Stuttgarter Nachrichten
19.05.2007

Große Chance - leider vertan: Die Uraufführung von Bernhard Langs "Der Alte vom Berge" in Schwetzingen
Akustisches Hacksteak und klangschöne Vokalpolyfonie
Hinter dem "Alten vom Berge" verbirgt sich Hassan-i-Sabbah (um 1034 bis 1124). Er wurde zum legendären Führer des Geheimbundes der Assassinen, einer Abspaltung der schiitischen Ismaeliten, die im 12. Jahrhundert einen islamischen Gottesstaat herbeizwingen wollten.

VON FRIEDER REININGHAUS

Angeregt durch William S. Burroughs (1914-1997), entwickelte der Komponist Bernhard Lang, geboren 1957 in Linz, einen fragmentarischen Text, der auf Episoden der sagenhaften Geschichte des Ordens, die Rituale des Einschwörens und die Heilsverheißungen für Selbstmordattentäter im Heiligen Krieg anspielt. Allerdings erscheinen die Worte (in Englisch) weithin ebenso zerstückt und häufig repetiert wie die kurzen musikalischen Formeln, auf die Langs Komposition primär rekurriert.

Die Strenge und Mechanik wird allerdings im Weiteren durch variantenreiche Einschübe aufgelockert, die sich auf Musik der verschiedensten geografischen und historischen Zonen beziehen.

Zur Eröffnung hatten die diesjährigen Schwetzinger Festspiele byzantinische Palastintrigen mit Hollywood-Hautgout geboten - Giovanni Legrenzis Oper "Il Giustino" von 1683, in der kräftig von Gemetzeln im alten Orient gesungen wird. Mit dem "Alten vom Berge" wurde nun ein thematisch verwandtes Stück nachgeschoben. Seine diskrete Aktualität dürfte sowohl den Südwestrundfunk als Festivalbetreiber wie auch das koproduzierende Theater Basel ermutigt haben, das auf den ersten Blick nicht sehr "kundenfreundlich" wirkende Werk herauszubringen. Denn so polyglott und farbenreich sich Langs Musik am Ende auch erweisen mag - zunächst sägt sie mit penetranten Wiederholungen an den Nerven.

Zum langen Prolog wurde in den Kammermusiksaal des Schlosses geladen. Zu den gelinden Schrecken, die vom elektronisch angereicherten und verfremdeten Radio-Sinfonieorchester Stuttgart unter Leitung von Rolf Gupka ausgehen, dringen sechs sinistre Gestalten durch die Glasfenstertüren - singendes Personal im Disco-Look. Sie demonstrieren den Zugriff auf Buchweisheiten und die bedingungslose Unterordnung unter das Führerprinzip. Sie führen terroristische Mittel vor - nicht die künstlerische, theatralische Auseinandersetzung mit ihnen und ihren Hintergründen. Und für einen kurzen Augenblick scheinen auch Bezugnahmen zur Gegenwart auf, wenn sich die beiden vorzüglich singenden Sopranistinnen - Christa Fleischmann und Salome Kammer - Masken des US-Präsidenten Bush und seines Gegenspielers Bin Laden auf die Hinterköpfe stülpen.

Nach einer Dreiviertelstunde werden die Zuschauer an der Hand genommen und ins Rokoko-Theater überführt - zu schönen Bildern von Roland Aeschlimann (in wohltuender Distanz) entfaltet Langs Musik verschiedene Facetten der klingenden Heilsbotschaften: Garten- und Paradiesmusik (mit einem Blumenteppich und goldfleischfarbenen Nackedeis), vor allem auch eine Haschisch-Sequenz. Denn ihren Namen bekamen die Assassinen als "Haschischraucher". Schließlich aber kippt die beschauliche Theater-Aktion im diffusen Raum um: An der Rampe skandieren alle sechs Protagonisten "kill, kill, kill" wenigstens 400-mal. Die Impertinenz mag mit eindeutiger Intention ins Werk gesetzt worden sein. Sie bleibt freilich so unscharf und bloß stimmungsmäßig wie alles an diesem Stück, das tiefstes Misstrauen gegen die Sprache und den formulierten Sinn beweist. Aber gerade darin dürfte es für die gegenwärtige Kunstproduktion signifikant sein. Erst recht durch den Kommentarschluss, der in mittelhochdeutschen Reimen mit einem altmeisterlichen Satz von Guillemus Longius Minor - im Stil von Machault - versöhnt.

