Frankfurter Rundschau
5.1.2006

PREMIERE: DON GIOVANNI
Das Jubiläumsgedenken beginnt

TIM GORBAUCH

Das wird sein Jahr. Überall schmückt man sich mit seinem Namen, dem wohl größten der Musikgeschichte: Mozart. Vor 250 Jahren, genauer: am 27. Januar 1756, wurde er in Salzburg geboren, Wolferl, das Wunderkind, der früh umjubelt wurde, Amadeus, das verkannte Genie, das arm starb - und nun rüstet man sich zum großen Festgedenken. Die Oper macht da keine Ausnahme - und Mainz den Anfang. Dort steht sein Dramma giocoso "Don Giovanni" auf dem Spielplan, ein wahrhaft unerhörtes Werk, das 1787 in Prag uraufgeführt wurde und wie so oft nach einem Libretto Lorenzo da Pontes entstand. In Mainz wird das zur Chefsache: Georges Delnon, der scheidende Intendant, der dem Haus ein unverwechselbares Profil wiedergegeben hat, besorgt die Inszenierung. Catherine Rückwardt (Bild), die Mainzer Generalmusikdirektorin mit überregionaler Strahlkraft, dirigiert.

Premiere: Sa, 14.01. | 19.30 Uhr | Staatstheater | Mainz | Gutenbergplatz 7 | Tel. 06131 2851222 | weitere Termine: 17.01., 22.01. und 05.02.

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Dokument erstellt am 04.01.2006 um 11:28:24 Uhr
Erscheinungsdatum 05.01.2006

 

WIESBADENER KURIER
29.12.2005

Intendant Georges Delnon inszeniert am Mainzer Staatstheater "Don Giovanni"
"Es geht sehr viel um Sex - ganz heftig!"
MAINZ "Coś fan tutte" war im Oktober 1999 Georges Delnons erste Mozart-Inszenierung als Intendant in Mainz. Gegen Ende seiner Amtszeit inszeniert der im kommenden Sommer nach Basel wechselnde Theatermann nun "Don Giovanni". Premiere ist am 14. Januar.

Herr Delnon, ist es nicht Quatsch, ein Mozart-Jahr zu feiern? Wir haben doch jedes Jahr Mozart-Jahr.

Delnon:(lacht und seufzt) Ach ja! Es geht mir weniger ums Mozart-Jahr als um "Don Giovanni" - das Stück, das ich mir noch gewünscht habe in Mainz. Ich habe in den letzten Jahren ja nur noch meine "Specials" inszeniert und mich nie mehr an ein Repertoire-Stück gewagt. In meinem letzten Jahr wollte ich mir, gerade auch mit unserer Generalmusikdirektorin, so ´ne richtige Oper vornehmen - und dann natürlich am liebsten die Oper der Opern: Das ist "Don Giovanni". Das war entscheidend, nicht das Mozart-Jahr. Im Gegenteil: Wir machen ja mit Schwetzingen die Koproduktion "Proserpina" von Joseph Martin Kraus.

Als Kontrastprogramm im Mozart-Jahr ein vergleichsweise unbekannter Zeitgenosse. Kraus ist ja auch vor 250 Jahren geboren.

Delnon: Genau. Wir wollten Mozart in Mainz gar nicht besonders würdigen. Ich finde es absolut richtig, dass wir jetzt "Don Giovanni" machen. Aber wenn es nur wegen des Mozart-Jahrs wäre, würde ich sagen: Quatsch!

Wo haben Sie "Don Giovanni" schon inszeniert?

Delnon: In Biel, in meinen Anfängen. Das war vor gut 23 Jahren. Ich denke, dass ich das Stück damals nicht annähernd begriffen habe. Ich will nicht sagen, dass ich es heute begreife. Ich glaube, dass ich darin noch in zehn Jahren Dinge entdecken werde. Aber damals habe ich gar nichts verstanden von dem Stück.

Sie legen die Inszenierung jetzt ganz anders an?

Delnon: Ja, ganz anders. Ich lege jetzt sehr viel Wert auf die Zeit. Die Zeit ist eigentlich Don Giovannis Problem - und ich denke, weitgehend auch unser Problem.

Mit dem Problem der Zeit meinen Sie das Altern?

Delnon: Das Altern, ja. Die Zeit, die vergeht, dass man nicht mehr viel Zeit hat. Gleichzeitig dieser Jugendkult. Der Konsum und der Jugendkult, der damit einher geht.

