Frankfurter Allgemeine Zeitung
27.07.2007, Nr. 172 / Seite 33

Bayreuth
Weg mit der Wagner-Nase!

Eleonore Büning Bayreuth


Risse in der Wagner-Welt: Der Ahnherr als Gipskopf am Flügel

Der Erwartungsdruck war übergroß. Ihm zu begegnen, tanzte die Bayreuther Kronprinzessin schon seit Wochen wie ein Derwisch auf allen Medienhochzeiten, Vorgestanztes raspelnd in jedes bereitgestellte Mikrofon. Zwangsläufig kam es zur Übersättigung, am Premierenabend zur Implosion. Fast logisch, dass dem Bassbariton Franz Hawlata am Ende die Stimme versagte, als er in seiner Schlussansprache als Hans Sachs die „Deutschen Meister" ehren soll. Das Defilée der Mitwirkenden im Blitzgewitter der Buh- und Bravorufe verstolpert sich in schlecht geprobtem Chaos. Kläglich das Ende, dem Wert und der Bedeutung dieses Eröffnungsabend der sechsundneunzigsten Bayreuther Festspiele völlig unangemessen.

Hatte nicht soeben eine Wagner-Urenkelin ihr Regiedebüt auf dem Hügel gegeben in erklärter Absicht, Bayreuth müsse endlich wieder die „Vorreiterrolle in der Wagner-Interpretation anstreben"? Hatte sie nicht, um zumindest aufzuschließen, zum ersten Mal in der Nachkriegsfestspielgeschichte unmissverständlich auf der Bühne die nationalsozialistische Vergangenheit ins Bild gesetzt? Und wurden da nicht, in einem atemraubenden Akt der Anklage, Gewohnheiten zerstört, Ikonen demontiert, Andersdenkende ausgegrenzt und Menschen wie Requisiten in den Müll geworfen, ja, in Brand gesteckt?

Weg mit den lästigen Spinnern!


Wange an Wange: Eva (Amanda Mace) und Walther von Stolzing (Klaus Florian Vogt)

Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil. Diese alte Bayreuther Hausregel nimmt sich Katharina Wagner, jüngster im Kreativfach tätiger Spross der weit verzweigten, tief zerstrittenen Wagner-Sippe, so zu Herzen, dass sie sich selbstironisch auf der Bühne zur Disposition stellt. Die Statisten, die da im heiklen dritten Aufzug von Richard Wagners einziger Komödie „Die Meistersinger von Nürnberg" von Sachsens Handlangern in die Metallcontainer befördert werden, sind eindeutig Doubles des Regieteams: eine Blondine, ein kleiner Mann im Dirigentenfrack, salopp gekleidete Bühnenbildner oder Kostümdesigner.

Die jungen Leute verbeugen sich mehrfach an der Rampe, werden dann einkassiert und entsorgt. An dieser Stelle gibt es spontan Jubel im Festspielhaus: Immer weg mit den lästigen Spinnern! Kurz darauf aber fällt den Applaudierenden, die da eben noch für die Verklappung Andersdenkender in den Müll votiert hatten, diese Pointe wieder schmerzhaft auf die Füße: Der Container wird feierlich in Brand gesteckt, und Sachs und Konsorten heben die Hände zu einer Geste, der zum deutschen Gruß nur noch wenige Zentimeter aufwärts fehlen.

Auf Onkel Adolfs Knien


Carola Gruber und Eva Mace als pubertierendes Zwillingspaar Eva und Magdalene

Selbstreferentiell sind viele slapstickartigen Regieeinfälle Katharina Wagners, hier wie auch schon in ihren zwei vorangegangenen Wagner-Inszenierungen in Würzburg ("Holländer") und Budapest ("Lohengrin"). Dauernd werden symbolisch alte Zöpfe abgeschnitten. Und immer wieder winkt sie mit dem Zaunpfahl in Richtung Sippe. Immerhin war der letzte, der vor ihr auf dem Hügel Richard Wagners „Meistersinger" inszeniert hatte, der eigene Vater. Wolfgang Wagner, dessen frühlingsgrüne Festwiesenapotheose in ihrer Harmlosigkeit gar nicht mehr zu übertreffen war, gehört zu jener Generation der Wagners, die noch von Onkel Adolf auf den Knien geschaukelt wurde.

Nun sind ja gerade die „Meistersinger", nicht zuletzt wegen der heimelig altertümelnden Diatonik, den affirmativ Dur-jubelnden Massenchören ("Wacht auf, es nahet gen den Tag") und besagter Sachs-Ansprache ehemals die repräsentative Parteitagsoper im Nationalsozialismus gewesen. Außerhalb Bayreuths haben Regisseure von Neuenfels bis Konwitschny diesen Fall in ihren Inszenierungen zur Sprache gebracht. Wie das zu Hause bei Wagners am Kaffeetisch diskutiert wird, tut scheinbar nichts zur Sache. Doch andere Nachkommen der dritten Generation wie Nike, Gottfried, Wolf Siegfried oder Eva haben sich längst schon auf der Bühne der Öffentlichkeit mit der Schuldfrage befasst. Katharina Wagner ist die Erste, die nun, ausgestattet mit dem Segen des greisen Vaters und Festspielleiters, auch die Wagner-Freunde in Bayreuth damit konfrontieren darf.

Demontage der Übermenschen


Hoch zu rühmen: Norbert Ernst als Interpret des Tenors David

Man kann kritisieren: längst abgefrühstückt, viel zu spät. Aber die Verstrickung der Rezeption Wagnerscher Musik in den Nationalsozialismus ist kein Thema, das einen Schlusspunkt zulässt. Man könnte auch sagen: viel zu grobklotzig, alles überinszeniert. Doch immerhin kann niemand behaupten, er habe den röhrenden Hirsch in Gold zwischen den brekerartigen Übermenschenstatuen am Ende des Abends nicht bemerkt oder die Gesten nicht verstanden, mit denen der auf einmal so unangenehm streng gescheitelte Hans Sachs das Brandopfer ins Werk setzt.

Das Stück, das am Ende so aufrührerisch auf den Kopf gestellt wird, beginnt wie eine gute Komödie als ausgefeiltes Kammerspiel. Und auch in dieser Hinsicht macht Katharina Wagner die besten Witze über sich selbst. Fast in jedem der drei Dutzend Interviews, die sie im Voraus gab, hatte sie erklärte, ihr Vater habe ihr die Regie der „Meistersinger" erst anvertraut, als er wusste, sie könne umgehen mit einem Chor. Tatsächlich hat sie den Chor weitgehend von der Bühne verbannt. Die Gesamtleitung liegt bei dem jungen Kapellmeister Sebastian Weigle, der forsche Tempi anschlägt und eine temperamentvolle, aber spannungsarme Dynamik ausprobiert, was zu Balancestörungen und sogar Wacklern führt. Einzig das elegische Vorspiel zum dritten Aufzug glückt.

Geistesgrößen in Gips


Versenkt ins metaphysische Spintisieren: Franz Hawlata als Hans Sachs

Die Kirche, in der die Internats-Lehrbuben feierlich ihre „Kerzen" aufstecken vor einem Altarbild, das als Stillleben Wurst und andere Essbarkeiten zeigt, ist ein Museum der schönen Künste, worin zwölf deutsche Geistesgrößen in Gips von der Galerie grüßen: Hölderlin, Schadow, Dürer, Beethoven, Schinkel, Kleist, Schiller, Goethe, Bach, Wagner, Lessing, Knobelsdorff. Die Meistersingerzunft trägt den Muff von tausend Jahren unter den Talaren und bezieht ihr Wissen aus Reclamheftchen. Nur der junge Quergeist Hans Sachs geht als zünftiger Schuster selbst barfuß wie ein Hobbit, qualmt wie ein Schlot und hackt seine Verse in eine alte Schreibmaschine. Er hat als Einziger Verständnis für den jungen Wilden, der im zweiten Stock aus dem Flügel kriecht und Jung Eva sofort schöne Augen macht.

Eigentlich liegt die Partie des Sachs für Franz Hawlata zu hoch. Doch im zweiten Akt, als er um Haaresbreite dem Charme Schön Evas mit ihrem fliederfarbenen Schal erliegt, gelingen ihm wundersam leise Zwischentöne. Eva und ihre Amme Magdalene agieren als eineiige Zwillinge: zwei pubertierende, rundliche Mädchen, die immerfort kichern und hopsen. Walter von Stolzing ist ein Schönling in Turnschuhen, der sich in infantiler Freude die Welt aneignet, sie zerlegt und verwandelt. Er malt die Gipsfiguren an, wie weiland Hindemith dem Beethovendenkmal einen Bart malte.


Die Meistersingerzunft zieht ihr Wissen aus Reclamheften: Franz Hawlata als Hans Sachs (links) und Michael Volle als "Sixtus Beckmesser"

Klaus Florian Vogt ist ein Wagner-Tenor, wie er auf dem Hügel lange nicht mehr zu hören war: stahlklar, sonnenglänzend, sicher in der Intonation, heldenhaft in der Ausstrahlung. Sixtus Beckmesser dagegen sieht nicht nur aus wie Jack Nicholson, er schlurft auch genau so dämonisch-verplant durch die Gegend. Auch Michael Volle ist sängerisch ein Glücksfall: Er verleiht dieser geschundenen Figur nicht nur Chuzpe, Größe und Glaubwürdigkeit, er singt auch wunderbar. Auch die sängerische Leistung des Tenors Norbert Ernst, der den David als Stift in kurzen Hosen gibt, ist hoch zu rühmen. Und der Nachtwächter (Friedemann Röhling) als eine Art Marthalerscher Running Gag ist als Hausmeister allezeit präsent, sammelt die Flaschen ein, ölt die Klinken.

Risse in der Kunst-Welt

Wie diese nette Kunst-Welt nach und nach Risse bekommt, wie die idyllischen Figuren allmählich ihre Konturen und ihre Identitäten verändern, wie die Bühne aus den Fugen geht und die Gipsköpfe ins Leben finden, bis schließlich alles gipfelt in einer wie bei Breughel nach Absurdistan verlegten Johannisnacht, in der es Schuhe und Reclamheftchen regnet, das muss man gesehen haben. Übertroffen wird dieses zweite Aktfinale allenfalls noch vom Festwiesenfinale, darin die alten Meister einen obszönen Cancan tanzen und Richard Wagner persönlich ein Stück von der gipsernen Nase verliert.

Bildmaterial: AP, ddp, dpa, Enrico Nawrath

 

DIE WELT
27. Juli 2007

Bayreuth
Die "Meistersinger" – Sexpuppen und Musikanten
Bühnentreiben mit Hang zur Plattheit, freudlos abgespulte Musik. Auf Komponisten-Urenkelin und Regisseurin Katharina Wagner wartet nach ihrem Bayreuther „Meistersinger"-Debüt einiges an Feinarbeit. Bis zum zweiten Akt inszeniert die 29-Jährige noch mutig.

Von Manuel Brug

„Bereue" – „Nein" – „Bereue" – „Nein!" Dann fahr zur Hölle". Das ist kein Purgatorium, welches nun etwa hinter der Bayreuther Festspielbühne für das so gefeierte wie erwartungsgemäß bebuhte Regiedebüt von Katharina Wagner auf dem Grünen Hügel abgehalten worden wäre. Das fand schon mehr als zweihundert Jahre vorher zum ersten Mal statt und beschallt jetzt an diesem sonnigen, zum Bayreuther Schicksalstag ausgerufenen Sommermittag die Toilette der Cafés neben dem markgräflichen Opernhaus: Dort, wo das Finale von Mozarts „Don Giovanni" zumindest akustisch tobt, scheint augenblicklich die einzige wagnerfreie Zone vor Ort.

Katharina Wagner, die 29-jährige Vatertochter, die sich von ihm, dem legendären wie längst umstrittenen Leiter, der nur noch schemenhaft, aber aufrecht im Eingangstor des Königsbaus beim Begrüßungsdefilee zu sehen war, längst abgenabelt und ihren eigenen, ziemlich konsequenten Regieweg geht, sie braucht auch nicht zu bereuen. Eher nachzubessern.

Denn dafür war die Werkstatt Baryeuth schließlich einmal gut. Ähnliches scheint ihr Angela Merkel auf dem Staatsempfang im Bayreuther Schloss vergnügt zugeflüstert zu haben, nachdem Edmund Stoiber Walter (!) Genscher begrüßt, und die die Inszenierung als „interessant" feige übersprungen hatte.

Dabei gab es hier nichts zu überspringen und von Regiefeigheit kann schon gar nicht die Rede sein. So manchem mag es sogar gegruselt haben, als da nach sechseinhalb Stunden der Sachs fies von untern beleuchtet vor einem konform applaudierenden Festspielpublikum auf der Bühnentribüne einen golden röhrenden Hirschen als Siegespreis für den schönsten Tenorschlager überreichend die „heil’ge deutsche Kunst" beschwor - und aus dem Bayreuther (!) Boden zwei kolossale Arno-Breker-Statuen schossen.

Die Musik bleibt im Ungefähren

Selten sah man eine so konsequente und – paradox – gleichzeitig so inkonsequente „Meistersinger"-Inzenierung. Die so spitz in den Nerv dieses Stückes aus Typenkomödie und deutscher Nabelschau, Kleinstädterei und Weltbehauptungsanspruch trifft.

Die so zwingend den Streit zwischen Tradition und Aufbruch am Beispiel des Gesangs ganz aktuell in ein Duell der boomenden Bildenden Künste zwischen restaurativen und avantgardistischen Tendenzen verwandelt. Die Sachs, Stolzing, Beckmesser und Eva so eindeutig miteinander auch ideologisch in Beziehung setzt. Die sich dann aber auch wieder kindisch verhaspelt, pubertär im Ungefähren bleibt und anfängerhaft ungeschickt hantiert.

Wobei es zumindest zu Beginn den Anschein hat, als ob die Musik hier auch eine entscheidende Rolle mitspielen würde. Sebastian Weigle, ebenfalls Hügel-Debütant, aber kein Wagner-Anfänger, gelingt eine heiter und licht dahinspazierende Ouvertüre, den Holzbläsern gilt seine besondere Aufmerksamkeit. Schon der Schluss des ersten Aktes verpufft freilich im Ungefähren. Und dann werden die Klänge aus dem unsichtbaren Graben immer unauffälliger, glanzloser, nicht nur weil die Bühne so dominant war.

"Meistersinger" anno 1951 - Butzenscheiben-Nostalgie

Da wurde weitgehend abgespult, selbst im vollen C-Dur-Ornat trat die Partitur nicht mehr in die erste Reihe. Was nur zum Teil an der bei diesem Stück ungebührlich dämpfenden Bayreuther Spezialakustik liegt. Mehr Vehemenz, mehr Gespanntheit, mehr klanglicher Spaß sind durchaus möglich.

1924, nach dem verlorenen Krieg, nahm das Bayreuther Festspielpublikum die Schlussansprache stehend entgegen und antwortete mit dem Deutschlandlied. Ab 1943 wurden hier für Kriegsverwundete nur noch die „Meistersinger" als musikalisches Reichsparteitag gespielt.

In Neubayreuth 1951 wurde diese Oper sofort wieder als ungebrochene Butzenscheiben-Nostalgie mit Karajan und Elisabeth Schwarzkopf gegen Wielands Wagners szenische Entrümplung gesetzt. Der selbst kam in zwei Inszenierungen (1956 und 1963) nicht gegen den scheinbar übermächtigen Realismus dieser nicht nur konischen Stücks an, ab 1968 war es in drei Varianten die harmlos tümelnde, höchstens den Beckmesser neu bewertenden Tanzfestwiese für Wolfgang Wagner.

Zwischen Adolf Hitler und Harry Potter

Das konnte und wollte die aufmüpfige Katharina Wagner nicht so stehen lassen. Sie sagt vehement, wie schon Onkel und Vater 1951: „Hier gilt’s der Kunst". Aber einer, die nicht wegschaut, die sich nicht klein macht und die nicht versöhnlich ist.

Tilo Steffens souveränes Einheitsbühnenbild ist vieldeutig wandelbar. Zunächst zeigt es einen nussbraun getäfelten Saal als Mischung aus Museum, Kunstkirche und Akademie, auch Anklänge an Wohnhallen in den Villen Hügel und Wahnfried stellen sich ein. Der Raum ist noch nicht fertig, an seinem Freskenprogramm – vorn schauen Dürers Augen herab – wird noch von einem Gerüst aus gepinselt.

Die Lehrbuben und -Mädchen, mit ihrem grauen Ornat und ihren Einheitspagenköpfen eine Mischung aus Harry Potters Hogwarts- und Hitlers Napola-Belegschaft, tragen kerzenartige Stangen herein, die sich als Tischbeine entpuppen. In einem so absurden wie komisch umständlichen Ritual werden sie zur Meistersinger-Tagungstafel zusammengebaut, auf der Talare und Stapel gelber Reclamheften als Urtextversicherung und Werktreuegarantie bereitliegen.

Der wackere Ritter malt Blumen

Später wird hier ein schusselig-alter Veit Pogner (unsalbungsvoll: Arthur Korn) präsidieren und ein detailpusseliger Fritz Kothner (schön kleinbürgerlich: Fritz Eiche) assistieren. David (präziser Duckmäuser: Norbert Ernst) kopiert fleißig die Tagungsordung, während Eva und Magdalene (schwach: Carola Gruber) als drall rothaarige Zwillingsschwestern kindisch um den Ritter Stolzing balzen.

Der wurde von Michael Barth (wie alle anderen auch diffus zeitgenössisch) als Künstlerdandy eingekleidet. Er taucht aus einem Flügel auf, der wie weiteres Kunsthandwerkszeug samt zwölf Statuen deutscher Meister von Bach bis Wagner, von Nietzsche bis Einstein auf den beiden Galerien steht.

Dieser Stolzing ist ein tumber Selbstverwirklicher. Katharina Wagner lässt ihn rücksichtslos seine Farbkreise ziehen, seine alberne Aktkunst wird von den entrüsteten Meistern mit ihren englischen Doktorkappen verhüllt. Unbekümmert richtet Stolzing einen Scheinwerfer auf sich selbst statt auf ein Theatermodell und pinselt einfältig Prilblumen.

Die Regie-Probleme beginnen im zweiten Akt

Sieht so die moderne Kunst aus? Die Regisseurin bleibt hier zweideutig, man weiß nicht, was sie wirklich kritisiert. Oder hält sie es mit Karl Valentin? „Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit." Hans Sachs dem barfüßig rauchenden Nonkonformist im offenen Hemd scheint die Stolzing-Kunst zu gefallen. Er sichert sich eine der beschmierten Tischplatten, während das versungene Antrittslied Walters optisch zu einem Puzzle nach einem Nürnberg-Stich verändert wurde, den der Merker Beckmesser korrekt zusammensetzt, während Stolzing frei Schnauze variiert.

Bis hierher sind diese „Meistersinger" witzig, aufgeräumt, intelligent und präzise gearbeitet - und gar nicht skandalträchtig. Die Probleme beginnen mit dem zweiten Akt, wo sich hinter Kaffeehaustischen mit Blümchendecken eine Wohnwabenwand mit Geranienkästen auftut. Dort hausen als Schatten die Meister, der Nachwächter (Friedemann Röhling), vorher noch abstaubender Marthaler-Museumswärter, sammelt akribisch Müll auf.

Die langen Szenen zwischen Eva und Stolzing, Eva und Sachs, Sachs und Beckmesser sind zu wenig durchgestellt. Wenn sich Eva sehr unvermittelt an Sachs ranmacht, dann ejakuliert der mit einer Sektflasche: ein inzwischen abgeschmacktes Bild, das auch nicht besser wird, wenn im dritten Akt impotent der Korken drin bleibt und die Flasche schließlich in Scherben gehauen wird.

Buhrufe für den schwachen Bassbariton

Nix mehr los in Sachsens Hose. Deshalb auch wird er, der Schriftsteller an der altmodischen Schreibmaschine, der von Stolzings Turnschuhen aus dem Schnürboden umregnet wurde, jedes Mal, wenn Beckmesser einen Fehler beim Ständchensingen macht, allmählich zum Renegaten.

Aber auch weil die Prügelfuge als surreales Pandämonium und wüste Schlacht der Künste anhebt, die nur zerrissenen Wände als nacktes Gerüst und die Meister in Unterhosen mit Andy Warhols Cambell’s Suppendosen auf dem Kopf zurücklässt. Die Meisterbüsten werden lebendig, Farbe kleckert, das Jungvolk tanzt anarchisch Pogo-Polonaise. Beckmesser aber reißt sich befreit den Anzug vom Spießerleib, während ein geläuterter Stolzing die von ihm bekleckerte Riesenkulpturenhand (die der Fliederbusch-Ersatz war) säubert und Sachs die Reclams neu stapelt.

Wirklich genial die Schusterstube, in der sich die begonnne Wandlung aller manifestiert. In dem schicken Loft erscheint Sachs in neuem Anzug und Schuhen. Der später ausgebuhte Franz Hawlata, durchaus an allen berühmten Opernhäusern zu Hause, offenbart allerdings spätestens hier erschreckend, dass diese anspruchsvollste Bassbaritonpartie vor allem seine voluminösen Möglichkeiten weit übersteigt.

Sexpuppen-Eva trifft Musikantenstadl-Stolzing

Die farblich Angela Merkels Bayreuther Schweißfleckenkostüm angenäherte Amanda Maces Eva singt mit so unfreier Stimme und unsicherer Intonation den Quintett-Anfang, dass man sich fragt, wie sie es nach Bayreuth geschafft hat. Sie alle werden jetzt zum doppelt mausgrauen, noch dazu hausmusizierenden Familienbild im Goldrahmen gruppiert, zwischen dem Sachs präsidiert.

Platt dann wieder der Beginn der zunächst volklosen Festwiese, wo die schon im „Wahn"-Monolog zu Karnevalsmasken samt kleinem Statisten darunter gewachsenen Meisterstatuen einen albernen Cancan tanzen und mit nackten Puppenmädels aus Fürth bacchanalisch poussieren.

Dann aber schwenkt das Bild noch einmal um: die Künste, in Gestalt von Dirigent und Regisseur werden (allzu selbstreferenziell) entsorgt und verbrannt, die Bühne ist für das Preissingen frei. Der wunderbare, kluge und satt tönende Beckmesser Michael Volles, nun der barfüßige Anarchist, führt eine dämliche Performance für einen nackten Adam, eine Sexpuppen-Eva und viele Lufballons aus, während der als Hansi Hinterseer entlarvte Stolzing, der die Kunst für Eva verraten hat, in einer Musikantenstadlkulisse sein Preislied als süßlichen Tenorhit zelebriert (und ein wenig denunziert).

Es bleibt noch viel Feinarbeit in Bayreuth

Klaus Florian Vogt, der wenig Schmelz, aber ein verführerische Stahlbeimischung in seinem hinreißend eigenwilligen Chorknaben-Timbre hat, wird so, genau wie auf der Bühne, zum endgültigen Sieger es Abends, während das nun geistig sehr finstere Nürnberg mit Eberhard Friedrichs machtvollen Chören und seinen überflüssigen Katharina-Wagner-Blondklonen im Dunkel versinkt.

Da warten im nächsten Jahr noch viel Feinarbeit und das Können des Weglassens auf die Regisseurin und ihren übereifrigen Dramaturgen Robert Sollich.

 

Frankfurter Rundschau
28 Juli 2007

Bayreuth 2007
Reise in die deutsche Umnachtung
VON HANS-KLAUS JUNGHEINRICH


Bayreuther Beatnik (ap)

Der Zuschauer, der gerne hinschaut und sich seine eigenen Gedanken macht, ist verdutzt und nachgerade fast verärgert: In mehr als 150 Interviews hat Katharina Wagner, Regisseurin der diesjährigen Bayreuther Festspielpremiere "Die Meistersinger von Nürnberg", die Interpretation ihrer Inszenierung erläutert und dabei als griffigen Bezugspunkt die Achtundsechziger-Zeit suggeriert.

Unschwer konnte daher am Premierenabend von einem "Vatermord" der 29-Jährigen am 87-jährigen Familienpatriarchen Wolfgang Wagner gemunkelt werden. Der hat seine jüngste Tochter doch so weit (und wider sonstige Bewerbungen verwandtschaftlicher Elemente) präpariert, konditioniert, munitioniert und propagiert, dass sie als in Bälde vielleicht schon designierte Festspielleiterin dasteht - im Bewusstsein hechelnder Nouveauté-Jäger scheint sie schon heute die Herrin auf dem Grünen Hügel zu sein.

Dabei ließ sie keinen Zweifel daran, dass sie, als junges Mädchen Assistentin bei Wolfgang Wagners "Meistersinger"-Einstudierung, handwerklich viel von ihrem Vater gelernt habe, ästhetisch aber auf einem anderen Planeten lebe. Wohl näher bei Christoph Schlingensief, dessen "Parsifal"-Erfolg sie vor drei Jahren als Regiemitarbeiterin dank ihrer stämmigen personality entscheidend förderte.

Im verführerischen Netz Bayreuther Selbstinterpretationen sollte man sich bei den aktuellen "Meistersingern" nicht verfangen, womit man dem Druck der übermächtigen Intentionen und Ambitionen ein wenig ausweicht und, auf die Gefahr der Naivität, sich dem Augenscheinlichen anheimgibt. Vielleicht war der verinnerlichte Erwartungsdruck und die dadurch auf Hochtouren gebrachte Dramaturgiemaschine überhaupt der entscheidende Hemmschuh für eine frische, runde und durchschlagende Neuaufführung dieses Stückes, das sich als entfesseltes Lustspiel und beflügelte Spiellust nicht recht aus den Eierschalen und den Verpackungsmaterialien vorab ausgedachter Deutungsstrategien herauszulösen vermochte.

Der erste Akt wirkte wie eine lange, zähe Exposition ins Nichts. Keine Kirchenszene, sondern, mit Seitengalerien und frontalen Kastenelementen, ein undefinierbares Interieur, mit zahlreichen Gipsbüsten allenfalls als Raum einer Kunstakademie kenntlich. Dieser Bühnenrahmen von Tilo Steffens diente im Mittelakt fast unverändert als Außenhofansicht eines motelartigen Gebäudes. Für die Schusterstube wurde eine ähnlich quadrierte Frontwand vorgezogen, zur "Festwiese" bekam der Chor eine zentrale Steilterrasse.

Mit der strikten Vermeidung von altnürrembergischen Knusperkulissen betrat diese Szenographie fürwahr kein Neuland. Auffällig war aber doch das Abgehen von allen noch so vorsichtig historisierenden Ansätzen. Gnadenlos war dieses Spiel in die Gegenwart gezogen. Und statt der gewohnten atmosphärischen Gemütlichkeit schienen Kälteströme die Darstellungsenergie zu stimulieren. Herzlichkeit und tümliches Gewese hatten unlängst auch in avancierten Annäherungen das übel korrumpierte deutschnationale Pathos des Werkes gemildert. Nichts davon mehr bei Katharina Wagner.

