-Strauss-Oper Ariadne auf Naxos, wie sie jetzt in Darmstadt Premiere hatte. Darmstadt ist die Stadt des Plexiglases, hier wurde es in den Jahren erfunden, als Strauss seine Oper komponierte, und hier gehört dem Unternehmen Röhm Degussa noch immer der Markenname.

Das Ariadne-Bühnenbild von Bernhard Kleber bestand nun fast vollständig aus Plexiglas - ein Sponsoring-Coup -, und wie man beim Hören eines gläsernen Instruments einen kalt-brillanten Klang zu erkennen glaubt und beim Hören des gleichen Instruments in warmer Holzoptik einen entsprechend runderen Ton erwartet, so scheinen jetzt die Plexiglas-Attribute auf die Grundzüge dieser Opernregie zu passen: Transparent im ersten Teil, immer undurchsichtiger im zweiten, modern und kitschfrei, aber auch äußerst ambivalent.

Flirt an der Zapfsäule

Regisseur Werner Heinrichmöller, einst Assistent von Hans Neuenfels, ist selbst auch Schauspieler, wirkte bei etlichen Filmen mit. Und mit Mitteln des Films wollte er jetzt der Ariadne auf Naxos beikommen, dieser kurzen, zwittrigen, extrem personalaufwändigen und damit schwierig zu handhabenden Oper. Eine Filmsequenz eröffnet die beiden Teile ("Vorspiel" und "Oper"), die in Darmstadt nicht durch eine Pause voneinander getrennt sind: Eine kleine Szene an einer Tankstelle zeigt den Flirt einer Frau mit dem Tankwart, ihr Partner lässt sie kurzerhand zwischen den Zapfsäulen zurück und verschwindet mit dem BMW in die Nacht. Zu den Orchestereinleitungen laufen diese Bilder jeweils über die Plexiglas-Kulisse, sie schaffen eine spielerische Atmosphäre, wirken aber auch sehr präzise in ihrer Konstellation.

Das Vorspiel gelingt Heinrichmöller ähnlich präzis und zudem äußerst humorvoll. Die Pointen sitzen, die Rollen sind mit bestens ausgewählten Charakteren besetzt. Selbst ein Musiklehrer, enorm aufgewertet durch Hans Christian Begemann, hat hier Kontur, der Schauspieler Andreas Stadler als Haushofmeister ist in Figur eines Barmanns immer präsent. Sehr satirisch, gar nicht larmoyant geht es hier zu, die erste Stunde Ariadne ist unbedingt die strukturiertere.

Dann die Oper: Die "wüste Insel", auf der Ariadne ihr Leben fristet, könnte eine Tankstelle sein, vermutlich mittlerer Westen der USA, der Highway führt schon lange woanders lang. Soweit ist der Anschluss gut gefunden. Doch schon tauchen Fragen auf: Warum ist jede der drei Najarden mit einer Prothese ausgestattet, die eine Arm, die andere Bein, die dritte Brust? Warum laufen auf einmal, von Schnüren aus dem Off gezogen, dampfende Schuhe an der Rampe entlang? Warum müssen die Vier der Harlekins-Truppe ihre Kostüme wechseln am laufenden Meter (viel beschäftigt: die Ausstatterinnen Angelique Pfeiffer und Ulrike Schörghofer)? Durch schnelle Bildschnitte und optische Übertreibungen mit Feuer und Pistolenknall, Stroboskoplicht und hundsköpfigen Statisten schien Werner Heinrichmöller jenes Feuerwerk abbrennen zu wollen, das laut Libretto im Hause des reichsten Mannes von Wien im Anschluss an die Musik bestellt worden ist.

Doch blieb dabei die Konzentration auf die Situation auf der Strecke, die präzis-atmosphärischen Bilder des Filmeinspielers fanden hier keinerlei Entsprechung mehr. Die zahlreichen Buh-Rufe des Premierenpublikums könnten die Quittung dafür gewesen sein. Oder auch bloß dafür, eine Ariadne überhaupt in befremdender Optik gewagt zu haben.

Umso größeren Applaus bereits nach ihrer "Großmächtige Prinzessin"-Arie gab es für Andrea Bogner, die in Darmstadt eine wirklich eindrückliche Zerbinetta gibt. Unbedingt ebenbürtig aber sind Katrin Gerstenberger als Komponist und Nicola Beller- Carbone als Ariadne, vor allem sie eine auch schauspielerisch auffallend versierte Sängerin. Überhaupt sind die sängerischen Leistungen mehr als beachtlich, das Staatstheater Darmstadt hat hier ein tadelloses, hochkarätiges Ensemble für eine nicht leicht zu besetzende Oper zusammengestellt. Generalmusikdirektor Stefan Blunier leistete im Orchestergraben ebenfalls einiges, seine Musiker waren bis auf kleine Unsauberkeiten in der Flageolett-Höhe bestens präpariert.

