Giessener Anzeiger
16. September 2003

Licht, Lack und 500 rote Rosen
Umberto Giordanos veristische Oper „Fedora" nach 100 Jahren wieder auf deutscher Bühne

Von Susanna Lulé

GIESSEN. Zum Beginn der neuen Theatersaison bringt das Stadttheater ein fast vergessenes Werk des italienischen Verismo auf die Bühne, die Oper „Fedora" von Umberto Giordano. Am Sonntagvormittag fand im Großen Haus die Einführungsmatinee statt, die zugleich den Auftakt für den Tag der offenen Tür des Stadttheaters darstellte. Dabei wurden nicht nur Informationen zum Werk und musikalische Kostproben gegeben, sondern bereits erste Einblicke in die Inszenierung ermöglicht.

Nach der Begrüßung durch die Intendantin Cathérine Miville und Operndirektor Joel Revelle ging der neue Musikdramaturg Christian Steinbock auf die Entstehung des Werkes ein, während Regisseur Helmut Polixa ausführlich den Inhalt und die szenische Umsetzung vorstellte. Vom Klavier aus verantwortete Gastdirigent Gabriele Bellini die musikalische Leitung, und Roland Schmiedel übernahm mit beherztem Griff in die Tasten den Instrumentalpart. Das gut gelaunte Publikum, das das Parkett ziemlich füllte, ließ sich von der an- und viel versprechenden Darbietung einnehmen und spendete am Schluss der gut einstündigen Einführung großen Applaus.

Der italienische Opernkomponist Umberto Giordano (1867 bis 1948) war ein typischer Vertreter des Verismo, also jener künstlerischen Strömung in den 1890er bis 1920er Jahre, die eine Art musikalischen Naturalismus darstellt und sich gegen den Wagner’schen Götter-und-Helden-Mystizismus richtete. Giordanos Markenzeichen sind neben einer eingängigen Melodik, expressiver Klangfarbe und Harmonik, wie in dem als Hörbeispiel gegebenen kurzen Vorspiel zu erkennen war, Effekte und Spannung. Dass er dabei auch nicht vor Effekthascherei zurückschreckt, zeigt die auf einer Opernbühne wohl einmalige „Fahrradarie", die ebenfalls zu den Kostproben der Matinee gehörten. Dabei durfte Dusana Majerska ihre Arie beim Rumkurven mit dem Rad auf der Bühne zum Besten geben.

Giordano hatte sich erst beim dritten Anlauf, nach seinem Durchbruch mit der Oper „Andrea Chénier" in Mailand, die Rechte an der Vertonung von „Fedora" des französischen Erfolgsautors Victorien Sardou sichern können. Die Uraufführung fand am 17.November 1898 in der Mailänder Scala statt, mit Enrico Caruso in der männlichen Hauptrolle. Die letzte Aufführung in Deutschland gab es 1903 in Berlin.

Den Kern der Handlung von „Fedora" bildet neben den unvermeidlichen Liebesverwicklungen ein regelrechter Krimi: die Suche nach dem vermeintlichen Mörder des Verlobten der Fürstin Fedora Romanow. Der war am Vorabend ihrer Hochzeit angeschossen aufgefunden worden und hatte gegenüber der Polizei kurz vor seinem Verscheiden den Verdacht auf einen Anschlag mit politischem Hintergrund geäußert. Getrieben von dem Wunsch nach Vergeltung, verfolgt Fedora den vermeintlichen Attentäter Loris Ipanov bis nach Paris. Dort versucht sie, ihn in sich verliebt zu machen und zu einem Geständnis zu bringen, um ihn dann der russischen Geheimpolizei auszuliefern. Das gelingt ihr auch, jedoch hat sie sich erstens in der Zwischenzeit selbst in ihn verliebt, und zweitens stellt sich heraus, dass Loris in Notwehr gehandelt und ihr damaliger Verlobter ein Verhältnis mit der Frau von Loris gehabt hatte.

Loris und Fedora werden ein Paar. Zwar gelingt den beiden die Flucht in die Schweiz, doch kann Fedora den von ihr in Gang gesetzten Apparat nicht mehr stoppen, in dessen Räderwerk Loris’ Bruder und Mutter geraten. Entsetzt greift Fedora zum Gift und stirbt in den Armen von Loris einen schönen Operntod.

Sabine Paßow in der Titelpartie und German Villar als Loris präsentierten in der Einführungsmatinee zwei Liebesarien und ein Duett bereits in szenischer Darstellung. Das zeigte nicht nur Umberto Giordano als versierten Opernkomponisten, sondern lässt auch einen musikalisch wie szenisch packenden Opernabend erwarten. Die Inszenierung von Helmut Polixa hat sich dem Versuch verschrieben, mit reduzierten, hyperrealistischen Mitteln die Symbolwerte der inneren Handlung herauszuarbeiten. Expressive Lichtführung, schwarzer Lack für den Pariser Salon und 500 rote Rosen sind einige Zutaten, um Schönheit, Liebe und Tod, die Themen der Oper, eindringlich zu machen für „Auge und Herz", wie Polixa erklärte. Der „Gefühlswert der Musik" solle in Bilder umgesetzt werden, nicht im Sinne einer realistischen Bebilderung, sondern als Symbolwerte. Mit Bildzeichen auf dem Theater die Inhalte verkaufen, ist die Devise von Polixa.

Die Premiere findet am Samstag, 20.September, um 19.30 Uhr statt.