Doch solche Tendenz-Deutlichkeit zeichnete sich im ersten Akt noch kaum ab. Hier verblüfften die eher schleierhaften Eskapaden einer mit Dilettantismus kokettierenden Personen- und Chorregie. Anfangs trummelten zwei dicke Mädchen albern auf der Bühne herum: Eva und Magdalene, aus unerfindlichen Gründen zum Zwillingspaar stilisiert. Auch des weiteren hatten sie noch weidlich Gelegenheit zu selbstverleugnenden Auftritten, Eva vor allem als Vorgriff auf ein spießiges Muttchen im bizarren Pink- oder Apricot-Kostüm auf der Höhe des dritten Aktes (Kostüme: Michaela Barth).

Bei stimmlicher Unproblematik hätte man das leichter verschmerzen können, doch Carola Guber (Magdalene) flackerte und Amanda Mace (Eva) intonierte flach und ließ sich von jedem Forte ins Forcieren treiben.

Tempoverlust war im Kopfakt vor allem durch die Sistierung des David hinzunehmen, der vom munteren Kerl zum bürokratischen Anzugträger mutiert war, wobei auch die charaktertenorale Diktion von Norbert Ernst einige Federn zu lassen hatte.

Die lethargische Schar der baretttragenden Meister müffelte vor sich hin und nahm es kaum zur Kenntnis, wie flegelhaft sich Walter von Stolzing gleich zu Beginn an ihren Konferenztisch oder auf den Konzertflügel fläzte.

Der karikaturhaft diszipliniert agierende Lehrbubenchor wurde ebenso zum etwas lehrhaften Interpretations-Zeigefinger wie der unbeschuht auftretende Hans Sachs, gewissermaßen als "Barfußschuster" nicht nur ein krasser Außenseiter, sondern ein sich selbst und seiner Profession gründlich Abhandengekommener.

Ein bisschen barfuß geschustert dieser ganze erste Akt, und bis weit in den zweiten verfolgen den Betrachter die scheinbar (?) amateurhaften Eintrübungen. So neuerlich bei den Lehrbuben, deren "Johannistag"-Walzer von den Minimalbewegungen der Getränkeflaschen müde witzelnd à la Loriot markiert ward. Geradezu unzulässig das Ersetzen der Sachs'schen Hammerschläge durch Schreibmaschinengeräusche - so ähnlich, als würde man in "Tosca" die Glocken von Rom durch Handypiepser substituieren. Dass dabei auch Schuhe vom Schnürboden poltern, ist lustig, aber kein musikalisches Äquivalent.

Immerhin ist es das Finale des Mittelaktes, die so genannte Prügelfuge, was die erste wirklich überzeugende Aufführungssequenz ergibt. Einmal keine politisch bedrängte denunziatorische Gewaltorgie, auch kein abgedunkelt gehaltenes Action -Chaos, vielmehr eine munter und präzis choreografierte anarchistische Etüde, die auch einigen Charme verbreitet, indem etwa die Gipsbüsten lebendig werden und miteinander tänzeln und Beckmesser mit einer von ihnen. Dabei ahnt man, dass eine Verwandlung mit ihm geschieht. Die Johannisnacht macht ihn zu einem neuen Menschen.

Auch Hans Sachs verändert sich. Während des Wahnmonologs im dritten Akt berappelt er sich, zieht sich Schuhe an, stellt seine kettenrauchende Nachdenklichkeit ein und wird zum Funktionär. Katharina Wagner ist, über Nel und Konwitschny hinaus, tatsächlich die erste, die ernstlich Hand an die Sachsrolle legt, und das ist ein Verdienst. Die Demontage des heldischen Volkskünstlers kündigt jeden Rest von Versöhnung auf, quittiert auch den schönen Wagner'schen Wahn, an der Schwelle zur Moderne beim Kampf alter und neuer Kunst und Lebensart noch einmal harmonisierenden Kräften Stimme und Siegel zu geben.

Dem drohenden Chaos begegnet Sachs durch dezidierte Hinwendung zur Ordnung. Das knirscht natürlich auch in dieser Optik, aber es begründet die Verfinsterungen auf der Festwiese. Das Hohle, Illusionäre des Sachs'schen Populismus wird schonungslos vorgeführt. Ausgerechnet der "Wach auf"- Chor, Kernmoment des Sachs'schen Bades in der Menge, erklingt aus dem Off. Bei seinem letzten, vor "welschem Tand" warnenden Monolog wird auf dunkler Bühne nur sein Gesicht von unten angeleuchtet: ein "mephistophelischer" Fürsprecher deutscher Kunst, die dabei von zwei Monumentalplastiken im Breker-Gusto repräsentiert wird. Gespenstisch. Und nun wirklich kein sursum corda mehr.

Stolzing und Eva sind vor Sachsens Finalmonolog längst auf etwas schusslige Art von der Bühne verschwunden. Mit Sachsens Hilfe mausert sich der junge Ritter vom Kunst-Beatnik zum publikumsfreundlichen Entertainer. In der ersten Hälfte spritzt er recht berserkerhaft mit dem Farbeimer herum, und auch die Schusterstube bekräftigt ihn, nicht ohne interpretatorischen Krampf, als Bildenden Künstler. Klaus F. Vogt singt mit sehr hell timbriertem, schattenlosem, eher kleinem, aber erstaunlich robustem (also auch beim finalen Preislied noch unermüdetem) Tenor. Der Sachs von Franz Hawlata präsentiert seine Prachtstücke, den Flieder- und den Wahnmonolog, mit abgerundeter, lyrischer Intensität, opfert dann aber die Schusterliedstrophe im dritten Akt (den emotionalen Höhepunkt seiner Rolle, vielleicht der ganzen Oper) mit mürrischem Understatement einem jegliches Verzichtpathos unterlaufenden Regiekonzept.

Zum dauerhaften Gegenspieler Sachsens und schließlich zur "positiven" Figur gerät, zumal am Schluss, Beckmesser, der den umgekehrten Weg wie Stolzing beschreitet. Am öffentlichen Scheitern des Stadtschreibers ist nichts abzuhandeln. Aber er stellt sich als eigentlicher "Mahner" dar, wenn er der patriotischen Umnachtung Sachsens ungläubig staunend und mit Entsetzen zusieht. Der Bariton Michael Volle macht, mit markanter Tongebung und bester Textverständlichkeit, die Wandlung vom Schulfuchs zum Ausgestoßenen vehement plausibel. Katharina Wagners Entdeckung eines latenten Kunst-Pioniers kann sich schließlich auf Ernst Bloch berufen, der die avantgardistischen Qualitäten des Beckmesserliedes erkannte.

Musikalisch war die Aufführung bei Sebastian Weigle, dem künftigen Frankfurter Opern-GMD, in umsichtigen und sorgfältig disponierenden Händen. Wie manche seiner Vorgänger haderte Weigle mit dem verdeckten, vermischende Homogenisierung evozierenden Bayreuther Orchesterklang. Deutlich Weigles Bestreben, die "Meistersinger"-Polyphonien aufzulichten und klare Strukturen zu erzeugen (womöglich auch mit elektroakustischer Nachhilfe, wofür einige seltsame Raumechos verantwortlich sein mochten). Ganz gelang ihm das noch nicht, aber immer wieder zeigte sich - sehr auffällig im Orchestervorspiel zum dritten Akt - die Bemühung um das geformte, aus dem Halbschatten pauschalen Dröhnens befreite Tonbild, das die schönsten Tag-Ansichten des Wagner'schen Komponierens herausstellte.

So gab die Aufführung kaum Anlass zu glatten Triumphen oder Ärgernissen, sondern bedeutete eine Fülle von Interessantheiten und Anregungsstoffen. Keine Bayreuth-Direktorin klärte sich dabei ab, aber eine ernstzunehmende Interpretin.

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Dokument erstellt am 26.07.2007 um 16:44:02 Uhr

Letzte Änderung am 27.07.2007 um 15:35:21 Uhr

Erscheinungsdatum 27.07.2007

 

SPIEGEL ONLINE
26. Juli 2007

BAYREUTH 2007
Buh-Orkan auf dem Grünen Hügel
Von Werner Theurich

Katharina Wagner hatte mit ihrer Neuinszenierung der "Meistersinger" in Bayreuth viel vor. Das Ergebnis war ernüchternd: eine kopflastige und dennoch beeindruckend platte Wagner-Pizza - jede Menge Belag auf dünnem Boden. Das Publikum quittierte die Premiere mit einem Buh-Konzert.

Nackte Panik muss Katharina Wagner bei der Konzeption ihrer Neudeutung von Richard Wagners "Die Meistersinger von Nürnberg" im Nacken gesessen haben: Einstand in Bayreuth, Kampf gegen die vermeintlich humorige Idylle der Künstler-Oper, Konkurrenz mit provokationserprobten Skandalnudeln wie Schlingensief, Stress um ihre mögliche Nachfolge von Wolfgang Wagner als Festspiel-Chef - da können einer 29-jährigen Newcomerin auf dem Regiestuhl schon einmal die kreativen Pferde durchgehen.

So packte sie den "Meistersinger"-Stier bei den Hörnern und brezelte die im Kern zeitlose Singer/Songwriter-Parabel um Liebe und gesellschaftliche Zwänge zu einer vielschichtigen Kunst-Diskussion auf. So weit, so ambitioniert. Und Katharina Wagner kamen - dank detaillierter langjähriger Werkkenntnis - jede Menge Ideen. Leider versuchte sie, alle zu realisieren und in eine große bunte Wundertüte zu packen. Die Inszenierung ging so wegen akuter Überfracht unter - dank einiger überragender musikalischer Leistungen allerdings nicht sang- und klanglos.

Die bekannten Szenen und Requisiten der Oper sind verschwunden: Keine Schusterstube, keine Festwiese, kein fester Ort. Diese Meistersinger schweben in einer fein gedrechselten Kunstwelt aus Zitaten und Anspielungen. Ein intellektuelles Spiel, das allerdings nur oberflächlich und kurzfristig verwirrt. Denn die Bilder und die Regie sprechen stets eine überdeutlich plakative Sprache.

Alles ist Diskurs, viel ist Klamauk

Die Kirche, in der sich anfangs der Ritter und Jungkreative Walther von Stolzing und seine künftige Liebe Eva treffen, ist eher ein Weiheraum der Kunst. Albrecht Dürer späht gleich dreifach überlebensgroß durch die Dachbalken, in kleinen Parzellen an der Rückwand der groß aufgespannten Guckkasten-Bühne sieht man einen Konzertflügel, eine Licht-Installation, eine Plastik und anderes mehr. Sauber gedrillte Nürnberger Schüler, ehemals als "Lehrbuben" der Handwerker-Zünfte firmierend, huldigen sauber in Reih und Glied und hübsch schuluniformiert einer Staffelei mit Gemälde, bauen brav die Tische und Stühle für die Kunsthonoratioren der Stadt auf, während sich Eva und Walther näher kommen. Auch per Kunst: Walther bemalt und verfremdet ein Cello für seine Geliebte. Diese Entgrenzung der Räume als dramaturgisches wie erzähltechnisches Mittel bleibt der rote Faden der Inszenierung: Nichts ist greifbar, alles ist Diskurs.

Walther muss den strengen Regeln des Nürnberger Meistergesangs genügen, um seine Eva im Wettbewerb mit den anderen Künstlern zu gewinnen. So der Ausgangsinhalt der Oper. Regisseurin Wagner macht den jungen Rebellen allerdings zu einem Maler, was künftig zu Komplikationen zwischen Text und Bild führt. Stolzings künstlerischer Mentor und kluger Helfer, der Schuster und Meistersinger Hans Sachs, erkennt sogleich das Potential Stolzings und hilft ihm gegen seinen Hauptwidersacher, den Regel-Fetischisten Sixtus Beckmesser, mit dem die Regisseurin allerdings auch andere Dinge vorhat, als ihn, wie von Richard Wagner vorgesehen, dem Gespött von Volk und Künstlerkollegen preiszugeben. Der Weg dahin ist gespickt mit großformatigen Symbolen, Bildern und drastischer Action, die von alptraumhaften Künstlervisionen Sachsens bis hin zur ironischen Hinrichtung des Regietheaters reicht. Viel Stoff, viel Theater, viel Klamauk.

Hans Sachs, der unermüdlich Zigaretten pafft und auf seiner Retro-Schreibmaschine hämmert (ein Laptop wäre zu zeitgenössisch gewesen), wird von karnevalistisch anmutenden, großköpfigen Geistern Wagners, Hölderlins, Schillers, Kleists, Bachs und ähnlichen Heroen heimgesucht, die ein koboldhaftes Spiel mit ihm treiben, schunkeln, Cancan tanzen und seine Sehnsucht nach der wahren Kunst nach Kräften veralbern. Leider setzt Katharina Wagner auch bei dieser eben noch lustigen Persiflage gleich noch eins drauf und gesellt zu den Geistesgrößen drei ähnlich dimensionierte, grelle Table-Dance-Girlies hinzu - die wohl mit ihrer Sinnfreiheit und nackten Brüsten die Sünden des Regietheaters symbolisieren sollten. Deren Sex-Attribute werden anschließend gleich in einer großen Kiste mit reinigendem Feuer entsorgt, an dem man sich wieder aufwärmen kann - ätzend ironisch, aber ein austauschbarer Gag unter vielen.

Zum Schlagerfuzzi mutiert

Aber auch Walther von Stolzing fällt ein ums andere Mal der Bildersucht der Regisseurin Wagner zum Opfer. Im zweiten Aufzug krönt eine übergroße Schwurhand die Bühne - allzu dralles Symbol der Verschworenheit der Meistersinger mit ihren Regeln. Diese erdrückende Skulptur knickt angesichts der Power des jungen Neumeisters ein - und Maler Stolzing lackiert in bester Action-Painting-Manier flugs die Nägel der Meisterhand. Der gesenkte Zeigefinger - das wirkt wirklich so platt, wie es sich anhört. In dieser Art wird sich durch die Handlung gehangelt: Stets ein wenig zweifelnd, ob denn der Stoff überhaupt für eine stringente Deutung gut ist. Die Szene geht über alles, die Bilder siegen über das zielführende Band. Die Lehrbuben-Keilerei des zweiten Aufzugs endet in einem wilden Atelierfest, der lustigsten und schlüssigsten Szene der Inszenierung.

Im dritten Aufzug schließlich hat sich alles gewendet: Sachs und Stolzing sind in der bürgerlichen Welt angekommen. Der Schuster in cooler Künstlerwohnung mit Designer-Sofa, der talentierte Stolzing ist äußerlich zum Schlagerfuzzi mutiert, der mit Eva zum Familienglück nur noch den richtigen Rahmen sucht - der schwebt dann von der Regie entsandt vom Himmel hoch hernieder. Wieder so eine Idee. Wie auch die wackere Umdeutung des strengen Beckmesser, der im Finale zum wirklichen Avantgardisten wird - mit neuer Frisur und kalauerndem "Beck in Town"-T-Shirt.

Die anschließende "Festwiese " - stets eine heikle Stelle der Oper, wegen ihrer behäbigen Deutschtümelei - macht aus dem nachdenklichen Sachs eine eitle Witzfigur. Als er seine nach wie vor ächzend nationalfröhliche Mahnung "Verachtet mir die Meister nicht!" singt, erstehen neben ihm Goethe und Schiller als monumentale, Arno-Breker-gestylte Brachialdenkmäler, während er düster und kantig ausgeleuchtet zum Parteitagsredner wird. Was will uns das sagen? Dass Hans Sachs ein naiver Dummkopf ist? Dann war der Rest der Oper allerdings eine fromme Lüge. Oder die Regisseurin hat ihre Zentralfigur denunziert. Oder alles ist eh egal, wenn's nur nett aussieht.

Glänzender Klaus Florian Vogt als Stolzing

Inmitten dieses Wusts an Widersprüchen und wohlfeilem Bildersalat glänzte vor allem einer: Klaus Florian Vogt (erstmals in Bayreuth) sang den Walther von Stolzing mit solch strahlender Kraft und sinnlich glühender Stimme, dass er für die Zukunft beste Hoffnungen weckt. Standing Ovations für den jungen Tenor. Michael Volle (noch ein Bayreuth-Debütant) servierte einen vielschichtigen und bissigen Beckmesser, während Franz Hawlata als Hans Sachs mit enger und beklommener Stimme seiner Rolle selten das nötige Gewicht verleihen konnte. Auch keine Offenbarung: Amanda Mace, ausstaffiert mit einem unvorteilhaften Kostüm wie von Trucci, gab mehr Schrillness als erotische Wärme von sich.

Großartig die Orchesterführung von Sebastian Weigle: Der international erfolgreiche Dirigent (designierter Chef der Frankfurter Oper) lieferte einen ebenso frisch brausenden wie fein durchstrukturierten Sound, der die bekannten Tücken des Bayreuther Hauses souverän meisterte. Manchmal etwas laut, aber von beeindruckender Transparenz und Genauigkeit. Fast erwartbar, der Buh-Orkan für die Regie Katharina Wagners, die viel wollte und es an Selbstkritik und Urteilskraft gegenüber ihren Einfällen mangeln ließ. Ihre Wagner-Wundertüte platzte aus allen Nähten - übrig blieben nur bunte Fetzen.

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DER TAGESSPIEGEL
27. Juni 2007

Bayreuther Festspiele
Pack die Tigerin in den Tank

Jetzt endlich ist es also heraus, und die Wagnerwelt wischt sich erschöpft den Schweiß von der Stirn: Diese Frau ist als Kämpferin, Blutsschwester und Verbündete, als Hebamme, Nanny und eventuell sogar als feste Größe in einer wie auch immer konstruierten Festspielleitung der Zukunft unbedingt wünschenswert. Denn so viel Bauch am rechten Fleck, ein solch rasendes Tigerinnenherz macht ihr so schnell keine nach. Katharina Wagner graust es vor nichts: weder vor der ranzigen Rezeptionsgeschichte der "Meistersinger" auf dem Grünen Hügel noch vor den einschlägigen Ingredienzien des Regietheaters. Die "Kathi" ist ein Kind ihrer Zeit. Kennt alles, kriegt alles. Und weiß dann aber auch nicht weiter. Ein Vorwurf? Eine Diagnose. Die 29-Jährige mag Kraft haben, Courage, einen Willen zur Macht – die Mutter Neu-Neu-Bayreuths ist sie nicht.

Diese Ambivalenz beschert ihr am Ende zweimal das gleiche Spiel – und einen seltsam verunglückten, windschiefen Applaus nach all den Strapazen. Evchen nämlich (Amanda Mace) tritt nach sechseinhalb zunehmend stickigen Stunden und ein paar hübschen Flötentönen vor den Vorhang – und wird erbarmungslos weggebuht. Zu Recht. Weil sie außer jenen Tönen wenig beizusteuern hat zu Wagners "verkaufter Braut", die hier um eines Kunststreits willen verschachert wird; weil man sechseinhalb Stunden lang von dieser Eva buchstäblich kein einziges Wort versteht; und weil die Bühnenfrauen an diesem enorm aufgeladenen 96. Bayreuther Eröffnungspremierenabend ohnehin nichts zu melden haben, ausgerechnet. Als hätte Katharina Wagner sie kurzerhand – vergessen. Überlesen im Wust der Thesenpapiere, Kopfgespinste und Konzepte. Einfach verschusselt.

Viel Klischee

Mal tollt Evchen also wie ein junges Zicklein über die Szene (freilich nicht ganz so schlank), mal ist sie Muse und lässt sich von Stolzings Pinsel (!) ganzkörperbemalen, mal mutiert sie im apricotfarbenen Kostüm zum Angela-Merkel-Verschnitt. Für all das kann Amanda Mace höchstwahrscheinlich nichts. Ebenso wenig, wie Franz Hawlata die doch ziemlich handgreifliche Umpolung des Hans Sachs anzulasten ist: das Klischee eines Intellektuellen und 68ers, Nickelbrille, Dauerkippe im Mundwinkel und die baren Füße vorzugsweise auf dem Tisch abgelegt. Klar, dass diese Type sich früher oder später in Anzug, Krawatte und Schuhe werfen würde, um ihren Kunstbegriff, ihre Ideologie des Progressiven gegen alles Anarchisch-Kathartische, Wehrhafte zu verteidigen.

Auch Hawlata wird einhellig ausgebuht. Ebenfalls zu Recht. Weil sein Bariton weder die Ausstrahlung noch im Ansatz die Autorität für seine Partie besitzt. Selbst wenn man nun nicht nach Idealtypischen wie Schorr, Hotter oder Donald MacIntyre schielt: eine glatte, peinliche Fehlbesetzung. Und wiederum ist nahezu kein Wort zu verstehen. Und das bei diesen Textmetern. Auf dem Papier, bei Richard Wagner, ist Sachs immerhin derjenige, der entsagt, sich überwindet ("Euch macht Ihr’s leicht, mir macht Ihr’s schwer") – und das Innovative mit der Tradition versöhnt, die Zukunft mit ihrer Vergangenheit, das Leben mit der Kunst und das eigene Begehren mit der Gesellschaft. In der Regie der Wagner-Urenkelin indes regiert der Holzschnitt, existiert nur schwarz oder weiß – und Sachs ist weder als Salon-Revoluzzer noch als Apparatschik eine ernst zu nehmende Option.

Der Regie waren die Buhs von vornherein sicher

Kaum aber regt sich während des Sängerdefilees das erste empörte Grummeln im Saal, ist Katharina Wagner mitsamt Team (Tilo Steffens für die Bühne, Michaela Barth für die Kostüme) zur Stelle: schlägt den Vorhang beiseite, nimmt die Gezausten unter ihre Fittiche und sämtliche Buhs auf ihre Kappe. Ganz gleich, ob sie beim Verbeugen an der Reihe gewesen wäre oder nicht. Eine unkonventionelle Geste und eine bittere Gewissheit. Denn ob die Riege der Alt-Wagnerianer die Kirche des ersten Aktes nun gegen ein muffiges Konservatorium und die Festwiese des dritten gegen eine Theater-im-Theater-Situation eintauschen muss, ob politische und/oder familiäre Kreise Katharina Wagner dieses Debüt als Debüt neiden, oder ob man sich eher an der dramaturgischen Brechstange des Ganzen stößt, am sich Hangeln von Einfall zu Einfall (Dramaturgie Robert Sollich): Der Regie waren die Buhs von vornherein sicher. Auch das muss man sich vergegenwärtigen – und verkraften.

Allerdings ist die Kunstleistung hier nicht wirklich dazu angetan, großmächtige Verteidiger auf dem Plan zu rufen. Das Stück läuft in eine Falle, sagt Katharina Wagner etwa und flankiert Sachs im Schlussbild ("Ehrt Eure deutschen Meister!") mit Goethen und Schillern. Zwei riesige Bronzestatuen, schwer nazistisch – Leni was here – von unten angestrahlt. Eine Reminiszenz an die braune Vergangenheit des Grünen Hügels? Kritik an der Hartleibigkeit der Alt-Linken als machtversessene Wendehälse und Raffzähne? Eine Absage kurzerhand an jede Botschaftlichkeit – des Stücks, des Hügels, des Abends, der Welt, ja der Musik? Das, mit Verlaub, haben Castorf, Meese & Co. nicht nur bei ihren "Meistersingern" überzeugender hingekriegt, präziser, existenzieller, provokanter, weil: denk- und glaubwürdiger. Indem sie eine Obsession verfolgen und eine Maßlosigkeit besitzen, eine Unverschämtheit (im Wortsinn) vor dem Wagnerschen Śuvre. Indem es da etwas gibt, eine Gegenwart, ein trotziges, gieriges Ich, vor dem auch das Werk sich zu verantworten hat.

Mangel an eigenen Ideen

Hier scheint Katharina Wagners Problem zu liegen. Auf ihrem strammen Marsch in die entgegengesetzte Richtung, weg von gewissen Aufführungspraktiken, weg vor allem von den inszenatorischen Hausbackenheiten ihres Vaters Wolfgang, packt sie kurz entschlossen alles in den "Meistersinger"-Tank, was dem ästhetisch-programmatisch nicht entspricht. Und wird trefflich fündig: wildert ein bisschen auf Christoph Schlingensiefs ikonografischer Gerümpelhalde herum (von Beuys’ Campell-Dose bis zur Voodoo-Malerei), borgt sich bei Marthaler einen Hausmeister, bei Neuenfels und Konwitschny die Idee der Meister als Wasserkopfträger und Alptraum-Staffage von Bach bis Wagner, von Dürer bis Kleist. Und das T-Shirt des geläuterten, sich zum finalen Bürgerschreck aufschwingenden Beckmesser erinnert an Jossi Wieler und Sergio Morabitos Stuttgarter Siegfried. "Sieg Fried" fand sich da auf die Sängerbrust gekrakelt, hier heißt es, müde augenzwinkernd, "Beck in Town". Nur Eigenes bietet Katharina Wagner leider kaum.

Und überhaupt: Wann zuletzt hat einen ein solches Künstlerbild hinter dem Wagner-Ofen hervorgelockt? Der Progressivling als Rotzlöffel im Schmuddel-Shirt, der Bewahrer als Schlipsträger. Die ganze Avantgarde als Seifenblase respektive als eine Gummipuppe namens Eva, die es während Beckmessers Preislied im Potenzgerangel zwischen dem Mann als Schöpfergott und dem Mann als Adam sprichwörtlich in der Luft zerreißt; und die gesicherte Tradition als schäbige Schlagershow, mit Rokoko-Kitschkulisse und einem gleichsam mutierten Stolzing, der sich zu "Morgenlich leuchtend" in Positur wirft wie Florian Silbereisen.

Unlustiges Dickicht

Franz Florian Voigt kennt in seinem weißen, planen, fast leeren Tenor zwar nur einen Ton, eine Farbe, schlägt sich konditionell aber wacker und übertönt als einziger neben Nobert Ernsts kernigem, hoch kultiviertem David und Michael Volles fabelhaft idiomatischem Beckmesser mühelos das Orchester. Szenisch ist das alles arg simpel gestrickt – und viel zu viel zu viel. Ein Sammelsurium, das trotz etlicher witziger Details auf Dauer blind und müde macht. Ein unlustiges Dickicht, in dem es Turnschuhe regnet, um den Beginn eines neuen, freieren Zeitalters einzuläuten. Auch Sebastian Weigle am Pult des Festspielorchesters übrigens kann die Frage nicht beantworten, ob Katharinas Kopfstand, der "Merker" Sixtus Beckmesser sei in Wahrheit der bessere Stolzing, musikalisch haltbar ist. Mit ruppigem Besen fegt er aus dem Vorspiel jedes Pathos weg und jeden Triumph meisterlicher Selbstironie. Einen wundersam knospenden Flieder-Monolog aber dirigiert er, einiges schöne Lyrische auch und rhythmisch fein Ausgehörtes. Ansonsten ist vieles unterm Deckel einfach noch zu laut.

