Frankfurter Allgemeine Zeitung
June 2000

Schlag, Impuls, Rhythmus, Raum: Das sind die Eckpfeiler, mit denen beim Frankfurter Klangfiguren-Projekt "five movements" im Bockenheimer Depot die Quadratur des Kreises versucht wurde. In den kontrastreichen Uraufführungen der fünf Kurzopern von Mark André, Régis Campo, Emanuele Casale, David Coleman und Jörg Widmann, blieb indes die Kluft zwischen Szene und Musik, Sprache und Melodie, körperlicher Bewegung und klanglicher Gestik weiter bestehen. Das war gut so, denn in dem Reigen innovativen Musiktheaters entstand die theatralische Spannung gerade aus der Widersprüchlichkeit der hier um elektronische Mittel erweiterten Opernelemente. Ob Gesang gänzlich ausgespart wurde, wie in Mark Andrés "... das O ...", einem aus komponierten Scheitern des Menschen an der Maschine, oder ausschließlich thematisiert wurde, wie in Régis Campos doppelbödig parodistischer "Nonsens Opera", die angestrebte Rundung blieb mit einigen herauslugenden Kanten zum Glück eine schiefe Perle. Drei Damen flankierten das Spielfeld in Andrés Vertonung, die Katrin Hilbe in Szene gesetzt hat, einer tatsächlich stattgefundenen Schachpartie zwischen dem Computer "Deep Blue" und dem damaligen Weltmeister Kasparov. Der Spieler (Willy Forwick) stürzt als Ikarus der Erinnerung nach gefallenem König in "Deep Blues" rechnerische, entmenschlichte Untiefen. Andrés "Krise des Wissens" angesichts geschichtsloser Vielwisserei durch die Maschine schlug hier szenisch packend und musikalisch äußerst suggestiv, niemals plakativ, in vollkommene Erstarrung nach der letzten denkerischen Bewegung des Geistes um: die Oper als Beschreibung innerer Vorgänge gleichermaßen als Zeitkritik am Bestehenden, aber ohne Zeigefinger. Geometrie und Phantasie waren ebenfalls in Jörg Widmanns sprachlich recht turbulentem Szenario "Das Echo" im Einklang. In dem rasanten Übergang zwischen deklamiertem Lamento und gesungenem Expressivo diente das Orchester als szenische Achse. Menschliche Verständigung wurde hier hinter einem Klangschleier aus instrumental freien Passagen ad absurdum geführt. Der Italiener Emanuele Casale beschrieb sein ballettartig durchchoreographiertes Bühnenstück "Tempo intinge in sogni e sole" über einen Baumeister, der am idealen Bauwerk scheitert, schlicht als ein Gehirn, das zittert". Tatsächlich war das Werk von obsessiven Klangballungen und zuckender Gestik durchsetzt. Thomas McManus, der dreizehn Jahre lang in Frankfurt tanzte, ließ seine Akteure als grandiose Entfesselungskünstler umeinander kreisen, ohne dass sie sich dabei zu nahe gekommen wären. Blondinen wurden in David Colemans "Herzkammeroper oder: menetekel mit Albatros" bevorzugt. Die zwei vermeintlichen Schönen in aufreizender Kleidung waren Teil eines revueartigen Gesellschaftsbildes (Inszenierung Bettina Giese), bei dem die streckenweise sehr rhythmische Musik gewissermaßen als auskomponierte Herzoperation getanzt wurde. Abwesenheit von Sinn auf sinnvolles Fragen bestimmte zuletzt die zu Opernklischees erstarrten drei Sänger und Puppenspieler in Régis Campos "Nonsens Opera". Kein Ende zu finden, alles noch einmal durchmachen zu müssen, sich immer wieder abzumühen und doch keinen Halt zu haben ließ Régis Campos auskomponierte Dreiecksbeziehung ebenfalls als absurdes Musiktheater erscheinen (Inszenierung Katrin Hilbe). Johannes Debus und David Coleman leiteten das exzellente Ensemble Modern im Wechsel souverän durch die komplexen Partituren

Achim Heidenreich

 