 

Frankfurter Neue Presse
19.05.2007

Die Halbwelt versinkt im Drogenrausch
Bernhard Langs Musiktheater „Der Alte vom Berge" wurde bei den Schwetzinger Festspielen uraufgeführt.

Von Daniel Honsack

Uraufführungen von Opern sind oft auch eine Bestandsaufnahme. Für die musikalische Entwicklung im Allgemeinen, und natürlich kommt auch ein Komponist bei der Arbeit an so einem umfangreichen Werk gerne einmal in Versuchung, viele seiner bislang unverwirklichten Ideen gleich in einem Aufwasch abzuhandeln.

Bernhard Lang hat so eine Idee lange Zeit mit sich herumgetragen und sie nun dank des Kompositionsauftrags der Festspiele umsetzen können. Herausgekommen ist „Der Alte vom Berge", ein Stück Musiktheater, das Lang auf den Text „The Last Words of Hasan-i Sabbah" von William S. Burroughs zurückführt. Darin wird weniger eine Geschichte erzählt, als eine Agglomeration von Atmosphären beschrieben.

Dem trägt schon das Libretto Rechnung, das sich Lang aus dem Internet zusammengesucht hat. Auch hier geht es nicht darum, einen Erzählstrang zu verfolgen. Getreu dem Kernsatz: „Nichts ist wahr, alles ist erlaubt". Das soll der Wahlspruch von Hassan III. gewesen sein. Dieser steht im letzten Drittel einer Dynastie von Sektenführern. Die Assassinen, wie sie sich nannten, beherrschten zwischen 1090 und 1265 einen Teil des heutigen Iran. Lang packt diese Zeit in eine teilweise rauschhafte und mit symbolhaften Andeutungen angereicherte Synthese, die im zweiten Teil in einer Drogen- und Sexorgie kulminiert. Die Protagonisten, die zunächst als bizarre Bande von Halbweltlern in Erscheinung treten, ergeben sich im Haschisch-Rausch ihrer Paradiesvorstellung.

Hintergrund: Um diesen Zustand erneut und endgültig zu erreichen, müssen sie sich ganz in die Hände des Herrschers begeben, unter anderem bedingungslos töten. Auch Osama bin Laden beruft sich auf Hasan-i Sabbah. Dem jungen Solisten-Ensemble wird bei der Umsetzung darstellerisch wie sängerisch einiges abverlangt, die musikalischen Anforderungen reichen von stakkatohafter Dauer-Extase bis zu dissonanter Klangschichtung. Ruth Weber (Sopran), Raminta Babickaité (Mezzosopran), Daniel Gloger, Tim Severloh (beide Countertenor), Ekkehard Abele und Assaf Levitin (beide Bassbariton) bewältigen diese Aufgabe mit bewundernswertem Einsatz und effektvoller Präsenz.

Bernhard Lang ist ein mitunter etwas überladenes, durchaus aber immer wieder packendes Spektakel gelungen, das mit elektrischen und akustischen Instrumenten sowie Mehrkanalzuspielungen seine Wirkung nicht verfehlt. Vor allem Rolf Guptas ausgesprochen konzentrierter und klar strukturierender musikalischer Leitung ist ein gewichtiger Anteil am Erfolg der Uraufführung zuzuschreiben. An den Pulten: Musiker des Radio-Sinfonieorchesters Stuttgart des SWR.