Der Tenor Alexander Spemann vom Mainzer Staatstheater, der mit starken, aber auch durchwachsenen Momenten seinen Bacchus singt, ruft eine Erinnerung an eine Ariadne-Inszenierung am Mainzer Haus vor gut zwei Jahren hervor. Auch dort war die Oper bruchlos angelegt, mit schillerndem Personal ausstaffiert und in modern-sachlicher Linie präsentiert. Doch damals war das Ergebnis beispielhaft geglückt. Diesmal in Darmstadt bleibt doch das Gefühl von Halbheit. Wie Plexiglas, das doch kein Glas sein kann.

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Dokument erstellt am 17.04.2005 um 17:42:31 Uhr
Erscheinungsdatum 18.04.2005

 

Frankfurter Allgemeine Zeitung
Montag, 18. April 2005 – Nr. 89 / Seite 46

An der Tankstelle ausgesetzt
Werner Heinrichmöllers "Ariadne auf Naxos" in Darmstadt

Ein Paar, ausweislich seines Gefährts einer höheren Gehaltsklasse angehörend, hält an einer Autobahntankstelle. Während sie im Auto wartet, beginnt der Scheibenputzer einen charmanten, stummen Flirt, der vom Partner der Frau mit einem gefüllten Wassereimer abrupt beendet wird. Es kommt zur Krise. Der Mann fährt alleine fort, läßt die Frau an einem Ort zurück, den sie ohne fremde Hilfe nicht verlassen kann. Eine moderne "Ariadne auf Naxos", deren filmisch fixierte Geschichte Werner Heinrichmöller als Vorspann und Reminiszenz in seine Darmstädter Neuinszenierung der Oper von Richard Strauss zweimal einblendet.

Straussens "Ariadne" ist ein unverwechselbares Kind ihrer Zeit, nicht nur mit dem unentwirrbaren Nach- und Durcheinander musikalischer Stile und Haltungen. Strauss und sein Librettist Hugo von Hofmannsthal erwiesen sich als produktiv: Die banausische Anweisung eines fiktiven Wiener Superneureichen, auf der hauseigenen Bühne gleichzeitig eine Opera seria und eine Komödie aufzuführen, bedingt furchtbares künstlerisches Leiden und entbindet zugleich neue schöpferische Energien.

Auf den Regisseur warten bei diesem Arrangement viele Fallen. Immerhin unterteilt sich das Werk in ein vorgebliches Vorspiel und ein vorgebliches Schauspiel, bei dem das tatsächliche Opernpublikum sich in der Rolle als Gast des Neureichen wiederfindet. Das eigene Genre, die Oper, wird auf die Schippe genommen, und bei alledem bedarf es einer Strukturierung des Chaos, ohne daß sich der Geruch von Ordnung einschleicht.

In Darmstadt versucht sich Ariadne (Nicola Beller-Carbone) als Fels in der Brandung: Das wird ihr, die außer ihrer Rolle als Maria-Callas-Epigonin, ihrem Aussehen und goldenen Stimmbändern nichts hat, zum Verhängnis. Nicht einmal Andrea Bogner, die als Zerbinetta mit ihren Koloraturen Steine zum Erweichen und das Publikum beinahe zum Rasen bringt, darf daran etwas ändern. Bacchus (Alexander Spemann), dessen phantastische stimmliche Potenz sich mit seelischer Inkompetenz paart, enttäuscht die Titelheldin schließlich auch.

Das bunte, in seiner Schichtung disparater Elemente zugleich trostlose Bühnenbild vertieft einen Pessimismus, in dem sich gleichwohl die Komik immer wieder Bahn bricht. So in Gestalt des Haushofmeisters (Andreas Stadler) mit seiner geliehenen, daher um so arroganter zur Schau getragenen Macht und natürlich immer wieder durch Zerbinetta, die bei einem konventionsfreien Fußbad in der Küchenspüle das Ethos des Komponisten (Katrin Gerstenberger) weichspült und deren Charme sich selbst Ariadne nicht entziehen kann.

Diese Mischung kommt beim Premierenpublikum meistens hervorragend an, ebenso wie die musikalische Seite. Das hohe sängerische Niveau und das bestens aufgelegte Orchester des Staatstheaters ergänzen sich hervorragend. Generalmusikdirektor Stefan Blunier kann wie in keiner anderen Oper seiner Experimentierfreude die Zügel schießen lassen, zaubert vom perfekt polierten Pathos bis zum verwirrenden Chaos jedes gewünschte Klangszenario.

Was jedoch fehlt, ist die gedankliche Vertiefung des Sujets. Die harte Konfrontation von Banalität und Kunstanspruch, Ethos und Hedonismus, Leben und Tod, von allen das menschliche Dasein bestimmenden Gegensätzen führt in Heinrichmöllers Inszenierung nicht zur Durchdringung, bleibt bei der illustrierenden Reihung stehen. Mit der Aktualisierung des Stoffes befindet sich die Inszenierung in einer schwer einzuordnenden Position. Modernität zeigt sich bei Äußerlichkeiten, doch bleiben die Möglichkeiten, die aktuelle Sprengkraft der Thematik auszuloten, ungenutzt.

