Frankfurter Rundschau
30. September 2003

Liebe - draußen vor der Tür
Eine neue Inszenierung von Alban Bergs "Lulu" im Frankfurter Opernhaus

Von Hans-Klaus Jungheinrich

Eine Jugenderinnerung. Bei der Premiere der Frankfurter Lulu-Erstaufführung (mit Georg Solti am Pult und dem Regisseur Günther Rennert) in den fünfziger Jahren gab es einen ungewöhnlichen Prolog. Bevor der Vorhang sich öffnete und die Musik Alban Bergs erklang, betrat ein Redner die Szene: Der Professor Theodor W. Adorno hob zu einer Einführung an. Sei es, dass er, trotz seiner gewohnt pointierten Diktion, im großen Opernhaus schwer vernehmlich war, sei es, dass das Publikum sich solchen akademischen Entrées an diesem Ort aus Prinzip widersetzte: Es kam Unruhe auf, und Adornos Lulu-Lob drohte nun auch für die gutwillig Lauschenden immer unverständlicher zu werden. Ehe der - freilich ausführlicher und umschweifiger sich anschickende - Vortrag vollends in missgestimmter Peinlichkeit endete, machte der sensible Philosoph etwas überstürzt einen Punkt, so dass er noch einigermaßen glimpflich unter schütterem Höflichkeitsapplaus in den Hintergrund entweichen und das weitere Abendgelingen den Theatermenschen überlassen konnte.

Heute wäre mancher froh, einen Adorno-Auftritt live erleben zu können; andererseits bedarf der "durchgesetzte" Klassiker Lulu keiner um Verständnis und Verstand werbenden Extraempfehlung mehr. Seine nunmehr vierte Lulu-Inszenierung (die zweite in der von Friedrich Cerha besorgten dreiaktigen Fassung) holte sich das Frankfurter Haus (von der Zeitschrift Opernwelt gerade eben mit dem Prädikat "Opernhaus des Jahres" geehrt) jetzt von der English National Opera London.

Ohne symbolisches Brimborium

In der reanimierten Regie von Richard Jones und Annilese Miskimmon und den teilweise art-decoartig kühlen Bühnenbildern von Paul Steinberg wurde die Handlung sauber nacherzählt, ohne symbolistisches Brimborium, ohne aufgepfropften philosophasternden Wiener Otto-Weininger-Tiefsinn. Die Wedekind'sche Sujet-Nähe zum Kinomäßigen und Trivialen bekam eine eher diskrete Neuakzentuierung durch etliche stehkaderartige Bildschlüsse, bei denen sich katastrophische Turbulenzen formierten. Da war zumal die Statisterie präzis gefordert. Und statt des Zirkusrahmens erlebte man die anrüchigere Präsentation eines "adult-entertainment"-Etablissements, das auch zum Schluss nochmals in Erscheinung trat und als Bühne auf der Bühne Besucher und Akteure entließ. Auch die Lulu-Darstellerin, wieder zur Privatperson mutiert mit Straßenkleidung und Sonnenbrille, war da als Ausführende einer Rolle markiert. In diese Distanzierung nicht eingeschlossen blieb einzig die Gräfin Geschwitz mit ihrem moribunden Schlussgesang, das (Selbst-)Opfer der verzweifelten "echten" Liebe - gewissermaßen draußen vor der Tür, hinter der sich nichts als Phantasmen, Illusionen, Scheingefühle abspielten.

Insgesamt war auch eine respektable Sängerbesetzung aufgeboten. In der Titelpartie agierte die eher zierliche Juanita Lascarro mit gehörigem Männerphantasien-Flair und einer vogelhaft koloraturfähigen Stimme (die extrem hohen Töne setzten sich mühelos auch noch in den quasi-chorischen Ensembleszenen des dritten Aktes durch). Nächst ihr war der Bariton Terje Stensvold als Dr. Schön und Jack the Ripper die imposanteste Vokalverkörperung. Der lyrischer getönte, ansprechend timbrierte Alwa von Raymond Very blieb zumal beim Sprechgesang einigermaßen hilflos. Drastisch konturiert der Tierbändiger und Athlet von Paul Gay. Mehr drall intonierender Chargeur als allgegenwärtig hintersinniges Schemen war der Schigolch von Carlos Krause. Charakteristisch der Gymnasiast und Groom von Annette Stricker. Von autoritativem Format die auch gesanglich tragfähige Geschwitz von Martina Dike. Sie ist auch musikalisch als eine gleichsam transzendente Figur in dieser frivolen Scharade gezeichnet. Bemerkenswert, dass Berg, indem er sich mit dem (etwas windig als Komponisten ausgewiesenen) Alwa identifiziert, selbst unter die Illusionisten einreiht.

Die musikalische Direktion von Paolo Carignani traf den spezifischen Berg-Ton aufs genaueste, gab der musikalischen Sphäre verführerischen Glanz, nach und nach auch finstere Realität, hellhörig vermittelnd zwischen innehaltend betrachtenden Stationen und einem fast schon ins allzuglatt Konversationstönige (und neoklassizistisch Beleckte) führenden Duktus vermittelnd. Carignanis Faible für Bergs "Großzügigkeit" zeigte sich vielleicht am schönsten im breit ausladenden Angang der Orchestervariationen (vor dem Schlussbild). Die Orchesterleistung zeigte sich schlackenlos.