Ob Katharina die nächste Festspielchefin wird? Sagen wir so: Sie hat ihr Terrain mal abgesteckt. Kann ja nicht schaden.

URL: http://www.tagesspiegel.de/kultur/Musik-Bayreuth-Katharina-Wagner;art971,2346777

 

FINANCIAL TIMES
July 27 2007

A masterwork in mischievous hands

By Andrew Clark

Take 12 marionettes representing Wagner, Dürer, Goethe and other members of Germany's creative pantheon. Display them with outsize heads and in various states of undress. Have them disco-dancing during the masters' procession in Act Three of Die Meistersinger von Nürnberg. Then make them tie up Hans Sachs, guardian of "holy German art", while a stripper sits on his lap - to mock-punish him for capitulating to convention.

Could this be a legitimate way of reading Wagner's mind when he penned the Nuremberg cobbler-poet's injunction, at the climax of Meistersinger, to "honour your German masters"? What the composer achieved in his only light-hearted masterwork was to dramatise the eternal conflict in art between tradition and innovation. If convention is king, it stifles creativity. If innovation is all, the rulebook counts for nothing and chaos ensues.

The problem with Katharina Wagner's new production at Bayreuth is that she tramples over her great- grandfather's thoughtful argument and goes all out for experiment. The result provokes a reaction not unlike that of the mastersingers when faced with Walther von Stolzing's first, crude attempt at a mastersong: here we have a young person of privilege, possibly gifted but as yet untutored, who makes a mess of the Meisterstück - the test German apprentices must pass before qualifying as journeymen.

Bayreuth this week was hoping for a coronation - or at least confirmation that 29-year-old Katharina was sufficiently qualified to take over the running of the world-renowned Wagner festival from her ailing father, 87-year-old Wolfgang Wagner. What it got was a provocation. In only her fifth opera staging and her first in the theatre designed by her composer- ancestor, Katharina seized every opportunity to parody the traditions in which Meistersinger bathes.

She was rewarded with the biggest wave of booing that any stage director has faced at Bayreuth since Patrice Chéreau in 1976. His production of Der Ring des Nibelungen turned into a classic. I doubt if Katharina's Meistersinger will enjoy a similar fate.

It has more in common with a student's first try. You can discern some original ideas, but they've not been contextualised and they're swamped by the need to impress: yes, we even get topless women and full- frontal male nudity. Such a style, worlds away from the picture-book Nuremberg espoused by Wolfgang's long-running productions, is blatantly indebted to Katharina's mentors - Peter Konwitschny, Hans Neuenfels and Christoph Schlingensief, all paid- up members of the German avant- garde. Every scene is conceptualised and each character treated as a symbol. The masters are so conformist that they pee together; their apprentices behave like robots. The crowd scenes are muffled and stiff - the chorus isn't even visible in "Wach auf" - while the Act Two street riot fails to generate any sense of movement or spontaneity. The performance often seems to be more a commentary on audience expectations than a valid interpretation in its own right.

The only characters that interest Katharina are Beckmesser and Stolzing, because in their behaviour - rather than in Sachs's philosophising - she divines the axis between tradition and modernity. Beckmesser changes from narrow-minded pedant in Act One to open-minded creative type at the finale - a transformation justified, we are told in a production note, by musical idioms that "involuntarily anticipate the principles of Dadaism and free atonality" (!). Stolzing moves the opposite way, from paint-spraying abstract-expressionist to bourgeois family man.

Michael Volle's Beckmesser does his noble best to justify these undigested conceits, while Klaus Florian Vogt's Stolzing is gloriously sung and intelligently acted. The rest of the singing is sub-standard, not least Franz Hawlata's Sachs. Sebastian Weigle's brisk, unshapely conducting offers no compensation for an intermittently titillating but ultimately depressing show.

 

International Herald Tribune
Tuesday, July 31, 2007

At Beyreuth, 'Die Meistersinger,' unsettles a Wagner legacy

By George Loomis


Klaus Florian Vogt, left, and Michael Volle in "Die Meistersinger von Nürnberg."
(Enrico Nawra)

BAYREUTH, GERMANY. Like the knight Walther von Stolzing in "Die Meistersinger von Nürnberg," who composes a prize song to win his beloved Eva, Katharina Wagner has created a production of the opera with a reward in mind: an offer to succeed her father Wolfgang, Richard Wagner's grandson, as lord of the Bayreuth Festival. But unlike Walther, the 29-year-old Katharina faced no competing entries. Wolfgang, 87, and in declining health, has minimized chances that other family members, even his own daughter from a former marriage, would stand in Katharina's way.

The appointment of Katharina Wagner, charismatic and photogenic, as general director would at least resolve the long simmering question of Bayreuth succession, however unsavory Wolfgang Wagner's preoccupation with perpetuating his legacy. But the prospect that her new "Meistersinger," which opened the 96th festival last week, would advance her cause vanished in a chorus of boos. In her four previous opera stagings, mainly for second-tier theaters, she has emerged as a fervent proponent of Regietheater, or director's theater, in which concept is king and little is sacrosanct. It is an approach that can yield brilliant results and enrage audiences, sometimes at the same time.

"Meistersinger," an opera about tension between tradition and innovation in art, stands as a glorious affirmation of the human spirit but also has its dark side. Katharina Wagner homes in on the opera's two most troublesome aspects. One is the peroration by the cobbler-poet Hans Sachs urging the populace to keep "holy German art" free from foreign influences. The other is Richard Wagner's mean spirited treatment of the town clerk Sixtus Beckmesser, narrow-minded guardian of the rules of song.

Sachs's injunction became a rallying point of the Nazis in the 1930s, although, interestingly, Wagner included it at the behest of his wife Cosima; he was inclined to leave it out. In a sensitive production, it can emerge as simply a bow to tradition, counterbalancing the triumph of the new, as represented by Walther's prize song. But Katharina Wagner seizes on it. She emphasizes Germany's artistic heritage by setting Act I not in a church but in a museum-like temple to the arts (sets by Tilo Steffens). An oil painting serves as an altar, to which people pay ritualistic respect. Walther splashes paint around like an Abstract Expressionist.

Act II brings a huge sculpture of a hand, which collapses amusingly after Walther innocuously throws something at it. Rather than making shoes, Sachs churns out poems at a typewriter. In Act III figures appear bearing head masks depicting German greats - among them Goethe, Schiller, Bach, Lessing, and, of course, Wagner. During the transition to the final scene they offer a chorus-line routine, taking bows together with a pseudo production team as the music continues. The production team is then stuffed into a metal box (this got a rise from the audience); Sachs sets the box ablaze just as the chorus delivers the great "Wach auf!" paean. At what should be a joyous conclusion, the chorus hails German art on a darkened stage.

Katharina Wagner's sympathetic treatment of Beckmesser, Walther's rival in love and art, is no less radical. Yet it struck a chord with me, because Beckmesser's humiliation in the opera is way out of proportion to what he deserves. Picking up on an idea advanced by scholars that the gibberish of Beckmesser's contest song anticipates Dadaism and hence is actually forward-looking, she has him undergo an epiphany after the street riot. A strong minority of the populace applauds Beckmesser's song, and he departs, disgusted, only when Sachs starts talking about German art.

Fascinating though the ideas of Wagner and her collaborator Robert Sollich may be, the result is more a critique of "Meistersinger" - and a negative one - than a production. Nor did she achieve the kind of absorbing interaction between characters typical of the best concept-oriented directors. Of the opera's warmly expansive spirit there was little trace. You left thinking you hadn't really seen the opera.

Musically, the performance underscored the charge that Bayreuth has stagnated under Wolfgang Wagner. Sebastian Weigle's routine conducting failed to coax the best from Bayreuth's fine orchestra. Franz Hawlata, an honorable singer hobbled by the production, offered a workaday, cigarette-smoking, vocally stretched Sachs. The tenor Klaus Florian Vogt drew cheers as Walther but tended to croon his music; Norbert Ernst, as Sach's apprentice David, outclassed him vocally. The American soprano, Amanda Mace, disappointed as Eva. The best portrayal was Michael Volle's vivid Beckmesser.

After this, the Richard Wagner Foundation, to which the family transferred the festival in the 1970s, probably won't give Katharina the nod, at least for now. Its charter requires that qualified family members receive preference, and family proprietorship clearly adds to Bayreuth's mystique. Two longtime contenders may benefit: Wolfgang's older daughter Eva, a senior administrator at the Aix-en-Provence Festival, and his niece Nike, who heads the Weimar arts festival. But both are now in their early 60s and Wolfgang can be counted on to maintain his grip on power. Perhaps a lawsuit over his capacity to perform his lifetime contract lies down the road.

By chance, the festival's second night brought Philippe Arlaud's 2002 "Tannhäuser," an arresting production that breaks no new interpretive ground. The audience loved the whole thing, many presumably finding it an antidote to the night before.

 

Bloomberg.com
July 26, 2007

Jeers, Cheers as Bayreuth 'Meistersinger'
Mixes Hitler, Nudity
By Shirley Apthorp

July 26 (Bloomberg) – One boo for the first act, several for the second. Then the curtain fell on the third act and the storm broke. Katharina Wagner's new staging of her great- grandfather's ``Die Meistersinger von Nurnberg'' unfolded amid passion at the Bayreuth opera festival in Germany. At the end, there was a generalized howl, followed by polite applause for the lesser singers. Then a handful of boos (entirely undeserved) for Amanda Mace's sweet-voiced Eva. At this point, far too early for protocol, Katharina stormed onto the stage with her team to ``support'' her hapless singer. And the booing began in earnest, drowning out a flurry of cheers.

The members of the audience, who included German Chancellor Angela Merkel, European Commission President Jose Barroso, former German President Roman Herzog, Duchess Gloria von Thurn und Taxis and talk-show host Thomas Gottschalk, looked more excited to see one another than they were to see the opera. You have to be very patient, very lucky, very famous or a journalist to make it to an opening night at Bayreuth, where the 10-year waiting list is swamped.

Later this year, the Bayreuth Festival foundation is to decide who will follow the ailing 87-year-old Wolfgang Wagner, grandson of the composer, as festival director. His youngest daughter, Katharina, 29, has thrown her hat into the ring, and this ``Meistersinger'' was widely seen as an audition for the job. No staging could ever have lived up to such expectations. Hers certainly didn't. Bayreuth needs change, and in its convoluted way, this production was a plea for that. The problems lay less with the concept than with its execution.

Vocal Battles

"Meistersinger" is a sprawling and wordy opera about art and tradition. Outsider Walther von Stolzing must win the singers' guild competition to gain the hand of lovely Eva. Shoemaker Hans Sachs, older and wiser, fancies Eva himself but bows to young love, teaching Stolzing the rules and respect for tradition while he helps the guild members to accept that a little modernity is not a bad thing. This was Hitler's favorite opera, and its repeated performance in Bayreuth during World War II was a trophy event for the Nazis. Most German stage directors today feel obliged to tackle this taint and Katharina is no exception. It was her grandmother Winifred who welcomed the Fuehrer with open arms, and her father who played with ``Uncle Wolf'' as a boy.

Adolf's Return

Hitler is briefly back in Bayreuth as Katharina's confused staging reaches its apotheosis. Her Hans Sachs sets out as the bare-footed, chain-smoking rebel of the singers' guild, yet he becomes increasingly conservative as the evening proceeds. He warms his hands on the flames as conductor and stage-director doubles are burned. By the end, in time for his speech on ``holy German art,'' he is Adolf himself, flanked by statues in the style of Nazi sculptor Arno Breker.

His trajectory is mirrored by that of Stolzing, who enters wearing white sneakers and defacing museum artworks with broad splashes of messy white paint. Through Sachs he learns how to wear a suit and please the conservative public by giving them just what they want. The reward is wealth.

This incoherent production tries to do far too many things at once. There are abundant clever references to German art, culture and architecture. Statues of Goethe, Schiller, Bach, Wagner, Kleist and others come to life and dance, in grotesquely oversized masks and their underwear, for the third-act meadow festivities. A little nudity and some simulated sex are thrown in for good measure.

Katharina's calculated subversion of the plot could have been brilliant if it had been more sparingly realized. In her frenetic struggle to prove herself clever enough, presumably aided by intellectual dramaturge Robert Sollich, a few good ideas and strong images are lost in the dross.

Heroic Singers

Klaus Florian Vogt and Michael Volle, both of whom had sung heroically as Stolzing and Sixtus Beckmesser, were suitably celebrated. Franz Hawlata was Hans Sachs. His voice did not stay the course, and he was roundly booed. Sebastian Weigle, who conducted a fast-paced, light-footed show, got away with only a few boos, which he managed to face down. Katharina, wafer thin in a floor-length silver gown, kept returning for more, and the audience gave it to her.

Bayreuth cannot be saved by pretentious essays on art history. Nor are infantile gestures of rebellion the same as innovation. Katharina has skill, yet she would need a lot more experience to grow into a job of such significance. Dynastic succession and the wishes of a strong-willed old man are not reasons to give high responsibility to the underqualified.

The Bayreuth Festival runs through Aug. 28. Also on show are Tankred Dorst's uneventful ``Ring'' cycle, Philippe Arlaud's Teletubby ``Tannhaeuser'' and Christoph Schlingensief's voodoo "Parsifal". The festival's sponsors include Audi AG, Axa SA, Bayerische Motoren Werke AG, Commerzbank AG, Deutsche Bank AG, UBS AG and Volkswagen AG.

Shirley Apthorp is a critic for Bloomberg News.
To contact the writer of this story: Shirley Apthorp at
sarabande@compuserve.com

 

telegraph.co.uk
27/07/2007

Katharina Wagner continues the family tradition: but the booers got it right

Rupert Christiansen reviews Die Meistersinger Von Nürnberg at the Bayreuth Festival

Nobody comes to the Bayreuth Festival to enjoy themselves: performances here are never simply occasions for aesthetic judgment or a Glyndebourne-like summer treat. High seriousness is the keynote: such are the sensitivities surrounding Wagner's operas and an institution once associated with Hitler, that every production serves as a testing of Germany's moral temperature.

This year's new staging of Meistersinger has an additional weight of significance - it marks the directorial debut here of the composer's 29-year-old great-granddaughter, Katharina Wagner.

She is already favoured in some quarters to succeed the festival's supremo, her 87-year-old father Wolfgang, and her candidacy will be strengthened if her skills are deemed effective. Equally, failure will play into the hands of other members of a feuding family ambitious to take control.

So did she pull it off? Yes and no. An audience stuffed with the German establishment, from Angela Merkel down, booed and cheered in almost equal proportions: I guess the booers just about won out.

Away from this hoop-la, one can see much in the first two acts that is thoughtful, inventive and funny. The binding idea is that the Mastersingers have become governors of a modern but conservative academy of art, guarding the sacred flame in suits and mortar-boards; the apprentices are infantilised students, parading in serried ranks and grey school uniform.

This is a society that has made such a fetish of its cultural traditions that it needs to destroy them in order to move on. But move on to what?

Hans Sachs the cobbler poet is a barefoot rebel, haunted by the ghosts of the German past and intrigued by the anarchic originality offered by Walther, who makes a nuisance of himself by splashing paint about and turning things upside down.

But in the course of tempering Walther's spirit, Sachs takes away his individuality and makes him a star on morally doubtful terms - in this production, represented by a ghastly telly talent show in which Beckmesser for once seems the more authentic contestant.

The logic of this is flimsy - why would Sachs and Walther bother with such a hopeless crew of Blimps as the Mastersingers? - and the third act gets bogged down in its own symbolism and some rather feebly "shocking" iconoclasm.

Despite some bold intentions, one feels Katharina twisting herself into knots as she tries to make her ancestor's opera mean what she wants it to mean: the result is a rather conventional essay in the all-too-familiar German deconstructionist style, drawing cartoon-like contemporary parallels and undercutting idealistic romanticism.

A far more radical approach would have been to engage sympathetically with Wagner's conception of 16th-century Nuremberg and attend to the libretto's directions.

I liked Franz Hawlata's laid-back and dyspeptic characterisation of Sachs, but he hasn't the vocal power for the role and resorted to some coarse shouting to make up the deficiency. Amanda Mace's Eva was simpering, frumpy and out of tune. Both were booed.Norbert Ernst's David and Markus Eiche's Kothner were nicely acted and clearly sung, but only Michael Volle's uncaricatured Beckmesser, Klaus Florian Vogt's glamorous Walther and Eberhard Friedrich's fabulous chorus really cut the mustard.

They were less than heroically sustained by the conductor, Sebastian Weigle, who gave a slack account of the Prelude and never found the score's brilliance and buoyancy.

A largely disappointing evening - and not a production that conclusively shuts Katharina Wagner's case for taking control of the festival.

 

The Sunday Times
August 5, 2007

It’s all gone to her head
Katharina Wagner’s Die Meistersinger is tasteless and tuneless. What would Richard say?

Hugh Canning

Attending the Bayreuth festival these days is a bit like eavesdropping on the private grief of the Wagner family and the collective soul-baring, breast-beating and gnashing of teeth of the entire German nation. The festival is a paradox: hugely successful at the box office – there are 7.5 times more applications for tickets than available seats – and apparently, if you read the German press, in a state of permanent crisis. The festival director, the composer’s last surviving grandson, Wolfgang Wagner, has been in charge (with his late brother, Wieland) since 1951 and sole master of his grandfather’s Festspielhaus since Wieland’s death in 1966. Although aged – he will be 88 this year – and in failing health, he is clinging to his sovereignty until the Wagner Foundation anoints his chosen successor, his only daughter from his second marriage, Katharina. For more than 40 years he has kept the senior branch of the Wagner great-grandchildren (Wieland’s offspring) at bay and marginalised his own children by his first marriage, Gottfried and Eva, with whom he is barely on speaking terms. Eva is the only living fourth-generation Wagner experienced in running opera theatres.

Katharina is 29, tall, blonde and photogenic, the image of a Wagnerian heroine, but she remains a theatrical novice – to date, she has staged only five productions, including this year’s new Bayreuth Meistersinger von Nürnberg. She is said to rely on the intellectual input of her favoured dramaturg (an ideas man or woman, a role virtually unknown in the British theatre, where directors are expected to have some of their own), Robert Sollich. Katharina’s new Mastersingers carries heavy ideological baggage and debatable glosses on the performance and "reception" history of Wagner’s only mature comic opera, while virtually ignoring Wagner’s narrative, characterisations and music, in favour of an alternative scenario of her (or Sollich’s) own.

Like her uncle Wieland in his abstract 1956 Bayreuth production, she has staged a Mastersingers without Nurem-berg. Tilo Steffens’s single, adaptable set places the entire action in a modernish arts academy with busts of great German masters, including Wagner and Bach, Goethe and Schiller, adorning its galleries. And, as in his less well-documented 1940s staging, she evokes the dread spirit of Nazism, though without unfurling swastika banners in the festival-meadow finale, as the young Wieland did under the Third Reich. Here, before Hans Sachs delivers his encomium to German art, a theatre director and a conductor are bound and gagged and thrown into a skip, which Sachs then sets alight while flunkies hold out their arms at something just short of the angle required for a Hitler salute.

Katharina is not the first German director to make such extraneous and mprovocative commentaries on the nationalism inherent in the text of The Mastersingers, but she is the first to do so at Bayreuth. Some may feel it is a little late in the day to harp on Bayreuth’s unfortunate history of collaboration with the Nazi regime, when almost the only person in Bayreuth who remembers Hitler personally is her father, who sat on "Uncle Wolf’s" knee alongside his brother.

The public howls its protests – Katharina’s appearance at curtain down provoked the worst storm of boos I have experienced at Bayreuth since my first visit, in 1986 – but the German press barely questions the debatable premises on which the director and her dramaturg base their contentious interpretations. Sollich writes, in a note distributed to the press, of Sachs’s "aggressive conservatism" in Act III and, in the official programme book, of the "sinister content" of his final peroration on German art. But what is aggressive and sinister about a defence of German art from foreign influ-ence? His speech is essentially aimed at Italian opera and is a warning against princes who don’t speak the same language as their people. To suggest anything else is as much of a distortion of Wagner’s text as the Third Reich’s misappropriation of Wagner’s works for propaganda purposes.

But then, Katharina Wagner and Sollich’s Mastersingers is all attention-seeking exaggeration and parodic distortion. They throw everything into the pot: a staged debate about modern art that has the would-be mastersinger Walther von Stolzing throwing paint around the masters’ academy and drawing pudenda and breasts on Eva’s frock; caricatures of the German masters, who sit disconsolately during the Act III prelude; the chorus emptying replicas of Warhol’s Camp-bell’s soup tin over the brawlers of the Midsummer Nightmare at the end of Act II. There are two stark-naked women and a man, and Walther’s Prize Song climaxes in a game-show presentation of a huge cardboard cheque by television studio hostesses. The result is an unpalatable witch’s brew: a mishmash of the styles of fashionable avant-garde German directors such as Peter Konwitschny and Christoph Schlin-gensief. If Katharina has inherited anything from her father, it is a knack for aping other directors’ work.

One of her more ludicrous notions is that Beckmesser is the hero of Die Meistersinger and that Wagner’s parody of composition represented by his song is an example of avant-garde music. This has to be one of the most unmusical stagings of Die Meistersinger in the entire performance history of the work. Dramatically, it has all the sophistication of a drunken and druggy fancy-dress party for rich kids.

More shocking than anything in the production, however, is the mediocrity of the musical performance, dully conducted by Sebastian Weigle and poorly cast: Franz Haw-lata’s Sachs and Amanda Mace’s Eva, both vocally sub-standard, were mercilessly booed, while Klaus Florian Vogt’s overgrown-choirboy-ish, unheroic, pop-singer-like Walther was cheered to the rafters. Only Michael Volle’s trenchantly sung Beckmesser achieved anything close to festival standards. In her bid to succeed her father, Katharina apparently chose those singers, though Vogt was a late replacement. If this puerile and musically deficient Meistersinger is a glimpse of the future of a Katharina-led festival, the outlook for Bayreuth is bleak indeed. Whether it will be regarded as sufficiently scandalous to secure her succession remains to be seen, but I doubt if such considerations will affect the Wagner Foundation’s eventual decision. After all, Katharina’s father is living proof that you don’t have to be a particularly original or admired stage director to run the Bayreuth festival. If she has a fraction of Wolfgang’s administrative skills and tenacity, her name will be enough.

 

Opera News
November 2007


Katharina Wagner's controversial Bayreuth Meistersinger staging
© Bayreuther Festspiele GmbH/Jochen Quast 2007

IN REVIEW
BAYREUTH — Die Meistersinger von Nürnberg, Bayreuth Festival, 8/4/07

Wolfgang Wagner — Richard Wagner's grandson and the Bayreuth Festival's director for life — is now eighty-seven years old and ailing. Wolfgang's chosen successor to lead the family firm is his daughter Katharina — a stage director not yet thirty, with exactly six opera stagings to her credit — who made her Bayreuth debut this summer with a new production of Die Meistersinger von Nürnberg (seen Aug. 4, the second performance of the run). Young Ms. Wagner might have approached her first Bayreuth staging with caution, well aware that her future at the festival could depend upon minimal feather-ruffling: the fact that she grabbed the bull by the horns is very much to her credit. Her new Meistersinger made no concessions to anyone.

Wagner's production is a modern, twenty-first-century view of the work, an uncompromising and often fascinating assault on tradition that stood the work on its head. She has also pinpointed the passages in which the composer's own ultra-nationalistic philosophy led to propagandistic abuses in the past — it was, after all, thought to be Adolf Hitler's favorite of Richard Wagner's works. What to do, for example, with Hans Sachs's final address, embarrassingly conformist and xenophobic as it is? What might be a twenty-first-century take on a free-thinker who has sold his ideals in favor of conformity? Wagner has asked the right questions, even if she has not yet succeeded in answering them adequately.

In Wagner's inspired Meistersinger concept — its execution only occasionally diminished by youthful overindulgence — the action is placed in a museum of sorts. Statues, busts and images of past German artistic giants — Dürer, Bach, Goethe, et al. — look down from the two upper levels in Tilo Steffens's set. The Mastersingers themselves are a sycophantic group, all dressed in exactly the same way, addicted to empty ceremony. Hats are put on simultaneously, shoes are shined in synchronization. Even the apprentices move like marionettes. Hans Sachs, stubbornly individual, refuses to conform. Appearing shoeless in an open shirt, cigarette in hand, Sachs can only shake his head in dismay at his fellow masters. Walther, dressed like a pop star in sunglasses, is a truculent aspiring painter, not averse to a bit of provocative paint splashing. Eva, frumpily costumed (identically to Magdalene) easily falls for this dashing young "nobleman."

Act II is meant to show the transformation of Sachs (who uses his typewriter to mark Beckmesser's errors) and Walther from lions to lambs, as Beckmesser goes on a Tannhäuser-like journey of self-discovery. Unfortunately, the young director began to lose focus here. Despite a few nice touches, there was more nightmare than magic in this early summer evening. The masters appeared in underpants, and the Nurembergers used oversized Campbell's soup cans to douse everything and everyone in globs of paint. Chaos reigned. By the end of the act, Beckmesser had freed himself of all inhibition, while the suddenly bourgeois Sachs and Walther literally tried to clean up the mess.

In Act III, Sachs was haunted by a group of bubble-headed, utterly perverse old masters (Richard Wagner among them). Sachs gave up smoking and drinking, put on a conservative suit and ended up looking very much like everyone else onstage. The opera's final scene was conceptual bedlam, one (mostly unfinished) idea giving way rapidly to the next. The choristers, placed stadium-like on risers, were transformed from everyday Nurembergers into clones in evening dress. Beckmesser's song was accompanied by a pantomime of dark sexual fantasy. The pantomime to Walther's prize song was pure kitsch. Sachs's final address was the ultimate sell-out, invoking the spirits of Germany's inglorious past and leaving Beckmesser, the only true individualist left in Nuremberg, to shake his head in disbelief. The glorious C-major ending brought the curtain down to a cavalcade of booing.

Despite some glaring weaknesses, there was much to admire musically. First and foremost was the breathtaking Beckmesser of Michael Volle, whose exquisite baritone voice filled the Bayreuth auditorium with nuance, assurance and understanding. His diction was exemplary. Volle also seemed to believe in Wagner's staging completely; he was entirely convincing throughout the performance, despite the evening's conceptual missteps, and was rewarded with the evening's loudest, most heartfelt ovations. Norbert Ernst was a wonderful David, conquering the vocal difficulties of Act I with ease and singing with a most attractive, lyric sound. As Walther von Stolzing, Klaus Florian Vogt deployed a shining tenor with ample thrust and beauty of tone. He sang a stunning prize song, exhibiting absolutely no signs of fatigue. Markus Eiche continued the Bayreuth tradition of well-sung Fritz Kothners, Carola Gruber contributed a richly hued Magdalene, and Artur Korn was a steady, competent Pogner.