BENEDIKT STEGEMANN

 

Darmstädter Echo
18. April 2005

Verwirrspiel auf Naxos
Premiere in Darmstadt: Voller Brüche und Widersprüche: Werner Heinrichmöller inszeniert die „Ariadne"-Oper von Richard Strauss im Kleinen Haus des Staatstheaters

Von Klaus Trapp

Dreifach gespiegelt erlebt man die Primadonna in Werner Heinrichmöllers Inszenierung der Oper „Ariadne auf Naxos" von Richard Strauss im Kleinen Haus des Staatstheaters Darmstadt: als überhebliche Diva, als Filmschauspielerin und schließlich in ihrer Rolle als Ariadne, verlassen vom ungetreuen Liebhaber Theseus.

Werner Heinrichmöller treibt das Verwirrspiel um ihre Person, das in Hugo von Hofmannsthals Libretto bereits angelegt ist, auf die Spitze, wenn er während der Orchestereinleitungen zum Vorspiel und zur Haupthandlung Filmsequenzen in Anlehnung an John Cassavetes’ „Opening Night" einblendet, und wenn er die Grenzen zwischen Mythologie und Gegenwart verschwimmen lässt. Fast scheint es, als misstraue er zuweilen der Musik, da er die Figuren in eine Fülle von absurden Aktionen verwickelt, die den Grundgedanken der Oper – die Kontrastierung von Tragik und Komik, von Opera seria und Opera buffa – zu ersticken drohen.

Das durchweg aus Plexiglas geformte Bühnenbild Bernhard Klebers erlaubt interessante Raum- und Lichteffekte, zumal in Verbindung mit der mehrfach eingesetzten Drehbühne. Im Zentrum des Vorspiels steht die reich bestückte gläserne Bar, Ort der turbulenten Vorbereitungen. Der Haushofmeister entpuppt sich als Barkeeper, und in dieser Funktion wird er zum Sprachrohr seines unsichtbar bleibenden „großen Herren". Die Regie rückt hier den Komponisten in den Vordergrund, lässt ihn seine Verzweiflung über das angeordnete Simultanspiel von traurigem und lustigem Stück exzessiv ausleben. Für die Ariadne-Handlung wird eine ebenfalls gläserne Tankstelle von nüchternem Charme aufgefahren, ein paar Sandhaufen am Rand lassen an die „wüste Insel" denken, auf der Theseus die Geliebte hat sitzen lassen. Deren Begleiterinnen, drei üppige Nymphen in leicht verschrobener Aufmachung, zeigen ihre künstlerischen Interessen – malend, dichtend, musizierend.

Im übrigen entwickelt sich die Oper zu einer skurrilen Modenschau, wenn Ariadne ihr Kostüm mit einem langen weißen Kleid vertauscht und die Komödianten um Zerbinetta von Auftritt zu Auftritt ihr Outfit wechseln. Angelique Pfeiffer und Ulrike Schörghofer haben viel Fantasie eingebracht, um die Buffonisten auszustaffieren: Turnerdress, farbig getönte Anzüge, bunte Badehosen, verwegene Cowboykluft, bedrohliche Wolfsmasken – das geht weit hinaus über die von den Autoren als Modell gedachten Figuren der Commedia dell’arte. Der Auftritt des Gottes Bacchus, den Ariadne zunächst für einen Todesboten hält, wird vorbereitet durch ein überdimensionales Schuhpaar, das rauchend über die Bühne schlurft – ein Gag, der die eigentlich ernst gemeinte Szene ironisch bricht. Der Gott selbst rollt den roten Teppich für die Angebetete aus, doch Ariadne verharrt in ihrer Trauer. Anders als im Original gibt sie sich trotz aller hymnischen Aufschwünge der Musik am Ende die Kugel – letzter Widerspruch in einer an gewollten Widersprüchen und Brüchen reichen Inszenierung.

Während Regisseur und Ausstatter am Ende der zwei Stunden dauernden Premiere viele Buhrufe und einige Bravos zu hören bekamen, wurden der Dirigent, das Orchester und die Sänger-Darsteller mit Recht einhellig gefeiert. Stefan Blunier arbeitete die kunstvolle Partitur, die nur knapp vierzig Musiker vorsieht und damit ideal für das Kleine Haus geeignet scheint, mit dem Orchester des Staatstheaters prägnant und feinsinnig aus. Er schärfte die Gegensätze zwischen lyrischer Emphase und tänzelnder Heiterkeit, zwischen barocken Anklängen und spätromantischem Wohllaut. Dabei gelang es ihm, die Soloeinwürfe der Bläser, des Klaviers, des Schlagzeugs pointiert ins Spiel zu bringen und andererseits die großen Steigerungen aufzubauen, ohne die Sänger zu übertönen. Dass Textverständlichkeit nicht immer erreicht wurde, ist auch bei kammermusikalischer Orchesterbesetzung ein kaum lösbares Problem.