Darmstädter Echo
June 2000

Alles Neue ist schwer. Da kam für junge Komponisten die Herausforderung gerade recht, sich an einem Komponisten-Wettbewerb der Frankfurter Oper, unterstützt durch die Kulturstiftung der Deutschen Bank, zu beteiligen. Dort erhielten sie die Chance, ein kurzes Werk fürs Musiktheater in Zusammenarbeit mit professionellen Theatermachern zu gestalten und damit zugleich ein breiteres Publikum für ihre Neue Musik zu gewinnen. Gewinner des mit 80.000,-- Mark dotierten Wettbewerbs ist der Franzose Mark André. Er ließ sich für "... das O ..." vom Schachmatch zwischen Garri Kasparov und dem Computer Deep Blue anregen, das der Mensch gegen die Maschine verlor. Die Krise des Wissens spiegelt sich in der Kletterpartie, die der Protagonist über Quader hinweg veranstaltet sowie in einer differenzierten, elektronisch aufbereiteten Musik. Die Klanginstallation "Das Echo" des Müncheners Jörg Widmann findet ihre szenische Entsprechung in einem riesigen Spiegel, in dem das Publikum sich wieder erkennt. Der Italiener Emanuele Casale stützt sich für " Tempo intinge per sogni e sole" auf Franz Kafkas Erzählung "Der Bau" und stellt in musikalisch fesselndem Kontrast den Konstrukteur seiner Konstruktion gegenüber. Lemurenartige Gestalten bewegen sich dazu in einer bedrängenden Choreografie. Der in Heidelberg lebende Engländer David R. Coleman führt in seiner "Herzkammeroper" ein grelles, skurriles Stück vor, das musikalisch wie szenisch divergente Elemente zu einer bitteren Gesellschaftskritik mischt. Der Franzose Régis Campo schließlich ironisiert in seiner "Nonsens Opera" für drei Personen und drei Schaumstoffpuppen klassische Opernlibretti mittels einer scharf konturierten, auf einfache Intervalle rückführbaren Musik. Wesentlichen Anteil am Erfolg der fünf Stücke hatten das Ensemble Modern, das unter den Dirigenten Johannes Debus und David Coleman die kniffligen, stilistisch unterschiedlichen Partituren prägnant umsetzte, und eine Phalanx hervorragender Sänger-Darsteller. Das mit einem solchen Uraufführungsprojekt verbundene unkalkulierbare Abenteuer, vom dem Intendant Martin Steinhoff in seiner Begrüßung sprach, war geglückt - der Beifall bestätigte es.

Klaus Trapp

 


June 2000

Aufbruchstimmung im Bockenheimer Depot: Die Oper Frankfurt tut etwas für die Neue Musik und ihren musikalischen Nachwuchs. Aus dem Förder- und Stipendienprogramm des Hauses erging ein Kompositionsauftrag an fünf Komponisten der "new generation" (die sich über einen flotten Anglizismus leicht etablieren lässt, obwohl sie unter dem herrschenden Werte- und Stilepluralismus kaum zu definieren sein dürfte). Unter dem Titel des Abends five movements verbergen sich fünf Werke von durchschnittlich 25 Minuten Dauer, die einen aktuellen Zugang zu Oper und Musiktheater im 21. Jahrhundert suchen. Jede dieser Kurzopern spielt auf durchweg hohem Niveau. 22 Darstellerinnen und Darsteller teilen sich als Sänger, Schauspieler und Tänzer die verschiedenen Rollen; dazu treten die 31 Instrumentalisten des Ensemble Modern und eine gewandte Klang- und Lichtregie. Mark André (1964 geboren) schreibt für "... das O ..." eine sehr stille Musik aus Klängen und Geräuschen am Rande der Dekonstruktion, die sich zwischen den das Publikum umgebenden Instrumentalisten und Lautsprechern bisweilen zu nervöser Bewegung steigert und einmal auch durch eine Eruption des Schlagwerks unterbrochen wird. Eine ähnliche kafkaeske Situation artikuliert auch die szenische Klanginstallation "Das Echo" von Jörg Widmann (geb. 1973), dirigiert von David Coleman und inszeniert von Bettina Giese. Noch im Publikum sitzend, sucht in hektisch bedrängter Sprache ein junger Mann den Ausweg aus dem alltäglichen Gerede zu authentischer Kommunikation, während der auf die Bühnenkante montierte Spiegel die Szenerie wieder ins Publikum zurückwirft. Erst auf einen Schrei hin antwortet dem Sprechenden als unsichtbares Echo eine hohe Sopranstimme. Konsequent ist die Dramaturgie des Abends. Auch im nächsten Stück, "Tempo intinge in sogni e sole" (zu deutsch etwa: Zeit taucht ein in Träume und Sonne) von Emanuele Casale (Jg. 1971) steht ein Einzelner einer Gruppe gegenüber. In Thomas McManus' Inszenierung und Choreographie ist es diesmal ein Tänzer, der mit seinen solistischen Aktionen aus einer siebenköpfigen Balletttruppe ausgeschlossen bleibt. "HERZKAMMEROPER oder: menetekel mit ALBATROS" nennt David Coleman (Jg. 1969) sein Stück, das er selbst dirigierte. Gabriele Goettlers Dialog zwischen Kapitän und Co-Pilot unmittelbar vor dem Absturz und Heiner Müllers Herzstück-Dialog gaben die Vorlagen ab für das am stärksten gesellschaftskritische Werk des Abends. Musikalisch zeigt die Partitur ein breites Spektrum zwischen ironisch süßen Konsonanzen und mechanistischem Leerlauf, für den exemplarisch der Einsatz eines Spielzeugklaviers steht. Die "Nonsens Opera" von Régis Campo (1968), dirigiert von Johannes Debus und inszeniert von Katrin Hilbe, greift zurück auf das traditionelle Beziehungsschema einer Frau zwischen zwei Männern, ironisiert es allerdings durch einen aus Gedichten von Edward Lear zusammengestellten Konsens-Text und eine Musik, die klar entweder ins Lyrische oder ins Rhythmisch-Buffoneske typisiert ist.