American soprano Amanda Mace, as Eva, was not flattered by Michaela Barth's costumes or by Wagner's staging, which made the character look sillier than usual — although she must bear responsibility for her own poor diction, a fault that diminished the effect of her silvery voice. Franz Hawlata looked and acted a fine Hans Sachs, his somewhat smoky, rounded voice well-suited to the part. However, he currently lacks the stamina to carry the role completely: his voice seemed to weaken as the evening progressed, and he had little or nothing left for the finale.

The Festival Orchestra played splendidly, and the Festival Chorus was, as usual, exceptional — well worth the price of admission. Conductor Sebastian Weigle, in his first Bayreuth season, has not yet adjusted to the Festival house's tricky acoustics. His ultra-quick pacing of the final two acts gave his singers no chance to enunciate or to phrase. Chaos onstage reduced the Act II finale to a musical mess. There were, however, stretches of excellence, giving hope for future performances. Katharina Wagner bravely faced the audience in a solo curtain call and took the booing that greeted her with aplomb. As is the norm at Bayreuth, she will be able to revisit the production in future seasons and make adjustments to the staging — and, perhaps, ferret out the directorial overkill. It will be interesting to see what she chooses to do.

JEFFREY A. LEIPSIC

 

Variety
7 July 2007

Abroad
Die Meistersinger Von Nurnberg
By LARRY L. LASH

The question on everyone's lips was "Can she do it?" "She" is 29-year-old Katharina Wagner, and "it" was pull off a successful debut as a stage director at the Bayreuth Festival, established by great-grandfather Richard Wagner in 1876 for the exclusive performance of his operas. Her wildly inventive, entertaining and thought-provoking reinterpretation of "Die Meistersinger" makes the answer a resounding "Yes."

The production also serves as a trial by fire to see if Wagner Jr. is capable of assuming the duties of festival director, a position currently held by Katherina's 87-year-old father, Wolfgang. A decision from an independent foundation is expected soon. But meantime, the acrimonious infighting among the Wagner clan makes "Dynasty" look like a tea party.

Katharina put "Meistersinger's" text under a microscope and made some creditable adjustments to Wagner's most tradition-bound and only comic opera.

In medieval Germany, a song contest is held by the titular mastersingers, tradesmen who strictly adhere to time-honored rules. The prize is the hand of Eva (Amanda Mace), daughter of wealthy burgher Veit Pogner (Artur Korn).

Young knight Walther von Stolzing (overnight tenor sensation Klaus Florian Vogt, spectacular in every aspect), new to Nuremberg, falls for Eva, but is ignorant of the contest's traditions. Shoemaker Hans Sachs (Franz Hawlata, a bit in over his head vocally), who is too old for Eva, teaches Walther how to compose the prize-winning song while he also tricks stodgy Sixtus Beckmesser (Michael Volle in a star-making performance), a major contender, into submitting nonsensical words that defy all the rules.

The work closes with Sachs' monologue about the importance of maintaining "holy Germany art," suggesting why "Die Meistersinger" was Hitler's favorite opera.

Director Wagner shines different lights on virtually all the characters, and adds some uproarious and controversial comic touches.

Undisciplined but talented artist Walther attempts to transform his song into a crowd-pleaser and loses his artistic integrity. Wearing sneakers, sunglasses perched on his long blond locks, he winds up in a conservative suit and tie. The moment when he first puts on sensible black shoes is simultaneously funny and heartbreaking.

Sachs, too, is an outsider. The cobbler makes identical shoes for the townsfolk, but he remains barefoot until conformity overtakes him.

An uptight, prune-faced snob, Beckmesser becomes enlightened through the gibberish Sachs has penned to trick him.

Essentially, Walther and Beckmesser trade places: iconoclast becomes buttoned-down conformist; prude becomes free spirit. Sachs, too, undergoes an epiphany, his ideology moving to the far right, bringing a chilling, xenophobic tone to his final paean in praise of all things German.

Standouts among the myriad smaller roles were fresh-voiced Norbert Ernst as Sachs' apprentice, David, and Markus Eiche as Fritz Kothner, the keeper of the mastersingers' rules. The legendary Bayreuth orchestra and chorus were in peak form under the baton of debutant conductor Sebastian Weigle.

Reactions to the production varied, with the director's curtain call dividing the audience into equal-sized camps of boos and bravos. A few seconds of male nudity during the perf drew harsh criticism, while jokes involving large Campbell's soup cans filled with paint and a kid who really has to use the bathroom drew spontaneous applause.

This "Meistersinger" will challenge, delight and outrage audiences for a number of years to come. Perhaps, as Beckmesser discovers, breaking with tradition isn't such a bad thing.

BAYREUTH, Germany
A Bayreuther Festspiele presentation of an opera in three acts by Richard Wagner. Directed by Katharina Wagner
Conductor, Sebastian Weigle
Chorus master, Eberhard Friedrich
Sets, Tilo Steffens
costumes, Michaela Barth
lighting, Andreas Grutner.

Hans Sachs - Franz Hawlata
Veit Pogner - Artur Korn
Sixtus Beckmesser - Michael Volle
Walther von
Stolzing - Klaus Florian Vogt
Eva - Amanda Mace
Night Watchman - Friedemann Rohlig

and with Charles Reid, Rainer Zaun, Markus Eiche, Edward Randall, Hans-Jurgen Lazar, Stefan Heibach, Martin Snell, Andreas Macco, Diogenes Randes, Norbert Ernst, Carola Guber.

Opened July 25, 2007. Reviewed Aug. 4. Running time: 6 HOURS, 40 MIN.

(Bayreuth Festival, Festspielhaus; 1,974 Seats; €208 ($286) Top)

 

LE MONDE
27.juillet 2007

Baptême du feu à Bayreuth


Une répétition de l'opéra de Richard Wagner, "Les Maîtres chanteurs de Nuremberg",
mis en scène par Katharina Wagner au festival de Bayreuth, le 17 juillet 2007.
AFP/TIMM SCHAMBERGER

BAYREUTH (Allemagne). Ce soir d'inauguration à Bayreuth, mercredi 25 juillet, est un soir particulier pour la famille Wagner. La 96e édition du festival depuis sa fondation en 1876 est sans doute la dernière que dirigera le petit-fils du compositeur, Wolfgang Wagner (88 ans). Après quarante de règne absolu sur Bayreuth, le patriarche souhaite passer les rênes à la plus jeune de ses filles, la metteuse en scène Khatarina Wagner (29 ans), qui fait précisément ses premières armes au Festspielhaus dans une nouvelle production des Maîtres chanteurs de Nuremberg.

A l'instar du talentueux mais très inexpérimenté Walther von Stolzing obligé à concourir chez Les Maîtres chanteurs pour la main d'Eva, "Miss Wagner" doit rafler la mise afin de remporter la guérilla intestine qui la met en concurrence avec sa demi-soeur, Eva Wagner-Pasquier, et la fille de Wieland, sa cousine Nike Wagner, toutes deux prétendantes au poste. Au baisser de rideau, c'est avec une assurance crâne que Khatarina, grande, blonde et moulée dans une robe très glamour, viendra récolter sa moisson de huées.

Il est vrai qu'elle a, plus de quatre heures durant, tiré les pieds de son arrière-grand-père et bousculé son opéra. S'il lui fallait, pour renforcer l'adhésion de ceux que rallient sa jeunesse, sa culture et sa naissance, faire allégeance à la modernité, c'est réussi. Les Meistersinger, ces vieux tenants de la doctrine se retrouveront au moment de la bastonnade du deuxième acte littéralement à poil, avec, en guise de plumes et de goudron, jets de peinture et perruques volantes. Il n'empêche, Katharina Wagner porte beau et son joyeux catalogue théâtral - costumes décalés et perruques, graffitis et déjections picturales, gags musicaux et références au cabaret berlinois - est décliné avec brio.

Humour, parodie, dérision, la demoiselle ne se prive pas de régler les comptes de l'opéra préféré des nazis devenu sous le IIIe Reich outil de propagande ultra nationaliste. "Quand se dissiperait en fumée le Saint-Empire romain, il nous resterait encore le saint art allemand" : ces dernières paroles du bon maître Hans Sachs, Katharina Wagner en fera un autodafé dans une poubelle, brûlant pêle-mêle chef d'orchestre, metteur en scène et dramaturge. Parallèlement, une galerie de portraits - Bach, Beethoven, Goethe, Schiller, Kleist, Lessing, Hölderlin, et Richard Wagner - descendus de leur mur, s'animeront en marionnettes géantes, l'art se mêlant au genre humain. Aux questions théoriques posées par Wagner, la fonction de l'art dans la société, la querelle des anciens et des modernes, les liens du savant et du populaire, Katharina Wagner oppose le constat de la réversibilité.

LA PAROLE AU PEUPLE

Ainsi l'humaniste Hans Sachs, cordonnier si mal chaussé qu'il va nu-pieds, troquera-t-il sa dégaine d'écrivain inspiré (Remington, cigarette, café) pour un costard et des chaussures afin de mieux incarner le nouveau dogmatisme qui veut donner la parole au peuple. Tandis que le pédant et traditionaliste Beckmesser quittera la défroque des Maîtres pour s'incliner devant l'échec du savoir, que symbolise la sympathique trilogie jean, tee-shirt, baskets.

En dépit des sérieuses réserves adressées à la mise en scène, le public a réservé un bel accueil à la musique. Magnifique, la distribution masculine sera ovationnée. Le Beckmesser plein de jactance et de morgue de Michael Volle, excellent acteur, le Pogner plein de noblesse d'Artur Korn, le David virtuose et fort en thème de Norbert Ernst, enfin le Hans Sachs somptueusement riche et nuancé de Franz Hawlata, dont le timbre émouvant est un régal même si l'on peut déplorer qu'il manque un peu d'endurance dans le dernier acte (mais c'est un des rôles les plus épuisants de tout le répertoire).

Quant au jeune Walther, rebelle, amoureux et fougueux, l'excellent Klaus Florian Vogt lui prête sa voix chaude de ténor lyrique, capable aussi bien de puissance et d'éclat que de couleur et d'esprit. Dommage qu'Amanda Mace (Eva) n'ait pas eu plus d'allure et de personnalité.

Choeur et Orchestre ont régalé l'auditeur. La direction de Sebastian Weigle, actuel chef d'orchestre du Liceu de Barcelone et directeur musical de l'Opéra de Francfort à partir de 2009, est un bonheur d'équilibre. Le Berlinois possède un sens inné du legato. Précis sans être sec, coloriste sans être pittoresque, il donne à la musique de Wagner une langue purement orchestrale. Son "Prélude" du troisième acte est beau à tirer des larmes.

Les Maîtres chanteurs de Nuremberg, de Wagner. Avec Franz Hawlata, Klaus Florian Voigt, Michael Volle, Norbert Ernst, Artur Korn, Markus Eiche, Amanda Mace, Khatarina Wagner (mise en scène), Michaela Barth (costumes), Tilo Steffens (décors), Andreas Grüter (lumières), Robert Sollich (scénographie), Choeur et Orchestre du Festival, Sebastian Weigle (direction).

MARIE-AUDE ROUX
envoyée spéciale

 

LE FIGARO
27 juillet 2007

Culture
Katharina Wagner livre une lecture décapante de l'oeuvre de son aïeul
Le 96e Festival de Bayreuth s'est ouvert mercredi par la représentation des " Maîtres chanteurs de Nuremberg " dans la mise en scène de l'arrière-petite-fille du compositeur.

De notre envoyé spécial à Bayreuth J.-L. V.


À gauche, le lumineux ténor Klaus Florian Vogt (Walther) et l'exceptionnel baryton Michael Volle (Beckmesser) couronnent cette onzième production des Maîtres chanteurs.

Timm Schamberger/AFP

COMME chaque année, les célébrités, la chancelière Angela Merkel, le président de l'Union européenne José Manuel Barroso et le dirigeant bavarois Edmund Stoiber avaient gravi la " Colline sacrée " pour assister à l'événement. La famille Wagner, Wolfgang et son épouse, Gudrun, mais aussi un peu plus loin Nike, la fille de Wieland, étaient venus soutenir ou épier les premiers pas de Katharina, leur fille et cousine, qui mettait en scène cette onzième production des Maîtres chanteurs à Bayreuth.

Des débuts attendus dans le sanctuaire wagnérien pour la jeune femme de 29 ans dont son père voudrait faire la future directrice du festival. Sa mise en scène a partagé le public, la moitié la huant l'autre l'applaudissant. Elle n'aura en tout déçu ni ceux qui voyaient en elle un nouvel avatar du modernisme ni ceux qui militent pour une lecture décapante des opéras de Wagner. Ses Maîtres chanteurs, dans le droit fil de la version donnée naguère à Hambourg et Paris par Herbert Wernicke, installe Sixtus Beckmesser en victime du conformisme des maîtres, alors que Walther qui les avait déçus au premier acte remporte le concours en acceptant le conformisme qu'ils imposent par leur règle.

Pour nourrir sa vision, Katharina Wagner ne se simplifie pas la tâche en faisant de Walther un peintre et non plus un chanteur. L'action se déroule dans les années 1930 dans une salle d'université où les maîtres ne sont plus les représentants des corporations mais de vénérables professeurs. Par son comportement, il refuse de mettre la toge, fume ostensiblement, Hans Sachs affiche son originalité et surtout son intérêt pour l'art du jeune Walther qui n'entend rien aux conventions.

Sachs ligoté

L'évolution de Hans Sachs et de son protégé Walther, qui vont passer du premier au troisième acte de l'affirmation de la nécessité du dépassement à la volonté d'intégration, constitue le ressort dramatique imposé par la mise en scène. Beckmesser n'est plus le pédant plagiaire mais un précurseur rejeté par la société. Le dernier monologue de Sachs à la gloire du saint art allemand chanté devant une tribune où le peuple, vêtu d'habits formant des rangées rouges et noires, alors que Beckmesser est chassé, est à tous points de vue saisissant.

Mais Mlle Wagner ne nous a pas épargné les scories des mises en scène modernes. La bacchanale où les statues représentant douze artistes, dont Wagner, Bach, Mozart et Beethoven, se masturbent devant Sachs ligoté, dans une parodie de la querelle des Anciens et des Modernes, affaiblit le propos plus qu'autre chose. La vision globale n'en reste pas moins forte. Elle est soutenue vocalement par un exceptionnel Michael Volle qui chante Beckmesser sans parodie, d'une voix claire, puissante et musicale. Une luminosité que l'on retrouve aussi chez le jeune ténor Klaus Florian Vogt interprète de Walther. Franz Hawlata, malgré la beauté de son timbre, arrive trop fatigué au troisième acte pour donner aux monologues de Sachs leur puissance évocatrice. Amanda Mace et Carola Gruber, qui chantaient Eva et Magdalene, apportaient, quant à elles, de l'eau au moulin de ceux qui pensent que les grandes voix ont déserté Bayreuth. Sebastian Weigle enfin, à la tête de l'orchestre, a accompagné les intentions de la mise en scène avec fluidité.

 

Il giornale della musica
5 agosto 2007

Katharina e le insidie del nuovo

Non si può negare a Katharina Wagner un certo coraggio: pur giocando in casa, offre una lettura provocatoria dei "Meistersinger" che la mette in rotta di collisione con il conservatore pubblico di Bayreuth. E cade, ma con dignità. Le vere delusioni sono però soprattutto musicali, con una compagnia con troppi difetti e una direzione musicale che non concede nient'altro che una prova di solida ma generica professionalità.


Klaus Florian Vogt (Walther), Amanda Mace (Eva) e Franz Hawlata (Hans Sachs) nei Meistersinger

Inutile negare che l'interesse di questo spettacolo era lei, Katharina Wagner. Per la sua prima prova importante come regista, Wagner non fa nulla che non sia la norma nei teatri tedeschi: dismette l'originale e lo sostituisce con un nuovo progetto drammaturgico attorno al quale costruisce lo spettacolo. Con il drammaturgo Robert Sollich, elabora un concetto, per nulla rivoluzionario, che riflette sul ruolo dell'arte nella società e soprattutto sulla tensione fra tradizione e rinnovamento, condizione vitale per l'esistenza stessa dell'arte. Su queste premesse, racconta l'involuzione di Walther von Stolzing da artista antisistema a gattopardesco campione delle vecchie regole. Maieuta è l'intellettuale tormentato Hans Sachs che, dopo la rivolta del secondo atto, sceglie di difendere le vecchie regole e si afferma come inquietante uomo forte di un nuovo ordine. Lontanissimo dalla caricatura tradizionale, anche il Beckmesser intellettuale alla moda, impotente vittima del regime di Sachs. Wagner monta uno spettacolo discontinuo di giovanilistica energia e sfrontata irruenza, oggetto e soggetto al contempo del tema di cui si dibatte nell'opera, con singolare e riuscito gioco di specchi. "Ovviamente" cade, ma con dignità.

Le note dolenti sono soprattutto sul piano musicale. Compagnia di canto molto diseguale, nella quale convincono pienamente solo l'autorevole Beckmesser di Michael Volle e il focoso Walther di Klaus Florian Vogt. Convincono meno l'opaco Sachs di Franz Hwlata e l'inesistente Eva di Amanda Mace. Delude anche la direzione di Sebastian Weigle, che rinuncia ad imporre la musica come protagonista della serata. E questo nonostante possa contare su magnifici strumenti quali la formidabile orchestra del Festival e lo strepitoso coro, preparato da Eberhard Friedrich.

Stefano Nardelli

 

Il giornale della musica
10/
07

L’ultima Wagner ha esordito a Bayreuth con una regia leggermente anticonvenzionale dei Meistersinger
La cauta impudenza di Katharina
Molto deludente la compagnia di canto, così come la direzione d'orchestra di Sebastian Weigle


Bayreuth 2007: Die Meistersinger von Nürnberg; terzo atto, scena prima
(foto Bayreuther Festspiele GmbH / Jochen Quast)

Alla perorazione vagamente populista di Hans Sachs in favore di Walther, il fornaio e collega nella congregazione dei maestri cantori, Fritz Kothner, risponde: "All’arte minaccia decadimento e smacco sempre / che corra dietro al favore del popolo"; Katharina Wagner deve essersi trovata di fronte al medesimo dilemma dopo aver accettato dal padre l’incarico di allestire lo spettacolo inaugurale del Festival di famiglia edizione 2007: assecondare il gusto conservatore del pubblico di Bayreuth o puntare decisamente alle ragioni dell’arte, col rischio molto concreto di provocare la rivolta degli spettatori? Sebbene per questo spettacolo non fosse del tutto ovvio si potesse parlare di arte, è certo tuttavia che buona parte del pubblico non ha digerito la sua visione anticonvenzionale dei Meistersinger riservandole contestazioni così violente come non si vedevano almeno dal 2004, l’anno del Parsifal animista del provocatore di professione Christoph Schliegensief.

La pseudorivoluzione

Eppure per la sua prima regia importante – dopo il debutto nel 2004 con Der fliegende Holländer a Würzburg – Katharina, ben lontana dallo spirito rivoluzionario del bisnonno Richard, non è salita sulle barricate ma ha scelto un metodo piuttosto comune sulle scene d’opera tedesche, benché mai troppo popolare: abolire la drammaturgia del testo originale, rileggendolo e reinterpretandolo secondo la sensibilità moderna. Non si risolverà qui la questione se un tale approccio sia legittimo: ogni lettura, a suo modo, lo è. Il vero problema è che a farne le spese sono la complessità dell’opera, ridotta a semplice veicolo di un messaggio (quando non di una ideologia), e la molteplicità di possibilità interpretative.

Quanto alla sua lettura dei Meistersinger, con la collaborazione del drammaturgo Robert Sollich, per l’opera più ideologica (almeno in senso estetico) del bisnonno partiva da premesse difficilmente contestabili. Secondo Sollich "non è certo per caso che Die Meistersinger sia considerato un dramma di artisti par excellence. Dopotutto, in tre atti e per circa quattro ore e mezza i protagonisti dibattono sull’arte del canto; la funzione dell’arte e il suo ruolo nella società vengono discussi musicalmente".

Buoni e cattivi maestri

In omaggio al gusto per l’immagine del nostro tempo, Katharina Wagner trasportava l’azione dalla Norimberga della metà del XVI secolo ad uno spazio museale post-moderno disegnato da Tilo Steffens, in cui ai vivaci dibattiti dei Maestri assistevano le erme mute dei grandi della sacra arte tedesca (Dürer, Schiller, Goethe, e poi Bach, Beethoven, Wagner e molti altri ancora). Il vero elemento di novità stava tuttavia nel rovesciamento del punto di vista tradizionale secondo il quale i buoni sarebbero Hans Sachs e – pur con qualche irruenza temperamentale – Walther von Stolzing, mentre i cattivi tutti quelli che subordinano la verità d’espressione alla regola, Sixtus Beckmesser in testa. Katharina Wagner ha montato uno spettacolo convenzionale nella programmatica anticonvenzionalità, di onesto mestiere, piuttosto prudente fino al secondo atto. Stimolata dalla rivoluzione dadaista del popolo di Norimberga (con omaggio alla fontana "pissoir" di Duchamp), nel terzo sembrava rianimarsi e inscenava con giovanilistica irruenza e spavalda provocatorietà l’irresistibile ascesa di Sachs, chiudendo con l’immagine più forte: la tenzone dei cantori che suggella la rivoluzione conservatrice di Sachs aveva luogo davanti al popolo di Norimberga ordinatamente seduto in una tribuna di fronte al pubblico vero, come se la la celebrazione della convenzione sulla scena si rispecchiasse nell’austera sala concepita da Wagner. Ma il pubblico di Bayreuth non ci stava e reagiva con rumorose contestazioni.

Le vere note dolenti di questi Meistersinger stavano tuttavia tutte nella musica. Se Bayreuth è stata il santuario del verbo wagneriano ed aspira ancora ad esserlo, può riuscirci soltanto puntando sulla qualità e l’autorevolezza delle esecuzioni musicali. In questo senso, aver puntato tutto sulla prova di Katharina Wagner, se ha funzionato sul piano della copertura mediatica (mai come quest’anno la stampa internazionale è stata presente, anche e soprattutto per le accese discussioni sulla successione alla guida del Festival) ha distratto e non ha giovato alla qualità musicale di questi Meistersinger, che si ricorderanno soltanto per la solida ma generica professionalità. Convincevano appieno soltanto l’autorevole Beckmesser di Michael Volle ed il focoso, ma un po’ monocorde Walther di Klaus Florian Vogt, che sostituiva l’inizialmente previsto Robert Dean-Smith. Troppo disuguale la prova di Franz Hawlata come Hans Sachs: al basso bavarese non mancavano i mezzi vocali, ma difettava un’idea convincente del personaggio, un’identificazione con il proprio ruolo, cui probabilmente non è stata d’aiuto la visione radicale di Katharina Wagner.

Quanto alla direzione musicale di Sebastian Weigle, il limite maggiore sembrava la sua rinuncia a imporre la musica come protagonista della serata. Mancava soprattutto una visione personale ed originale della partitura, segno dei grandi interpreti. Un vero peccato considerata la straordinaria qualità dei complessi del Festival: un’orchestra di miracolosa flessibilità e magnifico colore strumentale, e uno strepitoso coro preparato da Eberhard Friedrich, cui alla fine andavano gli applausi più convinti e sinceri del pubblico.

Stefano Nardelli

 

Stutgarter Nachrichten
27. Juli 2007

Katharina Wagner will mit den "Meistersingern von Nürnberg" in Bayreuth aber wirklich alles zeigen, was sie kann
Wie inszeniert man einen Skandal?
Jetzt gilt"s der Kunst. Das letzte Kapitel der Chronik eines angekündigten Skandals ist geschrieben, Katharina Wagner hat ihre Bewerbungsunterlagen für die Leitung der Bayreuther Festspiele mit ihrem Regiedebüt auf dem Grünen Hügel vervollständigt, und die Mappe, die sie mit den "Meistersingern von Nürnberg" abgab, ist sehr dick, sehr schwer und ziemlich bunt.

VON SUSANNE BENDA

Zu sehen war nämlich nicht nur eine Inszenierung, sondern eine Inszenierung über eine Inszenierung. So wie Richard Wagner seinem Stück eine musikalische Ebene des Alten, Tradierten, Überlebten hinzufügte, um diese zitieren und sich von ihr positiv absetzen zu können, zieht auch seine jüngste Urenkelin dem Bühnengeschehen einen doppelten Boden ein. Wobei die Tradition, die sie - vor allem in symmetrisch choreografierten Choraufmärschen - immer wieder wie in Anführungszeichen aufscheinen lässt, eine hausgemachte ist. Mit Wolfgang Wagner als (Über-)Vater lebt es sich nicht leicht, mit dem Erbe der Wagner-Familie auch nicht. Das muss irgendwie raus, und es ist zumindest eine sozialverträgliche Lösung, aus Familienproblemen Kunst zu machen.

Und das Neue? Die erst 29-jährige Regisseurin hat offenbar vor allem zwei eiserne Regeln des Regietheaters tief verinnerlicht. Erstens: Du sollst dir immer ein anderes Bild machen. Und zweitens: Ein guter Regisseur muss stets den Weg des Messias gehen, muss das Publikum von alten Sehgewohnheiten erlösen und dafür sterben. Zu großen Teilen liest sich Katharinas Inszenierung wie eine Abhandlung über das Regietheater.

Inszeniert wird ein Skandal, ja inszeniert wird sogar - zur Musik des Aufmarschs auf der Festwiese - die Hinrichtung eines Regisseurs, eines Dirigenten und eines Bühnenbildners durch ein aufgebrachtes Publikum. In ihrer Selbstbezüglichkeit gründet diese Idee immerhin im Selbstreferentiellen des Stücks selbst, das ja vor allem ein viereinhalbstündiger Kunstdiskurs ist.

Der inszenierte Regieskandal findet dann besonders im dritten Akt statt. Im ersten Akt spritzte Stolzing noch eifrig mit einem Farbeimer um sich und bemalte wild alles, was ordentlich und sauber war; der zweite Akt endete im Chaos (Arbeiter nehmen das Bühnenbild auseinander, wir sehen halb entblößte Meistersinger, und Stolzing, hier früh verbürgerlicht, spielt putzend schon mal Regietheaterle). Im dritten Akt reiht sich dann eine Chiffre an die andere. Das ist zwar kurzweilig anzuschauen, doch eine verbindende Idee ergibt sich nicht. Das Bühnengeschehen mutet vielmehr an wie eine gestylte Light-Version von Christoph Schlingensiefs "Parsifal"-Müllhalde.