Ein zündelndes Motiv

Fast zur Selbstverständlichkeit geworden ist die Hinnahme der Fassung mit dem vor gut 20 Jahren von Friedrich Cerha komplettierten dritten Akt. Sie hat gegenüber dem zweiaktigen Fragment, abgesehen von der Frage der kompositorischen "Authentizität", nicht nur Vorzüge. Dramaturgisch triftig ist das farcenhafte Pariser Gesellschaftstableau zweifellos, vor allem wegen der Vertiefung der ansonsten beinahe rudimentären Geschwitz-Rolle, und auch die im Aktverlauf dramatisch fallierende Aktie der Jungfraubahn ist gerade vor dem Hintergrund aktueller Börsenereignissse ein zündendes Motiv. Gleichwohl scheint das kaleidoskopartig anders arrangierte kompositorische Material hier doch merklich verbraucht. Vollends das jämmerliche Finale mit Lulus Ermordung in der Absteige wendet sich aber ins Redselig-Redundante, und ein seine Kantabilität (mit dem Organ des durchtriebenen Machtmenschen Dr. Schön) ausgiebig ausstellender Jack the Ripper gewährleistet ein entschieden konventionelleres Opernende als ein schattenhaft sein Triebhandwerk ausübender Täter-Pantomime zu den abgründigen Emanationen des als Orchesterstück überlieferten Adagio. Die ins Nichts abstürzende Geschwindigkeit der (scheinbar) abgebrochenen Skizze wäre von entschiedenerer Wirkung, wenn die notorische Opern-Langsamkeit der vollendeten Version sie herzustellen vermag.

Oper Frankfurt: 1., 4., 11. und 18. Oktober.

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Dokument erstellt am 29.09.2003 um 16:20:10 Uhr
Erscheinungsdatum 30.09.2003

 

DER TAGESSPIEGEL
6. Oktober 2003

Böse Mädchen kommen überall hin
Blauer Engel oder Primadonna der Leinwand: Die Opernhäuser in Frankfurt am Main und Bonn erforschen Alban Bergs "Lulu"

Von Jörg Königsdorf

Die bitteren Lacher kommen prompt. Wenn im dritten Akt der "Lulu" der bodenlose Fall der Jungfrau-Aktien verkündet wird, weiß das Frankfurter Opernpublikum wohl besser als irgendein anderes, was auf dem Spiel steht. Denn Bergs aus Trieb, Gier und Sarkasmus gewebter Opernstoff liegt hier sozusagen auf der Straße: Die Nutten, Gauner und Manager, um deren verfehlte Lebensplanung es auf der Bühne geht, laufen ein paar hundert Meter weiter im Bahnhofs- und Bankenviertel gleich dutzendweise herum. Die Welt ist in dieser Hinsicht immer noch nicht viel besser geworden. Das Schicksal dieses blauen Opernengels, der nur für den Sex lebt und stirbt und dem die Männer reihenweise zum Opfer fallen, hat auch von daher seine moritatenhafte Züge - ein Märchen, geschrieben von der Boulevardpresse, dessen innere Logik immer reißerischere, skandalösere Fortsetzungen verlangt.

Richard Jones, der britische Meisterregisseur, macht in Frankfurt schon gleich zu Anfang klar, dass "Lulu" auf keinen Fall als dramatische Opernhandlung im romantischen Sinn verstanden werden will: "Adult Entertainment" lockt die Leuchtschrift vor dem Etablissement, in das die Leute scharenweise strömen, um sich zu amüsieren. Man spielt diese "Unterhaltung für Erwachsene" in deutlich erkennbaren Kulissen (Bühne: Paul Steinberg) und mit allen Tricks und Gags, die das Boulevardtheater so kennt: Lulus alter Kumpan Schigolch (der unverwüstliche Bassbuffo-Veteran Carlos Krause) rutscht immer an der gleichen Stelle aus, wenn er die Treppe heruntersteigt, die auf dem Boden ausgebreiteten Bärenfelle mit ihren ausgestopften Köpfen scheinen gar aus "Dinner for one" entliehen. Doch Jones benutzt - ebenso wie Berg - die Mittel des Entertainments, um die Leere in der Turbulenz zu zeigen: All die Männer, die Lulu um sich versammelt wie Motten um eine Glühbirne, funktionieren als tragikomische Boulevardtypen: Der Maler, der in Unterwäsche über die Bühne pest, Chefredakteur Dr. Schön (Terje Stensvold mit gutbürgerlich imposantem Bassbariton), der als düpierter Ehemann mit Gießkanne und Gärtnerschürze dasteht, der Komponist Alwa (Raymond Very), der sich mit dem großmäuligen Athleten um seine Brieftasche kloppt. Zugleich jedoch wird deutlich, dass sie alle dem erotischen Prinzip Lulu nichts entgegenzusetzen haben, dass die Projektion ihrer Begierden auf dieses Mädchen ihr einzig sinnstiftender Lebensinhalt ist: Der Maler macht mit Lulu-Pin-Ups Karriere, der Komponist schreibt ihr Opern und Revuen, der Journalist Kritiken - die Erotik, so Jones und Berg, ist ihnen allen zur Ideologie geworden. Selbst die einzige selbstlos Liebende, die Gräfin Geschwitz (die jugendlich inbrünstige Martina Dike) wird in dieses grausame Spiel integriert - schon durch den Adelstitel als Relikt einer untergegangenen Zeit entlarvt, wird sie bei Jones zu einer Komischen Alten wie aus einem OscarWilde-Stück: Die Ideale von einst taugen nur noch für einen Ulk.

Konsequenterweise sind die zahllosen Kostüme - von der üppigen Tosca-Robe bis zum Josephine-Baker-Fast-Nichts -, in denen Lulu immer wieder ihre glanzvollen (und am Ende tristen) Auftritte hat, bloße Typenmaskeraden, die das charakterliche Nichts darunter immer stärker hervortreten lassen. Lulu als Urform des Mannequins, dessen Marktwert allein durch ihre Eignung als Projektionsfläche bestimmt wird - und deren Schicksal deshalb konsequent in die Prostitution, und opern- wie boulevardgerecht in der Ermordung durch Jack the Ripper im ersten Moment echter Hingabe mündet. Zum Glück hat Frankfurt mit seiner Primadonna Juanita Lascarro eine fabelhafte Sängerdarstellerin parat, die nicht nur in jedem Kostüm sexy aussieht und die heikle Partie tadellos singen kann, sondern es auch noch fertig bringt, Lulu in ihrer charakterlichen Leere zum bedauernswerten Opfer der Verhältnisse werden zu lassen - in ihren unschuldig anmutigen Soprankapriolen vermittelt sich immer auch eine Ahnung, dass dieses Mädchen eigentlich ein ganz anderes Schicksal verdient hätte.