Die Sänger stellten sich auf dieses Konzept vorzüglich ein, allen voran die beiden Protagonistinnen, die den Gegensatz der beiden Opernwelten – ernst und heiter – vertreten. Nicola Beller Carbone war eine geschmeidige, elegante Ariadne, variabel im stimmlichen Ausdruck, besonders intensiv im ausgreifenden Klage-monolog. Andrea Bogner war eine grazile, spritzige Zerbinetta, glockenrein im Gesang und treffsicher in der Gestaltung der Partie. Ihre Bravour-Arie „Großmächtige Prinzessin" riss ob der virtuosen Koloraturen und Triller die Zuhörer zu spontanem Beifall hin.

Alexander Spemann als Bacchus brachte seinen Tenor kraftvoll ein, er überzeugte in der hymnischen Schluss-Szene solistisch wie beim Duettieren mit Nicola Beller Carbone. Ein harmonisch abgestimmtes, klangvoll agierendes Trio bildeten die Nymphen Najade, Dryade und Echo (Sonja Gerlach, Elisabeth Hornung, Anja Vincken). Werner Volker Meyer als Harlekin, Sven Ehrke als Scaramuccio, Dimitry Ivashenko als Truffaldin und Raphael Pauß als Brighella entfalteten komödiantisches, tänzelndes Leben und stimmliche Prägnanz.

Katrin Gerstenberger gab im Vorspiel der Figur des Komponisten starkes Profil, mit ausdrucksvollem Sopran und beredter Gestik das eigene Werk verteidigend. Hans Christoph Begemann als seriöser Musiklehrer und Jeffrey Treganza als lockerer Tanzmeister markierten sängerisch und gestisch markant die Gegenpositionen im „von oben" verordneten Simultanspiel. Andreas Stadler servierte als Haushofmeister nicht nur gewandt die Drinks, sondern auch die Pointen, die seine Sprechrolle verlangt.

Als musikalische Bilanz bleibt eine ausgefeilte Leistung des gesamten Opernensembles in enger Abstimmung mit dem fabelhaft reagierenden Orchester unter Stefan Blunier.

 

Frankfurter Neue Presse
19.04.2005

Die Nymphen stecken in Putzfrauen-Kitteln
In Darmstadt hatte Richard Strauss’ Oper "Ariadne auf Naxos" Premiere.

Von Andreas Bomba

Trotz immensen Aufwandes, ironisch verworrener Handlung und einer komplizierten Genese gehört "Ariadne auf Naxos" zu den am meisten gespielten Opern von Richard Strauss. Sie gibt dem hauseigenen Ensemble die Möglichkeit, seine Qualität zu beweisen, und dem Orchester sowie seinem Dirigenten die Chance, zu glänzen.

Stefan Blunier, der die Vielfalt der Musik um 1900 besonders schätzt, bewährt sich meisterlich. Er trifft präzise den Strauss’schen Konversationston, die schillernden Farben, den vielschichtig strukturierten, nur scheinbar dahinplätschernden Fluss, die Melodienseligkeit, auch manch knalligen Effekt, die alle den sängerischen Gestus unterstreichen und dennoch ein herrlich brodelndes Eigenleben führen dürfen. Das Darmstädter Staatsorchester spielt brillant, herausgehoben seien die Holzbläser. Musikalisch ist der Abend ein Genuss, weil auch die insgesamt 17 Darsteller individuelles Profil besitzen. Allen voran Andrea Bogner als bejubeltes Koloraturenwunder Zerbinetta; die schöne, leuchtend ernste Ariadne Nicola Beller Carbones; Alexander Spemanns einfältig heldenhafter Bacchus, der existenzialistisch grübelnde Komponist (Katrin Gerstenberger), Hans Christoph Begemanns Musiklehrer, ein beschwichtigender und umtriebiger Gemütsmensch.

Auch das Auge wird opulent bedient. Es beginnt mit einem Video, das die Vorgeschichte der Ariadne- Tragödie in moderne Bilder überträgt. Ariadne und Theseus trennen sich jedoch nicht aus Staatsräson, sondern durch eine zufällige Liebelei an der Tankstelle: Sie plänkelt mit dem Tankwart, er erinnert sich einer anderen und fährt einfach davon. Später kehrt das Tankstellenbild, im Stil der amerikanischen Sixties, wieder. Von wegen "Palast" oder "einsame Insel", von der nur ein Sandhaufen übrig geblieben ist!

Das Vorspiel hatte sich in einem kühlen, plexiglasumstellten Bar-Ambiente ereignet (Bühne: Bernhard Kleber); die drei Nymphen steckten in Putzfrauen-Kitteln, die Komödianten übten sich mal als Sportler, mal als Schlagersänger. Bacchus ist eine Mischung aus Siegfried und den "Prinzen". Und so fort. Vieles ist im Detail witzig, beziehungsreich ausgedacht und auch liebevoll gestaltet. Im Ganzen und auf Dauer aber verspielt und zerfasert das Stück. Werner Heinrichmöller bebildert die Musik, in der es viel Ironie und auch kräftige Zitate aus der Operngeschichte gibt, aber er dient ihr nicht. Vor allem bleiben die Motivationen der Personen unklar – bis hin zum Ende, als Ariadne sich (als Übergang in eine andere Liebeswelt?) erschießt. So ratlos wie der gehörnte Bacchus bleibt der Teil des Publikums zurück, der diese Oper als geniales Spiel von Humor und Ernst, als gegenseitiges Durchdringen von Wirklichkeit und Theater, als Spiegelbild der Gegenwart in der Vergangenheit begreift.