Figuren der deutschen Kulturgeschichte mit großen Pappmaché-Köpfen sitzen in einer Art Wagnerpuppenhaus. Stolzing singt als Maler sein eigenes Bild an, Beckmesser wandelt sich viel zu früh zum Freak, der die Frage nach der Zeitgenossenschaft von Tradition und Moderne umdreht. Sachs, hier nurmehr Dichter mit Schreibmaschine, versammelt zum Quintett die zwei Pärchen mitsamt kindlichen Statisten zum Familienfoto mit Goldrahmen, die vom Schnürboden herunterschweben. Zu Beckmessers Preislied entsteigt ein nackter Adam mit einer Eva-Gummipuppe einem apfelbestückten Karren, der die Aufschrift "Paradies" trägt, und bei Stolzings Vortrag finden ein Prinz und eine Prinzessin in altbackenen Posen zueinander. Als Preis serviert Eva einen monumentalen Scheck. Und zum abschließenden Loblied auf die deutsche Kunst darf dann doch noch alles so ein bisschen faschistisch aussehen wie immer, und Sachs darf ein wenig herumhitlern, auch wie immer.

Eher ungewöhnlich ist (immerhin), dass der Sachs, mit dem "Die Meistersinger" stehen und fallen, derart schwächelt wie jetzt in Bayreuth. Schon zu Beginn wirkt Franz Hawlata angeschlagen, und am Schluss ist sein Singen gänzlich zum Sprechgesang heruntergekommen. Überhaupt ist das musikalische Niveau an diesem Abend enttäuschend: Unkonturiert und unstet singt Amanda Mace die Eva, um die hohen Töne und das präzise Erreichen weiter Intervallsprünge muss man bei Klaus Florian Vogt fürchten, obwohl dieser dem Stolzing grundsätzlich viel schönes Material mitgibt, Norbert Ernst als David und Artur Korn als Pogner zeigen nicht ausreichend Konstanz und Stabilität. Überzeugend ist allein Michael Volle, der dem Beckmesser große Präsenz und schneidende Prägnanz verleiht, und auch Markus Eiche schlägt sich als Kothner wacker. Dabei haperte es in der Premiere noch heftig bei der Koordination zwischen Bühne und Orchester, und überhaupt kapellmeisterte man im Graben unter Sebastian Weigles Leitung recht ideen- und konturlos vor sich hin. Zum überwältigend-mystischen Klang soll sich das Ganze offenbar nicht fügen, und Analyse ist dann doch etwas anderes als ein gelegentliches Herausknallenlassen von Trompeten oder Celli.

Immerhin passen die instrumentale Darbietung und eine Inszenierung, die aus individueller Vergangenheitsbewältigung und einer bilderprallen Studie über das Regietheater ein (allzu) buntes Spektakel macht, so prima zusammen, dass sich am Ende das Bayreuther Publikum in Bravo- und Buhrufer teilte. Auch hier blieb also alles beim Alten. Ob Katharinas Bewerbung jetzt Erfolg hat? Wenn"s der Kunst gilt, bitte nicht.

 

Frankfurter Neue Presse
27.07.2007

Abschied vom Gewohnten
Mit der Neuinszenierung der „Meistersinger" eröffneten die Bayreuther Festspiele.

Von Rudolf Jöckle

Es muss ein merkwürdiger Augenblick für die 29-jährige Katharina Wagner gewesen sein: ihre erste Inszenierung am zentralen Platz ihrer Familie – und das in einem Augenblick, wo sie vor aller Welt ihre Befähigung bestätigen sollte, die Festspielleitung aus den Händen ihres Vaters Wolfgang zu übernehmen, der selbst nie mehr als ein solider Bühnengestalter, dafür ein gerühmter Prinzipal war. Zudem: Die „Meistersinger" sind gewiss das am stärksten belastete Werk Richard Wagners seit dem Missbrauch der „deutschen Meister" und der „deutschen Kunst" in der NS-Zeit.

Katharina Wagners erstes großes Verdienst dürfte sein, dass sie der „Meistersinger"-Szene neue Impulse und eine im Kern durchaus tragende Sichtweise gegeben hat: Sie inszeniert mutig die Rezeptionsgeschichte des Werks. Und dazu dreht sie die zentralen Gegenspieler Sachs und Beckmesser einfach um. Sachs beginnt hemdsärmelig, ein Prolet, ein rauchender 68er, und eher auch Autor denn Schuster, dem alles Zeremoniell und dessen begriffliche oder formale Zementierung zuwider ist. Walter von Stolzing ist seine jüngere Ausgabe, um Formen nicht bemüht bis hin zum Rüpelhaften, dazu auch ziemlich auf sich selbst fixiert. Beckmesser dagegen ist der übergenaue und dadurch immer auch der strenge Formalist, ein gehemmter Pedant gerade auch in Liebesdingen. Die Schlüsselerfahrung für beide, so Katharina Wagner, ist die „Prügelei" der Johannisnacht: bei Katharina eher eine allgemeine Enthemmung als eine gute fränkische Schlägerei. Deren Erfahrung freilich machen Sachs das „Wahnhafte", das Zerstörerische seiner Position deutlich, während der trockene Beckmesser just seinen Spaß an solcher neuen Freiheit findet. Sein Werbelied auf der Festwiese wird denn auch zu einer regelrechten Perfomance bis hin zur sexuellen Drastik. Und während Sachs wie Stolzing, auch der wird domestiziert, mit Anzug und Krawatte auf der Festwiese erscheinen, hat Beckmesser deren 68er Habitus angenommen – und verachtet den Schuster.

Das klingt alles sehr ernst, andererseits ist das mit viel Witz durchsetzt und aufgelockert, derb dabei auch (da können Wagnerianer schon nervös werden), vieles aber spielerisch locker. Dass manche Szene zerfasert, vielleicht, vom Einfall überspielt, „nicht in die Tiefe" geht, gehört dazu. Und manches wirkt wohl auch so unpassend oder aufgesetzt, weil es just das Gegenteil des Gewohnten, unerschütterlich Zementierten zeigt.

Tilo Steffens hat ein Bühnenbild gebaut, das bisweilen schier magische Ausblicke beschert. Ein weiter schwerer Raum, von dunklem Holz umfasst, bildet das Grundmuster, die Seitenwände bergen durchscheinende Räume, die Figuren bedeutender Deutscher von Bach bis Hölderlin zeigen, auch Richard Wagner, der immer wieder auftaucht, karikiert unter den tanzenden „Schwellköpfen" der Festwiese, schließlich zweifach, riesige, fast drohende Monumente, die aus dem Boden wachsen, zum Schlusschor – alles andere als eine Apotheose.

Dies waren jedenfalls die „Meistersinger" der Bayreuth-Debütanten, Katharina Wagner voran. Franz Hawlata war der neue Sachs, der mit seiner Partie doch einige Mühe hatte und deshalb, gemessen am Spiel, bisweilen blass blieb. Michael Volle als Gegenspieler Beckmesser (ebenfalls neu) war da aus klarerem, festerem Holz geschnitzt, markant und dennoch flexibel in der Stimme. Klaus Florian Vogt, neu als Stolzing, sang sich zum Publikumsliebling empor: strahlend in fast schon heldische Bereiche, mühelos dazu, was sein bestechendes Legato noch hervorhob. Artur Korn war der würdig-nachdenkliche Pogner mit dem rechten väterlichen Timbre, Norbert Ernst, neu in Bayreuth, ein stimmlich höchst präsenter, nie chargierender. also durchaus ernster David. Einen unglücklichen Start hatten die beiden Damen Amanda Mace (Eva) und Carola Guber (Magdalene), die, beide durchaus gestandene Frauen, gleichgewandet und mit skurrilen Teenager-Hüpfereien sich bewegen mussten. Offenbar hat man das ihnen nicht verziehen: Sie standen am Ende voll im Buh-Gewitter. Dabei imponierte gerade Frau Mace mit ihrer sicher geführten, reichen Stimme, der freilich der gewohnte Schmelz fehlte. Letzter der Debütanten-Reihe: Sebastian Weigle, Frankfurts designierter GMD. Er fing vielleicht allzu ruhig an, entwickelte vom 2. Akt an dann Festigkeit, noch präziseres Gespür für die Tempi und Übergänge, der Tonfluss wurde und blieb elastisch – das Orchester folgte mit eindrucksvoller Intensität, in den Forte-Aufschwüngen nie dick. Wie immer eine feste Bank in Bayreuth der Chor (Einstudierung Eberhard Friedrich).

Am Ende wilde Buhs für Katharina Wagner, nur ein paar schüchterne für Sebastian Weigle, meist Freundlichkeiten den Solisten gegenüber.

NACHRICHTEN
Kann sie’s?

Nimmt man den Buh-Orkan zum Maßstab, dann wäre es entschieden: Katharina Wagner hat mit ihrer „Meistersinger"-Inszenierung alles „versungen und vertan", sie ist zur Festspielleitung in Bayreuth nicht geeignet. Doch so einfach ist es nun doch nicht, auch wenn besagte Inszenierung nicht als singuläre Genie-Tat erschien. Vor allem in der Premieren-Reihe sind die harten Wagnerianer ja immer noch gut vertreten, die sich schon über jede kleine „Abweichung" – etwa wenn der Sachs (immerhin auch Poet) auf der Schreibmaschine hämmert – grimmig aufregen können. Und vor Buhs schrecken heutzutage ja auch alte Damen nicht mehr zurück. Immerhin hat Katharina Wagner gezeigt, dass sie vor Problemen, wie sie die „Meistersinger" nun mal behaften, nicht zurückschreckt, sondern sie beim Namen nennt. An intellektuellem Niveau ist ihr Rivalin Nike gewiss überlegen (auch das gehörte zu Pausengesprächen). Ob an szenischem Witz, an dem zupackenden Charme, der Katharinas Generation zu eigen ist, samt Temperament und Spielfreude, das müsste denn doch erst erfahren werden. Nach den „Meistersingern" scheint die Situation nicht leichter für Bayreuth. (R.J.)

 

Münchner Merkur
27.07.2007

Bayreuther Festspiele: Wunschmaid mit Biedersinn

Von Markus Thiel


Im Mittelpunkt der Richard-Wagner-Festspiele in Bayreuth steht die Neuinszenierung der Oper "Die Meistersinger von Nürnberg": Magdalene (l, Carola Guber) und David (Norbert Ernst) im 1. Akt während der Fotoprobe im Festspielhaus in Bayreuth (Oberfranken).

Bayreuth - Bevor das Fallbeil ausgelöst wird, sollte bedacht werden: Keine Aufführung hätte diesem Erwartungsdruck standgehalten. Das Debüt an heil‘gem Ort mit der erst fünften Inszenierung, die erklärte Befreiung seiner „Meistersinger von Nürnberg" aus sumpfigster Bayreuth-Konvention, dies alles als sechsstündige Bewerbung für den Festspielthron - nicht einmal Katharina Wagners großen Kollegen wäre da der Coup gelungen.

Und doch sind nun ziemlich viele von dieser Bayreuther Premiere enttäuscht. Die Orthodoxen, weil ihnen ihre Wunschmaid die Festwiese des dritten Akts gründlich vermiest hat. Die Freunde frecher Regie, weil Provokatives allzu durchsichtig ausgestellt wurde. Krawallfans, weil es - trotz Buhs für Solisten und Regieteam - nicht mal zum Skandälchen reichte. Und Liebhaber der Gesangskultur, weil sie eine der dürftigsten Neuproduktionen der letzten Jahre durchsitzen mussten.

Bevor‘s im Finale politisch, gleichzeitig recht dünn wird, nimmt Katharina Wagner mit ihren Ausstattern die „Meistersinger" als das, was sie sind: als Diskurs über die Kunst und als Schilderung, wie da ein Außenseiter Nürnbergs bornierte High Society aufmischt. Das ist folglich nicht neu, ward aber am Grünen Hügel, wo Vater Wolfgangs letzte Regie zum komatösen Schlummer einlud, so noch nie gesehen.

 Im dreistöckigen Einheitsraum, eine Art Kunstakademie, erleben also die Meister, die Hochwasserhosen tragen und mit dem Reclamheft als Bibel wedeln, wie ein Stolzing ihren geschleckten Raum nach seiner Faon verhübscht. Der Mann hat zwar einen adretten Anzug und beste Manieren, betrachtet aber alles, was ihm in die Finger kommt, als Einladung zur Performance - Schlingensief lässt grüßen.

 Vieles, was Katharina Wagner und ihre animierten Sänger zeigen, ist ja amüsant. Stolzings Wettpuzzeln mit Beckmesser etwa, auch die „Dichterlesung" des Letzteren à la Loriot und der Sängerkrieg, bei dem Beckmesser mit echtem Nackedei und Beate-Uhse-Puppe auftritt, während Stolzing seinen Minne-Song durch mittelalterlich gewandete Statisten illustriert.

 Katharina Wagners Problem ist nur, dass sie ihr Publikum für ein wenig schlicht hält, alles also zwei- bis dreimal erklärt, anderes dagegen wahnsinnig avantgardistisch findet, was sich nur im Biedersinn erschöpft: Klecksende Künstler und ausgeschüttete Farbeimer in hehren Hallen, solch „Provokationen" reizen allenfalls zum Gähnen.

 Um zwei gegenläufige Entwicklungen kreisen diese „Meistersinger". Sachs, modern, kettenrauchend, barfuß und im offenen Hemd, mutiert vom freigeistigen Autor zum rechten Fiesling, der mit Breker-Büsten der deutschen Kunst huldigt. Stolzing macht dieselbe Entwicklung durch, kann aber vorm finalen „Heil"-Jubel noch entfliehen. Beckmesser dagegen, der einstige Traditionsverherrlicher, erlebt seine emotionale Erweckung, kann solch nationalistische Exzesse nur grimmig belachen.

Doch zwischen Konzept und Realität klaffen Lücken: Warum Sachs und Stolzing ihre Wandlung erleben, wird nicht gezeigt. Ebenso Sachs‘ angebliche Liaison mit Eva, wie sich überhaupt der flotte Hans inmitten spießiger Meister zu unbehelligt bewegt: Warum ist er hier überhaupt so anerkannt?

 Für ihre kaum gebändigte, manchmal auch unlogische Ideenschau hat sich Katharina Wagner bei vielen bedient. Hier etwas Konwitschny, dort Claus Guths Schwellköpfe beim Ballett der deutschen Meistergeister, sogar Onkel Wieland wird mit steiler Festwiesen-Tribüne zitiert. Dass erstmals in Bayreuth das deutschnationale C-Dur-Brausen hinterfragt wird, ehrt Katharina Wagner allerdings. Obgleich ihr dabei ein Sündenfall unterläuft: Mögliche Proteste gegen ihre Regie - „Buh"-Schilder und eine Künstlerverbrennung (!) - werden eitel und geschmacklos mitinszeniert. Etwas Regiegeschichte in Bayreuth und anderswo, noch eine Portion „Meistersinger" in NS-Zeit plus Kunstdebatte: Unter solch Zutaten ächzt die Produktion. Und manch Sänger auch unter seiner Partie. Amanda Mace, vom Stimmtyp nur robustes Blondchen, plagt sich mit der Eva, gern auch vierteltönig zu tief, ist in dieser Inszenierung überdies kaum vorhanden. Franz Hawlata, im Leben und auf der Bühne Zigarettenfreund, spielt als Sachs vor allem sich selbst. Sein Stimmkern ist ihm abhanden gekommen, auch die klare Diktion, harte Tonansätze und forcierte Spitzen sollen fehlende Durchschlagskraft ersetzen. Artur Korn (Pogner) ist mit ältlichem Bass kaum formatfüllend. Eher schon Norbert Ernst (David), Carola Gruber (Magdalena) und Markus Eiche (Kothner).

Klaus Florian Vogt, als Stolzing-Sonnyboy ein Wiedergänger Roland Kaisers, fügt sich ideal ins Konzept. Seinen ätherisch hellen, mühelos tragenden Tenor setzt er nun mit mehr Timbre-Breite und Nachdruck ein, Wagner bleibt aber für diesen genuin Lyrischen ein Grenzfall.

 Bei wem keine Wünsche offenbleiben, ist Michael Volle. Offenbar alles, vom kristallklaren Parlando bis zum kraftvollen Ausbruch, kann dieser Ausnahmesänger seinem Bariton abverlangen. Beckmessers Preislied-Karikatur klingt bei Volle wie das logischste Schubertlied, höchste Spiellust wird durch darstellerische Intelligenz kanalisiert. Ein Sympathieträger, dem die Krone des Abends gebührt.

 Zumal sich Volle auch weitgehend gegen Dirigent Sebastian Weigle durchsetzen konnte. Der ist kein Schattierungszauberer wie Thielemann, segelt meist volle Kraft voraus und dabei gern über Stimmen hinweg. Weigle verlor sich nicht in Manierismen, blickte durchs Mikroskop auf die Partitur, wo‘s angebracht war, und bot eine kompakte, prägnante, anfangs einfallslose Interpretation. Manche Passagen wackelten zudem, auch das Zusammenspiel mit dem phänomenalen Festspielchor hat man hier schon präziser gehört.

Aber der Kundendienst der „Werkstatt Bayreuth" steht Sebastian Weigle ja zur Verfügung. Ebenso wie Katharina Wagner, die sich sichtlich noch in der Übungsphase befindet. Was für die Festspielleitung zunächst gar nichts heißt. Immerhin: Mit einer Inszenierung hat sie mehr Fantasie als Papa Wolfgang in mehreren Jahrzehnten gezeigt.

 

Nürnberger Zeitung
27.7.2007

Auftakt der Bayreuther Festspiele
Wagner im Hauruck-Verfahren

In Katharina Wagners Nürnberg könnte Dürer auch ein Comiczeichner sein. Denn die junge Tochter des greisen Festspielchefs Wolfgang Wagner taucht in ihrem viel beachteten und mit Erwartungen überfrachteten Regiedebüt am Mittwoch zur Eröffnung der 96. Bayreuther Festspiele "Die Meistersinger von Nürnberg" in grelle Farben und Bilder. Wo ihr Urgroßvater Richard Wagner einen feinsinnigen Diskurs über das Alte und das Neue in der Kunst – mit Hans Sachs als gewiefter Integrationsfigur – entwarf, bevorzugt Katharina das Hauruck-Verfahren.

Bis zur Mitte des dritten Aktes pinselt sie ein grobes Sittengemälde der 68er Jahre und deren Folgen. Da platzt der junge Stolzing mit offenem Hemd und Langhaarmähne wie ein Rockstar in eine Art Haus der Künste (Bühne: Tilo Steffens), in dem auf drei Etagen jede Sparte ihre eigene museale Kammer hat und Dürers Selbstbildnis an der Decke prangt.

Als ihm die Meister, die in muffigen Talaren wie verstockte Professoren agieren, den Zutritt zu ihrem elitären Sangesverein verweigern und damit die Chance verbauen, die Pogner-Tochter Eva beim Preissingen zu erobern, wird Stolzing böse und kleckst als Jung-Sponti mit Farbe herum.

Eimerweise Farbe auf Beckmesser und Sachs

Dieser Ausbruch an Disziplinlosigkeit weitet sich zum Ende des zweiten Aktes in eine Art Beschüttungstheater: Aus Eimern, die aussehen wie Warhols Campbell-Suppendosen, gießt ein wildgewordener Mob von der Galerie Farbe auf die streitenden Beckmesser und Sachs.

Der zuvor dem Modernen aufgeschlossene Sachs mutiert ob dieses Schocks zum Reaktionär und bastelt mit dem brav gewordenen Stolzing am guten alten Familienidyll: Stolzing und Eva hier, David und Magdalene dort, werden, samt niedlich angezogenen Kindern, prompt von zwei großen Bilderrahmen "veredelt".

So holzschnittartig, wie die Story hier klingt, inszeniert sie Katharina Wagner auch. In ihrer erst fünften Regie verwendet die 29-Jährige dabei sattsam bekannte Versatzstücke des so genannten Regietheaters: Da wird ständig in gelben Reclambändchen gelesen; zwölf Büsten mit Heroen des klassischen Bildungskanons – darunter natürlich auch Richard Wagner - entwickeln immer mehr Eigenleben und geistern schließlich als riesige Wasserköpfe über die Bühne; Stolzing ist mehr Maler als Musiker und entrollt Aktbilder von Eva vor den pikierten Meistern.

Und der Schuhmacherpoet Sachs hämmert in die Schreibmaschinentasten statt auf Schusters Sohlen – vielleicht läuft er, der bärbeißige und ständig rauchende Quertreiber, deshalb auch als einziger barfuß herum.

Viele solche für sich amüsanten Einfälle finden sich in der Inszenierung, doch die große Linie fehlt. Die Figuren verändern sich abrupt – etwa Beckmesser, der vom verklemmten Spießer über Nacht zum wilden Performance-Künstler mit wirrer Lockenmähne wird.

Und die Einfälle überdecken die im Grunde biedere Anlage der Personenführung: Die Lehrbuben agieren in der Singschule in starren, langgezogenen Ritualen; Sachs und Beckmesser sitzen bei ihrem Sing-Duell im zweiten Akt unmotiviert an Kantinentischen und verschenken die Möglichkeiten, die das Libretto hier bietet.

Doch richtig ins Schleudern kommt die Inszenierung erst im Festwiesen-Finale, in dem Katharina Wagner die Sorge vor der Kritik an ihrem Entwurf mit der entgleisten Rezeptionsgeschichte der "Meistersinger" während der Nazizeit kurzschließt. Da werden die zwölf Künstlerköpfe plötzlich zu kopulierenden Tänzern, die ein (Statisten-)Regieteam beklatschen.

Doch Hans Sachs und seine Helfer packen dieses Regieteam in einen Container und zünden es zu den Klängen des "Wach auf"-Chors an. Beckmesser wird für eine mehr als schräge Lied-Performance ausgebuht: Vom Chor, der als Opernpublikum gewandet dem echten Publikum gegenübersitzt.

Stolzing erntet für die schnulzige Version des gleichen Lieds Jubel, und Hans Sachs mutiert im chauvinistischen Schlussmonolog beleuchtungstechnisch zu Hitler, den zwei riesige Statuen a là Arno Breker flankieren.

Katharina Wagner demonstriert damit zwar, dass sie die rhetorischen Kniffe des modernen Regietheaters kennt, aber sie verwendet sie nur für plakative Effekte und traut ihrer Wirkung nicht – sonst müsste nicht ein Bild greller als das andere sein.

Einen angenehmen Kontrast zur szenischen Aufgeregtheit bot Sebastian Weigle bei seinem vielversprechenden Bayreuth-Debüt. Insbesondere die lyrischen Passagen der Partitur ließ der designierte GMD der Frankfurter Oper mit Feingefühl erklingen, im Vorspiel und bei der Festwiesen-Musik verweigert er sich aber so sehr jeglichem Pomp, dass auch der Glanz fehlte.

Die Sänger weckten Begeisterung

Von den Sängern begeisterte der soeben erst in Nürnberg als Siegmund aktive Klaus Florian Vogt (Stolzing) mit seinem farbenprächtig fließenden Tenor. Ebenfalls überzeugen konnte Michael Volle als facettenreicher und spielfreudig agierender Beckmesser. Franz Hawlata zeigte als Sachs mit dunkel grundiertem Bariton gute Anlagen – allerdings verließ ihn auf der Festwiese die Kraft. Gefielen Norbert Ernst als David und Artur Korn als Pogner, so konnten Amanda Mace als Eva und Carola Guber als Magdalene kaum Profil gewinnen. Das lag aber auch an der Regie: Katharina Wagner ließ die beiden als zwillingsschwesternhafte Dummchen auftreten – ein ärgerliches Klischee.

Am Ende dominierten die Buhs, vor allem für Katharina und ihr Regieteam. Ob diese "Meistersinger" und die Reaktionen darauf nun Katharina Wagner dem angestrebten Thron der Bayreuther Festspielchefin näherbringen? Diese Frage erschien in der überhitzten Vorberichterstattung schon aufgebauscht, nun, nach der Ernüchterung dieses Debüts, wirkt sie es noch mehr. Nur eines lässt sich im Moment mit Sicherheit sagen: Es ist noch keine Meisterin vom Himmel gefallen – weder in Nürnberg, noch in Bayreuth.

Thomas Heinold

 

Kieler Nachrichten
27.07.2007

Die Geister der Meister

Von Christian Strehk


Im Sängerwettstreit im Setzkasten der Künste (Bühne: Tilo Steffens)
brillierte Tenor Klaus Florian Vogt (li.), der seine Sängerkarriere 1997
am Landestheater Schleswig-Holstein startete.
Fotos dpa/ddp

Bayreuth – Es wird viel gebuht im Bayreuther Festspielhaus. Es erwischt den Dirigenten, manchen Sänger und natürlich die Regie. Katharina Wagner hat die komische Oper Die Meistersinger von Nürnberg nicht neu-, sondern umgedeutet. Das allerdings konsequent.

Unter den Talaren, so ahnt man schnell, steckt hier noch der Muff der Tausend Jahre. Dabei ist alles so hübsch ordentlich drapiert im Setzkasten der professoral gepflegten Künste, den Tilo Steffens da auf die Bühne der Bayreuther Festspiele 2007 gebaut hat. An der Kassettendecke werkeln werktreue Restauratoren. Gerne wird auch sonst Staub gewischt – an der Oberfläche zumindest. Und die Professoren halten die Klassiker in Form von gelben Reclam-Heftchen hoch.

So könnte eine harmlos nette Aktualisierung von Richard Wagners komischer Oper Die Meistersinger von Nürnberg beginnen. Doch die Regisseurin Katharina Wagner führt mehr im Schilde, sucht gleichzeitig die demonstrative, ja gewaltsame Umdeutung der Hauptfiguren. Ihr Walther von Stolzing, den der Holsteiner Tenor Klaus Florian Vogt mit hinreißender Leichtigkeit und Emphase singt und spielt, ist kein ritterlicher Typ, der unwissend in die perfekt geregelte Welt der Kunstpflege hineinstolpert. Es ist nicht seine entflammte Liebe zur Dekanstochter, die ihn sängerisch beflügelt und das Regelwerk der Meistersinger-Zunft sprengt. Er ist hier vielmehr schon längst einer jener unberechenbaren Allroundkünstler der Marke Schlingensief, wenn er – auf Turnschuhen – dem Flügel in der Setzkasten-Wabe oben links entsteigt und gern mit Farbe rumschweint. Die Liebe, bei Wagner noch zentrale Triebfeder, ist damit als innovative Kraft verdrängt. Hier gilt's der Kunst.

