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30. März 2005

Oper Frankfurt, 2. April 2005
"La Traviata" von Giuseppe Verdi

Für den Regisseur Axel Corti (1933-1993), der sich in seinem Filmen immer wieder mit dem Faschismus auseinander setzte und wiederholt das Schicksal von Emigranten gestaltete, stand La Traviata von Giuseppe Verdi (1813-1901) von Anfang an nicht im luftleeren Raum einer modernen Vergnügungsgesellschaft.

Seine Inszenierung aus der Spielzeit 1991/92, die nun zum achten Mal wiederaufgenommen wird, transportiert Piaves Melodramma in das von der Hitler-Armee besetzte Paris der frühen vierziger Jahre.

Ensemblemitglied Juanita Lascarro feiert mit der Titelpartie in der 75. Vorstellung dieser Frankfurter Erfolgsproduktion am 2. April 2005 ihr Rollendebüt. Die kolumbianische Sopranistin hat erst kürzlich mit Monteverdis Poppea am Opernhaus Zürich und mit Gounods Juliette an der Wiener Staastoper debütiert. Der polnische Tenor Piotr Beczala, ständiger Gast an den Opernhäusern von Hamburg, Berlin, München, Wien, Zürich, Amsterdam und Paris gibt als Alfredo sein Frankfurt-Debüt. Kürzlich verkörperte er Gounods Faust am Londoner Covent Garden. Gleichfalls Frankfurt-Debütant ist der koreanische Bariton Carlo Kang, als Germont. Seine bisherige Laufbahn führte ihn an zahlreiche Bühnen Italiens. Die musikalische Leitung dieser Wiederaufnahme übernimmt Frankfurts Kapellmeister Roland Böer, der kürzlich mit Mozarts Titus einen überragenden Erfolg an der English National Opera London feiern konnte.

Zu den Alternativbesetzungen: Die Bulgarin Svetlana Doneva (Violetta) war bis vor kurzem Mitglied des internationalen Opernstudios der Oper Zürich. Mit dem Alfredo legt unser neues Ensemblemitglied Edgaras Montvidas seine „Visitenkarte" nun auch in Frankfurt vor. Trotz zukünftiger Verpflichtungen in London und New York bleibt Ensemblemitglied Željko Lučič der Oper Frankfurt u.a. als Vater Germont treu. Mit ihm im Wechsel gastierte der junge Schwede Anders Larsson bereits in Frankfurt, sang aber auch die Titelpartie von Ullmanns Der Kaiser von Atlantis sowie den Macduff in Blochs Macbeth. Am Pult steht für zwei Vorstellungen Frankfurts Solorepetitor Hogen Yun.

Am 22. April 2005 verkörpert im Rahmen einer Galavorstellung die Frankfurter Sopranistin Christine Schäfer die Violetta. Sie gehört mit Opernauftritten in Salzburg, Glyndebourne, Covent Garden, Paris, Amsterdam, Berlin oder München sowie in Nordamerika und den Partien Lucia, Gilda, Sophie, Lulu, Konstanze, Zdenka, Violetta und Alcina u.a. zu den erfolgreichsten Sängerinnen unserer Zeit.

 

Frankfurter Neue Presse
7. April 2005

„La Traviata" unterm Hakenkreuz

In das von den Nationalsozialisten besetzte Paris der frühen vierziger Jahre hat der Regisseur Axel Corti (1933–1993) Verdis "La Traviata" verlegt. Seine Inszenierung von 1991/92 wurde bereits zum achten Mal an der Frankfurter Oper wiederaufgenommen.

Für den Regisseur Axel Corti, der sich in seinen Filmen immer wieder mit dem Faschismus auseinander setzte und wiederholt vom Schicksal der Emigranten erzählte, stand Verdis 1853 in Venedig uraufgeführte Oper La Traviata von Anfang an nicht im luftleeren Raum einer mondänen Vergnügungsgesellschaft.