 

WIESBADENER KURIER
19.04.2005

Verlassen an der Tankstelle
Darmstadt: "Ariadne auf Naxos" von Richard Strauss in Werner Heinrichmöllers Sicht

Von Axel Zibulski


Andrea Bogner brennt als Zerbinetta in Darmstadt ein Koloratur-Feuerwerk ab.
Aumüller

DARMSTADT Ein Film zuerst: Ein Paar hält an einer nächtlichen Tankstelle. Nachdem sie mit dem Tankwart geflirtet hat und eben noch Zigaretten holen geht, braust er mit der dunklen Limousine einfach davon: Die moderne, filmische Adaption des Stoffs von der verlassenen Ariadne lässt Werner Heinrichmöller in seiner Darmstädter "Ariadne auf Naxos" gleich zweimal abspielen, nämlich vor dem Vorspiel und zu Beginn der eigentlichen Oper von Richard Strauss und Hofmannsthal.

Die Darstellerin im Film kehrt natürlich als Sängerin der "Ariadne" wieder, auf ihrer wüsten Insel im Bühnenbild von Bernhard Kleber, das außer der Tankstelle viel kühles Plexiglas für kalte, zuweilen gleißende Lichteffekte bietet. Eine Diva vom Typus der Callas, sitzen gelassen und von lauter skurrilen Gestalten umgeben: Ein wenig lädiert schaut das wasserstoffblonde Terzett Najade, Dryade, Echo aus, die vier Herren der "Commedia dell´arte" haben ihren Auftritt mal im Sportlerdress, mal mit Wolfsköpfen oder als schräge Cowboys, der schmierige Bacchus rollt sich selbst den roten Teppich in die Szene. Hübscher Gag die Idee, erst seine qualmenden Schuhe auf die Bühne rutschen zu lassen. Eine in letzter Zeit oft bemühte Schlusswendung hingegen, dass jemand stirbt, der eigentlich überlebt: Als Ariadne gibt sich die recht herb timbrierte Nicola Beller Carbone am Ende die Kugel.

In Heinrichmöllers Neuinszenierung der Strauss-Oper, die nächste Spielzeit vom Staatstheater Wiesbaden als Austauschgastspiel übernommen wird, kommt keineswegs alles zu allem, bleibt vielmehr Raum für Assoziationen, grundiert von den kühlen, fast aseptischen und für sich genommen durchaus starken Plexiglas-Bildern. Kitschig wirkt das Gott sei Dank nicht, wirklich durchkonzipiert leider auch nicht immer: Das Premieren-Publikum beantwortet die nicht wenigen rätselhaften Momente (warum zum Beispiel ein Schuss mitten in der Oper?) mit einem recht eindeutigen Buh-Sturm.

Dabei war das Vorspiel im Hause des reichsten Mannes von Wien doch noch recht flott ausgefallen: Als Haushofmeister mixt Andreas Stadler an der Bar Flüssiges wie sein Herr das Tragische und Komische, Andrea Bogner badet kokett die Füße in der Spüle; als Zerbinetta wird sie in der eigentlichen Oper ein frühes Feuerwerk äußerst wendig und sicher platzierter Koloraturen abbrennen. Überhaupt eine Stärke der Inszenierung, dass Heinrichmöller im dichten Personalaufgebot des Vorspiels auch den kleineren Rollen und Partien Konturen verleiht, dem Haushofmeister eben, auch dem von Hans Christoph Begemann vokal aufgewerteten Musiklehrer. Als äußerst präsent und entschieden singender Komponist bietet Katrin Gerstenberger eine der stärksten Leistungen des Abends, nicht überzeugen kann hingegen der oft gepresst wirkende Tenor von Alexander Spemann (Bacchus).

Diese Darmstädter "Ariadne", die anfangs szenisch mehr verspricht als sie letztlich einlöst, wird doch zumindest vom Orchester auf konsequent hohem Niveau gestützt: Generalmusikdirektor Stefan Blunier beweist einmal mehr eine glückliche Hand für Richard Strauss und führt das Darmstädter Orchester zu geschliffener Transparenz, mitreißenden Aufschwüngen, blitzsauberem Spiel: Möge dieser Funke auf das geplante Austauschgastspiel im Wiesbadener Haus ganz einfach überspringen.

