WIESBADENER KURIER
9. Dezember 2004

"Schöne Farben der Partitur"
Morgen dirigiert Kirill Petrenko Wagners "Die Walküre" in der Alten Oper

In der Reihe "Oper konzertant" des Rheingau Musik Festivals gastiert morgen die Dresdner Semperoper mit Wagners "Walküre" in der Alten Oper Frankfurt. Der 1972 im sibirischen Omsk geborene Kirill Petrenko, seit 2002 Generalmusikdirektor an der Komischen Oper Berlin, leitet die Aufführung. Mit dem Dirigenten, der Von 1999 bis 2002 Generalmusikdirektor in Meiningen war, sprach Kurier-Redakteur Volker Milch.

Kurier: Herr Petrenko, Sie dirigieren zur Zeit "Die Walküre" an Dresdens Semperoper in der "Ring"-Inszenierung von Willy Decker. Morgen leiten Sie ein konzertantes Gastspiel der Semperoper in Frankfurt. Freut man sich als Dirigent vielleicht auch darauf, sich ganz auf die Musik konzentrieren zu können?

Petrenko: Das ist ambivalent. Es gibt Vor- und Nachteile. Die Vorteile liegen in erster Linie darin, dass man sich bei einer konzertanten Aufführung wirklich nur auf das Musikalische konzentrieren muss. Dadurch wird das Stück wahrscheinlich stärker ausmusiziert. Da wird man sich zuweilen vielleicht ein bisschen mehr Zeit nehmen. Die schönen Farben der Partitur kommen klarer zum Ausdruck und auch das Musikantische. Auf der anderen Seite ist man nur auf sich selbst angewiesen. Da kann man nichts verstecken. Man muss als Dirigent noch besser sein, um wirklich die Qualität zu bieten, die eine konzertante Aufführung benötigt.

Kurier: Sie haben schon Erfahrung mit Richard Wagners "Ring des Nibelungen". Durch Ihr Meininger "Ring"-Dirigat sind Sie in Deutschland bekannt geworden. Ein ungewöhnliches Projekt für eine kleinere Bühne: Die vier "Ring"-Abende als Premieren-Zyklus in dichter Folge. Dagegen ist so eine einzelne "Walküre" eigentlich ein Klacks. . .

Petrenko: Wenn man jetzt daran denkt, wie viel Kraft schon eine einzelne "Walküre" erfordert, da wundert man sich schon im Rückblick.

Kurier: Mögen Sie eines der "Ring"-Teilstücke besonders?

Petrenko: Nein, kann ich nicht sagen. "Das Rheingold" hat eigentlich wirklich die Funktion eines Vorspiels, in dem alles vorgestellt und der Plot gestrickt wird. Natürlich gibt es auch da wunderbare Stellen wie zum Beispiel das Vorspiel. Wenn man dann die anderen Stücke betrachtet, hat jedes seine Highlights, die Liebesbeziehung in der "Walküre", im "Siegfried" der erste Akt mit den unglaublich fein abgestimmten Tempo-Steigerungen und auch im dritten Akt die große, fast "Tristan und Isolde" überragende Szene zwischen Siegfried und Brünnhilde. In der "Götterdämmerung" ist es vor allem die schwarze Farbe, die von Hagen aus über das ganze Stück verbreitet wird.

Kurier: Sie sind als Chefdirigent der Komischen Oper in Berlin kulturpolitisch in keiner leichten Situation. Beschäftigen Sie sich mit Kulturpolitik?

Petrenko: Leider ja. Wie gerne würde ich mich nur auf das Künstlerische konzentrieren! Aber in so einer Stadt und in dieser Position geht das nicht. Man muss da sehr viel Zeit in viele Gespräche investieren. Mittlerweile scheint sich die Sache ein bisschen zu stabilisieren mit der Opernstiftung. Als ich in Berlin angefangen habe vor zwei Jahren und eine Fusion der Opernhäuser vor allem in der Presse immer wieder kolportiert wurde, war die Situation sehr viel schwerer. Mittlerweile hat man sich mit der Situation arrangiert, und ich versuche immer mehr, mich auf das Musikalische zu konzentrieren.

Kurier: Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Komischen Oper, die zwischen Deutscher Oper und repräsentativer Lindenoper die bescheidenere der drei Schwestern ist?

Petrenko: Ich wünsche der Komischen Oper, dass ihre Stärken, die sie selbstverständlich hat im Ensembletheater und in der szenischen Auseinandersetzung mit den Werken, von mehr Menschen erkannt werden, als das heute der Fall ist. Diese Stärken sind einzigartig. Leider, glaube ich, kommt das heute noch nicht überall an. Natürlich ist die Komische Oper im Umbruch. Denn die klare, aber auch einseitige ästhetische Vorgabe von Harry Kupfer (dem langjährigen Chefregisseur, d. Red.) ist nicht mehr da. Dafür gibt es jetzt eine Vielfalt, die aber durchaus auch einen roten Faden hat. Ich wünsche mir, dass daran mehr Leute Interesse finden.