 

DER STANDARD
19./20.05.2007

Bernhard Langs "Der Alte vom Berge"
Musikparadies der Sinne

Bernhard Doppler aus Schwetzingern

Schwetzingen - An Bernhard Langs Musiktheater darf man hohe Erwartungen stellen. Es enthält nicht nur wirkungsvoll entwickelte Einzelnummern, es überzeugt auch in seiner Theorie. Verblüffend konsequent hat Lang nämlich in seiner Technik der Wiederholungen, des Samplens und der Endlosschleifen linear erzählendes Theater dekonstruiert und trotzdem ein in seiner Dramaturgie einleuchtendes Musiktheater geschaffen.

Wiederholung als Folter wie in der "Trilogie der Wiederholungen" oder Wiederholung als endloses Einüben des Immergleichen wie in der spielerisch boulevardesken Komödie "I hate Mozart". Die Konsequenz seiner beiden Erstlingsopern will sich allerdings nun in Schwetzingen beim Alten vom Berge nicht ganz einstellen, vielleicht auch, weil der Stoff für dieses Auftragswerk zu plakativ aktuell wirkt. Lang hat über den muslimischen Orden der Assassinen, mittelalterlichen Selbstmordattentätern, recherchiert, ihre sagenumwitterte Burg Alamut und ihre Anführer; den abstinenten Hassan I und den libertären Hassan III, der Mohammeds strenge Gesetze für kurze Zeit aufhob.

In diesen Herrschern überlappt sich die Figur des Alten vom Berge. Ein Drama mit fassbaren Charakteren als Libretto darf man von Lang ja nicht erwarten, es sind Recherchen aus dem Internet in Englisch, die er für Kammerorchester (Radio Sinfonie Orchester Stuttgart unter Rolf Gupta), elektrisches Orchester mit Mehrkanalzuspielung und sechs Stimmen, darunter zwei Countertenören, komponiert hat. Manchmal hört man Worte von George W. Bush.

Dennoch sind es klassische Opernthemen, wie sie auch bei Verdi vorkommen könnten: Die Verschwörung eine Männebundes gegen politische Gegner und eine Orgie, in der das Paradies versprochen wird, als theatralische Halluzination. Regisseur Georges Delnon aktualisierte den Stoff in die Siebzigerjahre und verlegte die Handlung auf zwei Orte: die Verschwörung in eine Art Schlossbibliothek, den Kammermusiksaal von Schwetzingen und die Paradiesorgie der Assassinen in das alte Barocktheater.

Man muss also wandern, ein nicht ganz überzeugender Einfall, denn vor allem die Verschwörungsszene schien als naives Mitspieltheater Langs Konzept zu unterlaufen, und jede Teufelsmesse wird im Theater zum Kindergeburtstag. Dafür entschädigten allerdings raffinierte Lichteffekte in der Orgienszene. Und wenn man wollte, konnte man sich doch auch hier wieder vor allem durch die Musik in ein künstliches Paradies der Sinne halluzinieren.

 

deutchlandradio.de
18. Mai 2007

"Der Alte vom Berge"
Uraufführung von Bernhard Langs Oper bei den Schwetzinger Festspielen

Von Frieder Reininghaus

"Der Alte vom Berge" heißt eine Auftragskomposition des österreichischen Komponisten Bernhard Lang für die Schwetzinger Festspiele. Angeregt durch den US-amerikanischen Kult-Autor William S. Burroughs entwickelte Lang einen fragmentarischen Text, der auf Episoden der recht sagenhaften Geschichte des terroristischen Assassinen-Ordens im 11. und 12. Jahrhundert, auf Rituale des Einschwörens und Heilsverheißungen für Selbstmordattentäter im "Heiligen Krieg" anspielt.

Hinter der Chiffre des "Alten vom Berge" verbirgt sich Hassan-i-Sabbah, der erste und legendär gewordene Führer des mittelalterlichen orientalischen Geheimbundes der Assassinen, einer Abspaltung der schiitischen Ismaeliten, die in manchen Sprachen zum Synonym von "Mördern" wurden. Ausgehend von der Festung Alamut, die etwas nördlich des heutigen Teheran lag, wollten er und seine Nachfolger im 12. Jahrhundert einen islamischen Gottesstaat herbeizwingen - durch bedingungslosen Gehorsam der Anhänger und mit gezielten politischen Morden.