 

OFFENBACH POST
20. April 2005

Ariadne als Diva in kaltem Licht
Staatstheater Darmstadt zeigt Strauss-Hofmannsthal-Oper in Film-Adaption

Ein Film zuerst: Ein Paar hält an einer nächtlichen Tankstelle. Nachdem sie mit dem Tankwart geflirtet hat und eben noch Zigaretten holen geht, braust er mit der dunklen Limousine einfach davon: Die moderne, filmische Adaption des Stoffs von der verlassenen Ariadne lässt Werner Heinrichmöller in seiner Darmstädter "Ariadne auf Naxos" gleich zweimal abspielen - vor dem Vorspiel und zu Beginn der eigentlichen Oper von Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal.

Die Darstellerin im Film kehrt natürlich als Sängerin der "Ariadne" wieder, auf ihrer wüsten Insel im Bühnenbild von Bernhard Kleber, das außer der Tankstelle viel kühles Plexiglas für kalte, zuweilen gleißende Lichteffekte bietet. Eine Diva vom Typus Maria Callas, sitzt gelassen und von lauter skurrilen Gestalten umgeben: Ein wenig lädiert schaut das wasserstoffblonde Terzett Najade, Dryade, Echo aus, die vier Herren der "Commedia dell’arte" haben ihren Auftritt mal im Sportlerdress, mal mit Wolfsköpfen oder als schräge Cowboys, der schmierige Bacchus rollt sich selbst den roten Teppich in die Szene.

Hübscher Gag die Idee, erst seine qualmenden Schuhe auf die Bühne rutschen zu lassen, eine in letzter Zeit oft bemühte Schlusswendung hingegen, dass jemand stirbt, der eigentlich überlebt: Als Ariadne gibt sich die recht herb timbrierte Nicola Beller Carbone am Ende die Kugel.

In Heinrichmöllers Neuinszenierung der Strauss-Oper kommt keineswegs alles zu allem, bleibt vielmehr Raum für Assoziationen, grundiert von den kühlen, fast aseptischen und für sich genommen durchaus starken Plexiglas-Bildern. Kitschig wirkt das Gott sei Dank nicht, wirklich durchkonzipiert leider auch nicht immer: Das Premieren-Publikum beantwortet die nicht wenigen rätselhaften Momente (warum zum Beispiel ein Schuss mitten in der Oper?) mit einem recht eindeutigen Buh-Sturm.

Dabei war das Vorspiel im Hause des reichsten Mannes von Wien doch noch recht flott ausgefallen: Als Haushofmeister mixt Andreas Stadler an der Bar Flüssiges wie sein Herr das Tragische und Komische, Andrea Bogner badet kokett die Füße in der Spüle; als Zerbinetta wird sie in der eigentlichen Oper ein frühes Feuerwerk äußerst wendig und sicher platzierter Koloraturen abbrennen. Überhaupt eine Stärke der Inszenierung, dass Heinrichmöller im dichten Personalaufgebot des Vorspiels auch den kleineren Rollen und Partien Konturen verleiht, dem Haushofmeister eben, auch dem von Hans Christoph Begemann vokal aufgewerteten Musiklehrer. Als äußerst präsent und entschieden singender Komponist bietet Katrin Gerstenberger eine der stärksten Leistungen des Abends, nicht überzeugen kann hingegen der oft gepresst wirkende Tenor von Alexander Spemann (Bacchus).

Diese Darmstädter "Ariadne", die anfangs szenisch mehr verspricht als sie letztlich einlöst, wird doch zumindest vom Orchester auf konsequent hohem Niveau gestützt: Generalmusikdirektor Stefan Blunier führt das Darmstädter Orchester zu geschliffener Transparenz, mitreißenden Aufschwüngen, blitzsauberem Spiel. (zib)

 

egotrip.de
April 2005

Musik als Sprachersatz
Richard Strauss' "Ariadne auf Naxos" im Staatstheater Darmstadt

Die Sekundärliteratur zu Richard Strauss' Oper "Ariadne auf Naxos" geht nicht explizit auf den thematischen Hintergrund dieser Oper ein, vielmehr betonen alle Beiträge die eher zufällige Entstehung des Werkes. Als Nebenbeschäftigung während der Arbeiten an der "Frau ohne Schatten" diente es unter anderem als Ergänzung zu einer Reinhardschen Inszenierung von Molières "Bürger als Edelmann", die jedoch ob dieser unorganischen Ergänzung beim Publikum durchfiel. Auch die spätere Umarbeitung zu einem eigenständigen Werk ging offensichtlich ohne größere thematische Überlegungen vor sich, wenn man darunter eine zwingende Aussage versteht. Dabei bietet sich der Ausgangspunkt der Oper geradezu für tiefsinnigere Betrachtungen an, wird hier doch eine tragisch-ernste Komponente mit einer grotesken, lebensbejahenden vermischt. Daraus könnte man auf die Absicht des Autoren-Duos schließen, die Dualität - oder die Dialektik - des Lebens zu thematisieren, das aus beiden Bestandteilen besteht und ständig deren Vermischung ertragen muss, ohne sie jedoch jemals zu versöhnen. Doch Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal haben offensichtlich nicht so weit gedacht, sondern die Interpretation der Mit- und Nachwelt überlassen.