Und zum Glück für diese erste Saisonpremiere (einer Koproduktion mit der English National Opera London) an der gerade zum Opernhaus des Jahres gewählten Frankfurter Oper gelingt auch Paolo Carignani die musikalische Gratwanderung aus Mimikry und Verzerrung, aus Entertainment und Gnadenlosigkeit. Carignani dirigiert Berg nicht aus der Perspektive einer asketischen Moderne, sondern von Strauss und Puccini her: Als fabelhaft detaillierte, gestische Theatermusik, die sinnlichen, dosiert schwülstigen Klang mit einem klaren sinfonischen Grundgerüst in Übereinstimmung bringt. Die Anklänge an Schlager, Operette und Revue sind für ihn nichts anderes als bloße Klangkulissen, die im formalen Verlaufsprozess erbärmlich demontiert werden. Denn die Musik liefert sich als einzige dem Boulevard nicht aus - und behauptet jene Kultur, die die Figuren auf der Bühne längst preisgegeben haben. Und darin liegt wohl das ganze Geheimnis dieses Stücks.

 

Frankfurter Allgemeine Zeitung
30. September 2003

Männer umschwirren sie wie Motten das Licht
Alban Bergs "Lulu" in der kunterbunten Medienwelt: Die Inszenierung von Richard Jones eröffnet die Spielzeit an der frisch prämiierten Frankfurt Oper

Die Vorstufe zur Hinrichtung: Lulu (Juanita Lascarro) zeigt schon in der Garderoben-Szene, daß Doktor Schön (Terje Stensvold), ihr heillos verfallen, gegen sie keine Chance hat. Doch aller Glamour-Schick hilft Lulu nicht, die Geschichte wendet sich in aller Kälte rückläufig gegen sie selbst, und auch sie endet zwangsläufig als Opfer.
Foto Andreas Pohlmann

[...] Gleichwohl ist die szenische Handschrift des englischen Regisseurs Richard Jones unverkennbar. Jones nähert sich der Berg/Wedekindschen Lulu aus einer sehr gegenwärtigen Perspektive: In einer von kapitalistischen Prinzipien beherrschten Gesellschaft wird auch Sex zum puren Konsumprodukt. Jones stützt sich dabei auf einen Aufsatz von Edward Bond, in dem Lulu gleichsam als kapitalistische Prophetie klassifiziert wird, also als ein äußerst modernes Stück. Aus Lulu ist quasi Madonna geworden: eine Ikone der Medienwelt, die ebenso wie das Vorbild Männerphantasien freisetzt, doch weniger durch physische Präsenz, vielmehr durch die millionenfache Vervielfältigung der technischen Übertragungsmittel: "Lulu 2003" als Spalanzanis Puppe Olympia, ein technizistisches Kunstprodukt, das sich selbst genügt und sich deshalb auch nur noch schwer in das ursprüngliche Spannungsverhältnis Frau/Mann einfügen will.

[...] Paolo Carignani hat das Frankfurter Opernorchester offen hörbar mit äußerster Sorgfalt vorbereitet. Carignanis Vorliebe für rasche Tempi war auch hier wieder zu konstatieren, gleichzeitig wurden aber auch die Details plastisch und konturiert ausformuliert, so daß sich insgesamt der Eindruck ruhiger Balance ergab. Sorgsam ausbalanciert erschienen auch die Lautstärken, was besonders für die Sänger wichtig war, die in jeder Phase ihre Präsenz behaupten konnten. Davon profitierte vor allem Juanita Lascaros Lulu: leichtstimmig, koloraturengewandt und mit feiner Expressivität führte sie die Figur in wechselnden, jeweils typischen Garderoben durch die Szenen. Im "Duell" mit Dr. Schön gewann sie auch darstellerisch ungemein an Energien. Terje Stensvolds Schön war aber auch eine faszinierende Person: Markant im Vokalen, herrscherlich im Auftritt, erbarmungswürdig im Zusammenbruch vor Lulu. [...]

GERHARD RHODE

 

Die Welt
7. Okt 2003

Und ewig lockt der Nachtclub
Pralle Sinnlichkeit: Alban Bergs "Lulu" in Frankfurt am Main

von Stefan Keim

Das "Opernhaus des Jahres" wird zum Pornokino. Oder zu einem schlüpfrigen Privatclub. Jedenfalls gibt's mit Alban Bergs "Lulu" in Frankfurt "Adult Entertainment" - so blinkt es neonfarben von der Bühne. Durch ein kleines Türchen bekommt eine Menge Leute Zutritt. Welche soll's denn heute sein? Mignon, Eva, Lulu oder Adelaide - wie man das schöne Kind auch beim Namen nennt, zu fassen bekommt man es nicht. Und in der von der Londoner English National Opera übernommen Inszenierung von Richard Jones und Annilese Miskimmon entzieht sie sich am Ende gar dem Tod.

