Darmstädter Echo
12. April 2002

Premieren-Ausblick:
Jörg Fallheier inszeniert in Darmstadt Puccinis Oper „Madame Butterfly"
Über den Tod hinaus

Nein, diese Chance habe er nicht ausschlagen wollen: am Staatstheater Darmstadt Puccinis Oper „Madame Butterfly" inszenieren zu können, erklärte der Regisseur Jörg Fallheier in einem Gespräch. Denn Puccini gehöre für ihn zu den wichtigsten Theaterkomponisten überhaupt. Das 1904 in Mailand uraufgeführte Werk ist durchkomponiert und bietet textlich so gut wie keine Wiederholungen. Das habe die deutsche Übertitelung – gesungen wird in der italienischen Originalsprache – so schwer gemacht, berichtete der die Aufführung betreuende Dramaturg Wolfgang Binal.

Am morgigen Samstag (13.) ist um 19.30 Uhr die Premiere im Großen Haus des Staatstheaters. Mary Anne Kruger hat die Titelpartie der Madame Butterfly genannten Cio-Cio-San übernommen; Matthias Müller hat das Bühnenbild entworfen, Ulrike Schörghofer die Kostüme. Raoul Grüneis wird das (laut Binal) zweieinhalb Stunden dauernde Werk dirigieren.

Für Fallheier (1952 in Frankfurt geboren) ist diese Puccini-Oper die zweite Inszenierung am Staatstheater. Vor fünf Jahren hat er hier Lehárs Operette „Das Land des Lächelns" inszeniert. Und jetzt beschäftigt er sich wieder mit einem Musiktheaterwerk, das im fernen Asien spielt: Die Geisha Cio-Cio-San lebt im japanischen Nagasaki und lernt den amerikanischen Marineleutnant Pinkerton kennen und lieben; beide heiraten. Während Pinkerton sich aufs japanische Eherecht stützt, das besagt, dass der Ehemann seine Verbindung nach Gutdünken jederzeit auflösen kann, stützt sich Cio-Cio-San auf die nach westlichen Vorstellungen Unverbrüchlichkeit der Ehe. Als Pinkerton nach drei Jahren mit seiner amerikanischen Frau nach Nagasaki zurückkommt, und Cio-Cio-San von der Existenz dieser Frau erfährt, gibt sich die Japanerin selbst den Tod. Sie hinterlässt ein Kind, das aus der Verbindung mit Pinkerton hervorging, von dessen Existenz der Leutnant erst jetzt erfährt.

Kann Pinkerton in seiner neuen Ehe überhaupt glücklich werden? Mitnichten, meint Fallheier: Cio-Cio-San triumphiere über ihren Tod hinaus. Anfangs erzähle er das Stück wie ein Märchen, sagt der Regisseur. Butterfly sehe in der Liaison mit dem Amerikaner und mit ihrem Übertritt zum christlichen Glauben die Chance, aus ihrem eher ärmlichen Milieu herauszukommen, während Pinkerton mit einem imperialen Verhalten daherkomme – lange bevor die USA in die Weltpolitik eingetreten sei. Der Stoff, der vom Aufeinanderprall zweier Kulturen handele, erklärt der Regisseur, werde zunehmend härter. Puccini drücke das im Orchester aus, das die Geschichte präzise miterzähle, keineswegs jedoch nur illustrierend untermale. (hz)