Wiesbadener Tageblatt
13.11.2002

Berufe hinter den Kulissen: Die tägliche Abwechslung der Schlosser zwischen Kerzenständern und Gefängnisgittern
Ein Kühlschrank für den „Handlungsreisenden"

Von Anja Baumgart-Pietsch

Sechs große eiserne Kerzenleuchter werden für die bevorstehende Premiere der Oper „Macbeth" benötigt. Fast fertig stehen sie schon in der Schlosserwerkstatt im Untergeschoss des Staatstheaters, wo Stefan Heister letzte Hand anlegt. Solche auf der Bühne deutlich Alles Theater!sichtbaren Objekte sind aber eher die Ausnahme, wie der Schlossergeselle erzählt. „80 Prozent dessen, was wir hier machen, sieht man nicht", berichtet er.

Das vierköpfige Team der Schlosserei ist eher dafür zuständig, dass Kulissen verstärkt werden. Große Träger und Gestelle werden zusammengeschweißt, die Holzflächen und Stoffbahnen Festigkeit verleihen sollen. Aber ab und zu ist ein hier angefertigtes Eisenteil doch für die Optik der Aufführung wichtig: In der „Zauberflöte" beispielsweise gibt es eine weit über die Bühne ragende Eisenrampe. Ab und zu werden auch Gefängnisgitter benötigt. Oder, wie ebenfalls an diesem Tage zu sehen, ein raffiniert umgebautes Teil: Ein betagter Kühlschrank, dessen Rückwand entfernt werden muss, damit eine unsichtbare Tür montiert werden kann, durch die ein Schauspieler im Stück „Tod eines Handlungsreisenden" schlüpfen wird. Stefan hat im Theater bereits seine Ausbildung absolviert, allerdings nicht in der Schlosserwerkstatt, die aus Zeitmangel nicht ausbilden kann, sondern in der Haustechnik. Seit 1986 ist er hier tätig. Auf die Frage, was hier denn anders sei als in einer herkömmlichen Schlosserei nennt er die tägliche Abwechslung. „Wir müssen uns immer wieder andere, neue Dinge und Lösungen einfallen lassen, viel improvisieren - kaum etwas wiederholt sich hier."

Wenn sich ein Bühnenbildner die Konzeption für ein Stück überlegt, muss er zunächst einmal den Grundriss der Bühne in seine Überlegungen einbeziehen. Dann fertigt er Skizzen an, die dann über Bühnenmeister und technischen Direktor an die Werkstätten für die praktische Umsetzung weitergegeben werden. Genaue technische Zeichnungen gibt es meistens nicht - auch das ein Unterschied zu einem herkömmlichen Handwerks- oder Industriebetrieb. Schlosser, Schreiner und andere fertigen dann die Einzelteile an, die wiederum von den Bühnentechnikern zusammengesetzt werden.

„Viele Abteilungen brauchen etwas von uns, wir haben eine recht zentrale Stellung", meint Stefan Heister, und wie zur Bestätigung klingelt auch des öfteren das Telefon mit teils dringenden Wünschen aus anderen Bereichen. Fertige Kulissen passen meist wegen der zu geringen Höhe nicht in die Schlosserwerkstatt, obwohl sie sehr geräumig wirkt - aber natürlich hat die Bühne noch ganz andere Dimensionen. Daher gibt es in der Werkstatt auch keinen Schichtdienst, weil hier eben nur die Einzelteile gefertigt werden. Wenn am Abend der Vorstellung noch etwas hakt, sind die Bühnentechniker zuständig. „Allerdings sind auch schon einmal Einsätze außerhalb der Arbeitszeiten zu leisten", erzählt Stefan Heister.

Die technische Einrichtung der Stücke geht meistens etwa zwei Wochen vor der Premiere über die Bühne. Dann kann noch über die Realisierung einzelner Dinge nachgedacht werden. Für die „Zauberflöte" zum Beispiel sollte noch ein großer Dinosaurier auf die Bühne, dessen Körperteile beweglich sein sollten. Dieses Monstrum erwies sich dann aber als nicht zufriedenstellend realisierbar. Stefan Heister hatte sich schon eingehend mit dem metallenen „Innenleben" beschäftigt, doch diese Aufgabe wurde dann doch – mit Einverständnis des Bühnenbildners – fallengelassen. „Der hatte nur eine kleine Elastolinfigur als Vorlage – aber in der meterhohen Größe war das Ganze dann nicht mehr so praktikabel."

Abwechslungsreich und spannend also ist die Arbeit in der Schlosserwerkstatt. Und gegen eines der häufigsten Risiken, denen man dort ausgesetzt ist, gibt es zum Schluss auch noch einen praktischen Tipp. Das so genannte „Verblitzen" der Augen nämlich, das entstehen kann, wenn man zu viel in die Schweißflamme guckt, kann man mit einem probaten Hausmittel behandeln: Zwei rohe Kartoffelscheiben, auf die Augenlider gelegt, wirken Wunder.