Bergs psychologisch tiefgründigem Opernkoffer hat das Regieteam auf intelligente Weise noch einen weiteren Boden eingezogen: Als Lulu scheinbar von Serienkiller Jack the Ripper erstochen ist, die Menge durch das kleine Türchen den Privatclub wieder verlässt, entpuppt sich Lulu als Hauptattraktion eben dieses Clubs. Eine Projektionsfläche der Männer - und des Publikums, das zum Voyeur wird. Lulu selbst endet als Nutte in Lack und Leder, doch eine emanzipatorisch gefärbte Anklage der Männerwelt lässt sich aus Jones' Inszenierung weiß Gott nicht herauslesen. Im Orchester schillert manchmal so etwas wie Sehnsucht herauf. Mitunter hat man den Eindruck, Paolo Carignani und das Frankfurter Museumsorchester würden etwas beiläufig durch die Partitur streifen. Doch vielleicht macht gerade das die komplexe Musik leicht und eröffnet den Raum für die pralle Sinnlichkeit, die Bergs Musik wie kaum eine andere im 20. Jahrhundert auszeichnet.

 

Stuttgarter Nachrichten
02.10.2003

Richard Jones inszeniert Alban Bergs "Lulu" an der Frankfurter Oper des Jahres
Die Erotik der Tütenlampen

Von Susanne Kaulich

Der englische Regisseur Richard Jones hat im Bühnenbild von Paul Steinberg und mit opulenten Kostümen von Buki Shiff eine distanzierte, kühl gelackte "Lulu"-Interpretation vorgelegt (in Koproduktion mit der Londoner English National Opera). Der haucht Paolo Carignani am Pult des geradezu betörend aufspielenden Museumsorchesters jene gleißende Hitze, lodernde Glut und Sinnlichkeit ein, die man eher von der Titelfigur erwartet als von Alban Bergs gemeinhin als spröde, nüchtern und sperrig empfundender Partitur. Da glitzert und funkelt es an Stellen, die so schön noch selten zu hören waren.

Wenn Juanita Lascarro sich eins ums andere Mal an Hosenschlitzen zu schaffen macht, wirkt das - ganz im Gegensatz zur Ankündigung - absolut jugendfrei. Warum ihr die Männer und Gräfin Geschwitz (Martina Dike mit viel versprechendem Schlussgesang) dennoch verfallen - an Richards Jones" brav am Text entlang inszeniertem und doch seltsam ideenlosem Arrangement kann es nicht liegen.

Ehrlich begeisterter Jubel dann bei der Premierenfeier im Anschluss: Mit sichtlichem Stolz verkündete Opernintendant Bernd Loebe schon nach seinem ersten Frankfurter Jahr die Wahl zum Opernhaus des Jahres. Mit deutlicher Mehrheit votierten die Kritiker der Zeitschrift "Opernwelt" für seinen ambitionierten und gelungenen Spielplan.

 

Frankfurter Neue Presse
30.09.2003

Mit einem ehrgeizigen Projekt, Alban Bergs "Lulu", glückte der Oper Frankfurt die erste Premiere der neuen Saison.
Das Urweib ist nur eine Fantasie

Von Michael Dellith

Lulu, Mignon, Nelly, Eva – Lulu hat viele Namen. Als Leuchtreklame prangen sie zu Beginn der Vorstellung von Richard Jones "Lulu"-Inszenierung vom Bühnenrand dem Publikum entgegen. Lulu, das ist eine Frau, die die Männer magisch anzieht. Und jeder, der ihr verfallen ist, gibt ihr einen anderen Namen. Jeder sieht in ihr etwas anderes. Jeder projiziert seine eigenen Wünsche und Fantasien auf sie. Doch wer ist Lulu? Eine männermordende Femme fatale? Lustobjekt oder Verführerin? Täterin oder Opfer?

Alban Bergs Oper wirft viele Fragen auf – und gibt einige Antworten. Lulu ist eine Art Doppelwesen, Muse und sexuell Begehrte zugleich, etwa dann, wenn sie dem Maler Modell steht und den Komponisten Alwa zu einer Oper inspiriert. Beiden wird sie jedoch zum Verhängnis. Der eine nimmt sich das Leben, weil er die Wahrheit über die "echte" Natur der Lulu nicht ertragen kann; der andere wird von einem Freier Lulus umgebracht. Allein die "wahre Liebe" der lesbischen Gräfin Geschwitz zu Lulu bleibt in diesem Spiel außen vor. Doch für die Gefühle der Geschwitz ist in dieser Männerwelt kein Platz, und deshalb wird sie am Ende wie Lulu selbst von Jack the Ripper kaltblütig erstochen.

So fragwürdig auch heute das Frauenbild sein mag, das Frank Wedekind in seinen beiden Jahrhundertwende-Dramen "Der Erdgeist" und "Die Büchse der Pandora" entworfen hat, die Berg als Grundlage für seine "Lulu"-Oper dienten – dem Briten Richard Jones ist es in seiner Inszenierung, die bereits im Vorjahr als Koproduktion mit der English National Opera in London Premiere hatte, gelungen, Lulus Entwicklung vom naiven Urweib, das ahnungslos wie ein Tier seinen Instinkten nachlebt, bis zur Verführerin, die sehr selbstbewusst ihre erotischen Reize einsetzt, konsequent aufzuzeigen. Und weil sich Jones für die von Friedrich Cerha komplettierte dreiaktige Fassung der Oper entschieden hatte, konnte der Zuschauer den Aufstieg und Fall der Titelheldin auch bis zum bitteren Ende als Straßenmädchen logisch nachvollziehen.

Das Bühnenbild im poppigen 50er-Jahre-Look (Paul Steinberg) und die adäquaten Kostüme (Buki Shiff) zeichnen diesen Bogen sinnfällig nach: vom 1. Akt, in dem Lulu im weißen Pierrot-Kostüm mit Pagenkopf-Frisur und kurz später im rüschigen Baby-Doll-Outfit auf einer künstlichen Palmeninsel zwischen Krokodilen und Grizzly-Bären dem Maler in kindlicher Unschuld den Kopf verdreht und ihrem triebhaften Wesen freien Lauf lässt, über die Glitzerwelt des Theaters bis zur Tristesse des Finales, in die allein Lulus knallrote Lackleder-Stiefel etwas Farbe bringen.