Das hört sich ja schon ein bisschen nach Midlife-Crisis an.

Delnon: (lacht) Das war auch ein bisschen das Konzept, frei nach Houellebecq: Giovanni in der Midlife-Crisis. Aber es ist letzten Endes jetzt in der Arbeit nicht so geworden. Mich hat die Figur dann doch dort interessiert, wo sie über das Houellebecqsche hinaus geht, wo sie doch eine Urkraft bedeutet. Aber ein Stück Houellebecq ist ganz sicher drin.

Was passiert eigentlich zwischen Donna Anna und Don Giovanni?

Delnon: Das ist eine Frage, die immer wieder gestellt wird. Aus meiner Sicht passiert schon eine Vereinigung. Ob diese von der Anna her so ist, dass sie wirklich nicht weiß, mit wem sie sich da einlässt, das stelle ich in Frage. Aber ganz eindeutig ist was passiert.

Wer ist dieser Don Giovanni? Jemand aus Fleisch und Blut oder ein Prinzip?

Delnon: Meistens aus Fleisch und Blut. Und dort, wo er eine Kunstfigur oder eine mythische Figur ist, wird man das auch äußerlich erkennen. Das sind nur zwei Momente im Stück, wo er aus meiner Sicht über die normale Dimension weit hinauswächst. Dann habe ich das auch gekennzeichnet.

Es kursieren ja schon wilde Gerüchte über die Inszenierung: Es soll auf der Bühne mit nackten Tatsachen ziemlich zur Sache gehen. Können Sie diesbezügliche Hoffnungen bestätigen?

Delnon: Hört man das? Ist ja Wahnsinn! Da ist sicher was dran. Es wird schon relativ derb, aber gar nicht so in diese Richtung. Ich glaube nicht, dass das eine Provokation ist. Gut, man weiß nie...

Es geht relativ derb zu, weil es aus meiner Sicht sehr viel um Sex geht in dem Stück - ganz heftig eigentlich.

Sie werden ja sicher auch als Intendant in Basel mit Mozart konfrontiert sein?

Delnon: In Basel machen wir in Koproduktion mit den Salzburger Festspielen Mozarts "Zaide" mit Claus Guth als Regisseur, weil das ein extrem spannendes Projekt ist: Chaya Czernowin hat praktisch neue Übergänge komponiert und das Fragment so ergänzt. Mozart hört auf, dann fängt Czernowin an, dann hört Czernowin auf - und Mozart geht weiter. Und dann gibt es ein paar Stellen, wo es sich überlagert. Das sind die heiklen Stellen, aber in einer ganz stringenten Dramaturgie. Das ist musikalisch mit Mozart und dieser modernen Musik eine spannende Geschichte. Ob die aufgeht, werden wir schon im Sommer in Salzburg erleben.

Gibt es ein Mozart-Erlebnis, das für Sie prägend war in Ihrer Jugend?

Delnon: Nein. Aber wenn wir über unsere Probleme gesprochen haben, über das, was uns im Alltag beschäftigt, dann haben wir immer wieder mit Mozart-Figuren verglichen: Zum Beispiel die Männer in Masettos oder Ottavios eingeteilt. Daran merkt man, wie unvergleichbar nahe Mozart an den Menschen ist, so nahe, wie ich es von keinem anderen Komponisten kenne.

Mit Georges Delnon sprach Volker Milch.

Eine "Kostprobe" zur Premiere und ein Gespräch gibt es am 6. Januar, 18 Uhr, bei freiem Eintritt im Großen Haus.


Georges Delnon probt in Mainz "die Oper der Opern".
Pipprich

 

Allgemeine Zeitung
11.01.2006

Mozarts "Don Giovanni" ist letzte Inszenierung von Intendant Georges Delnon/Samstag ausverkaufte Premiere
Die alles verändernde Zeit spielt die Hauptrolle

Für Georges Delnon, seit August 1999 Intendant des Staatstheaters, wird es seine letzte Mainzer Inszenierung. Mit Mozarts "Cosi fan tutte" hatte sich Delnon vorgestellt, mit Mozarts "Don Giovanni" nimmt er, der nach Basel wechselt, Abschied von Mainz. Ausverkaufte Premiere des "heiteren Dramas" ist am Samstag im Großen Haus.  