Auch Walthers Gegenspieler Beckmesser, zunächst der gewohnt zickige Kunstkritiker, der mit Neuerungen nicht das Geringste anfangen kann, erfährt in Bayreuth eine überraschende Verwandlung. Der Grimmige, mit wunderbar ätzender Präsenz gesungen von Michael Volle, entdeckt bei seiner missglückten nächtlichen „Dichterlesung" im Kunst-Bistro des zweiten Aufzugs die subversive Kraft der Performance. Denn es ist sein „Kunstbeitrag", der den (reichlich wuseligen) Pogrom der Prügelfuge auslöst, die Kunstwächter in Unterhosen auf den Balkon ruft. Beckmesser wird – mit der Aufschrift „Beck in town" auf dem T-Shirt – zur eigentlichen Speerspitze der Avantgarde. Deshalb passen ihm auch die Turnschuhe, die hier die freie Kunst bedeuten.

Hans Sachs, der in der Professoren-Riege noch im Schlabber-Look (Kostüme: Michaela Barth) den barfüßigen Außenseiter mit Toleranz-Vorsprung gegeben hatte, sieht nun überall „Wahn". Von den musengeilen Geistern der Meister, dargestellt in überlebensgroßen Puppenköpfen mit Wagner-, Hölderlin-, Schinkel- oder auch Goethe-Physiognomie, wird er erfolgreich heimgesucht. Bald schwingt er sich in Anzug und Krawatte auf, gemeinsam mit dem ebenfalls populistisch gezähmten Stolzing, einem hochgradig konservativen Kunstideal mit faschistoiden Zügen das Wort zu reden: „Verachtet mir die Meister nicht…". Werktreue, ein Tanz ums goldene Kalb. Beckmesser, dem Wagner in der Tat die progressivste, Dadaismen und atonale Chromatik vorausahnende Musik geschrieben hat, kann da nur lachen. Auf der Festwiese provoziert er mit Kunstaktionen, die auf den Zuschauerrängen (stark wie gewohnt: der Festspielchor) das blanke Entsetzen ausbrechen lassen: Mit dort hochgehaltenen Buh-Schildern wird die spätere Reaktion im Festspielhaus schon augenzwinkernd vorweggenommen.

Wer sich auf solche Verbiegungen der Figuren einlässt, wird zugeben müssen, dass Katharina Wagner ihre (nur bedingt komische) Regiearbeit schlüssig bis ins Schuh-Detail durchhält. Aber die Regisseurin will noch mehr – und immer wieder auch zu viel. So bohrt sie mit dem Schulmädchenreport-Zeigefinger in den sexuellen Verklemmungen der Gesellschaft, zeigt etwa deutlich, dass der großmütige Verzicht von Hans Sachs auf die nur oberflächlich brave Eva eigentlich der schwere Abschied von einer heißen Affäre ist…Mehr Sorgen als um den Sinn oder Unsinn einer szenischen Mutation muss man sich – abgesehen von Vogt und Volle – über das musikalische Niveau bei Deutschlands renommiertesten Festspielen machen. Der Berliner Sebastian Weigle, Opernchef in Barcelona und designierter GMD in Frankfurt, kann nicht annähernd an das hoch differenzierte Meistersinger-Dirigat seines Vorgängers Christian Thielemann anknüpfen. Schon die Ouvertüre dröhnt gefährlich roh und ruhelos. Und obwohl es auch ein paar gelungene Momente gibt (Vorspiel Dritter Aufzug), fehlt es im Festspielorchester allzu häufig an Poesie und Binnenspannung.

Die Hauptpartie des Hans Sachs ist mit dem Österreicher Franz Hawlata charismatisch, aber sängerisch problematisch besetzt. Die Stimme verliert in der oft geforderten Höhe stark an Farbe und Kraft. Die Sprache kommt durchgehend vernuschelt daher. Die Amerikanerin Amanda Mace bringt für Eva nur technische Sicherheit und eine weiß rauschende Stimme mit. Artur Korn (Pogner), Markus Eiche (Kothner) und Norbert Ernst (David) bieten immerhin ordentliche Leistungen. Genug darf auch das nicht sein.

Katharina Wagner, die 29-Jährige Regisseurin, hat mit ihrer erst fünften Opernregie enormem Druck standhalten müssen. Dass ihr gelungen ist, das Bayreuther Premierenpublikum auf hohem Niveau zu provozieren, darf man getrost als bemerkenswert einstufen. Man merkt, dass die burschikose Fränkin, die sich wie eine schon amtierende Festspielleiterin schützend vor ihre ausgebuhten Sänger stellt, die Werke tief verinnerlicht hat. Als Assistentin von ästhetischen Extrempolen wie Schlingensief und Wolfgang Wagner ist in ihr vermutlich eine schizophrene Spannung entstanden, die der Verarbeitung bedurfte. Jetzt wird gemunkelt, dass sie im Jahr 2013 den neuen Bayreuther Ring inszenieren soll. Im Stiftungsrat, der im Herbst wieder das heiße Eisen der Wolfgang-Wagner-Nachfolge anpacken will, wird ihr wohl auch das nichts nützen.

 

Neues Deutschland
27.07.07

Beckmessers Chance
Mit Spannung erwartetes Hügeldebüt: Katharina Wagners "Die Meistersinger von Nürnberg"

Von Roberto Becker

Sie waren wieder alle gekommen: Die von schrulligen Fans angehimmelte Showprominenz von Thomas Gottschalk bis Roberto Blanco. Manches fast schon vergessene Gesicht, von dem man es eh wusste, ließ auch nicht eine Kamera aus, die sich bot. Und mancher Schauspieler, von dem man es nicht gedacht hätte, bot alle Findigkeit auf, um auch eine Dosis vom Blitzlichtgewitter abzubekommen. So wie von Amts wegen die pensionierte Politprominenz, der scheidende und der künftige bayerische Landesvater und natürlich die amtierende, Opern liebende Kanzlerin und ihr EU-Gast Barroso. Auf eine gewisse und keineswegs nur verkrustete Weise ist die Republik bei diesem eigenartigen Sommerritual auf dem Grünen Hügel in der fränkischen Provinz ganz bei sich. Es ist diese besondere Gemengelage von deutscher Geschichte und Kunst, die nach wie vor ihre Faszination ausübt und einen unübertroffenen PR-Faktor bietet.

Wenn dann auch noch, wie in diesem Jahr, "Die Meistersinger von Nürnberg" mit einer Neuinszenierung dran sind, (was nach dem Krieg immer Chef- also Familiensache war) und wenn dafür eine junge Regisseurin von nicht mal dreißig die Chance eines Hügeldebüts mit ihrer erst fünften Inszenierung überhaupt bekommt, dann freilich hat das schon etwas von dem Sturm auf die Bastionen der in feste Regeln gefügten Tradition, in der es auch in Wagners Oper selbst geht.

Katharina Wagner handelte sich am Ende dann zwar tatsächlich die erwarteten Buh-Stürme auch ein, mit denen sie gerechnet hatte. Doch es war keine Provokation um der Provokation willen, obwohl manches szenische Versatzstück auf den ersten Blick so aussah. Da ist es noch harmlos, wenn Walther von Stolzing aus dem Klavier springt und ein Cello bemalt. Oder wenn er bei seiner Bewerbung eine Nürnberger Stadtansicht auf den Kopf stellt und Eva vor allem als bemalbares Objekt seiner Kunstgier als seines Liebesverlangens betrachtet. Es ist witzig, wenn sich die Meister bei ihren Wortmeldungen auf ihrer Versammlung nur dann zu sprechen trauen, wenn sie das kleine Rednerpult zwischen den Händen halten und die gelben Reclam-Heftchen für sie ebenso die Leitlinie sind wie die Gipsbüsten der deutschen Geistesprominenz an den Wänden zwischen den Instrumenten, Ballettstangen und Staffeleien dieser Kunstakademie, die Tilo Steffens gebaut hat. Es wirkt manchmal etwas hölzern, wenn die Lehrbuben wie die gedrillten Kadetten auf- und abmarschieren. Aber es hat seinen Witz, wenn ausgerechnet der Schuster demonstrativ ohne jedes Schuhwerk zur Versammlung kommt. Immerhin kommt er. Es ist halt gut streiten mit dem Beckmesser. Und die für den Nach-68er-Marsch durch die Institutionen symbolträchtigen Turnschuhe, die gibt es hier dann auch noch. Wenn Beckmesser sein Ständchen für Eva vortragen will, und Sachs ihm (hier mit dem Hämmern auf der Schreibmaschine) dazwischenfunkt, dann wirft jemand reichlich mit weißen Turnschuhen aus dem Schnürboden.

In der Prügelszene dann gibt es eine große Entgrenzung: Mit einem Mal macht jeder die Kunst, die er will. Und damit überhaupt, was er will. Ohne Tabulatur oder die geballte Reclam-Belehrung, wie Kunst zu gehen hat. So wie Katharina Wagner und ihr Dramaturg Robert Sollich hier die Regeln durch einen kreativen Aufruhr zur Disposition stellen, hinterlässt das weit tiefere Spuren als es die üblichen Kompressen und blauen Augen nach der üblichen Klopperei sonst sind. Für Sachs und für Beckmesser ändert sich nämlich von da an ihr Selbstverständnis als Künstler und ihre gesellschaftliche Rolle. Der sich bislang so liberal gebärdende Sachs wird zum Schlips-und-Kragen-Konservativen. Beckmesser aber findet zu sich als Künstler. Er legt seine Verklemmung ab, tauscht den viel zu kleinen Konfirmandenanzug gegen eine relaxte T-Shirt-Lockerheit, nimmt sich selbst mit seiner Art von Kunst ernst. Er wird von der Mehrheit, die viel lieber verzückt an Stolzings Lippen hängt, zwar abgelehnt. Immerhin hat Beckmesser aber die Aufmerksamkeit einer aufgeschlossenen Minderheit auf der Bühne. Für den Zuschauer im Saal, der sich auf diese neue Sicht einlässt, ist er am Ende die einzig verbleibende Identifikationsfigur.

Stolzing ist zwar auch immer noch ganz nett, aber mehr der klug kalkulierende, angepasste, Geld verdienende Star fürs Massenpublikum. Der arme Beckmesser, der sonst immer den verklemmten Deppen geben muss, gar im Verdacht einer antisemitischen Spitze seines Erfinders steht, hat sich diese neue Sicht in einer langen Rezeptionsgeschichte redlich verdient. Das ist der Regisseurin im Ganzen ebenso überzeugend gelungen, wie sie Sachs nationalistisch kontaminierte Schlussansprache mit beklemmender Logik herleitet. Gespenstisch von unten angeleuchtet, mit dem auf ihn eingeschworenen Festspielpublikum im Rücken, zwischen zwei aus der Versenkung auftauchenden, mit Gold überzogenen Heldenstatuen von der wahren deutschen Kunst schwadronierend – da bleibt, vom weisen, abgeklärten Sympathieträger Sachs nicht viel übrig. Immerhin haben der hellsichtig gewordene Beckmesser und der auf Erfolg gestimmte Stolzing längst die Flucht ergriffen.

In der Nähe dieses Sachs' läuft's einem kalt den Rücken herunter. Auch oder gerade weil er kurz zuvor die mit albtraumartig aufgeblasenen Köpfen auf ihn einstürmenden deutschen Meister verabschiedet hat und das Inszenierungsteam dieses Albtraums zum unsichtbaren "Wach auf"-Chor in Flammen aufgehen ließ. Es ist wie bei gelungenen Bilder immer: Plötzlich hört man auch, was man sieht. Auf der anderen Seite der Emotionsskala erscheinen aber auch das traumverlorene Quintett und Walthers hinreißendes Preislied in ihrem Glanz als eine falsche Utopie. Obwohl Klaus Florian Vogt seinen Walther nicht denunziert, sondern mit einer bewundernswert erfrischenden Natürlichkeit vom Bilderstürmer zum netten Opportunisten werden lässt. Mit seinem betörenden, lyrischen Schmelz kann man ihm sowieso nichts übelnehmen.

Neben ihm besteht stimmlich und auf dem für Bayreuth eigentlich gebotenen Niveau nur noch Michael Volle als Beckmesser. Und das mit umjubelter Bravour! Franz Hawlata blieb da einiges schuldig – er spielte seinen Sachs meist überzeugender, als er ihn sang. Vom übrigen Personal konnte da nur noch Norbert Ernst als David mithalten. Die Frauen hatten zudem weder bei der Regisseurin noch bei ihrer Kostümbildnerin Michaela Barth gute Karten. Zu dem in Bayreuth ja möglichen und üblichen Nachbessern bleibt da viel Raum. Den wird wohl auch Dirigent Sebastian Weigle nutzen, um mit den Tücken des verdeckten Grabens besser klarzukommen. Und um seiner unpathetischen, schlanken Sicht auch noch jenes Quäntchen suggestiver Verführung hinzuzufügen, die diese Meistersinger gut vertragen würden.

 

taz.de
27.07.2007

Bayreuth
Erst ein Paar Schuhe durch
Katharina Wagner hat sich mit ihrer "Meistersinger"-Premiere bei den Bayreuther Festspielen viele Buhs eingefangen.

VON KATRIN BETTINA MÜLLER

Die Strategie war sehr durchsichtig: Katharina Wagner zur Eröffnung der Festspiele in Bayreuth 2007 mit einer Premiere der "Meistersinger" zu betrauen, um sie damit in der Frage der Nachfolge für die künstlerische Leitung an die Spitze zu bugsieren. Einen zwiespältigen Gefallen hat Wolfgang Wagner damit seiner Tochter als Regisseurin getan. Denn je weniger sie im Vorfeld zur Frage eines Intendanz-Konzepts Stellung nehmen wollte, umso mehr richteten sich alle Augen auf ihre erste Regieleistung auf dem Grünen Hügel. Das ist bis jetzt der einzige Knochen, den man zum Draufherumbeißen hat.

"Ausgebuht zu werden gehört zum Berufsbild eines Regisseurs", sagte Katharina Wagner vorbeugend in eine der vielen Kameras, die ihre Probenarbeit beobachten durften. Diese Offenheit war neu, ein kleines Zeichen für den erhofften Imagewechsel in Bayreuth. Den halten im Freundeskreis der Festspiele selbst die für notwendig, die eigentlich gern ihren Wagner nie vom Sockel des einzigartigen Genies holen wollten - Katharina ist ihre Hoffnungsträgerin, weil sie ihr zutrauen, ein junges Publikum neu zu gewinnen.

Wahrscheinlich auch jetzt noch, nach der Premiere, die am Mittwoch, wie man hört, mit vielen und anhaltenden Buhs aufgenommen wurde. Aber vielleicht denkt man im Kosmos Bayreuth vertrauensselig: Wer uns nur ähnlich fremd ist wie Christoph Schlingensief, wird uns sicher auch ähnlichen Ruhm bringen.

Aber unzufrieden, das konnte man in Frühkritiken hören und in Online-Diensten lesen, waren womöglich nicht nur alte Wagnerianer, die hier nichts mehr von der Aufführungstradition der "Meistersinger", die Wolfgang Wagner jahrzehntelang nicht aus der Hand gab, wiederfinden konnten, sondern stattdessen ein ein bizarres Panoptikum zu sehen bekamen: Uropa Richard tanzte in der Unterhose, ein Nackter stieg aus der Kiste, und am Ende wurde das Regieteam verbrannt. Unzufrieden sind auch die Kritiker, die auf eine rezeptionskritische Aufführung hofften. Als Absicht sei sie zwar deutlich markiert: "Plakativ" und "kopflastig", so hieß es, weise alles wie eine breit ausgeschilderte Straße in Richtung Kunstdiskurs hin, auf eine Konzentration auf den Konflikt zwischen Innovation und Tradition. Dafür hat Katharina Wagner die Figuren neu interpretiert und gegen die bekannte Lesart gebürstet. Und doch sah das alles sehr gewollt aus und war von einer Ironie, die sich gegen die eigenen Einfälle richtet.

"Ihr Terrain hat sie damit trotzdem behauptet", sagte die Opernkritikerin Christine Lemke-Matwey, der Kritik am Sammelsurium von Zitaten und der Anhäufung von Bildern zum Trotz. Denn wenn es der Inszenierung von Katharina Wagner auch nicht gelungen sei, die jahrzehntelange Verspätung, mit der Bayreuth der Entwicklung des Musiktheaters hinterherhinke, aufzuheben, so habe sie doch das Bewusstsein davon und den Anlauf zur Veränderung ausgestellt.

Was das für die Frage der Nachfolge heißt: nicht viel. Nur so viel, dass inszenatorisches Geschick und Festspielleitungen zwei Paar Schuhe bleiben und Katharina Wagner in dem zweiten Paar noch keinen Schritt getanzt hat.

 

Bild Zeitung
27. Juli 2007

Katharina Wagner ausgebuht!

Von AXEL BRÜGGEMANN

Für Katharina Wagner (29) geht es um alles!


Franz Hawlata (als Hans Sachs) und Amanda Mace (als Eva)
in der Neuinszenierung der Meistersinger

Die blonde Kronprinzessin der Bayreuther Festspiele kann ihren Vater Wolfgang (87) nur beerben, wenn ihre „Meistersinger"-Premiere ein Erfolg ist.

Der Schock! Das Publikum im Festspielhaus buhte am Schluss fast einstimmig! Kein Wunder: Denn Katharina Wagner steht für den Generationswechsel. Weniger Champagner-Oper, mehr moderne Regie.

Wagners schwerstes Werk um Kunst, Liebe und Deutschland erzählt sie vollkommen neu. Bei ihren „Meistersingern" geht es zu, wie im Lehrerzimmer von Dr. Specht. Ober-Meister Hans Sachs kämpft als Alt-68er gegen Spießer-Pauker.

Der echte Skandal kam am Ende der Oper. Sachs‘ Preislied ist ein Stück neuer Nationalismus. Sein Schüler Stolzing singt in Florian-Silbereisen-Ambiente. Und auf der Bühne sitzen Publikumsdarsteller in Abendrobe und schunkeln mit. So wie die Society auf dem „Grünen Hügel".

Wenn Bayreuth die Oper neu erfinden will, ist Katharina Wagner die Richtige!

 

Berliner Morgenpost
27. Juli 2007

Im Musikantenstadl von Bayreuth
Buhrufe zum Auftakt der Wagner-Festspiele: Katharina Wagner inszeniert die "Meistersinger"

Von Manuel Brug


Klaus Florian Vogt als Walther von Stolzing und
Mitglieder des Chores in Katharina Wagners
Neuinszenierung der "Meistersinger von Nürnberg"
Foto: AP

Mt dem so gefeierten wie erwartungsgemäß bebuhten Regiedebüt von Katharina Wagner haben die diesjährigen Richard-Wagner-Festspiele auf dem Grünen Hügel begonnen. Die 29-jährige Tochter von Wolfgang Wagner, die sich von dem legendären wie umstrittenen Festspielchef längst abgenabelt hat und sich selbst als seine Nachfolgerin anbietet, geht mit den "Meistersingern von Nürnberg" ihren eigenen, ziemlich konsequenten Regieweg. So manchem mag es freilich gegruselt haben, als da nach sechseinhalb Stunden der Sachs die "heil'ge deutsche Kunst" beschwor und aus dem Bayreuther Boden zwei kolossale Arno-Breker-Statuen schossen.

Streit zwischen Tradition und Aufbruch

Selten sah man eine so eigenwillige, leider auch inkonsequente Inszenierung der "Meistersinger". Eine Inszenierung, die so zwingend den Streit zwischen Tradition und Aufbruch am Beispiel des Gesangs aktuell in ein Duell der boomenden Bildenden Künste zwischen restaurativen und avantgardistischen Tendenzen verwandelt. Die Sachs, Stolzing, Beckmesser und Eva so eindeutig miteinander ideologisch in Beziehung setzt. Die sich aber auch wieder kindisch verhaspelt und anfängerhaft ungeschickt hantiert.

Dem Berliner Dirigenten Sebastian Weigle, ebenfalls Hügel-Debütant, aber kein Wagner-Anfänger, gelingt eine heiter und licht dahinspazierende Ouvertüre. Schon der Schluss des ersten Aktes aber verpufft im Ungefähren. Und dann werden die Klänge aus dem unsichtbaren Graben immer unauffälliger und glanzloser.

Keine harmlos tümelnde Tanzfestwiese

1924, nach dem verlorenen Krieg, nahm das Bayreuther Festspielpublikum die Schlussansprache stehend entgegen und antwortete mit dem Deutschlandlied. Ab 1943 wurden hier für Kriegsverwundete nur noch die "Meistersinger" als musikalischer Reichsparteitag gespielt. In Neubayreuth 1951 wurde diese Oper sofort wieder als ungebrochene Butzenscheiben-Nostalgie mit Karajan und Elisabeth Schwarzkopf gegen Wieland Wagners szenische Entrümplung gesetzt. Ab 1968 war sie in drei Varianten die harmlos tümelnde Tanzfestwiese für Wolfgang Wagner.

Das konnte und wollte die aufmüpfige Katharina Wagner nicht so stehen lassen. Sie sagt vehement, wie schon Onkel und Vater 1951: "Hier gilt's der Kunst". Aber einer, die nicht wegschaut, die sich nicht klein macht und die nicht versöhnlich ist. Tilo Steffens souveränes Einheitsbühnenbild ist vieldeutig wandelbar. Zunächst zeigt es einen nussbraun getäfelten Saal. Der Raum ist noch nicht fertig, an seinem Freskenprogramm - vorn schauen Dürers Augen herab - wird noch von einem Gerüst aus gepinselt.

Die Probleme beginnen im zweiten Akt

Die Lehrbuben und -mädchen, mit ihrem grauen Ornat und ihren Einheitspagenköpfen eine Mischung aus Harry Potters Hogwarts- und Hitlers Napola-Belegschaft, tragen kerzenartige Stangen herein, die sich als Tischbeine entpuppen. In einem so absurden wie komisch umständlichen Ritual werden sie zur Meistersinger-Tagungstafel zusammengebaut, auf der Talare und Stapel gelber Reclamhefte bereitliegen. Später wird hier ein schusselig-alter Veit Pogner (Arthur Korn) präsidieren und ein detailpusseliger Fritz Kothner (Fritz Eiche) assistieren. David (Norbert Ernst) kopiert fleißig die Tagungsordung, während Eva und Magdalene (Carola Gruber) als drall rothaarige Zwillingsschwestern kindisch um den Ritter Stolzing balzen.

Bis hierher sind diese "Meistersinger" witzig, aufgeräumt, intelligent und präzise gearbeitet - und gar nicht skandalträchtig. Die Probleme beginnen mit dem zweiten Akt, wo sich hinter Kaffeehaustischen mit Blümchendecken eine Wohnwabenwand mit Geranienkästen auftut. Die langen Szenen zwischen Eva und Stolzing, Eva und Sachs, Sachs und Beckmesser sind zu wenig durchgestellt. Wenn sich Eva sehr unvermittelt an Sachs heranmacht, dann ejakuliert der mit einer Sektflasche: ein abgeschmacktes Bild, das auch nicht besser wird, wenn im dritten Akt impotent der Korken drin bleibt und die Flasche schließlich in Scherben gehauen wird.

Wirklich genial ist die Schusterstube, in der sich die begonnene Wandlung aller manifestiert. In dem schicken Loft erscheint Sachs in neuem Anzug und Schuhen. Der später ausgebuhte Franz Hawlata offenbart allerdings spätestens hier erschreckend, dass diese anspruchsvollste Bassbaritonpartie seine voluminösen Möglichkeiten weit übersteigt. Amanda Maces singt als Eva mit so unsicherer Intonation, dass man sich fragt, wie sie es nach Bayreuth geschafft hat.

Bühne frei für das Preissingen

Dann aber schwenkt das Bild noch einmal um: Die Künste, in Gestalt von Dirigent und Regisseur werden entsorgt und verbrannt, die Bühne ist für das Preissingen frei. Der wunderbare, kluge und satt tönende Beckmesser Michael Volles, nun der barfüßige Anarchist, führt eine dämliche Performance für einen nackten Adam und eine Sexpuppen-Eva aus, während der als Hansi Hinterseer entlarvte Stolzing in einer Musikantenstadlkulisse sein Preislied als süßlichen Tenorhit zelebriert.

Klaus Florian Vogt, der wenig Schmelz, aber eine verführerische Stahlbeimischung in seinem hinreißenden Chorknaben-Timbre hat, wird so, wie auf der Bühne, zum endgültigen Sieger des Abends, während das nun geistig sehr finstere Nürnberg mit Eberhard Friedrichs machtvollen Chören und überflüssigen Katharina-Wagner-Blondklonen im Dunkel versinkt.

Da warten nächstes Jahr viel Feinarbeit und die Kunst des Weglassens auf die Regisseurin und ihren übereifrigen Dramaturgen Robert Sollich.

 

Neue Zürcher Zeitung
Freitag, 27. Juli 2007

Tradition, Revolution und Reaktion
Katharinas Wagners ambitioniertes Bayreuth-Début mit den "Meistersingern"

Die Medienkampagne im Vorfeld der Premiere war flächendeckend und hat wohl selbst den Rummel um Christoph Schlingensiefs "Parsifal"-Inszenierung übertroffen. Denn diesmal ging es nicht nur um ein mit Spannung erwartetes Regiedébut, sondern um eine mögliche künftige Festspielchefin: Die 29-jährige Katharina Wagner, die jetzt mit den "Meistersingern" ihren Einstand gegeben hat, ist die Tochter und Wunschkandidatin des bald 88-jährigen Wolfgang Wagner, der die von seinem Grossvater Richard gegründeten Festspiele seit 1951 leitet (NZZ 24. 7. 07.). Dass es ihr an Ambitionen nicht fehlt, hat sie schon in ihren Medienauftritten deutlich gemacht, und ambitioniert zeigt sie sich auch in ihrer ersten Regiearbeit am Grünen Hügel (erst ihrer fünften selbständigen Inszenierung insgesamt). Doch genügt das für eine schlüssige Lesart von Wagners monumentaler Komödie?

Im musischen Gymnasium

Katharina Wagner und ihr Bühnenbildner Tilo Steffens lassen die ersten zwei Akte im Innenhof einer Schule spielen – man denkt an Peter Konwitschnys Hamburger "Lohengrin" und findet später immer wieder bestätigt, dass die Wagner-Urenkelin, wie könnte es anders sein?, schon sehr viele Wagner-Inszenierungen gesehen haben muss. Die Schule – mit seitlichen Galerien und Kammern an der Rückwand – ist offensichtlich ein musisches Gymnasium für Musik, Theater und Tanz, ein düsteres, hässliches Gebäude.

Die Meister sind Lehrer; wenn sie sich an die umständlich montierten Tische setzen, tragen sie Doktorhüte und Talare – bis auf den kettenrauchenden Schuster Hans Sachs, der im schwarzen Hemd und barfuss daherkommt. Eva und Magdalene (Carola Guber) erscheinen als kindische Zwillingsschwestern im sprödem Grau (Kostüme Michaela Barth), der Lehrbub David macht sich an einem Fotokopiergerät zu schaffen. Und hier soll der Junker Stolzing vorsingen? Dieser schlaksige Lümmel, der die Hausordnung schon während der Beratung der Meister gehörig durcheinander bringt (die Malerei und das Theater scheinen es ihm besonders angetan zu haben?).