Seine Inszenierung transportiert Piaves Melodramma, dessen Text auf der Kameliendame von Alexandre Dumas d.J. beruht, in das von der Hitler-Armee besetzte Paris der frühen vierziger Jahre. Auch bei Corti erscheint Violetta Valéry als Opfer ihrer immer gnadenloser werdenden Krankheit. Denn La Traviata befindet sich hier nicht nur im Spannungsfeld von zu wahrendem Schein und individueller Tragödie. Corti stellt die Protagonistin zugleich mitten in das dramatische Zentrum einer polarisierten Gesellschaft.

Ensemblemitglied Juanita Lascarro als Violetta in dieser Frankfurter Erfolgsproduktion ihr Rollendebüt gefeiert. Die kolumbianische Sopranistin ist am 8. und 10. April auf der Bühne zu erleben; ihre Partie der Violetta singt am 22. April in einer Galavorstellung die Frankfurter Sopranistin Christine Schäfer sowie im Mai die Bulgarin Svetlana Doneva.

 

hr online
20. April 2005

Zu Gast daheim
Christine Schäfer gibt Gastspiel in Frankfurt

Geboren wurde sie in Frankfurt-Rödelheim als Tochter eines Metzgermeisters. Zum Studium ging sie nach Berlin, innerhalb von 15 Jahren hat sie eine Weltkarriere gemacht. Jetzt tritt die Sopranistin in der Oper Frankfurt auf.

Anlass für die Stippvisite in ihrer Geburtsstadt ist eine Galavorstellung der Oper Frankfurt. Christine Schäfer singt die Partie der "Violetta" in Verdis Oper "La Traviata". Die Sängerin gehört mit Opernauftritten in Salzburg, Glyndebourne, Covent Garden, Paris, Amsterdam, Berlin oder München sowie in Nordamerika und den Partien Lucia, Gilda, Sophie, Lulu, Konstanze, Zdenka, Violetta und Alcina u.a. zu den erfolgreichsten Sängerinnen unserer Zeit.

An ihrer Seite verkörpern Gasttenor Piotr Beczala den Alfredo und Ensemblemitglied Zeljko Lucic den Vater Germont. Die musikalische Leitung hat Frankfurts Kapellmeister Roland Böer.

 

Frankfurter Rundschau
20. April 2005

Die Liebe zur Dissonanz
Christine Schäfer, in Frankfurt jetzt als "La Traviata" zu Gast

Frankfurter Rundschau: Frau Schäfer, schon in Ihrer Zeit als Teenager haben Sie sich sehr für die moderne Oper interessiert. Was hat Sie daran fasziniert?

Christine Schäfer: Warum ich nun so hypnotisiert bin, wenn ich Dissonanzen höre, kann ich Ihnen nicht genau erklären. Aber es ist so. Die Moderne, das Dissonante hat mich schon immer angezogen. Damals, ich war ungefähr 16, war ich von der Gielen-Ära hier in Frankfurt wie gefangen. Ich habe mir immer wieder die gleichen Stücke angesehen, Zimmermanns Soldaten etwa, das war eine ganz wunderbare Inszenierung. Oder Die Sache Makropulos von Janácek.

Haben Sie damals denn auch das klassische Repertoire gehört?

Schon. Vor allem Bach und Brahms. Mozart aber konnte ich gar nicht leiden, das war mir damals viel zu harmonisch.

Sie debütierten mit Aribert Reimann, hatten Mitte der neunziger Jahre enormen Erfolg mit Alban Bergs "Lulu" und wurden mit einer Aufnahme von Boulez "Pli selon pli" für den Grammy nominiert. Hatten Sie je Angst, als Spezialistin abgestempelt zu werden?

Ja. Die Deutsche Grammophon hat es versucht. Sie wollte mich als Stimme der Moderne vermarkten. Ich habe abgelehnt, weil ich auch anderes singen wollte. Daraufhin habe ich den Plattenvertrag verloren.

Sie haben immer auch das klassische Repertoire gesungen, in den vergangenen Jahren, so scheint es, verstärkt. Was lernt man von der zeitgenössischen Musik für Mozart, Schubert oder Verdi?

