Frankfurter Rundschau
12.01.2005

Wenig Licht, riesige Schatten
In Mainz hat Giuseppe Verdis "Rigoletto" Premiere
Von Stefan Schickhaus


Giuseppe Verdis "Rigoletto" - am Samstag, 15. Januar, um 19.30 Uhr im Staatstheater Mainz.

Eigentlich mag es der Regisseur Philippe Arlaud ganz gerne recht bunt. Er sei ein Mann der klaren Farbe, heißt es - doch das wenige, was bei seiner Inszenierung von Verdis "Rigoletto" koloriert ist, trägt Zeichencharakter in sich und verheißt selten Gutes. Die übrige Welt dieser Oper ist schwarz oder weiß, das wenige Licht wirft riesige Schatten. Diesen überraschend puristischen Ansatz (mit einem bemerkenswert gelungenen Schluss!) hat Arlaud vor einem Dreiviertel-Jahr für das Festspielhaus von Baden-Baden entworfen, dieser "Rigoletto" ist als Koproduktion mit dem Staatstheater Mainz angelegt und wird nun auch hier zu sehen sein.

Ein markantes Merkmal der Baden-Badener Aufführungen allerdings wird nicht mit übersiedeln: Ursprünglich hatte im Orchestergraben der Dirigent Thomas Hengelbrock für Zusatzfarben gesorgt, indem er Verdis Partitur auf Originalinstrumenten dieser Zeit spielen ließ. Die neun tief schnurrenden Kontrabässe gingen durch die Medien, die musikalische Deutung wurde mehr gefeiert als die szenische. In Mainz muss nun Kapellmeister Enrico Delamboye mit seinem Opernorchester diesen Part übernehmen und etwas Licht in Philippe Arlauds radikale Schattenwelt bringen.

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Dokument erstellt am 12.01.2005 um 11:24:22 Uhr
Erscheinungsdatum 13.01.2005

 

Frankfurter Rundschau
12.01.2005

"Rigoletto ohne Psychologie geht nicht"
Eine Koproduktion mit Baden-Baden und Wuppertal: Harald Krewer leitet in Mainz die Übernahme von Philippe Arlauds Verdi-Lesart

Frankfurter Rundschau: Als Andreas Mölich-Zebhauser den als Koproduktion verschiedener Bühnen konzipierten "Rigoletto" für die Pfingstfestspiele 2004 in Baden-Baden angekündigt hatte, sprach er von einem "Meilenstein" in der Interpretationsgeschichte dieser Oper. Ist es einer geworden?

Harald Krewer: Im Vordergrund stand bei den Pfingstfestspielen das musikalische Konzept von Thomas Hengelbrock, also der Versuch, dem Original-Sound der Verdi-Zeit nachzuspüren. Da ging es um die Instrumentierung und "Bestückung" des Orchestergrabens - darauf, denke ich, ist das Wort vom Meilenstein bezogen gewesen.

Das Presseecho damals in Baden-Baden klang entsprechend: Gelobt wurde der musikalische Part, als allenfalls "nicht störend" wurde der szenische bezeichnend. Ist es nicht schade, dass nach Mainz nun alleine diese szenische Umsetzung kommt?

Darin liegt im Moment genau auch unser Ehrgeiz. In Baden-Baden war die Probenzeit ungewöhnlich kurz, in Mainz und zuvor schon in Wuppertal hatten wir nun genügend Zeit, das Konzept weiter zu entwickeln.

Heißt das, die Umsetzung damals war noch nicht ganz ausgereift?

Ich würde es anders herum formulieren: Gerade wenn eine Produktion an andere Häuser weitergereicht wird und ich an diesen Häusern gründlich arbeiten kann, ist immer eine Weiterentwicklung erkennbar. Der Ansatz, den ich dabei verfolge ist: Das Statische und Dekorative etwas herausnehmen, etwas mehr die Figuren und ihre Tragik in den Vordergrund rücken, etwas mehr die Geschichte erzählen. Und diese durch etwas mehr Psychologie plastischer machen. Denn Rigoletto ohne Psychologie geht nicht.

Das sind nun recht essentielle Forderungen, die eigentlich jede Inszenierung mitbringen müsste.

Ich kann mich nur wiederholen: Das Verhältnis von Bild und Handlung etwas zugunsten der Handlung, der Aktion zu korrigieren, das ist mein Wunsch. Ich komme vom Schauspiel, ich würde sagen, meine Arbeitsweise ist etwas dynamischer angelegt. In Mainz fordert das Publikum einfach mehr Leben - in Baden-Baden waren die drei Aufführungen wichtig fürs Prestige und auf die Musik konzentriert, da durfte die Szene statischer sein.

Sie müssen in Mainz ein Konzept vertreten und umsetzen, das nicht Ihr eigenes ist. Wie undankbar ist eine solche Aufgabe?

Hier in Mainz arbeite ich an einem ganz anderen Haus, mit einem ganz anderen Ensemble, ich habe eine völlig andere Gilda, einen anderen Rigoletto - hier ist es mit Karsten Mewes ein junger, kraftvoller Sänger, der ein ganz anderes schauspielerisches Potenzial mitbringt. Damit muss man arbeiten, darauf muss man reagieren. Wenn ich nur eins zu eins umsetzen müsste, könnte daraus nichts werden. Dann müsste ich auch nicht hier sein.

Die Bühne des Baden-Badener Festspielhauses hat wesentlich größere Dimensionen als das Mainzer Theater. Kann das Bühnenbild da nahtlos eingepasst werden?

Da gibt es automatisch Korrekturen. Doch entscheidender ist wirklich der Unterschied, dass ich es hier mit anderen Sängern zu tun habe, mit einem festen Ensemble, was mir und meiner Arbeitsweise sehr entgegen kommt.