Von Bernd Funke

Das Interesse an Mozarts "Don Giovanni" ist überwältigend. Schon zur "Kostprobe" kamen rund 700 Schau- und Hörlustige ins Theater. Das mag am "Mozart-Jahr" 2006 (des Komponisten Geburtstag war vor 250 Jahren) liegen - für Intendant Georges Delnon indes war dieses Datum nicht der Grund, das Dramma giocoso in zwei Akten zu inszenieren. "Wir" (und damit meint er Orchesterchefin Catherine Rückwardt und sich), "wir hatten schon längere Zeit Lust auf das Stück." Zudem werde es für ihn wohl in absehbarer Zeit das letzte Repertoirestück sein, das er inszeniere.

Die Hauptrolle spielt für Delnon in seiner Inszenierung die Zeit. Zeit auch als Gefahr und Unglück, Zeit die alles verändert. "Aber es geht auch ums Alter, um das Älterwerden und die Erkenntnis, dass keiner die Zeit hat, seine Sache durchzuziehen", philosophiert Delnon.

Vor der Premiere

Die kalte Welt des Don Giovanni, sie hat für den Regisseur "viel zu tun mit unserer Welt der Bewegung, der Beschleunigung, in der nicht die Menschen die Mechanik bewegen, sondern die Mechanik den Menschen". In Delnons Inszenierung geht es auch darum, "dass man nicht genug kriegen kann in der Welt des Konsums, die Müll produziert, an dem man ersticken kann". Die Don-Juan-Erotik des Don Giovanni, der, sich von Frau zu Frau hangelnd, nach der einen, wahren Liebe sucht - das ist nicht Delnons Thema. Auch nicht der Inhalt der "Registerarie" des Leporello, der die zahllosen Liebschaften seines Herrn, des Don Giovanni, aufzeigt (in Italien waren es 640 Frauen, 231 in Deutschland, 100 in Frankreich, 91 in der Türkei, in Spanien sogar 1003). Delnon: "Das interessiert mich nicht." Er suche vielmehr, die sozialen Hintergründe aufzuzeigen. Ganz ohne greifbare Verortung. Aber mit der klaren Erkenntnis: "Ohne einen Glauben an eine höhere Macht, kann man Don Giovanni nicht inszenieren."

Delnon hat die Szenen der Mozart-Oper nachgerade "filmisch geschnitten", hat "extrem versucht, die Menschen zu sehen. Sie bilden gleichsam den Ort". Die Herausforderung des rund dreistündigen Opernabends werde die Bewegung sein. "Ich habe zur Musik die Partitur geschrieben, bringe szenische Bewegung auf die Bühne."

Die technisch aufwändige Inszenierung (ermöglicht durch einen Sonderzuschuss von Kulturministerium und Sparkasse Mainz) wird zahlreiche Projektionen zeigen. Videos wurden angefertigt, auf der Bühne läuft auf einem Schriftband der italienische Text. Das ist die Annäherung an die Welt der Informationen.

Dramaturgin Anne do Pa´co ist nicht wenig stolz darauf, dass nicht ein Gast-Künstler auf der Besetzungsliste zu finden ist: "Es hat Jahre gedauert, bis das Ensemble so gewachsen ist, dass wir diese Oper zeigen können." In der Musik, bei der Catherine Rückwardt mit zügigen, schnellen Tempi arbeiten wird, soll sich auch das Gehetztsein der Titelfigur spiegeln "Es wird kein weicher Mozart", lässt Anne do Pa´co wissen. Aber ein nahezu kompletter, den bis auf zwei Rezitative fiel nichts dem "Strich" zum Opfer. Mehr noch: Selbst die (von Mozart später für die Wiener Inszenierung) hinzugefügte) Arie des Ottavio ("Tergi il ciglio, o vita mia") wird zu hören sein. Und das Finale? "Ich versuche, die Abwesenheit Giovannis zu inszenieren", macht Delnon neugierig.


Ohne zeitliche oder räumliche Verortung wird "Don Giovanni" (Probenfoto) von Samstag an im Großen Haus des Staatstheaters zu sehen sein. Die Oper gilt als Mozarts "geheimnisvollstes und dunkelstes Werk".
Foto: Staatstheater/ Bettina Müller


Mit der Inszenierung von Mozarts "Don Giovanni" verabschiedet sich Intendant Georges Delnon von seinem Mainzer Publikum.
Foto: Sascha Kopp