Seine Niederlage versetzt ihn in helle Wut, wild spritzt er zu Beginn des zweiten Aktes mit Farbe um sich, bevor er seine Energie kreativ einsetzt und Evas Kleid bemalt. Eine riesige Schwurfingerhand kippt gerade rechtzeitig um, damit sie dem Paar als Podest dienen kann. Stolzings Wüten ist nur das Vorspiel, in der Prügelszene bricht das Chaos aus, Schuhe fliegen vom Bühnenhimmel, von den Galerien werden Campell-Büchsen ausgekippt – eine Materialschlacht ohnegleichen. Dass die Bayreuther Festspiele sparen müssen, sieht man diesen "Meistersingern" nicht an, wohl aber kann man es hören (davon später).

Rätselhafte Wandlung

Die anarchische Prügelszene soll die eigentliche Schlüsselszene der Inszenierung sein, doch wann und wie hier der Gesinnungswandel der drei männlichen Protagonisten eintritt, das lässt sich nicht nachvollziehen. Nach der zweiten Pause ist einfach alles anders: Sachs meditiert in einem eleganten Salon, schlüpft in Schuhe, weisses Hemd und Anzug, hinter ihm erscheinen die alten deutschen Meister, Richard Wagner natürlich mit dabei, als riesige Masken, sie steigen aus ihren Kojen herab, fesseln Sachs und drehen sich in einem grotesken Satyrtanz – eine ziemlich rätselhafte Szene, bei der nur so viel klar wird: Sachs dankt ab und mit ihm ein Künstlerteam, das sich pantomimisch der Applausordnung stellt.

Nach Stolzings Preislied gibt es dazu eine Parallelszene. Stolzing ist auf den Mainstream eingeschwenkt, lässt sich von einem historisch kostümierten Opernsängerpaar begleiten, empfängt zum Preis einen goldenen Hirsch und posiert, vom "Leading Team" umrahmt, mit dem Check einer imaginären Sponsor-Bank. Zwischen diesen beiden Applaus-Szenen gibt es aber noch den Auftritt Beckmessers, und der gerät zum turbulenten Happening eines Reaktionärs, der in der Prügelszene sein kreatives Potenzial entdeckt hat und sich als Aktionskünstler outet.

Kopfgeburt

Sachs dankt ab, Stolzing passt sich an, Beckmesser wird zum Bilderstürmer, der die Kunstszene neu aufmischt – ein Kommentar zum heutigen Opernbetrieb im Allgemeinen und zu den Bayreuther Festspielen im Besonderen? So mag es gemeint sein. Doch das Ganze bleibt zu sehr Kopfgeburt, einerseits überfrachtet mit Einfällen und Requisiten, anderseits mit grossen Leerstellen – die ganze ideologische Rezeptionsgeschichte der "Nazi-Oper" "Meistersinger" bleibt ausgeblendet, Katharina Wagner beschränkt sich auf die Aufführungs-Ästhetik. Interaktion zwischen den Figuren gibt es kaum (dass Eva den Witwer Sachs mit einem Schal umgarnt, kann man kaum als solche bezeichnen), ob die Regisseurin mit dem Chor umgehen kann, lässt sich nicht beurteilen, denn dieser singt meist aus dem Off und tritt erst auf der Festwiesen-Tribüne in Erscheinung, wobei er sich blitzschnell von einem Freizeit- in ein Premierenpublikum verwandelt.

Was anders ist als gewohnt, wirkt allzu gesucht: zwei Nürnberg-Puzzles, aber keine Merker-Tafel bei Stolzings Probelied, Sachs, der statt auf Schuhsohlen auf die Tasten einer Schreibmaschine hämmert, das Blatt mit Stolzings Preislied als Theaterprospekt, die Lied-Taufe als bürgerliches Familienidyll. Und die beiden Frauen sind hier bloss lächerlich und haben nichts zu bestellen, auch sängerisch.

Schriller Sopran

Amanda Mace ist als Eva mit ihrem resonanzarmen, schrillen Sopran die eine der zwei grossen vokalen Schwachstellen dieser Produktion, die zweite ist Franz Hawlata als Sachs, dessen Bariton es an Kraft, Wohlklang und Reichweite gleichermassen mangelt. Da hilft es wenig, dass als Stolzing mit Klaus Florian Vogt eine der Nachwuchshoffnungen im deutschen Tenorfach zu hören ist – er konnte sich an der Premiere von Akt zu Akt steigern, erreichte aber mit seinem leichten Ansatz nicht ganz die satte Strahlkraft, mit der er im vergangenen Dezember in den Genfer "Meistersingern" begeistert hatte. Zu den Pluspunkten zählen auch Michael Volles Beckmesser (gerade in dieser ernsthaften Deutung der Partie), der als einziger der Solisten auch die Textverständlichkeit pflegt, und Norbert Ernst als agiler, dabei keineswegs leichtgewichtiger David.

Von der berühmten Bayreuther Akustik können die Sänger dieser Aufführung kaum profitieren, denn der Dirigent Sebastian Weigle lässt das Orchester wuchtig agieren. Seine Tempi sind frisch, unpathetisch, zügig, wirken aber wenig durchgeformt und ausbalanciert, vor allem jedoch vermisst man die klangliche Strukturierung, die instrumentale Feinarbeit. So setzte es am Schluss der Premiere nicht nur für das Regieteam und einzelne Sänger, sondern auch für den Dirigenten neben Beifall heftige Buhrufe ab. Ob Katharina Wagner als Festspielleiterin geeignet wäre, lässt sich aufgrund ihres "Meistersinger"-Débuts nicht entscheiden, gewiss ist aber, dass sie als Regisseurin ihr künstlerisches Profil noch finden muss.

MARIANNE ZELGER-VOGT

 

Der Bund
Freitag, 27. Juli 2007

Vom Revoluzzer zum Demagogen

Richard Wagners "Meistersinger von Nürnberg", inszeniert in Bayreuth von seiner UrenkelinKatharina

Ihr Regiedebüt an den 96. Bayreuther Festspielen provozierte zum Schluss massive Missfallenskundgebungen: Katharina Wagner scheut sich nicht vor Provokationen und interpretiert die Hauptfiguren neu.

MICHAEL STRÜCK-SCHLOEN,
BAYREUTH


Brillanter Solist: Klaus FlorianVogt als Stolzing und Chormitglieder.
ECKEHARD SCHULZ/KEY

Bayreuth wird weiblich – wer hätte das nach der Ablösung der Hitler-Intima Winifred nach dem Krieg noch für möglich gehalten. Seit der Wiedereröffnung der Festspiele im Jahr 1951, als Winifreds Söhne Wolfgang und Wieland im "Neubayreuth" alles Historische mit dem Flammenwerfer der Moderne ausbrannten, wird Bayreuth von Männern geführt. Sie haben über die Rituale im Festspielhaus gewacht und die künstlerische Linie auf der Bühne und im Orchestergraben bestimmt.

Dabei besteht die Wagner-Nachkommenschaft vor allem aus theaterbegabten Frauen, die sich allesamt sehr für die Übernahme der Festspiele interessieren – darunter Wielands Tochter Nike, eine herzhaft schandmäulige Intellektuelle und ideenreiche Leiterin des Weimarer Kunstfestes, und Wolfgangs verstossene Tochter Eva Wagner-Pasquier, eine erfahrene Theater-Managerin. Beide aber hat Wolfgang Wagner, seit 1966 allein regierender Chef auf dem Grünen Hügel, bei ihren Bewerbungen vor Jahren abgeschmettert, um heimlich Katharina, die Tochter aus zweiter Ehe, aufzubauen (vgl. "Bund" vom 17. Juli). Jetzt ist Katharina 29 Jahre alt und nach eigener Auffassung festspielleitungsreif.

Ein Mediendarling ist sie obendrein. Im Vollbesitz ihrer Wagner-Gene – es lohnt immer, die Geschäftspraktiken des Urgrossvaters zu studieren! – beherrscht sie alle Regeln der medialen Verführung. Sie schlägt kaum ein Interview aus, räumt mit der Geheimniskrämerei hinter den Kulissen auf und unterhält sich mit ihrem Vorbild, dem Regisseur Christoph Schlingensief, in der "Frankfurter Rundschau" über Wagner, Jogging und Schweinebraten mit Klössen. Kein Zweifel: Katharina ist Pop. Ob es für die Nachfolge reicht, entscheidet freilich nicht die Familie, sondern der Rat der Richard-Wagner-Stiftung. Dennoch: Bayreuth wird weiblich. Auch durch den Besuch von Angela Merkel, die Wagner nicht nur als repräsentatives Ornament, sondern als nationale Diskussionsgrundlage betrachtet – und die Festspiele als eine Institution, in deren Irrtümern sich Deutschland selbst erkennt, wie es einst Alt-Bundespräsident Walter Scheel (immer noch ein passionierter Festspielgänger) formulierte. Ist es da nicht ein wunderbar konsequentes Paradox, dass sich Katharina Wagner für die erste selbstständige Regiearbeit einer Frau auf dem Hügel eine Männeroper par excellence vornimmt?

Voll von patriotischem Lärm

Die "Meistersinger von Nürnberg" sind für einen Regisseur wohl das heikelste Wagner-Werk überhaupt: durchzogen von patriotischem Lärm um Zunftgedanken und Meisterehre, ausserdem ein Paradefall dafür, wie ein renitenter Künstler und damit alle renitenten Elemente in den Schoss der Gemeinschaft zurückkehren – oder ausgebrannt werden. Kein Wunder, dass Adolf Hitler in der Endphase des zunehmenden Kriegs- und Männlichkeitswahns nur noch die "Meistersinger" als so genannte Bayreuther "Kriegsfestspiele" duldete. Noch heute kann niemand von dieser historischen Belastung abstrahieren, wenn er die Schlussansprache des Hans Sachs ("Ehrt mir die deutschen Meister") und die frenetischen "Heil"-Rufe des Chores hört.

Nachwirkungen aufgespiesst

Katharina Wagner und ihr Dramaturg Robert Sollich haben nicht abstrahiert, sondern die Nachwirkungen aggressiv aufgespiesst. Vor allem ist es die Figur des Sachs, in dem sich das traurige Wechselspiel von fehlenden Idealen, persönlicher Frustration und Humanitätsverfall kristallisiert. Als Altrevoluzzer mit Strubbelfrisur hasst Sachs alle Rituale, raucht Kette, erscheint (als Schuster!) barfuss bei der Meistersitzung oder hackt lautstark Gedichte in seine alte Schreibmaschine. Ritter Walther von Stolzing, der in die ehrwürdige, dunkel vertäfelte Halle des ersten Akts als selbstverliebter Künstler eindringt und die Meister als eine Kreuzung aus Schlingensief und Andy Warhol brüskiert – er geniesst sofort Sachsens Sympathien. Aber er macht dem Schusterpoeten auch klar, wie alt und verbraucht er doch ist im Vergleich zum jungen Hüpfer, der fröhlich Dekorationen und Menschenbäuche mit weisser Farbe einsaut. Sexuell scheitert Sachs an Eva, die sich für den Künstler interessiert. Und mit der "Poeterey" hapert es auch: zu viel Rotwein und Zigaretten. Nach der Prügelorgie in der Johannisnacht aber, bei der alptraumhaft der Bayreuther Bühnenboden mit Farbe besudelt wird, beginnt die gespenstische Wandlung des Hans Sachs. Er legt Schuhe und Anzug an, hört das Rauchen auf, gelt die Haare zum Heinrich-Himmler-Outfit. Ein obszöner Tanz grotesker "Meister"-Puppen lassen seine Spiesserwut hochkochen. Wir erkennen Beethoven, Verdi, Bach, Wagner und Liszt, die von ihren Sockeln steigen und in Unterhosen da stehen. "Nie wieder Kunst!", scheint er zu schreien und lässt ein Regieteam im Container verschwinden, aus dem bald Flammen schlagen – Verbrennungsrituale der üblen Sorte kommen einem in den Sinn. Der aufbegehrende Stolzing wird gezähmt und zieht das "Preislied" als kitschsüsse TV-Nummer ab, während Sachs im Scheinwerferkegel nach Art der Nürnberger Reichparteitage die geordneten Massen beherrscht. Vorhang, Empörung, Aufruhr und Buhrufe im Publikum.

Selten hat man in Bayreuth so viel Klamauk, Ungeordnetes, Halbgares erlebt wie in dieser Annäherung an Wagners einzige "komische" Oper; selten aber auch so starke und anrührende Szenen wie im Schlussakt: Da ist keine blutige Anfängerin mehr am Werk, sondern eine, die falsche Moral und falsche Kunst mit wachsendem Handwerk beherzt anprangert.

Der Bayreuth-Neuling Sebastian Weigle sieht seine Aufgabe als Chef im Orchestergraben in der behutsamen Begleitung und Kommentierung. Vor dem schlanken Klangbild bleiben die Sänger meist textverständlich, Weigle hütet sich vor Pathos und fettem Klang. Manchmal tönt jedoch zu beliebig, wo es des entschiedenen Zugriffs bedürfte.

Herausragender Stolzing

Künstlerpech, dass Franz Hawlata als Sachs zwar ein grossartiger Darsteller, aber ein vor der Zeit verbrauchter Sänger mit schartigem Bariton und nuschelnder Diktion ist. Aus dem mässigen (Amanda Mace als Eva) bis gehobenen Mittelmass (Norbert Ernst als David) ragte der Stolzing von Klaus Florian Vogt mit betörend aufblühenden Spitzentönen heraus – vor allem aber Michael Volle als Beckmesser.

Was Wagner als böse Karikatur auf seine Kritiker im Besonderen und auf Juden im Allgemeinen anlegte, hat Katharina Wagner als humanen Gegenpol zum faschistoid verbogenen Sachs verstanden. Volle spielt brillant und mit kernigem, reich schattiertem Bariton den verklemmten Regelfuchser Beckmesser, der allmählich die künstlerische und soziale Freiheit schätzen lernt, die Sachs verrät. Ein Hoffnungsträger, der unter den "Heil"-Rufen der Massen die Flucht ergreift.

[@] INFORMATION: http://www. bayreuther-festspiele.de

 

Die Presse
27.07.2007

Bayreuth: Wehrt euren Meistern!
Katharina Wagner hinterfragte die "Meistersinger" – und erntete.

WILHELM SINKOVICZ

Die „Meistersinger" waren das nicht! Oder doch? Katharina Wagner hat für ihr Bayreuther Festspieldebüt die längste Oper ihres Urgroßvaters auf ihre Wirkungsgeschichte hin befragt und bringt auf die Bühne, wie aus einer Menschheitskomödie ein Drama der Unmenschlichkeit werden konnte. Das schmerzt, denn der jüngste Spross der Wagner-Dynastie hat umzugehen gelernt mit Menschenmassen wie mit Individuen auf der Szene, stellt im Einheitsdekor Tilo Steffens, das aussieht wie eine gigantische Variante des Atriums der Villa Wahnfried, einprägsame Bilder, inszeniert Konfrontationen von höchster Eindringlichkeit.

Nur die Handlung der Meistersinger erzählt sie nicht. Sie verweigert nicht nur jegliche Butzenscheiben-Romantik. Hans Sachs spannt auch kein Leder über den Leisten, Sixtus Beckmesser begleitet sein Ständchen nicht auf der Laute und merkt auch keine Fehler mit Kreide an.

Doch die Verweigerung sitzt tiefer. Die neue Inszenierung befragt sozusagen rückwirkend all ihre Vorgängerproduktionen, wo denn die Reflexionen über all jene Missverständnisse und bewussten Camouflagen und Verdrehungen geblieben sind, die Sätze wie Hans Sachsens Warnung vor „welschem Dunst und Tand" im „deutschen Land" ausgelöst haben. Sie befragt auch Wagners Text, wie sich ein Außenseiter und Freigeist vom Format eines Hans Sachs in der Sonne der Publikumsgunst zum Traditionsbewahrer wandeln kann – und Wagners Musik, ob in den scheinbar hilflosen Tonfolgen der Beckmesser-Musik nicht doch auch gesundes Revolutionspotenzial gegen allzu breit fließende Preisliedterzen stecken könnte.

Sachsens Metamorphose zur Führerfigur

Gut wird böse, bös wird gut – so scheint es. Katharina Wagner hat ihre „Meistersinger" studiert und setzt auch voraus, dass das Bayreuther Publikum keine simple Nacherzählung der Handlung braucht, um sich mit der Wirkungsgeschichte eines lieb gewordenen Werks auseinanderzusetzen. Bei Festspielen sollte das, undenkbar für ein Repertoiretheater, immerhin möglich sein. Vor allem dann, wenn die oft drastischen Bilderfolgen so effektsicher choreografiert sind wie diesmal.

Sachsens Metamorphose vom nachdenklich Formen sprengenden Individualisten zur Führerfigur, die keine Scheu hat, mit dem Müll des Polterabends gleich auch missliebige Zeitgenossen zu verbrennen, ein jäher Theatercoup, in dem sich die Freizeitgesellschaft der Festwiesenszene im Handstreich in uniformierte, allem applaudierende Festspielgäste verwandelt, aber auch feinsinnig ausgespielte Beziehungsgespinste wie jene zwischen Sachs und Beckmesser in der Schusterstube: Die optische Gestaltung sitzt im Großen wie en detail perfekt.

Das sorgt für Verwirrung der Gefühle im zuweilen peinlich berührten Betrachter, Verwirrung, die weit über den Ärger angesichts fehlender oder ins pure Gegenteil verkehrter Handlungsdetails hinausgeht. Die Botschaft, die hier überbracht wird, ist nur allzu verständlich. Auf dem Höhepunkt des Spuks werden die Büsten deutscher Heroen von Schiller bis Beethoven lebendig – der Polterabend wandelt sich zum Pandämonium: Was wir ererbt von unseren Vätern, hat offenbar finstere Abgründe. Große Geister werden zu Gespenstern.

Die Macht solcher Bilder droht die musikalische Qualität des Bayreuther Eröffnungsabends zu erdrücken. Dabei verrät bereits das Vorspiel, dass Sebastian Weigle am Pult Wagners Partitur unerhört transparent zu machen versteht, ungeahnte Stimmen im sonst gern pastos dicken Kontrapunkt lebendig werden lässt. Vor allem die Holzbläser agieren in dieser Aufführung beweglich und beredt wie kaum zuvor, kommentieren karikierend, kichernd, manchmal auch aggressiv, was sich an seelischen und szenischen Wirren ereignet. Wo der Inszenierung realistische Pointen fehlen mögen, werden sie immerhin hörbar.

Vokale Wechselbäder

Allerdings trüben vokale Mangelerscheinungen die musikalische Qualität deutlich. Für Franz Hawlata war dieses Bayreuther Sachs-Debüt ein rabenschwarzer Abend. Er kam nur mit Mühe und hörbarer Anstrengung durch die mörderischen Längen der Partie. Auch Amanda Mace klang zuletzt als Evchen nur noch gequält.

Dem stehen Meisterleistungen wie der agile, auch vokal herrlich bewegliche David von Norbert Ernst und, vor allem, der Beckmesser Michael Volles gegenüber, dessen Stimme selbst in den Momenten expressiven Sprechgesangs klangvoll bleibt. Die Umwertung aller Werte, die in dieser Inszenierung gerade den missliebigen Stadtschreiber zum einzig mutigen Subjekt auf der Szene macht, findet ungewollt ihre tönende Entsprechung dank der eindeutigen vokalen Vormachtstellung dieses Sängers im Ensemble.

Selbst der vom Publikum umjubelte Klaus Florian Vogt kann da nicht ganz mithalten. Vom Stimmcharakter her wäre er eher David als Walther von Stolzing – doch punktet er mit bemerkenswerter Durchhaltekraft, trumpft in der letzten Reprise des Preislieds noch einmal, und jetzt wirklich strahlend, auf. Außerdem sieht er aus wie der jugendliche Sunnyboy, der auf sämtliche Regeln und Vorschriften pfeift und Denkmäler mit Farbe beschmiert. Auch er spielt das perfide Verwandlungsspiel glaubwürdig mit: Zuletzt erscheint Beckmesser im T-Shirt, während der Ritter längst Krawatte trägt.

Die szenische Einbindung sämtlicher Mitwirkender gelang jedenfalls perfekt, ob stimmlich mangelhaft wie die Magdalene Carola Gubers, auffallend wohlklingend wie der Kothner Markus Eiches oder überraschend frisch geblieben wie Artur Korns Pogner. Die gemeinsame Kraftanstrengung hat auf dem grünen Hügel bewirkt, dass 2000 Festgäste in den Pausen und danach über Wagners „Meistersinger" diskutierten. Was vermutlich zu Sinn und Zweck von Festspielen unabdingbar dazugehören sollte.

 

DER STANDARD.at
27. Juli 2007

Die Rückseite des Traditionsspiegels: "Die Meistersinger von Nürnberg"
In ihrem Bayreuth-Debüt gelingt Wagner-Urenkelin Katharina Wagner eine intelligente und mutige Neudeutung der Künstleroper als Diskurs von Moderne und Tradition – und eine Aufarbeitung der NS-Geschichte des Werks.

Von Ljubiša Tošic

Vom Neuerer zum diktatorischen Traditionalisten mit deutlicher Nähe zu Hitler wandelt sich Hans Sachs (Franz Hawlata, li.) in Katharina Wagners Neudeutung der "Meistersinger". Beckmesser (Michael Volle) hingegen mutiert zum provokanten Kunst-Außenseiter.

Bayreuth – Obligates Familienfoto-Posing am Rande der Begrüßung von Bayreuth-Gästen. Danach aber wurde sie unsichtbar, hat ihre eigene Premiere nicht gesehen. Zu nervös, so die zuletzt medial überdeutlich sichtbare Katharina Wagner in einem der Statements im Vorfeld ihres Regiedebüts am Grünen Hügel. Verständlich. Wiewohl sie selbst jeden Zusammenhang zwischen Inszenierungserfolg und der vom Stiftungsrat bald zu klärenden Frage, wer ihren Vater, Wolfgang Wagner, beerben soll, bestritt, hat sie selbst den Konnex zur Nachfolgefrage hergestellt – durch eine Präsenz (an die 160 Interviews), die sie als (vom Vater) unabhängige, dem Innovativen verpflichtete Regisseurin mit Appetit auf die Übernahmen der Macht promoten sollte.

Die Inszenierung musste da zwangsläufig in den Rang einer Bayreuth-Habilitation aufsteigen. Und der Papa, der beredt schweigt, wird sich nicht wenig dabei gedacht haben, als er seine Tochter (29) engagierte, nachdem er vor ein paar Jahren seine Frau Gudrun beim Stiftungsrat nicht durchgesetzt hatte, stattdessen die ungeliebte Tochter aus erster Ehe, Eva, als Nachfolgerin präsentiert bekam. Diese Entscheidung demaskierte er als Wunsch und schob ihn durch ein Nein auf die lange Intrigenbank – schließlich hat er einen Vertrag auf Lebenszeit. Katharina, dermaßen zum Nachfolgerennen verdammt, hätte aus alledem und den operntauglichen Beziehungen des Wagner-Clans durchaus ein Meistersinger-Konzept drechseln können. Sie zog es allerdings zum Glück vor, die Künstleroper als Diskurs um Tradition und Moderne ernst zu nehmen und auf die unsympathische Rezeptionsgeschichte des Werkes einzugehen, das Hitlers Lieblingsoper war und ob der finalen Beschwörung des Deutschen entsprechend instrumentalisiert wurde.

Nun denn: Alle Folklore ist weginszeniert, man ist in einer Art Kunstinternat/Museum, das Räume für Malerei, Bildhauerei, Instrumental- und Ballettunterricht bietet. Die Zöglinge sind uniform gekleidet, sie vollführen maschinenhaft-dienstbar Rituale, setzen Tische und Stühle für die auf Kunstregeln versessene Meistergesellschaft zusammen. Es ist ein Ambiente der Tradition, des erstarrten Akademismus. Nur Hans Sachs (Franz Havlata ist nur im Wahnmonolog souverän, er bricht am Schluss vokal ein) ist da ein bisschen anders. Er geht barfuß, raucht Kette und wirkt wie ein gelangweilter Existenzialist zwischen Malpinsel und Schreibmaschine, der an der Herrenrunde, die sich an Reclamhefte klammert, nur als skeptisch teilnehmender Beobachter mitwirkt.

Opernintoleranz ...

Für Ritter ist kein Platz. So schlüpft Walter von Stolzing (kantabel, aber nicht immer sattelfest Klaus Florian Vogt) aus einem Klavier als impulsiv malender Dandy, als alles mit Gestaltungszwang formende, übermalende Figur à la Schlingensief. Katharina Wagner würzt das Ganze mit hübschen Pointen, lässt Walter mit Beckmesser ein Puzzleduell absolvieren. Mitunter regnet es Turnschuhe (den sonoren Norbert Ernst als David trifft einer auf den Kopf). Und Sachs hat mit Eva (vokal eher blass Amanda Mace) ein sehr körperbetontes Fastverhältnis.

Zwei Akte lang ist das eine keck angelegte Komödie, die in einen anarchischen Akt der Befreiung von Regelzwängen mündet. Perücken fallen, die Jungen rebellieren, mit Farben aus Warhol’schen Campbell-Suppendosen wird kollektives Actionpainting zelebriert.

Sehr freundlicher Applaus, aber die Oper hat nun einmal einen dritten Akt, über den Wandel der Charaktere wird plötzlich der Konnex zum Opernkonservativismus und zur NS-Geschichte des Werkes hergestellt. Da wird aus Beckmesser (grandios, die Entdeckung des Abends: Michael Volle) ein provokanter Kunstaußenseiter, der mit dem Betrieb nichts mehr zu tun haben will. Aus Walter wiederum hat seine Etablierung einen glatten Mainstreamtypen geformt, der – in der Mitte der Ehegesellschaft angelangt – als eine Art Hansi Hinterseer harmlos trällert. Am deutlichsten wird Katharina aber bei Sachs: Aus dem Liberalen wird ein militanter Traditionalist.

... und Totalitarismus

Glänzend: Um ihn herum baut Wagner eine Verquickung zwischen Operintoleranz des (auf die Bühne gebrachten) Publikums und politischem Totalitarismus. Auf den Puppentanz deutscher Kulturgrößen (u. a. Goethe, Schiller) samt Wagner (in Unterhosen) und Hitler (der sein Gesicht verkehrt trägt) folgt die Simulation einer Verbeugungsszene von Regie und Dirigent. Als beide in eine Kiste gesteckt werden, gibt es natürlich höhnischen Szenenapplaus. Als Sachs dann aber die Kiste anzündet, die Künstler verbrennt und aus der Kiste einen goldenen Hirschen zieht, herrscht eher wohl wütende Ruhe. Ungestört kann Sachs zornig seinen finalen Deutschtum-Gesang im sich langsam verdunkelnden Raum als gestisch Hitler nachempfundener Führer absolvieren. Bayreuth hat erstmals seine Meistersinger-Geschichte thematisiert.