Die musikalische Ausgestaltung der Titelfigur oblag dem Frankfurter Ensemblemitglied Juanita Lascarro, die nicht nur die schauspielerische Wandlungsfähigkeit, sondern auch die stimmliche Flexibilität für diese herausfordernde Partie mitbringt. Wie die kolumbianische Sopranistin die halsbrecherischen Intervallfolgen selbst in extremer Höhe bewältigte, verdient große Anerkennung. Herausragend auch Martina Dike mit ihrem leidenschaftlich getränkten Mezzo als Gräfin Geschwitz und Annette Stricker in der Hosenrolle des Gymnasiasten. Die höchst respektabel besetzte Männerriege wurde vom Bariton Terje Stensvold (Dr. Schön) und dessen Tenor-Kollegen Raymond Very (Alwa) angeführt, gefolgt von Paul Gay als virilem Athleten und dem mimisch wie stimmlich prachtvollen Carlos Krause, der die Partie des Schigloch mit enormer Bühnenpräsenz ausstattete – eine großartige Ensembleleistung, die ihre instrumentale Entsprechung im kammermusikalisch transparenten, gleichwohl farbstarken und rhythmisch pointierten Spiel des Opernorchesters fand. Unter Paolo Carignanis konziser Leitung verwandelte sich selbst die vertrackteste Zwölftonreihe in eine Kantilene voll expressiver Kraft.

 

Offenbach Post
30.9.2003

Premiere von Alban Bergs Opernkrimi in Frankfurt
Männermordende Lulu spielt mit Stofftieren

Von AXEL ZIBULSKI

Hübsch schaut sie aus, wie sie da steht, die Lulu, zwischen ausgestopften Tieren: Affe, Bär, Krokodil. Von einem Tierbändiger wird sie selbst im Prolog zu Alban Bergs Oper als Schlange angekündigt. Schließlich sind am Ende, nach knapp vier Stunden in drei Akten samt zwei Pausen, eine ganze Reihe Köpfe auf ihr Konto gegangen, bis die Femme fatale selbst unter dem Messer von Jack the Ripper stirbt.

"Adult Entertainment", Unterhaltung für Erwachsene. So steht es in Leuchtbuchstaben auf der Kulisse, hinter die Lulu eine ganze Reihe grauer Passanten lockt. Und wenn die Regisseure Richard Jones und Annilese Miskimmon diese Schar am Ende wieder herauskommen lassen, gehen sie fast schon lapidar auf Distanz zur Tragödie.

Die Koproduktion mit der English National Opera bietet an der Oper Frankfurt dazwischen reichlich Nahrung fürs Auge. Lulu, die von ihren zahlreichen Verehrern Nelly oder Eva, Mignon oder Adelaide genannt wird, wechselt ihre Kostüme (von Buki Shiff) mindestens so oft wie die Namen. Ob orientalisch-verführerisch oder im kleinen Schwarzen: Juanita Lascarro macht in der Titelpartie durchweg eine gute Figur. Hübsch anzuschauen auch die bunten Bühnenbilder Paul Steinbergs, Variationen über einen großzügigen Salon, stets mit einem Tisch ausgestattet, auf dem Lulu tanzen kann, drapiert mit allerlei Getier. Kitschige Keramik-Hunde, Plüschhäschen oder ein zum Teppich erlegter Bär, der die Tier-Metaphorik aus dem Prolog unbefangen fortspinnt. Nur als Lulu im zweiten Akt nach dem Mord an Dr. Schön im Gefängnis sitzt, scheint plötzlich alle Farbe aus dem Bühnenbild gewichen.

Das Regieteam sorgt mit der bisweilen comichaften Überzeichnung des Geschehens für Kurzweil in der Tragödie, verzichtet aber angenehmerweise auf Ströme von Theaterblut. Der Maler, eines von Lulus Opfern, schneidet sich hinter der Bühne die Kehle durch, den Mord an Lulu verdeckt ein umgedrehtes Sofa. Dass viel Bewegung herrscht, schätzt man als belebendes Moment. Schließlich spielt die Oper Frankfurt, wie mittlerweile üblich, die umfangreiche dreiaktige Fassung, für die Komponist Friedrich Cerha den fragmentarischen Schlussakt vervollständigt hat.

Mit dieser Komplettierung hat sich die Titelpartie freilich zu einer der umfangreichsten und anspruchsvollsten Aufgaben des Opernrepertoires ausgewachsen. Auch an einem "Opernhaus des Jahres" wird man nicht erwarten können, dass man eine Lulu vom Format einer Anja Silja erleben kann, die einst hohe Maßstäbe setzte. Immerhin spielt in Frankfurt die Kolumbianerin Juanita Lascarro eine glaubhaft laszive, naive und egoistische Lulu. Doch in vokaler Hinsicht ist sie den Anforderungen nicht gewachsen.

Alban Berg selbst forderte, die Sängerin müsse "eine leichte, nicht allzu große, bewegliche Stimme haben, die mit der oberen Quint aber auch nicht die geringste Schwierigkeit hat". Lascarro erreicht die äußersten Höhen wohl, aber eben nur unter wenig klangschönen Mühen. Und bei aller Leichtigkeit bedarf es eben manchmal, etwa nach Lulus Schüssen auf Dr. Schön, auch jener kraftvollen Töne, die Lascarros schmaler und letztlich auch wenig farbenreicher Sopran nicht aufbieten kann.

Zum Teil vorzüglich sind hingegen die anderen Partien besetzt: Terje Stensvold (Dr. Schön/Jack the Ripper) bringt sogar im Sprechgesang seinen sauber geführten, warmen Bariton eindrucksvoll zum Tragen. Auch Raymond Very bewegt sich tadellos durch die Partie des Alwa, und Martina Dike gibt eine eindrucksvolle, dunkel grundierte Gräfin Geschwitz. Während Shawn Mathey (Maler) tenoral angestrengt klingt, bietet Carlos Krause ein glaubhaftes Porträt des alten Schigolch.