Und die Oper bietet noch mehr solcher Interpretationsansätze. Da ist der reiche Wiener Mäzen, der sich ein Theaterstück mit Musik schreiben lässt, die Aufführung jedoch in der Manier des geldmächtigen Banausen in kurzen Abständen nach der Laune des Moments umwirft, so dass der Komponist und auch der Musiklehrer nahe am Nervenzusammenbruch agieren. Denn eigentlich sollte bei der Abendgesellschaft erst das Drama der Ariadne auf Naxos aufgeführt werden, die, von ihrem Geliebten Theseus verlassen, in unbedingter Treue sehnsüchtig den Tod erwartet. Anschließend sollte eine kleine "Opera buffa" das Publikum wieder erheitern. Unter dem Zeitdruck - ein Feuerwerk steht bevor - sollen nun beide Stücke zusammen und parallel aufgeführt werden. Während der Komponist und die Darstellerin der Ariadne nahe daran sind, alles hinzuwerfen, erklärt sich Zerbinetta, die Anführerin der Komödiantentruppe, sofort zur Umsetzung bereit. Sie neigt von Natur aus der Improvisation zu, folgt ihrer Intuitionen und stellt damit den Gegenpol zu der eher rational-formalen Welt des Komponisten und des Musiklehrers dar. Gleichzeitig spiegelt die Handlung - soweit man überhaupt von einer solchen sprechen kann - eine ironische Beschreibung des künstlerischen Entstehungsprozesses wider, der einerseits durch die Gegensätze im künstlerischen Ensemble und andererseits durch die - scheinbar - irrationalen Einflüsse der Geldgeber beeinflusst wird.

Wenn denn keine tiefere Bedeutung bei der Entstehung des Librettos maßgeblichen Einfluss hatte, dann bestätigt sie in ihrer Schlichtheit den ursprünglich ephemeren Charakter des Stücks: Nachdem die Künstler aus Angst vor dem Verlust des Honorars der Forderung des Mäzens zugestimmt haben, laufen beide Handlungsstränge parallel ab. Ariadne sehnt sich auf einer wilden, einsamen Insel mit goldgelbem Sand - auf diese Farbe werden wir noch zurückkommen - ihrem Geliebten und dem Tod entgegen, die drei Nymphen bieten ihr Trost an, und Zerbinetta versucht mit der Unterstützung ihrer Possenreißer-Truppe, Ariadne aufzuheitern und für das Leben zurück zu gewinnen. Dabei durchläuft das Stück permanent die verschiedenen Ebenen der Handlung: den alten griechischen Mythos, bei dem am Ende Gott Bacchus die lebensmüde Ariadne zu den Sternen entführt, Zerbinetta, die als sie selbst auftritt und den Witz aus der anderen Zeit der  "opera buffa" in die griechische Tragödie trägt, dann der Hofstaat des Mäzens mit Musiklehrer, Komponist und Haushofmeister. Kunstvoll verbindet nicht nur Librettist Hofmannsthal diese Ebenen, sondern auch Richard Strauss, der jeder Welt die ihr entsprechende Musik zuordnet und dennoch alle Musikstile wieder miteinander vereint.

Regisseur Werner Heinrichmöller hatte sich einige Besonderheiten ausgedacht, mit denen er die Handlung in unsere Zeit verlagert. Zu Beginn läuft auf der Bühnenrückwand ein Video über einen Beziehungskonflikt, bei dem ein Pärchen im Auto in einer Tankstelle vorfährt und der Mann seiner Begleiterin wegen ihres kurzen Flirts mit dem Tankwart davonfährt. Mit dieser das Ariadne-Thema variierenden Einleitung schickt Heinrichmöller sozusagen die Botschaft dem Stück voraus, und das Video erscheint in Schlüsselmomenten der Inszenierung wieder. Auch das Bühnenbild führt uns in die Jetztzeit: ein großer Bar-Tresen aus Metall und Glas, an dem der Haushofmeister ungerührt und mit einer gewissen Schadenfreude die Aufregung der Protagonisten verfolgt und genießt. Wenn dann das Spiel im Spiel beginnt, erscheint Ariadnes einsame Insel als "durchgestylte" Tankstelle, so das einleitende Video wieder aufnehmend. Die drei Nymphen Echo, Dryade und Najade erscheinen als aufgeblondete Barbiepuppen mit angedeuteten künstlichen Gliedern. Daraus lässt sich der Schluss auf den Realitätsverlust Ariadnes ziehen, die in einer Märchen- oder "Barbie"-Welt mit ewiger, unbedingter Treue und der Alternative "Liebe oder Tod" lebt.