Klar, das musste Ärger geben. Als nach Sängerlob zur Sängerschelte angesetzt wurde (Eva, Sachs), kam Katharina zu Hilfe und steigerte den Zornpegel nur noch. Unangenehm. Aber langfristig wohl eine gute Investition für die Nachfolgeschlacht. Da fiel Dirigent Sebastian Weigle nicht mehr wirklich auf, was allerdings auch seiner Performance entsprach. Alles klang transparent, das Lyrische auskostend, aber auch nie über das Solide hinausragend.

 

oe24
Bayreuth, 26. Juli 2007

Wagner in Bayreuth
Buhrufe und gemischte Gefühle bei "Meistersinger"-Premiere

Szenenapplaus, aber ausgerechnet für eine Szene, in der symbolisch Dirigent und Regisseurin in eine Kiste geworfen und verbrannt werden. Zum Abschluss: Buhrufe

Mit erbosten Buh-Rufen und nur wenigen euphorischen Gegenstimmen reagierte das Publikum auf eine teils witzige, teils plakative Ironisierung von Wagner-Pathos und Opern-Spießertum, verpackt in eine völlige Umdeutung der Handlung.

Katharina Wagner mit Regiedebüt

Katharina Wagner hat bei ihrem Regiedebüt in Bayreuth am Mittwochabend etwas bekommen, was selten ein Regisseur von Wagner-Opern erreicht: Szenenapplaus. Doch dass dieser ausgerechnet erklang, als auf der Bühne fiktiv Dirigent und Regisseurin in eine Kiste geworfen und verbrannt wurden, ließ gegen Ende der Bayreuther "Meistersinger von Nürnberg"-Premiere erahnen, was dann folgte: Buhrufe und Ablehnung am Ende der Aufführung.

Musik nicht überzeugend

Zuflucht suchen die Opernfans bei zum Nachdenken anregenden Inszenierungen gerne in der Musik. Doch da wurde gestern einiges schuldig geblieben. Nicht nur einzelne Sänger (auch Amanda Mace als Eva) überzeugten nicht sonderlich, auch Sebastian Weigle bot keine idyllische Heimstatt. Der Dirigent kostete mit dem Festspiel-Orchester in transparentem Klang die schönsten Momente gediegen aus, die Musik blieb aber solide, nicht mehr.

Nackter Mann und Sexpuppe

Die 29-jährige Urenkelin Richard Wagners (und möglicherweise nächste künstlerische Leiterin) legte sich ordentlich mit dem Publikum (darunter: EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso und Sänger Ivan Rebroff) an. Hans Sachs (stimmlich zuerst zu forsch, dann böse eingeknickt und streng ausgebuht: Franz Hawlata) mutiert vom verhinderten Rebell zum Hitler-Abziehbild, das die heile Familie predigt. Sixtus Beckmesser (herausragend: Michael Volle) unterliegt nicht schmählich im Sängerwettstreit, sondern wendet sich schockiert von der verknöcherten Opernwelt ab und macht fortan im T-Shirt mit der Aufschrift "Beck in Town" Kunst mit nacktem Mann und Sexpuppe.

Braun ist der verstaubte Ort zwischen Museum und Kunstakademie, an den Wagner das Werk ihres Urgroßvaters verlegt. Die Meister sind keine Handwerker, sondern universitär-verknöcherte Kunstbewahrer, die alles Neue klein halten - bis Stolzing alles umkrempelt. Hippie-Happening, aus Warhol'schen Campbell-Suppendosen verschüttete Farbe, nackte Brüste und ebensolcher Penis - Katharina Wagner schafft in Folge viel Unordnung auf der Bühne.

Es regnete Schuhe

Die Regisseurin reißt Räume auf und den Kunstspießern den Talar vom Leib, sie lässt es Schuhe regnen. Doch bei allem Witz und aller Provokation: Es sind Bilder des Aufbegehrens dabei, die kaum wo anders mehr für Aufregung sorgen würden als auf der Opernbühne in Bayreuth.

Bayreuth war wohl der richtige Ort, um vieles um Wahgner neu zu interpretieren, dafür aber ebenso Buhrufe einzustreifen. ist Viele würden sich wohl mehr darüber freuen, wenn Katharina Wagner statt Regie zu führen künftig die Geschicke der Opernfestspiele leitete.

 

Der Neue Merker
Premiere am 25.7.2007

Bayreuth Die Meistersinger Von Nürnberg
Gefährlich das!

Dass man von Katharina Wagner keine inszenatorische Grosstat erwarten durfte, konnte angenommen werden. Regiearbeit kann nicht im Blitzkurs handwerklich erlernt werden, ist nicht vererbbar (-gab es da überhaupt eine vererbenswerte Vorlage?), sondern dieser künstlerische Beruf setzt auch Begabung voraus.

Szenisch muss der Abend als missglückt gelten. Dickes wird aufgetragen, vieles initiiert, nichts durchgedacht und eng geführt. Die Komödie bleibt blaß und ohne Drive.

Aber auch musikalisch bleibt der Abend hinter den Erwartungen zurück. Zwar gelingt es Sebastian Weigle, das Festspielorchester auf hohem Niveau durch die kleinmaschige Partitur zu lotsen, auch der Chor bietet vokal wieder Großes, aber das Sängerensemble macht keinen homogenen und durchwegs hochklassigen Eindruck.

Mittelmaß durchwirkt die Leistungen: Franz Hawlatas Sachs schleppt sich alles andere als solide durchs Stück, sein höhenschwacher, unschön tönender Charakterbass muß als Fehlbesetzung gelten, Klaus Florian Vogt als Stolzing singt den Helden unprätenziös und schlicht, aber auch unerotisch, Micheal Volles Beckmesser immerhin bietet trotz einiger Stolperer eine angemessene Bayreuthleistung, Amanda Mace als Eva bleibt unbedeutend. Auch in den weiteren Reihen leuchtet kein Stern.

Dieses Jahr habe ich in Frankfurt Christof Nels geniale, wesentlich innovativere Meistersinger-Deutung noch einmal sehen können. Dort waren die Hauptpartien (Sachs, Eva, Beckmesser, Magdalena) selbst in einer Repertoireaufführung weit besser besetzt. Auch die Casts in München, Hamburg oder Zürich wirken weit ausgereifter.

In Bayreuth, wäre nicht all der überragende Medienrummel, ist die Entwicklung der letzten Jahre erkennbar. Man nähert sich qualitätiv mehr und mehr an mittlere Stadttheater an und verliert zunehmend das Singuläre im Niveau.

Wann endlich kommt dort ein hervorragendes Management im künstlerischen Bereich ?

Damian Kern

 

klassikinfo.com
Bayreuth, 25. Juli 2007

Vom Merker zum Berserker
Eröffnung der Bayreuther Festspiele: Katharina Wagner deutet die "Meistersinger" fantasievoll als Parabel über den Kunstbetrieb


"Wahn, Wahn, überall Wahn" - Franz Hawlata als Hans Sachs
Foto: Bayreuther Festspiele / Jochen Quast

Endlich wurde das einmal inszeniert: Ritter Walther von Stolzings "selige Morgentraum-Deutweise" als Spießerlied eines Angepassten, dem auf der Festwiese ein kitschiger grüner Rahmen und ein stumm agierendes Renaissance-Paar die nötige fade Optik verleihen. Im grellen Kontrast dazu die Performance Beckmessers, der in der Johannisnacht vom Merker zum Avantgardekünstler mutiert ist. Was des einen Karrieretraum von "Parnass und Paradies" war, wird beim anderen zur Fruchtbarmachung eines Alptraums von der Vertreibung aus dem Paradies: Zu Beckmessers expressionistisch-dadaistischer Deutung von Walthers Text birst da ein mit bunten Luftballons geschmücktes Leiterwägelchen und eine Ladung Äpfel kullert über die Bühne. Dem Gefährt entsteigt ein nackter Adam samt aufblasbarer Sexpuppe, die schließlich vom enthemmten, mit Plastikschwanz bestückten Beckmesser zerfetzt wird. Coming Out eines Menschen, der sich zum ersten Mal in seinem Leben vor aller Augen etwas traut und erst davonläuft, wenn beim mahnenden Bekenntnis des Hans Sachs zur "Deutschen Kunst" zwei düster angestrahlte Arno Breker-Statuen an den Meistersinger-Missbrauch der Nationalsozialisten bei den Bayreuther "Kriegsfestspielen" anno 1943 erinnern.

Das Buhgewitter nach diesem Ende war erstaunlich milde, was wohl auch daran lag, dass Katharina Wagner zwar häufig übers Regie-Ziel, den "Meistersingern" eine Entschlackungskur zu verpassen, hinausschoss, ihr fantasievoller, mit viel Ironie und Witz auch die Bayreuther Aufführungsgeschichte des Werks streifender Blick aber doch zu einem spannenden Theaterabend führte. Der begann schon ungewöhnlich, denn statt ins Innere der Nürnberger Katharinen-Kirche blicken wir in den Innenhof einer mehrstöckigen Kunstakademie (Bühne: Tilo Steffens). Gipsbüsten allüberall - die später zur Johannisnacht-Prügelei zu tanzen beginnen - und zahlreiche Künstlerateliers, die in diesen Raum hineinragen. Stolzing entsteigt einem Flügel und flirtet mit Eva vom dritten Stock ins Parterre, die Kirchengemeinde aber singt aus dem Off. Das Gros der Lehrbuben geriert sich steif und rituell wie Ministranten, während es den Saal für die Sitzung der Meister möbliert. Statt nur zu singen, präsentiert Stolzing - zur Empörung der Meister - seine Bewerbungsmappe mit allerlei weiblichen Rundungen. Das eigentliche Probesingen aber besteht im buchstäblichen Puzzeln einer Ansicht Nürnbergs aus der Schedelschen Weltchronik, die fortan in jedem Akt präsent ist. Beckmesser macht seine Sache natürlich richtig, während Stolzing das Ganze auf den Kopf stellt und auch noch anfängt mit Farbe um sich zu spritzen.

Nicht ganz so schlüssig geriet der Wagner-Urenkelin der zweite Akt. Und das keineswegs, weil sie sich unbekümmert über den Text hinwegsetzt und etwa Sachs zum Ständchen Beckmessers statt Schuhe zu klopfen in seine Schreibmaschine hämmern lässt, während es derweilen weiße Turnschuhe vom Himmel tröpfelt, sondern weil sie den theatralischen Situationen nicht traut und eine denkbar uninspirierte Prügelfuge inszeniert.

Auch im dritten Akt ist Hans Sachs noch immer barfuss und im schwarzen Schlabberlook des Bohemìen. Doch nun sitzt er an einem portalfüllenden Fensterrahmen, hinter dem sich die Alten Meister der Musik als große Pappmaché-Masken in den Künstlerateliers eingenistet haben. Kein Wunder, dass der Aufzug dieser Meister bei Katharina Wagner zu einer Farce halbnackter Statisten gerät. Beim "Wacht auf!"-Chor wird ein Regie-Team verbrannt(!) und aus den Flammen ein goldenes TV-Bambi (mit Hirschgeweih) gezogen, das Stolzing am Ende als Trophäe ablehnt. Hier vergaloppiert sich die Regisseurin etwas in ihrem Konzept, verschenkt sie zudem den grandiosen Beginn der Festwiese. Dabei ist sie später so genau in ihrer Deutung dieses Bildes, nicht zuletzt, wenn die Tribüne mit den Zuhörern aus dem Unterboden hochfährt und eine Ordnung hergestellt wird wie schon im Amphitheater-Rund der Wielandschen "Meistersinger". Statt einer Festgesellschaft in gleißendem weiß-gelb offenbart sich hier eine Trauergemeinde in düsterem rot-schwarz (Kostüme: Michaela Barth).

Neben dem wie immer exzellenten Festspielchor hat die Aufführung zwei überragende Protagonisten: Klaus Florian Vogt als draufgängerischer, eitler Möchtegern-Künstler Stolzing im legeren Designeranzug samt langen Haaren, die nur eine Sonnenbrille festhält, und Michael Volle als großartiger Gegenspieler Beckmesser. Beide tauschen im Verlauf des Stücks die Rollen von Revoluzzer und Traditionalist. Hier der strahlende Tenor mit einer Leuchtkraft und einem edlen, jungheldischen Timbre, wie man es lange nicht mehr gehört hat, dort der cholerische Mann, der seine Triebe nicht zu kanalisieren vermag. Volle spielt und singt das wunderbar differenziert aus und macht sein Ständchen im zweiten Akt zu einem Parade-Auftritt. Exzellent besetzt auch Norbert Ernst als kerniger David und Markus Eiche als die Meister dominierender Fritz Kothner - jeder Zoll ein eitler Widerling mit furchteinflössender Stimme! Dagegen verblasst nicht nur der Veit Pogner von Artur Korn. Denn Amanda Grace fehlt für die Eva doch einiges an Stimmsubstanz und Strahlkraft, obwohl sie das heikle Quintett mit Anstand meistert. Die wüsten Buhrufe hat sie aber ebenso wenig verdient wie Franz Hawlata, der stimmlich zwar (noch) kein Sachs ist und mit seiner Ansprache am Ende arg in Bedrängnis gerät. Darstellerisch und in der musikalischen Gestaltung entwirft er jedoch das überzeugende Porträt eines Intellektuellen, der seine eigenen Prinzipien verrät.


Kunst und Revolution
Foto: Bayreuther Festspiele / Jochen Quast

Sebastian Weigle dirigiert wohltuend unaufgeregte "Meistersinger", läßt auch in den Tempi viel Raum zur Entfaltung der Musik. Ein Klangzauberer wie Christian Thielmann in der vorangegangenen Produktion ist er freilich nicht, eher der solide Handwerker, dem man manchmal dem ungestümen Mut der jungen Regisseurin wünschen würde.

Klaus Kalchschmid

 

klassik.com
7. Juli 2007

Urschrei auf fränkisch

Katharina Wagner beansprucht die Festspielleitung

Kritik von Midou Grossmann

Als Wagner 1867 endlich zur Komposition der Schlussansprache seiner ‚Meistersinger’ ansetzt, zeigen sich bei ihm Bedenken. Cosima schreibt an den König, dass Wagner meinte, das Drama sei mit Walthers Gedicht abgeschlossen und die große Rede Sachsens gehöre nicht zur Sache. Nach langen Gesprächen mit Cosima und nach einer schlaflosen Nacht, wird dann die Schlussszene konzipiert, wie wir sie heute kennen. Vielleicht hat Wagners Gefühl ihn damals nicht betrogen, denn diese Ansprache Hans Sachsens hat dem Werk mehr geschadet als genutzt. Ein Lustspiel sollten sie sein, seine ‚Meistersinger’, die er inmitten von katastrophalen Lebensumständen begonnen hatte zu schreiben. Doch was seine Urenkelin heute daraus macht, ist nicht so leicht zu ergründen und was soll man noch darüber schreiben? Seit Wochen kann man in allen Feuilletons verfolgen, wie schräg Fräulein Wagner dieses Werk interpretiert und wie sie es dazu benutzt, um sich als Nachfolgerin ihres Vaters auf dem Grünen Hügel zu präsentieren. Richard Wagner und sein Kulturkonzept spielen dabei keine Rolle mehr. Der Gründer der Festspiele ist seit Jahrzehnten nur noch Mittel zum Zweck. Man darf davon ausgehen, dass, seit Wolfgang Wagner die Alleinherrschaft übernommen hat, die Festspielidee seines Großvaters einfach beiseite geschoben und in ein fränkisches Unternehmen umgewandelt wurde. Das künstlerische Niveau nimmt schon seit Jahren stetig ab und hat heuer mit ‚Die Meistersinger aus Nürnberg’ einen absoluten Tiefpunkt erreicht.

Da wird eine wirre Geschichte erzählt, die nicht aufgeht. Spielereien einer sogenannten höheren Tochter werden mit öffentlichen Geldern subventioniert und die Spaßgesellschaft applaudiert. Allerdings gab es auch reichlich Buhs nach der zweiten Aufführung. Schon im ersten Akt, der offensichtlich im Haus Wahnfried spielt, merkt man, dass Katharina Wagner weder etwas von Personen- noch von Gruppenregie versteht. Die Lehrbuben marschieren wie von Computern gesteuerte Puppen ein, tragen Tischbeine wie Kerzen in den Händen, die später an einen Tisch montiert werden, an dem die Meister Platz nehmen und den sie erst wieder am Schluss des ersten Akts verlassen werden. Zwischenmenschliche Beziehungen bleiben immer plakativ. Ebenso banal und recht apathisch wirken Eva und Magdalene, die als stumpfsinnige Zwillinge auftreten. Der Junker Stolzing zeigt sich als nerviger Jungkünstler, der wohl an einem Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom leidet, denn er turnt ununterbrochen durch alle Ecken und Höhen des Bühnenbildes (Tilo Steffens). Ach ja, Hans Sachs, der Schuster, kommt barfuss und darf auf einer Schreibmaschine hämmern, weil er zudem noch ein Poet ist. Die permanenten Belehrungen fangen an zu stören, typisch deutsch diese Arbeit, ohne Leichtigkeit und Geist. Im zweiten und dritten Akt geht es noch turbulenter zu, ein Gag jagt den anderen. Ob das die Verbrennung eines Regieteams ist oder die Auftritte Richard Wagners, der, ebenso wie andere Geistesgrößen der deutschen Kultur, mit einem Schwellkopf durch das Bild tanzt, einmal mit einem Schwan im Arm und dann nur mit Morgenrock und Unterhose bekleidet. Etwas ratlos verfolgt man das Geschehen, sollte da eine persönliche Lebenseinstellung einer jungen Frau auf die Bühne gebracht worden sein? Der Urschrei lässt grüßen.

Versungen und verspielt

Auch musikalisch scheint sie nicht zu sein, die Regisseurin, denn die Szene steht nie im Einklang mit der Musik, im Gegenteil, man könnte meinen, dass die Musik das Produktionsteam gestört hat. Vielleicht hetzt auch deshalb Sebastian Weigle so undifferenziert durch die Partitur, keine Spannung wird aufgebaut und vieles bleibt musikalisch unterbelichtet. Auch gesanglich ist dieser Abend eine absolute Enttäuschung. Das Wort Stadttheaterbesetzung kommt in den Sinn, ohne das Stadttheater diskriminieren zu wollen, kann man doch in Koblenz einen fabelhaften ‚Tristan’ erleben. Franz Hawlata, der kettenrauchende Hans Sachs, mauschelt sich durch die Partie, seine Stimmbänder scheinen den Rauch nicht zu goutieren. So liederlich hat man den Sachs noch nie gehört und gesehen. Artur Korn dagegen singt einen ordentlichen Veit Pogner, auch Rainer Zaun hat lichte Momente als Konrad Nachtigall. Die Begeisterung über Michael Volle kann ich nicht teilen, seine Leistung als Beckmesser ist zwar akzeptabel, mehr nicht, das gilt auch für Norbert Ernst in der Rolle des David, darstellerisch blieb dieser zudem recht blass. Zurecht ausgebuht wird Amanda Mace, als Evchen, ihr Alter Ego Carola Guber (Magdalene) fällt beim Schlussapplaus nicht positiv auf. Und nun zum umjubelten Walther Stolzing von Klaus Florian Vogt. Betrachtet man das gesanglich sehr mittelmäßige Niveau der Aufführung, dann hat er seinen Applaus verdient, doch eine Sternstunde konnte er nicht ersingen. Das gilt auch für den Chor. Unter der Leitung von Eberhard Friedrich ist das hohe Niveau der vergangenen Jahre deutlich abgesackt. Auf der Rückfahrt von Bayreuth habe ich dann im Auto Karajans Meistersinger-Aufnahme mit der Staatskapelle Dresden gehört und da wurden mir auf frappierende Art und Weise die Mankos der Bayreuther Aufführung aufgedeckt. Karajans Einspielung dürfte immer noch als Referenzaufnahme gelten.

„Die Zeit ist ein sonderbar Ding…"

Und doch habe ich eine Sternstunde in Bayreuth erleben können. Am Abend vor der zweiten Meistersinger-Aufführung gab Cheryl Studer einen Liederabend im Haus Wahnfried. Welch eine intensive Ausstrahlung besitzt diese Künstlerin immer noch. Studer interpretierte Lieder von Richard Strauss, mit dem wunderbaren Begleiter Semion Skigin an Klavier. Gedichte von Hugo von Hofmannsthal und Gottfried Benn wurden zwischen den Liedern von Friedrich-Wilhelm Junge eindrucksvoll rezitiert. Die Stimme von Frau Studer besitzt immer noch ein kostbares Timbre, zudem ist die Künstlerin eine großartige Gestalterin und stimmlich einfach überzeugend. Schade, dass man diese einzigartige Künstlerin nur noch sehr selten auf den großen Opernbühnen erleben kann. Ich jedenfalls werde nie ihre erste Elisabeth in Bayreuth vergessen. Der Titel des Liederabends lautete: „Die Zeit ist ein sonderbar Ding…" Dem kann man nur zustimmen und hoffen, dass sich auch auf dem Grünen Hügel wieder ein künstlerisches Bewusstsein etablieren kann, das diesen momentanen Klamauk neutralisieren wird. Richard Wagners Künstlertum hat diese momentane Situation nicht verdient. Doch alles vergeht, wie es Gottfried Benn in einem Gedicht sagt: „Leben ist Brücken schlagen über Ströme, die vergehen."

Singender Lotus

Noch einen weiteren spirituellen Programmpunkt kann man im Garten von Wagners Wohnhaus erleben. Die koreanischen Künstler Hyon-Soo Kim und E. Byok-Song Woo zeigen ein interkulturelles Ritual. „Singender Lotus" heißt die Performance. Im Zentrum des Projekts steht die Skulptur einer überdimensionalen Lotusblüte von 2,7 x 5,5 Metern. Im Buddhismus sowie Hinduismus steht der Lotus für kosmische Harmonie, Reinheit sowie als Sinnbild einer höheren Schöpfung. Bis zum 25. August werden an einigen Tagen zur Mittagsstunde Rituale der Reinigung vorgenommen, die aus 108 Verbeugungen (eine mystische Zahl für spirituelle Übungen) der Performance-Teilnehmer bestehen, nach diesem Ritual der Stille, singt der Bariton E. Byok-Song Woo die Klage des Amfortas oder Wolframs Preislied. So stehen sich in der Installation und Performance meditative Andacht und künstlerische Offenbarung gegenüber. Sicherlich ein schöne Sache, in den momentan künstlerisch so turbulenten Zeiten. Die Atmosphäre in der Wagnerstadt ist angespannt, auch die Einwohner scheinen unter der ungewissen Zukunft der Festspiele zu leiden. Offen wird nicht darüber gesprochen, doch das Fragezeichen liegt spürbar über der Stadt.

 

EL PAIS
27/07/2007

REPORTAJE: ÓPERA
La inocencia pulverizada
Katharina Wagner debuta en Bayreuth con una audaz puesta en escena de 'Los maestros cantores'. El público la abuchea sin contemplaciones

J. Á. VELA DEL CAMPO

Bayreuth. Con más de cinco horas de antelación, las cámaras de televisión ya habían tomado posesión de lugares privilegiados para captar la llegada de los asistentes famosos a la inauguración, el miércoles, del Festival de Bayreuth. Nadie se quería perder el debú de Katharina Wagner como directora de escena del teatro de la verde colina. Había mucho en juego. Incluso su éxito o fracaso se podía interpretar como un plebiscito para una posible sucesión al frente de la nave wagneriana. La hija única del segundo matrimonio de Wolfgang Wagner es la favorita del nieto superviviente del compositor. Hasta su prima Nike, hija del fallecido Wieland Wagner y otra de las aspirantes al trono, se acercó a Bayreuth para ver qué pasaba. La canciller de Alemania, Angela Merkel, tampoco se quiso perder el acontecimiento.

Los maestros cantores es la única comedia de Wagner. Sus personajes son de carne y hueso, y en ella se exaltan, como en ninguna otra, los valores artísticos y humanistas del pueblo alemán. Es sabido que era la ópera preferida de Hitler y, en cualquier caso, es quizás el título más comprometido de Wagner en relación con el sentimiento nacionalista alemán.

Katharina Wagner hizo saltar en mil pedazos todo tipo de complacencia, de idealismo, de inocencia. Su visión del pueblo alemán y sus valores se ceñían a un tipo de realidad cruda y dura, con todas sus miserias y escepticismos. Utilizó desde el comienzo un tono de comedia. La melancolía dejó su protagonismo a la ironía demoledora y ésta al sarcasmo sin piedad. Tres referencias eran más o menos claras en la estética teatral de la biznieta de Wagner: Christoph Marthaler, Claus Guth y Christoph Schlingensief.

Desmontó la bondad de los gremios cantores, vilipendió a los viejos mitos de la música desde Bach, Mozart, Beethoven o Liszt al propio Wagner y, al final, dio un par de vueltas de tuerca innecesarias con motivos eróticos o con exageraciones fuera de sitio que trivializaron en parte la brillantez de las ideas teóricas y dramatúrgicas. Fue valiente en su crítica demoledora. Fue ingenua en su desmesura. Pero tiene talento y le echa un valor a la vida que es de agradecer.

El público, mayoritariamente, la abucheó sin contemplaciones. El grupo minoritario de apoyo aguantó 20 minutos a que se marcharan los detractores y así poder hacerle llegar alguna muestra de apoyo. También se ensañó el respetable con algunos cantantes, como Franz Hawlata y Amanda Mace, y en plenos abucheos para ellos allí salía Katharina con su equipo escénico, entiendo que para apoyarles con su presencia, pero lo que conseguía era que aumentase el volumen del griterío. La bronca se reprodujo cuando salió a saludar con el director musical y cuando compareció con sus colaboradores. En todo este frenesí, los grandes triunfadores de la noche, aclamados hasta el delirio, fueron el tenor Klaus Florian Vogt, como Walther -una voz hermosísima-, Michael Volle, como Beckmesser, y el Coro del Festival -maravilloso-, que dirige Eberhard Friedrich.

Debutaba en Bayreuth Sebastian Weigle, director musical desde 2004 del Teatro del Liceo de Barcelona y próximo director musical general, a partir de 2009, de la Ópera de Francfort. Tuvo algún problema de balance en el primer acto, pero su intervención puede considerarse como espléndida, con dominio de las situaciones concertantes, con un enfoque ligero pero muy equilibrado, y con una multiplicidad de detalles que casi acercaban la ópera a una lectura camerística. No tuvo un éxito apoteósico e incluso recibió algún abucheo aislado pero su prestación fue de muchísimo mérito. En resumen, fue una inauguración controvertida y excitante, aunque lejos de la excelencia.