Frankfurter Rundschau
9. Dezember 2004

Die Liebe, ein Meisterwerk
Das Musical "Porgy and Bess" von George und Ira Gershwin ist in der Alten Oper zu sehen


In einem exklusiven Deutschland-Gastspiel in der Alten Oper präsentiert das New York Harlem Theatre den Klassiker "Porgy and Bess".
(Veranstalter)

Keiner, der nicht beim Stichwort Musical sofort an den Broadway denkt - die legendäre Theatermeile in New York, Schmelztiegel verschiedenster Nationalitäten und Kulturen. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts wird dort ein Musicalklassiker nach dem anderen produziert. Beispiellos Loewes "My Fair Lady", Bernsteins "West Side Story" oder "A Chorus Line" von Sir Richard Attenborough.

Auch George und Ira Gershwin waren an der internationalen Erfolgskarriere des Musicals beteiligt. Seit 1924 produzierten die beide Brüder erfolgreiche Musikkomödien, darunter "Of Thee I Sing", das erste Musical, das den Pulitzer-Preis erhielt. Aber die Gershwins gingen noch einen Schritt weiter, als sie die Folk-Oper "Porgy and Bess" inszenierten: Ein Musical über Schwarze und vor allem mit Schwarzen! Bis dato war es undenkbar, dass Farbige in den von Rassentrennung beherrschten USA eine positiv besetzte Rolle spielten. Die Uraufführung 1935 war denn auch nur mäßig erfolgreich, erst mehrere Wiederaufnahmen Anfang der 40er Jahre brachten den Durchbruch. Um die Authentizität des Stückes zu wahren, darf das Werk bis heute ausschließlich von schwarzen Darstellern aufgeführt werden.

DuBose Heyward schrieb Mitte der 20er Jahre "Porgy", die Idee zum Roman lieferte ihm ein Zeitungsartikel über einen verkrüppelten Schwarzen, der versuchte, auf einem von einer Ziege gezogenen Karren vor der Polizei zu fliehen. Ira Gershwin erarbeitete auf dieser Grundlage zusammen mit den Ehepaar Heyward das Libretto - eine tragische Geschichte über die intensive Liebe zwischen dem invaliden Bettler Porgy und der schönen, aber leichtlebigen Bess sowie über die afroamerikanische Lebenssituation der 20er Jahre. Die Musik komponiert George Gershwin - ein sinfonisches Meisterwerk mit Elementen des Jazz, Blues, Spirituals und klassischer Musik. Weltberühmt wurden Melodien wie "Summertime" oder "It Ain't Necessarily So".

In einem exklusiven Deutschland-Gastspiel in der Alten Oper präsentiert das New York Harlem Theatre den Klassiker des US-amerikanischen Musiktheaters. Die Originalinszenierung des renommierten Regisseurs Baayork Lee in Begleitung des Orchesters unter der Leitung von William Barkhymer wurde zuvor bereits in sämtlichen europäischen Metropolen und in Japan gefeiert. | aki

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Dokument erstellt am 08.12.2004 um 10:44:44 Uhr
Erscheinungsdatum 09.12.2004

 

Wiesbadener Kurier
02.12.2004


Ehrfurcht er vor dem Werk: William Barkhymer.
BB Promotion

"Von Porgy and Bess wird man nie müde"
Dirigent William Barkhymer zum Gastspiel des New York Harlem Theatre in der Alten Oper

Von Shirin Sojitrawalla

Manch einer hält "Porgy and Bess" für ein Musical, was auch daran liegen könnte, dass George Gershwin für seine Oper auf Spirituals und Volkslieder zurückgriff. Er selbst äußerte sich folgendermaßen dazu: "Ich hatte die Hoffnung, in der amerikanischen Musik etwas geschaffen zu haben, das vielen, nicht nur einigen wenigen, gefallen würde. Ich wollte, dass die Oper unterhaltend

sein sollte." Das ist sie ganz zweifellos geworden, doch auch wenn einige Lieder nach "Broadway" klingen, wie der Dirigent William Barkhymer einräumt, ist es für ihn doch gerade die "Ernsthaftigkeit", die "Porgy and Bess" von einem Musical unterscheidet. Es sei zwar keine Beleidigung "Porgy and Bess" als Musical einzustufen, aber eben nicht ganz richtig. Für ihn ist es in erster Linie Musiktheater. Ob U oder E ist ihm dabei egal, weil es für ihn nur schlechte oder gute Musik gibt. Dabei ist "Porgy and Bess" für ihn ohnehin mehr als eine normale Oper.

William Barkhymer ist künstlerischer Leiter und Dirigent am New York Harlem Theatre, das seit seiner Gründung im Jahr 1981 schon zwei unterschiedliche Produktionen der Gershwin-Oper herausbrachte. Mit der aktuellen Inszenierung ist das Theater im Dezember zu Gast in der Alten Oper in Frankfurt. Das Ensemble besteht aus vielen Starsolisten und einem Chor; mehr als 50 Mitwirkende des Theaters werden in Begleitung eines Orchesters unter der Leitung von Barkhymer in Frankfurt auftreten. Für ihn ist es schon die vierte "Porgy and Bess"-Produktion, die er dirigiert. Langweilig wird ihm das nicht: "Ich habe das immer als etwas Besonderes empfunden, diese Oper zu dirigieren", sagt er vielmehr. "Von Porgy and Bess wird man nie müde", fährt er fort. Seine erste "Porgy and Bess"-Produktion dirigierte Barkhymer in einer Inszenierung der "Broadway / Houston Grand Opera Production" in Paris, London und Palermo. Später führte er die Oper mit den Orchestern des Teatro La Fenice in Venedig, der Oper Rom und der Cagliari Oper auf. Und im nächsten Jahr wird er die musikalische Leitung einer Produktion an der Oper von Bologna sowie an der Edmonton Opera in Kanada übernehmen.

Dabei ist aus ihm kein überheblicher Dirigent geworden. Angenehm bscheiden und zurückhaltend tritt er auf, verweist im Gespräch immer wieder lieber auf seinen Hauptdarsteller Alvy Powell, als dass er selbst Auskunft gibt.

Wer ihn aber dabei beobachtet, wie er in der Washingtoner "Library of Congress" die Originalpartituren von Gershwin studiert, merkt schnell, was für eine Ehrfurcht er vor dem Werk empfindet, das er schon so oft dirigierte. Natürlich weiß er, dass "Summertime" der "Reißer" der Oper ist, aber auch das erläutert er mit nonchalanter Zurückhaltung.

Nachdem William Barkhymer sein Musikstudium an der Indiana University mit dem Bachelor of Arts abschloss, studierte er an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Wien bei Professor Hans Swarosky. Mit einem Stipendium der italienischen Regierung setzte er sein Studium dann bei Professor Franco Ferrara fort. Darüber hinaus studierte er noch Jura an der University of Chicago Law School. Aber nicht nur deswegen weiß er, dass die Rechtevergabe für "Porgy and Bess" strikten Auflagen unterliegt. Standen früher in Europa noch schwarz angemalte Darsteller auf der Bühne, ist es mittlerweile nicht mehr erlaubt, die Oper von weißen Akteuren aufführen zu lassen. Wer das vorhätte, würde die Rechte gar nicht erst erhalten. Auch Barkhymer findet, es sei einfach Unsinn, wenn Weiße es aufführen würden. Nicht nur der Gesang, sondern auch Tänze und Bewegungen lebten nun einmal vom schwarzen Ensemble: "Die Oper ist für Schwarze geschrieben." Und welche ist ihm die liebste Aufnahme der Oper? Da muss er nicht lange überlegen: "Die von Miles Davis."