Für eine angenehme Überraschung sorgt Dirigent Paolo Carignani: Der Generalmusikdirektor, einst als Spezialist fürs italienische Repertoire in Frankfurt engagiert, hat die komplexe Partitur souverän im Griff und bietet mit dem Museumsorchester einen transparenten, sinnlichen und gerade in den Zwischenspielen packend bewegten Alban Berg. Da möchte man für nächstes Jahr fast schon an die Auszeichnung "Orchester des Jahres" denken …

Weitere Vorstellungen am 1., 4., 11. und 18. Oktober

 

Online Musik Magazin
Premiere in der Oper Frankfurt am 28. September 2003

Verwandlungskunst als erotisches Prinzip

Von Ralf-Jochen Ehresmann

Selten hat meine eine einzige Gestalt in so vielen Gestalten antreffen können, und wenn doch, so dürfte es selten soviel Sinn gemacht haben wie hier in Bergs Lulu, die am Beispiel einer phantastischen Frau berichtet von deren Leidensweg, der sich daraus ergibt, dass sie kaum richtig selbst gelebt hat, sondern stets nur sich anverwandelt hat den unterschiedlichen Ansprüchen und Projektionen, die ihre Umwelt auf sie richtete. Ein solcher Mensch kann viel erleben, viel Verschiedenes durchspielen, wird aber immer der oder die Getriebene bleiben, so dass ein Ende in Schrecken durchaus im Rahmen des Wahrscheinlichen liegt, ohne jedoch zwingend zu sein. Und so geht es denn Berg auch weniger darum, ein Weltprinzip von der Zwinglogik des universellen Untergangs im Allgemeinen und dem des Weibes im Besonderen herleiten zu wollen und erzählt stattdessen einen Fall von innerer Logik, die am Einzelbeispiel einem Mythos nachspürt, dessen Wirkmechanismen vielgestaltig in uns allen schlummern.


Paradies im Wachturm-Design

Die Frankfurter Neuproduktion von Jones und Miskimmon betonte freimütig den Charakter des Surrealen und gewann sich dadurch eine Materie zur spielerischen Verfügung mit neuen Sinnoptionen. In stets neuem Rahmen agiert ein Wesen, dessen permanenter Gestaltwechsel auch der Kostümbildnerin Buki Shiff reichlich Arbeit abforderte und steile Vorlagen für höchst anschauliche Ausformungen des Weiblichen bzw. dessen Phantasieformen lieferte. Zu beidem eröffnet bereits der "Prolog auf dem Theater" ein erstes Tor, wenn dem Tierbändiger ein Stillleben der Raubtiere in astreiner Wachturm-Paradies-Ästhetik zusammenstellt und gleichzeitig die Vorhangeinblendungen die Vielzahl von Lulus Rollen durch Anrufung der Vielzahl ihrer Namen veranschaulichen. Dieser märchenhafte Ton spiegelt sich weiters in der Stereotypie einer ritornellhaften Beendigung mehrerer Szenen durch den immergleichen Auftritt einer stummen Polizei, die mal wieder eine Leiche wegzuräumen hat.


Die Tänzerin nach ihrem Schwächeanfall

So spinnt sich die Geschichte ab, und Lulu erscheint mal als Circusfigur, Lolita, Cowgirl, Edeldame oder Hure, und selbst ein Dr.Schön fühlt angesichts all dessen offenbar den Drang, sich ständig die Hände zu waschen, als ob daran eine geheimnisvolle Unreinheit klebte. Lulu ist dabei gewiss keine Täterin und selbst Opfer allenfalls zuletzt; nie sind es ihre Handlungsweisen, die das Geschehen voran treiben. Die innere Eigendynamik eines Prozesses, der seine Akteure zu Zuschauern ihrer selbst formt, kommt allerdings dem Verfahren des Mythos wiederum sehr nahe, und so erweckt Lulu nicht einmal dort den Eindruck der Berechnung, wo sie Dr.Schön zum Umsturz seiner Heiratspläne bringt und noch in ihrer Verführung hier oder in ihren späteren Gestaltungen nur ihr ureigenes Wesen zu exekutieren scheint, als ob gar keine Kräfte existierten, die sie als Objekt ihrer Interessen missbrauchen. Sie scheint das alles nicht zu bemerken und hält ihre Umgebung im Bann Gefangen, indem sie einfach ist, was sie ist. Da folgt der Untergang nicht wirklich überraschend...


Trautes Heim - Glück allein: Bei Schöns zuhause

Das singende Personal wird nun recht unterschiedlich gut mit seinen Aufgaben fertig, und Juanita Lascarro in der Titelpartie zeigt sichtliche Freude am ständigen Vewandlungsspiel, indem sie die Breite des Ausdrucksprofils spürbar auskostet, wobei in der Höhe Abstriche zu machen wären, da ihr timbre den dunkelgetönten Pssagen besser entgegen kommt. Auch brauchte sie zunächst etwas Anlauf und sang am Anfang mit zu dünner Stimme. Dabei vermochte sie durchaus, ihre lauten Schreie im 1. Aufzug mehrfach so zu wiederholen, dass dabei keine peinliche Pseudoexpressivität entsteht.

Auch Terje Stensvold als Dr. Schön schauspielert bestens und durchaus wandelbar. Herrlich geriet diese moralische Windung, die er ganz hundinghaft vollzog, um Lulu mitzuteilen, sie solle ihren Umgang mit ihm einstellen, obwohl ihm eigentlich zuvor hätte klar sein dürfen, wie das enden würde. Doch genau jene Unentschlossenheit zwischen Genuss des Frevels und moralischer Überheblichkeit ist es, was die Gestalt auszeichnet und zu ihrer Darstellung unverzichtbar dazugehört, und hierin hat er sich bewährt. Auch dessen Sohn Alwa ist mit Raymond Very gut besetzt, verfügt er doch über beachtliche Ausdrucksmittel, die besonders im forte günstig zum Tragen kommen.