Andreas Hauff

 

Online Musik Magazine
Juni 2000

„five movements" – fünf Vorschläge zum zeitgenössischen Musiktheater

Von Sebastian Hanusa

Unter dem Titel „Klangfiguren 2000-2004" hat die Oper Frankfurt eine Reihe ins Leben gerufen, die sich zum Ziel gesetzt hat, eine Positions-Bestimmung des zeitgenössischen Musiktheaters vorzunehmen. Neben der Neuinszenierung wichtiger Werke der letzten Jahrzehnte umfasst das Projekt auch mehrere Uraufführungen. Für die diesjährige Saison waren Kompositionsaufträge an fünf Komponisten der jüngeren Generation vergeben worden und zum Saisonabschluss wurden die jeweils ca. 15minütigen Stücke in Zusammenarbeit mit dem Ensemble Modern im Bockenheimer Depot uraufgeführt. Einer der zwischen 1964 und 1973 geborenen Komponisten wurde von einer Jury unter Vorsitz Wolfgang Rihms - des künstlerischen Leiters der „Klangfiguren" - für einen Auftrag für ein abendfüllendes Werk ausgewählt, dessen Uraufführung für 2005 angesetzt ist.

Alle fünf entstandenen Kompositionen werfen die Frage nach dem jeweiligen Gewicht und wechselseitigen Verhältnis der verschiedenen Elemente von Musiktheater auf, insbesondere die Rolle des Textes gegenüber Szene und Musik: Ein relativ traditionelles Verständnis von Wort-Ton-Verhältnis findet sich in HERZKAMMEROPER oder: menetekel mit ALBATROS des Engländers David Coleman. Im Zentrum steht das Dramenfragment „Herzstück" von Heiner Müller, welches, nachdem es einmal gesprochen wurde, stark gedehnt, aber weiterhin vollkommen verständlich von dem im Orchester platzierten Vokalensemble gesungen wurde. Hiermit hat Librettist Olaf Brühl einen Auszug aus Dantes „Divina Comedia" und Gabriele Goettlers kurzen „Dialog zwischen Kapitän und Co-Pilot unmittelbar vor dem Absturz" kombiniert. Während der Dante-Text gegen Ende von einer auf der Bühne herumgehenden, weiß gewandeten Sängerein gesungen wird, erklingt Goettlers Dialog ebenfalls nur gesprochen. Man stellt fest, dass das gesprochene Wort weitaus nachdrücklicher wirkt als das vertonte. Während die gesprochenen Texte eine sehr starke Eigenwirkung haben, erscheint das Verhältnis zur Musik problematisch. Die Texte wirken wie Fremdkörper, eine Synthese zwischen dem gesprochenen Wort und der Musik findet nur selten statt. Auch wenn das Vokalensemble als „Klangschatten" den Müller-Text in seiner vertonten Form singt, ist der Text zwar ins klangliche Geschehen integriert, hier fehlt jedoch eine bemerkbare Bezugnahme auf das Bühnengeschehen. Die Musik selber ist relativ heterogen, umfasst hierin aber eine große Menge packender Momente. Bettina Gieses Inszenierung stütz sich im wesentlichen auf die je vier Tänzerinnen und Tänzer, die in schreiend bunten Kostümen verschiedene Gesten-Komplexe zum Thema „Herzstück" tanzen. Insgesamt wirkt dies illustrierend, aber ähnlich wie Text und Musik hat man das Gefühl, dass eine musikdramatische Idee eher umkreist wurde, als dass sie in einem komponierten und inszenierten Gesamtergebnis enggeführt wäre.

