Darmstädter Echo
Freitag, 23. Januar 2004

Ausblick: „Gustavo III"
Genialität des ersten Einfalls

Premiere der Urfassung von Verdis „Maskenball" im Staatstheater Darmstadt am Samstag (24.)

Anthony PilavachiDARMSTADT. Sein ganzes Leben hat sich König Gustav III. mit dem Operngenre befasst. Denn der im 18. Jahrhundert lebende schwedische Monarch schrieb selbst Opern und Dramen, spielte Theater und ließ sogar ein Opernhaus bauen. Die Karten für die Vorstellungen mit dem König sollen so begehrt gewesen sein, dass ein Beobachter von „lebensgefährlichen Szenarien" beim Kartenerwerb sprach. Doch Gustav machte sich mit seiner Leidenschaft nicht nur Freunde: „Ein König als Schauspieler und Hofnarr", so ein Zeitgenosse, „das schickt sich nicht." Im Frühjahr 1792 wird der König auf einem Maskenball Opfer eines Attentats. Und sein Leben, verwoben mit einer fiktiven Liebesgeschichte, zu einer wunderbaren Vorlage für ein Opern-Libretto.

Doch nicht nur die Geschichte auf der Bühne ist spannend. „Auch die Entstehung der Urfassung von Verdis ‚Maskenball‘ liest sich wie ein Krimi", sagt die Dramaturgin Karin Dietrich. Zusammen mit dem Regisseur Anthony Pilavachi und unter der musikalischen Leitung von Raoul Grüneis erarbeitet Dietrich die deutsche Erstaufführung der Urfassung, die am Samstag (24.) am Staatstheater Darmstadt Premiere hat. Es wird in italienischer Sprache gesungen – die deutsche Übersetzung wird am oberen Bühnenrand eingeblendet.

In einer Matinee am vergangenen Sonntag konnten sich Interessierte Appetit holen und sich mit den Hintergründen und Besonderheiten der Urfassung vertraut machen. Verdi stieß 1857 auf die Vorlage und machte sich sofort daran, den „Maskenball" zu schreiben. Doch die italienische Zensur hatte Einwände gegen den Königsmord auf der Bühne. Um das Werk überhaupt aufführen zu können, schrieb Verdi eine „Bostoner Fassung": Handlung und Personen wurden ins Boston des 18. Jahrhunderts verlegt. Vor einigen Jahren erst fand man die Urfassung der Oper, die rekonstruiert und vor zwei Jahren in Göteborg uraufgeführt wurde – ebenfalls unter der Regie von Anthony Pilavachi.

Anders als die Bostoner Fassung enthalte die Urfassung viele Reminiszenzen an Webers „Freischütz", aber auch an Händel, berichtet der Regisseur. Verdi erzähle darin von „einem romantischen, dichterischen Schweden des 19. Jahrhunderts, das sonst nur in Nebel gehüllt war", schwärmt Pilavachi. Der Regisseur erklärt, er habe die Rolle Oskars stärker gewichtet, wodurch die Aufführung auch in politischer Sicht gewinne: „Oskar ist für mich der rote Faden der letzten 24 Stunden Gustavs, er ist Page, Botschafter, Leibwächter – der einzige, auf den der König zählen kann." Die Figuren im „Maskenball" steuerten konsequent auf die Katastrophe zu, so Pilavachi, weil sie mit ihrer eigenen Rolle nicht klar kämen: „Gustav verkleidet sich jahrelang, und als er sich endlich in seiner Königsrolle zurechtfindet, wird er erschossen."

Der Dirigent Grüneis hält die Urfassung für wesentlich musikdramatischer. Dabei seien es sehr subtile Unterschiede: „Einzelne Arien sind einen Halbton höher, das hat etwas Frivoles, Laszives, was den hysterischen Charakter der Geschichte noch unterstreicht." Eigentlich sei er kein Freund von Erstfassungen, betont Grüneis, aber die „Genialität des ersten Einfalls, mit all seiner Rohheit und der Wucht des Unfertigen" habe ihn überzeugt. Man merke, dass die Komposition „hypothetisch ist, aber gerade das macht sie so reizvoll". (boh)

  • Die Premiere von Verdis „Gustavo III" beginnt am Samstag (24.) um 19.30 Uhr im Großen Haus des Staatstheaters Darmstadt. Mit Pause soll die Aufführung etwa zweieinhalb Stunden dauern.
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