...oder lieber doch den Junior?

Wenn Shawn Mathey als Maler/2.Kunde seine Akzentprobleme noch besser meistert, lässt er einen schönen Tenor vernehmen, zwar etwas glanzarm und eher dramatisch timbriert, dabei aber auch in der Kopfstimme noch sicher und klar.

Seitens der weiblichen Mitwirkenden wäre Martina Dike als Gräfin Geschwitz hervorzuheben. Wenn auch ihre Aussprache noch Steigerungspotential vorhält, bleibt doch ihre leidensbereite Anhänglichkeit eine gewichtige darstellerische Aufgabe, die nicht immer gelingt, hier aber Körperhaltung und Stimmfärbung gleichermaßen durchdrungen zu haben scheint. Ihr Abgesang, voll der melancholischen Einsicht in die Fruchtlosigkeit ihrer bisherigen Bemühungen und Opferungen, wächst sich zu einem der zweifelsfreien Höhepunkte dieser Aufführung aus und belegt einumsandremal, wie sehr das Lyrische der eigentliche Berg-Ton ist, noch wo sie Unsinniges zu verkünden hat. Dieser Eindruck rührt natürlich auch von der gesteigert dissonanten Atmosphäre des ganzen 3.Aufzuges, dessen Grundhaltung gegenüber den vorigen einen spürbaren Bruch markiert, ohne dass man Cerha dafür verantwortlich machen wollte.

Unbedingt erwähnenswert auch einige Nebenrollen, für die stellvertretend hier der Diener (Thomas Charrois) aus dem 2.Aufzug angeführt sei. Diese stumme Süffisanz und herablassungsvolle Gestik sorgte für einige komische Momente eigener Art, ohne die keine gelungene Aufführung auskommt.


Tanz auf dem Vulkan

Den Textverständnisproblemen kommt das Frankfurter Haus, das mit besonderer Vorliebe im englischsprachigen Raum rekrutiert, auch weiterhin mit der Einblendung der Übertextzeilen entgegen, was zwar gelegentlich die Aufmerksamkeit etwas spaltet, aber dennoch so unschlagbare Vorteile bietet, dass man sich wünscht, dies möchte bald flächendeckender Standard werden.

Das Orchester unter Paolo Carignani zeigte sich gut aufgestellt und präsentierte sich besonders in den Zwischenspielpassagen mit einem mahlerschen Tonfall: volles Blech mit kräftiger Tiefe, dazu beinahe geschleifte Melodiebögen molto legato, die Bergs Musik treffenderweise historisch mehr nach hinten absicherten und vom image des quasi mithaftenden Neutöners abrückten, wozu Bergs wienerische Ausbrüche inform der Hinterbühnenmusiken ebenfalls beitrugen. Bedingt auch durch die Saalakustik setzen sich die Bläser generell stärker durch als die Streicher und dominieren so den Gesamteindruck erheblich, was sich möglicherweise auf anderen Sitzplätzen im Parkett oder der Rangmitte etwas nivelliert.


Endstation Sehnsucht, als Abgrund eigentlich zu schön

Ausdrücklich hervorgehoben zu werden verdient das Bühnenbild als Wechselrahmen, dessen verschiedentliche Ausstattung den Gehalt der jeweiligen Szene archetypisch aufgreift und das Ambiente, in dem Lulu und die Ihren eben wieder angekommen sind, einmal überzeichnet, einandermal humorig kommentiert.

FAZIT
Bilderreich gewinnt Lulu in Frankfurt gegen die Abgründe des Kitsches oder der platten Provokation. Mag für solches Leben der Tod sich lohnen: Für diese Inszenierung lohnt sich gewiss die Reise an den Main.
Im übrigen möchten wir nicht versäumen, die Kür des Frankfurter Opernhaus zum "Opernhaus des Jahres" durch die KollegInnen der ,Opernwelt' hervorzuheben. Dass der Frankfurter Spielplan im letzten Jahr eine nennenswerte Bereicherung erfahren und dabei wieder verstärkt mutige Produktionen zutage gefördert hat, deckt sich mit unserer Einschätzung, so dass auch wir von Herzen gratulieren!

 

CORRIERE DELLA SERA
7 ottobre 2003

L'opera di Berg apre con successo la stagione a Francoforte
«Lulu», tra Marilyn e Lolita
Un allestimento garbatamente erotico il cui lirismo è stato esaltato nella parte musicale dalla bacchetta del milanese Carignani, che da 5 anni dirige il teatro

FRANCOFORTE. Non c'è l'umor nero espressionista nella Lulu in scena in questi giorni all'Opera di Francoforte, né quel presentimento di morte che pure la musica di Berg sprigiona fin dalle prime battute. Lei, un po' Lolita, un po' Marilyn, vive infatti la sua tragica parabola umana - da carnefice a vittima di chiunque ne abbia a che fare - come ragazzina spensierata, cresciuta tra pupazzi di peluche e imbevuta dei vuoti messaggi del linguaggio pubblicitario. E' un prodotto dell'ottimismo Usa anni '60; angelo e prostituta, non mostra il suo vero volto a chi la ritrae, in compenso specchia a questi la fragilità, la pochezza, il vuoto del suo, di volto. E come fosse un gioco, consola i disperati amanti donando loro la sublime visione del suo corpo o furtivi piaceri sessuali in camerino. Tutti sanno che finirà male i suoi giorni, tra le mani di Jack lo squartatore. Però Richard Jones e Annilese Miskimmon, autori di questo spettacolo coprodotto da Oper Frankfurt ed English National Opera, fan capire che era solo finzione, intrattenimento per adulti: alla fine Lulu è ancora lì, in scena, già pronta, volendo, a replicare lo spettacolo.

