Frankfurter Allgemeine Zeitung
14. September 2003

Dass man nicht am Melos hängen bleibe, wünschte sich vor fast genau zwei Jahren Paolo Carignani von seinen Musikern für die Premiere von Giacomo Puccinis Tosca. Bei der Wiederaufnahme der mit knapp zwei Stunden Dauer eigentlich recht kurzen "großen" Oper hatte das äußerst transparent musizierende Frankfurter Museumsorchester unter der dynamischen Leitung von Pier Giorgio Morandi den Wunsch immer noch bestens verinnerlicht. Überaus sachlich, wie mit dem Seziermesser aufgeschnitten und Teil für Teil präsentiert, wurde dieser vor allem durch die Aufnahmen mit Maria Callas an verdichteter Expressivität schwerlich zu überbietenden Partitur zu Leibe gerückt. [...]

Für die Titelrolle konnte jetzt die italienische Sopranistin Micaela Carosi gewonnen werden. Die auch äußerlich bezaubernde Sängerin steht auf dem Sprung in eine große Karriere, sang in Genua die Aida, in Verona die Abigaille in Nabucco und ist dieses Jahr ebenfalls exponiert an der Mailänder Scala zu hören. In Frankfurt sang sie ihre Liebesarien mit sanftem Vibrato, klang in schlimmster Bedrängnis niemals hypertroph und mimte durchweg überzeugend, mit großem schauspielerischem Talent. Ebenfalls als Neubesetzung singt Carlo Ventre die Rolle von Toscas Geliebtem Mario Cavaradossi. Sein strahlender Heldentenor mit oft nur verhalten eingesetztem Belcanto wirkte niemals bloß auftrumpfend, sondern stand immer im Dienst des Ganzen. Beide Neubesetzungen erwiesen sich mit ihrer Intonationsschönheit bei der Wiederaufnahme als vortreffliche Wahl. Als Scarpia kehrte Claudio Otelli nach Frankfurt zurück. Sein Bariton klang der Rolle eines Sadisten entsprechend kalt. Das Falsche seines zwanghaften Liebesbemühens um Tosca kam ebenso stimmlich doppelbödig zum Ausdruck. [...]

Achim Heidenreich

 

Offenbach-Post
14.9.2003

[...] Das Frankfurter Museumsorchester unter der Leitung von Pier Giorgio Morandi stellte sich auch zur Wiederaufnahme am Freitag im Opernhaus als ein Klangkörper mit ebenso differenzierten wie dynamisch effektvollen Fähigkeiten vor. Gleichwohl lag die mit gewisser Spannung erwartete Neuerung doch im Gesanglichen. So überzeugte Micaela Carosi die Zuhörer als eine höchst temperamentvolle, einfühlsame und romantische Tosca. Ihre stimmlichen wie auch darstellerischen Qualitäten sind von großer Klasse. Die eifersüchtigen, die liebenden und die tragischen Momente der titelgebenden Tosca bot diese Sängerin mit hoher Kompetenz, zudem große Sicherheit ausstrahlend. Gefühlsausbrüche, Liebeserklärungen und einmal mehr die schmachtende Träumerei vom Liebesnest im trauten Heim waren so prickelnd und authentisch dargebracht, dass weitere Partien der Micaela Carosi in Frankfurt mit größter Spannung erwartet werden können.

Dabei war ihr Part umso schwierigerer, weil mit Carlo Ventre als Cavaradossi eine unglaublich präsente Stimme an ihrer Seite agierte. Dieser - vom ersten Auftritt an vom Publikum ins Herz geschlossen - machte es jedem anderen auf der Opernbühne schwer. Wollte man den beiden Liebenden in ihrer tragischen Verstrickung in politisches Ränkespiel Noten geben, ginge der Cavaradossi klar in Führung. Doch liegt das keineswegs an fehlenden Qualitäten der Carosi als vielmehr an der überragenden Leistung des Tenors. Beide passten sich gelungen in die spannende Inszenierung ein, präsentierten den tragischen Stoff in einem modernen Gewand und begeisterten zweifelsohne das Publikum.

Freilich mussten angesichts der Präsenz der beiden Hauptakteure andere Charaktere beinahe in den Hintergrund treten. Dennoch bewies sich Claudio Otelli in der Rolle des garstig lüsterner Scarpia unzweifelhaft als gelungene Besetzung. Seine Bösartigkeit bei den Verhörszenen im zweiten Akt bezeugte einen starken Charakterdarsteller.

Thorsten Neels

 

Frankfurter Neue Presse
14.9.2003

Alfred Kirchners Inszenierung hat sich mittlerweile viele Freunde gemacht. Diesmal gab es aber noch zwei weitere Gründe, mal wieder bei der Frankfurter Tosca reinzuschauen. Die wichtigsten Partien wurden für die Wiederaufnahme neubesetzt: Die Titelpartie gestaltete die zarte Sopranistin Micaela Carosi, und als Cavaradossi war erstmals Carlo Ventre zu hören, ein Mann, der für die technischen Herausforderungen dieser anspruchsvollen Paraderolle wie geschaffen zu sein scheint.

Da blitzten zum Schluss nicht nur die Sterne, da funkelte auch eine geschliffene Stimme in ihrer ganzen Pracht. Italienische Leidenschaft vermischte sich hier mit südamerikanischem Temperament: Der Italo-Südamerikaner Ventre hat von beidem etwas, und der gute Eindruck, den er bereits als Pinkerton in der Frankfurter Butterfly hinterließ, trog nicht. Schön, dass man Carlo Ventre auch 2004 wieder hier zu Lande hören wird.

Ansonsten gab es bei der Tosca-Wiederaufnahme viele solide musikalische Leistungen zu erleben. Freude machte auch das Wiederhören mit dem kernigen Franz Mayer. [...]

Matthias Gerhart