Die als solche gar nicht vorhandene Handlung - es geschieht eigentlich nichts - verlagert das Drama in die Worte, und da liegt das Problem dieser Oper. Schon Rossini und erst recht Wagner hatten die Sprache in der Oper mehr und mehr durch Musik ersetzt, die Worte verlieren zunehmend ihren Zeichencharakter, der noch bei der klassischen Oper wie selbstverständlich für das Verständnis genutzt wurde. Mit der zunehmenden Dominanz der Musik über den Text lässt sich dieser nicht mehr einfach rezipieren. Die hoch stilisierte und expressive Musik von Richard Strauss tut das ihrige, die Worte unverständlich zu machen. In Ermangelung einer sich selbst dokumentierenden Handlung - Liebe, Streit, Mord - bleibt so die rationale Neugier unbefriedigt, die gerne wüsste, was denn nun die handelnden Personen zueinander oder übereinander sagen. Durch die herkömmliche Oper und das Schauspiel (und natürlich durch Kino und Fernsehen) konditioniert, möchte der Zuschauer einer Handlung folgen können, auch wenn diese eigentlich unwichtig ist. Damit schafft sich diese Oper ihr eigenes Rezeptionsproblem. Doch Heinrichmöller bleibt insofern konsequent, als er keine Übertitel anbietet, damit das Publikum allein auf die Musik verweisend: nicht der Text ist wichtig, sondern die musikalische Umsetzung der emotionellen Situation.

Diese Musik allerdings ist großartig und zeichnet die feinsten Gefühlsregungen und -schwankungen der Protagonisten nach. Sie schwelgt geradezu in hochromantischer "Süffigkeit", kann jedoch genauso schnell umschlagen in eine Burleske à la "Don Quichotte" oder "Till Eulenspiegel". Die nahezu nahtlos durchgehaltene musikalische Spannung - seit Wagner kennt man keine Sprechpausen mehr - schafft eine hohe Dichte und gerade die Spannung, die der Handlungsablauf verweigert. Wer also diese Oper als musikalisches Ereignis und nicht als eine erzählte Geschichte aufnimmt, ist gut beraten.

Die Darsteller bewegen sich durchweg auf hohem Niveau und erfüllen die Ansprüche des musikalischen Materials in vollem Umfang. Allen voran ist wohl Andrea Bogner zu nennen, die als Zerbinetta nicht nur viel Charme und Witz auf die Bühne bringt, sondern vor allem durch ihre Koloraturen überzeugt, mit der sie die arme Ariadne aufmuntern wollte. Nach ihrem weit gespannten Auftritt erhielt sie dafür auch mehrminütigen, mit "Bravo"-Rufen durchsetzten Szenenbeifall, der in solcher Länge in Darmstadt lange nicht zu erleben war. Nicola Beller Carbone hat als Ariadne die undankbare Rolle, eine depressive Frau voll Todessehnsucht zu spielen. Damit beschränkt sich ihre Leistung weit gehend auf die gesangliche Interpretation, die ihr jedoch aufgrund der Präsenz und der großen Ausdrucksbreite ihrer Stimme zu Recht ebenfalls viel Beifall einbrachte. Bei den Damen ist vor allem noch Katrin Gerstenberger zu nennen, die dem forsch-verzweifelten Komponisten mit stimmlicher Durchsetzungskraft und äußerst präsentem Spiel Kontur verleiht. Christoph Begemann gibt einen komisch-aufgeregten Musiklehrer mit wenigen aber starken gesanglichen Momenten, Alexander Spemann überzeugt als Bacchus mit einem strahlenden Tenor, und die drei Damen Doris Brüggemann, Sonja Gerlach und Anja Vincken überzeugen als die drei Nymphen mit frischen und  lyrischen Gesangseinlagen. Die Spaßmacher aus Zerbinettas Truppe haben weniger zu singen und profilieren sich dafür mit verschiedenen Tanz- und Showeinlagen, so als Cowboys mit Stetson und Lasso oder als Dressmen mit einer Badehosen-Vorführung.

Stefan Blunier leitete das Orchester mit äußerst feinfühliger Hand, verlangt doch die expressive Musik Richard Strauss' nach hoher Subtilität der Interpretation. Dank einer eher kammermusikalischen Besetzung ließ sich jede instrumentale Stimme verfolgen, nichts ging verloren, und Blunier kostete jedes einzelne Motiv, jede einzelne Melodieführung und vor allem die so reizvolle wie emotionell gesättigte Harmonik der Partitur aus. Das Orchester folgte ihm mit hoher Konzentration und viel Gespür für das Detail.

Bleibt noch an die goldgelbe Farbe des Sandes zu erinnern: als Zerbinetta vergeblich versucht, die deprimierte - oder gar depressive - Ariadne aufzumuntern, wabert zwischen der schwarzen Bühnenrückwand und dem goldgelben Sand am Boden ein rotes Feuer. Dieser lange durchgehaltene farbliche Dreiklang lieferte einen ironischen Kommentar zur gegenwärtigen deutschen Befindlichkeit.

Das Premierenpublikum zollte dem Ensemble einhelligen und teilweise begeisterten Beifall. Die Regie musste sich jedoch einige kräftige "Buhs" gefallen lassen, die wohl vor allem auf die weitgehende Unverständlichkeit des Textes zurück zu führen waren.