Die Konzeption dieses "Rigoletto" ist von Philippe Arlaud. Jeder, der etwas von dem französischen Regisseur kennt, war überrascht, wie sehr er sich hier auf die Farben schwarz und weiß reduziert hat. War das eine direkte Reaktion auf die einhellige Kritik an seinem arg farbenfrohen "Tannhäuser" in Bayreuth zwei Jahre zuvor?

Nach dem Tannhäuser gab es noch Die tote Stadt von Korngold in Berlin, auch die relativ bunt (langes Schweigen). Da fragen Sie ihn am besten selbst.

Was Arlaud wirklich eindrucksvoll gelöst hat ist der Schluss der Oper, Gildas Tod. Hier wirkt das Bildhafte ganz bezwingend.

Das Schlussbild bleibt natürlich. Doch da stößt man auf die Schwierigkeit, die symbolhaften Momente der Inszenierung mit der realistischer zu gestaltenden Situation zu verbinden. Ein Rigoletto stellt nun mal jeden Regisseur vor ein paar harte Nüsse, die es zu knacken gilt. Der Schluss ist eine davon.

Interview: Stefan Schickhaus

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Dokument erstellt am 11.01.2005 um 17:43:56 Uhr
Erscheinungsdatum 12.01.2005

Harald Krewer arbeitet seit vielen Jahren mit dem Bühnenbildner und Lichtdesigner Philippe Arlaud zusammen. In Mainz hat der in Wien und Berlin lebende Theater- und Hörspielregisseur die Aufgabe, die viel beachtete und umstrittene "Rigoletto"-Inszenierung Arlauds, die 2004 für das Festspielhaus Baden-Baden entstand, für das Staatstheater neu zu erarbeiten (Premiere am 15. Januar, 19.30 Uhr, Karten-Tel. 06131/ 2851222). Sein Handwerk lernte Krewer am Wiener Max-Reinhardt-Seminar, hier hatte er in den vergangenen Jahren auch einen Lehrauftrag. Für den ORF, aber auch für deutsche Sender produzierte er zahlreiche Hörspiele. ick

 

Allgemeine Zeitung
13. Januar 2004

Ein sehr dynamischer Hofnarr
Verdi-Oper "Rigoletto" hat ausverkaufte Premiere im Großen Haus
"Rigoletto", das Melodramma in drei Akten von Giuseppe Verdi, hat am Samstag, 15. Januar, Premiere im Großen Haus. Die Oper in italienischer Sprache (deutsche Übertitel) ist eine Koproduktion des Festspielhaus Baden-Baden, der Wuppertaler Bühnen und des Staatstheaters Mainz unter Koordination des Büros für Internationale Kulturprojekte.


Szenenfoto aus "Rigoletto".
Foto: Bettina Müller

Von Hella Rau

Eine erste Premiere von Verdis "opéra noir" über den buckligen und spottenden Hofnarren fand bei den Pfingstfestspielen Baden-Baden im Mai 2004 unter der Regie von Philippe Arlaud statt. Die szenische Umsetzung in Mainz übernahm Harald Krewer, die musikalische Leitung hat Enrico Delamboye.

PremierenfieberVon einer Männerwelt mit starken Machtstrukturen handelt das Melodrama in drei Akten. Das Stück spielt am Hofe des leichtlebigen Herzogs von Mantua (Scott MacAllister), der seine Stellung rücksichtslos zu Eroberungen erotischer Art nutzt. Hierbei steht ihm der deformierte Hofnarr Rigoletto (Karsten Mewes) mit beißenden Spott zur Seite. Während dieser am Hof bösartig sein Spiel treibt, ist er aber zugleich äußerst um den Schutz seiner zur Schönheit herangereiften Tochter Gilda (Janice Creswell) bemüht. Doch je ängstlicher er Gilda zu schützen sucht, indem er sie zu Hause einsperrt, desto sicherer steuert er auf die Katastrophe zu.

Eine 1:1-Umsetzung sei immer schwierig, berichtet Harald Krewer mit Blick auf die vorangegangenen Inszenierungen in Baden-Baden und Wuppertal. "In Mainz haben wir zum Beispiel in Karsten Mewes einen ganz anderen Typen als Rigoletto - kräftig und dynamisch", meint er. Ebenfalls sei mit fast sieben Wochen die Probezeit länger als in Baden Baden. Stets entwickle sich das Stück weiter.

Die Oper spiele in der aktuellen Inszenierung nicht wie bei Verdi im 16. Jahrhundert, sondern etwa um die Jahrhundertwende. Darüber hinaus sei die Aufführung (mit einem Bühnenbild von Regisseur Philippe Arlaud) in Schwarz-Weiß-Kontraste getaucht, einzig Gilda trete in einem roten Kleid auf, erklärt Krewer.

"Eine besondere Herausforderung lag für mich im Spannungsverhältnis zwischen nötigem Realismus und der Symbolhaftigkeit von Regisseur Arlaud", berichtet Krewer weiter. Ziel sei, die Geschichte etwas weniger statisch zu erzählen, sondern mehr mit Leben zu füllen.

Der besondere Focus bei dem Melodrama basiert auf den Hauptfiguren. Bereits Victor Hugo, der den zugrunde liegenden Roman "Le roi s´amuse" verfasste, hatte die Charaktere extrem gezeichnet. Rigoletto sei darüber hinaus nicht nur Täter und nicht nur Vater, sondern von allem ein bisschen. Das mache ihn so interessant, verdeutlichte Dramaturg Jón Philipp von Linden. Die Premiere am 15. Januar ist ausverkauft.