Es ist eher umgekehrt. Ich lerne vom klassischen Repertoire für die Moderne. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Moderne ungeheuer an Normalität gewinnt, wenn es mir gelingt, sie wie eine Bach-, eine Händel- oder eine Schubert-Linie zu phrasieren. Man hatte ja gerade früher oft das Gefühl, als müsste ein Sänger sich quälen, um neue Musik überhaupt singen zu können. Wenn ich da die gleiche Natürlichkeit und die gleiche Selbstverständlichkeit erreichen kann, mit der Bach oder Schubert gesungen werden, dann sind wir alle einen wichtigen Schritt weiter.

Ihre Traviata aber hat nichts von der Moderne gelernt?

Doch. Aber nun gibt es da eine riesige Aufführungstradition, die man nicht einfach ignorieren kann. Eigentlich würde ich sie gerne ganz anders singen, aber da kriegt man ja gleich eins auf den Deckel.

Können Sie denn zumindest ein bisschen Neues einschmuggeln?

Am Schluss zum Beispiel, kurz bevor die Traviata stirbt. Da wird immer gesprochen, die Noten aber sind in der Partitur genau notiert. Ich versuche nun, die Tonhöhen zu treffen und trotzdem zu sprechen - so wie Schönberg das mit Pierrot Lunaire gemacht hat. Aber das ist natürlich nur eine Kleinigkeit.

Ist die Traviata für Sie eine besondere Herausforderung?

Unbedingt. Die Musik allein ist eine Sensation, die Geschichte ist stark, man kann sie in vielen Varianten erzählen. La Traviata ist für mich eine der gelungensten Opern überhaupt, sie hat einen enormen Sog, eine großartige Dramaturgie. Sie wirkt auf mich wie ein perfekt durchkomponierter Film.

Welches Verhältnis haben Sie überhaupt zur italienischen Oper?

Ich liebe die italienische Musik, ich singe sie unglaublich gerne, sie liegt mir auch, das habe ich schon gemerkt, als ich vor Jahren die Gilda in Verdis Rigoletto sang. Dennoch ist es wahnsinnig schwer, sich als Deutsche in diesem Repertoire zu behaupten. Das klingt wie ein Vorurteil, aber es ist so. Und vielleicht ist genau die Perspektive, dass ich solche Rollen nicht oft singen werde, das, was sie für mich so reizvoll machen.

Sie haben sich nie einem Ensemble angeschlossen, nie fest an einer Oper engagieren lassen. Weshalb eigentlich?

Wenn es ein verlässliches Ensemble in Berlin geben würde, wo ich seit 20 Jahren gerne lebe, dann könnte ich mir das vorstellen. Aber in Berlin ist es nun zurzeit sehr turbulent. Und mit dem Ensemble ist es ohnehin so eine Sache. Ich habe das Gefühl, eine Oper wie damals in Frankfurt unter Gielen, eine Oper mit einem so klaren Konzept, die hat es seitdem nicht mehr gegeben.

Haben Sie eine Idee, wieso?

Hm. Das ist schwer zu sagen. Es haben sich damals ein paar gute Köpfe zusammen gefunden und an einem Strang gezogen. Und es war eine andere Zeit.

2006, haben Sie gesagt, sei Schluss mit der Oper. Stimmt das?

Nee, so hab ich das nicht gesagt. Ich habe nur eben Kinder, die kommen dann in die Schule, und dann will ich nicht mehr über Monate weg sein. In Berlin aber werde ich weiter Oper singen.

Interview: Tim Gorbauch

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Copyright © Frankfurter Rundschau online 2005
Dokument erstellt am 19.04.2005 um 15:44:04 Uhr
Erscheinungsdatum 20.04.2005

Christine Schäfer ist in Frankfurt geboren und aufgewachsen. In Berlin studierte sie Gesang und galt schnell als eine der wichtigsten Interpretinnen für zeitgenössische Musik.
Parallel hat sie sich aber immer auch im klassischen Repertoire bewegt und wird heute als eine der wichtigsten Sopranistinnen überhaupt gehandelt - im Konzert wie auch in der Oper.
Im nächsten Jahr etwa debütiert sie als Donna Anna in einer Neuproduktion von Mozarts "Don Giovanni" an der Pariser Bastille-Oper.
Am 22. April ist sie in einer Galavorstellung der Oper Frankfurt in der Titelrolle von Verdis "La Traviata" zu hören.

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