Ähnliches muss man auch von Jörg Widmanns Das Echo sagen: Ein Schauspieler tritt auf und rezitiert einen hektisch neurotischen Wortschwall, einen Monolog, adressiert an eine unsichtbare Geliebte, eine Sängerin, die hinter einem halb durchsichtigen Spiegel auftritt, einen Echo-Sopran – eventuell auch nur an das alter ego. Einen Text der Beziehungskrise, eine hektische Selbstsuche vor einem übermächtigen Spiegel, aus dem sich eine Zwiesprache mit jener – imaginierten? – Frauengestalt entwickelt. Dieser Spiegel ist ein Geniestreich von Bühnenbildnerin Cornelia Gaertner: Er füllt das ganze Bühnenportal aus, im Rücken der Zuschauer hinter den Sitzreihen findet sich ein weiterer Spiegel und hier zwischen vervielfältigt sich Orchester und Publikum in dem Maße, wie sie hierin visuell eingesperrt sind. Die hektischen Deklamation des Textes wird von einer nervös laufenden, unruhigen Musik begleitet. Leider besteht die Gefahr, dass eine vom Komponisten gewollte Energetik in leerlaufende Klangkulisse umschlägt; das Agieren der Musiker wirkt sehr bald nur noch ziellos und es ergibt sich keine immanente musiklische Spannung, die dem gesprochenen Text in der überzeugenden Darstellung durch Schauspieler Peter Pruchniewitz eine ebenbürtige Ergänzung liefern könnte.

Gerade dies gelingt Régis Campo in seiner Nonsense Opera. Campo tritt aber auch mit einem Text an, der es ihm relativ leicht macht: Seine Nonsense Opera ist ein ironisches Spiel mit den Inhalten des klassischen Opernrepertoires, folgt formal den Vorlagen unzähliger Libretti. Eine Sopranistin liebt einen Tenor, wird aber auch von einem Bariton geliebt, welcher letztlich seinen Rivalen umbringt. Die Opernrealität wird durch den Doppelcharakter der Figuren als Puppen und ebenso als „Bühnenmenschen" erzeugt, zum Schluss wird diese Realität nochmals gebrochen, indem das Aussprechen eines Zauberworts das Geschehene aufhebt und die Oper von Neuem beginnen lässt. Mit leichter Hand hat Campo eine durchaus melodie- und cantilene-verliebte Musik mit diversen Mozart-Anklängen geschrieben, die es den Sängern ermöglicht, stimmliche zu brillieren und zudem einen unterhaltsamen szenischen Reigen zu entfachen. Katrin Hilbes Regie tut ein übriges, besonders der Einfall, den drei Akteuren lebensgroße Schaumstoff-Puppen - quasi als Körperdouble - an die Hand zu geben und hiermit das eigene Handeln nochmals zu kommentieren und im Stück nachzuzeichnen, wirkt hervorragend.

