Mannheimer Morgen
24. Oktober 2000

Das Werk war Jahrzehnte lang in Mannheim nicht zu sehen, jetzt begegnet man hier einer maßstäblichen Interpretation. Großes Theater ist das, Oper auf der Höhe unserer Zeit. Der Jubel des Premierenpublikums galt denn auch allen Beteiligten gleichermaßen. […] Die Suggestivität dieser Inszenierung liegt in der Reduktion, mit der Carsen Puccinis Opus ultimum aller Chinoiserien und folkloristischer Zutaten entkleidet. Ein schwarzer Schrank, ein Bett, ein Stuhl, ein gebogener, hoher Paravent – das reicht auf Nigel Lowerys dunkler Bühne. Darauf erzählt Carsen mit heutigen Menschen die archaische Geschichte von einer Frau und einem Mann, deren Sehnsucht nach Liebe mit einer Gesellschaft kollidiert, die Hinrichtungen als Rituale feiert und eine an ihren seelischen Verkümmerungen leidende Prinzessin zur staatstragenden Ikone stilisiert.

 

Rhein-Neckar-Zeitung
24. Oktober 2000

Robert Carsens Mannheimer Inszenierung, eine frisch aufbereitete Übernahme des Nationaltheaters aus seinem viel gelobten Antwerpener Puccini-Zyklus, gehört gewiss zu den interessantesten neueren Versuchen, das hybride Werk in den Griff zu bekommen. Carsen müllt nicht zu, er entkernt. Macht den Chor zum machtvoll auftrumpfenden Hauptdarsteller und die von jeder Chinoiserie frei gehaltene Szene zum Mitspieler.

 

Luxemburger Wort
28. Oktober 2000

Keine buntscheckige Chinoiserie lenkt von der Szene ab, kein pseudohistorisches Peking wird in Mannheim vorgeführt. Die Ausstattung, die Nigel Lowery für Robert Carsens umjubelte Inszenierung von Puccinis Oper „Turandot" am Nationaltheater schuf, verzichtet nicht nur konsequent auf jeden Pomp, in ihrer Symbolkraft und Bildhaftigkeit hat sie beachtlichen Anteil an jener Suggestivität, die diese Koproduktion mit der „De Vlaamse Opera" Antwerpen prägt. […] Wie kaum einem anderen Regisseur vor ihm ist es Carsen gelungen, die ambivalente Haltung der Masse, des Volkes suggestiv auf die Bühne zu bringen. Wie innerhalb von Sekunden dessen Stimmungslage umschlägt, der rasende Pöbel, der in der furiosen Auftaktszene Bett und Schrank zerstört und nach dem Henker für den persischen Prinz ruft, das jüngste Opfer der eiskalten Prinzessin Turandot, die sich den Männern verweigert.