L'opera che Berg, morendo (1935), lasciò incompiuta di un atto, è notoriamente ispirata a Wedekind, come del resto la trasposizione filmica di Pabst (1929). Quest'edizione del teatro dell'Assia ha il merito di tratteggiare la sensualità della femme fatale protagonista in modo sufficientemente amorale e gioioso, senza mai sfiorare il morboso: da qui alla profondità di implicazioni (anche sociali) dei prototipi ce ne passa, però. In ogni caso, buon per il pubblico che Paolo Carignani esegua la musica esaltando l'altro aspetto - erotismo a parte - per cui quest'opera si ritiene esemplare: il lirismo. Il direttore milanese sa infatti conferire misura, rilievo e colore al pullulare delle linee strumentali bergiane, senza lasciarsi sedurre dal dettaglio e perdere così di vista la logica strutturale della partitura, più serrata di quanto la sua gradevolezza induca a pensare.

Del tutto condivisibile inoltre la scelta di avvalersi del completamento dell'atto mancante ottimamente realizzato dall'apostolo bergiano Friedrich Cerha. L'opera infatti fonda il proprio disegno drammaturgico sul principio di simmetria, e tale principio si perde irrimediabilmente quando si tentano soluzioni differenti da questa.

Buono l'apporto del cast: Lulu è Juanita Lascarro, soprano graziosissimo dalla voce piccola ma espressiva, e attorno a lei fanno buona figura Terje Stensvold (Dr. Schön), Raymond Very (Alwa), Shawn Mathey (Il pittore), Martina Dike (la contessa Geschwitz) e Carlos Krause (Schigolch).

Gran successo. D'altra parte era nell'aria in questo teatro dacché la giuria internazionale dell'autorevole magazine Opernwelt l'ha nominato «teatro d'opera dell'anno»: un riconoscimento meritato, se è vero che Lulu ha inaugurato una stagione che presenta 13 nuove produzioni e 12 riprese, con buoni direttori e scelte oculate di regia. Un riconoscimento gratificante, in particolare, per il milanese Paolo Carignani, che del teatro dell'Assia è direttore musicale da un lustro, anche se in Italia non tutti lo sanno.

Enrico Girardi

 

Il giornale della musica
30 settembre 2003

La "bisbetica" domata

di Patrizia Frada

La nostra recensione. Più che un domatore è un imbonitore la figura che ci accoglie nel prologo della Lulu, che come disse Adorno è davvero quintessenza musicale e testuale dell'opera. Invita la gente ad uno spettacolo unico, centro del quale è la bestia per eccellenza, la serpe, la donna. In una ricostruzione kitsch della giungla, alla Ligabue, se ne sta invece in vetrina una creaturina vestita da Pierrot, fuori luogo in un ambiente così selvaggio.

Lo stesso elemento scenico viene ripreso per la prima scena del primo atto in casa del pittore. Lulu è una bimba che usa gli strumenti della seduzione automaticamente e inconsciamente. Di fianco al cadavere del dottore si comporta come una coniglietta da Playboy, non riuscendo a prendere sul serio neppure la morte.

La seconda scena si svolge in un soggiorno dominato da numerosi ritratti pop giganti di Lulu. L'ingresso del Dott. Schön è sottolineato dal crescendo della tensione sostenuta mirabilmente dal tessuto musicale, fino al confronto fra Lulu e Schön, che non è un duetto, ma un vero duello. Il suicidio del pittore culmina con l'uso delle percussioni che col loro ritmo serrato scatenano minacciose pulsioni. Qui si completa la prima fase della lettura della partitura di Paolo Carignani. Già a questo punto se ne delineano le caratteristiche che accompagneranno tutto lo svolgimento dell'opera.

Nella terza scena Lulu porta un costume alla Josephine Baker. Tutti le girano intorno come un nugolo di mosche. Sulla chaise longue di Lulu ancora segni del suo non poter diventare adulta: orsacchiotti di peluche.

Nel secondo atto i colori si fanno più cupi. Al regista riesce di concentrare l'attenzione sull'aspetto sarcastico di questa fase dell'opera sottolineando la carica eversiva del linguaggio usato nel libretto, stile caro a Karl Kraus di cui Berg era un ammiratore. Anche i personaggi (la contessa Geschwitz, l'atleta, Schigolch, il domestico, lo studente ginnasiale) agiscono in perfetta coreografia in questa lucida satira della morale borghese allora regnante. La bacchetta di Carignani ha nel frattempo spostato decisamente l'accento dal ludico al drammatico.

Il regista rinuncia all'interludio cinematografico previsto dopo il secondo atto e noi ce ne rammarichiamo, perché è noto l'interesse del compositore per lo sviluppo di questo mass media e per le implicazioni che ne derivavano per l'uso della musica.

L'interpretazione del regista Jones sottolinea l'ingenuità seducente di Lulu, decisione consona alla lettura della figura voluta da Berg dopo aver ricevuto da Karl Kraus la versione originaria della Lulu di Wedekind. La tradizione anglosassone non si lascia intimidire dal peso della tradizione espressionista del mondo culturale tedesco. Risultato una produzione che con i suoi lati frivoli può essere accettata dalla maggior parte del pubblico. Fagocitati dai mass media neppure gli spettatori della sala cinematografica per adulti di Jones e del suo scenografo Paul Steinberg sembrano essere sconvolti dal destino di Lulu.

Sotto la direzione di Carignani l'orchestra produce un sottile tessuto musicale annodando nota su nota la trama della tragedia. E' mirabile l'integrazione tra musica e canto ottenuta in questa produzione.