Während Campo fast wehmütig auf eine aus der Tradition gegebene Auffassung von Oper stütz, haben Mark André und Emanuele Casale je auf ihre Art eine Tendenz der letzten 50 Jahre innerhalb der Neuen Musik aufgegriffen und weiterverarbeitet: Spätestens seit Nonos Prometeo und Sciarrinos jüngsten Musiktheater-Kompositionen hat sich der Versuch, Sprache auf einer subsemantischen Ebene zu musikalisieren, die Materie des Sprachkörpers als klangliches Material aus der Musik heraus zu entwickeln und damit gleichzeitig die Musik mit sprachlichen Elementen anzureichern, auch in musikdramatischen Werken niedergeschlagen. Dieser Ansatz findet sich insbesondere bei André – der den Wettbewerb und somit den Kompositionsauftrag gewonnen hat. Die vier anwesenden Sängerinnen werden über Mikrophon aufgenommen, man hört sie flüstern, atmen und raunen, ohne dass Textinhalt oder selbst die Herkunft der gesprochene Sprache erkennbar wären. Hierzu kommt ein durchsichtiges Klanggewebe von drei um das Publikum herum aufgebauten Instrumentalisten-Gruppen, als weiteres Element eine live-elektronische Verarbeitung der Stimmklänge – realisiert vom Freiburger Experimental-Studio des SWR unter der Leitung von André Richard. Es ergibt sich eine Verräumlichung des musikalischen Geschehens, eine faszinierende Verklanglichung des Raumes, in dem ein abstrakte Spiel des „Protagonisten" Willy Forwick mit dreidimensionalen geometrischen Figuren eingefasst ist. Es entsteht ein klangliche-visuelles Total von hoher Suggestionskraft. Problematisch ist einzig der Punkt, dass auf der semantischen Ebene die Gefahr der Willkürlichkeit droht. Auf einer verklanglichten Ebene ist die unmittelbare Sinnhaftigkeit aufgelöst. Die zu Grunde liegenden Texte - die Offenbarung des Johannes und eine Analyse der Schachpartie zwischen Kasparov und dem Computer deep blue – sind für das Publikum aus dem Stück heraus nicht erkennbar. Auch ohne in einen naiven Werk-Purismus zu verfallen, bleibt die Frage offen, warum gerade jener Text und nicht ein anderer.

Emanuele Casale verzichtet konsequenterweise in Tempo intine in sogni e sole ganz auf eine Vertonung von Text. Statt dessen hat er ein Ballett komponiert, dem Kafkas Erzählung „Der Bau" zu Grunde liegt, während die Stimmen der acht Vokalisten ausschließlich instrumental eingesetzt werden. Zu der differenziert ausgehörten, fast spektralistisch wirkenden Musik hat Choreograph Thomas McManus mit klaren, sehr einfachen Mitteln eine eindrückliche Umsetzung von Kafkas Text gefunden. In diesem hat eine Kreatur sich einen fast perfekten „Bau" konstruiert, der sie aber nicht nur vor allen Gefahren der Außenwelt schützt, sondern nach und nach eine Art Eigenleben entwickelt, welches immer mehr Einfluss über seinen Erbauer gewinnt. Letztlich droht das Wesen sich in diesem unpersönlichen Objekt aufzulösen. In Casales Stück kommt es zu einer Deckungsgleichheit zwischen musikalischer und szenischer Ebene, vielleicht aber erst durch einen Verzicht auf einen in der Komposition konkret vorzufindenden und verklanglichten Text.

Abschließend muss man wieder einmal die Selbstverständlichkeit bewundern, mit der das Ensemble Modern die fünf Partituren realisiert hat, so wie auch sängerisch die Aufführungen allesamt auf höchstem Niveau waren.

FAZIT
Im zeitgenössischen Musiktheater finden sich ein spannungsreiches Feld, in dem derzeit von kompositorischer Seite mehr Fragen aufgeworfen werden als dass ausgearbeitete Konzepte vorzufinden wären. Die fünf Frankfurter Uraufführungen boten einen repräsentativen Schnitt aktueller Ansätze - mit Interesse ist das abendfüllende Werk des Preisträgers Mark André zu erwarten.

 

five movements

Fünf Werke für Musiktheater
David Coleman: HERZKAMMEROPER oder: menetekel mit ALBATROS
Jörg Widmann: Das Echo
Régis Campo: Nonsense Opera
Marc André: ...das O...
Emanuele Casale: Tempo intine in sogni e sole

Uraufführungen durch die Oper Frankfurt im Bockenheimer Depot am 23. Juni 2001
rezensierte Aufführung: 28. Juni 2001