Nicht nur unterschwellig ist dieser Themen-Hintergrund brisant - und eben diese diskrete Aktualität dürfte sowohl den Südwestrundfunk als Betreiber der Schwetzinger Festspiele wie das als Co-Produzent in Erscheinung tretende Theater Basel ermutigt haben, das auf den ersten Blick nicht eben besonders "kundenfreundlich" wirkende Werk von Bernhard Lang zu produzieren. So polyglott und farbenreich Langs Musik sich am Ende auch erweisen mag - zunächst sägt sie mit penetranten Wiederholungen an den Nerven, wirkt durch Verzicht auf erkennbare musikdramatische Formbildung wirklich nicht unbedingt einladend.

Zum langen Prolog des neuen, dritten Bühnenwerks des 50-jährigen Bernhard Lang wurde in den Kammermusiksaal des Schwetzinger Schlosses geladen. Zu den gelinden Schrecken, die vom elektronisch angereicherten und verfremdeten Radio-Sinfonieorchesters Stuttgart unter Leitung von Rolf Gupka ausgehen, dringen sechs sinistre Gestalten durch die Rokoko-Fenstertüren - singendes Personal im schwarzen Disco-Look. Sie demonstrieren den Zugriff auf Buchweisheiten und die Rituale der Zusammenrottung, das Verschweißen der Gruppendisziplin und die bedingungslose Unterordnung unter das Führerprinzip. Sie führen terroristische Mittel vor - nicht die künstlerische, theatralische Auseinandersetzung mit ihnen und ihren Hintergründen. Und für einen kurzen Augenblick scheinen auch Bezugnahmen zur Gegenwart auf, wenn sich die beiden vorzüglich singenden Sopranistinnen - Christa Fleischmann und Salome Kammer - Masken des gegenwärtigen US-Präsidenten und des ideellen Gesamtterroristen auf die Hinterköpfe stülpen.

Weithin erscheinen die - ausnahmslos englischen - Wörter des Textes ebenso abgehackt, zerstückt und häufig repetiert wie die kurzen musikalischen Formeln, auf die Langs Musik primär rekurriert. Freilich wird die Strenge und Mechanik der in hohem Maß mit elektronischen Mitteln arbeitenden Tonspur dann aufgelockert durch variantenreiche Einschübe, die sich an den Tonkünsten der verschiedensten Zonen entzündeten.

Nach einer dreiviertel Stunde werden die Zuschauer an der Hand genommen und ins Rokoko-Theater des Schwetzinger Schlosses überführt. fast pausenlos schließt das "eigentliche" Musiktheater an: Zu sehr schönen Bildern von Roland Aeschlimann (in wohltuender Distanz) entfaltet Bernhard Langs Musik verschiedene Facetten der für den Gotteskrieg mobilisierend wirkenden Heilsbotschaften - Garten- und Paradiesmusik (mit einem Blumenteppich und goldfleischfarbenen Nackedeis), vor allem auch eine Haschisch-Sequenz (denn ihren Namen bekamen die Assassinen als "Haschischraucher").

Schließlich aber kippt die Theater-Aktion um: an der Rampe skandieren alle sechs Protagonisten Kill, kill, kill - die Impertinenz mag mit eindeutiger Intention ins Werk gesetzt worden sein. Aber sie ist so unscharf und bloß stimmungsmäßig wie alles an diesem Stück, das tiefstes Misstrauen gegen die meinende Sprache, das Argument und den formulierten Sinn beweist. Aber gerade darin dürfte es für die gegenwärtige Kunstproduktion signifikant sein - brauchbar und geeignet für Hochsubvention. Erst recht durch den Kommentar-Schluss, der in mittelhochdeutschen Reimen mit einem altmeisterlichen Satz von Guillemus Longius Minor - einer Anspielung wohl auf Guillaume de Machault versöhnt.

 

Mannheimer Morgen
19. Mai 2007

SCHWETZINGER FESTSPIELE
Bernhard Langs Terroroper "Der Alte vom Berge" fasziniert nur in ihrer stilistisch-klanglichen Mixtur

Und wieder regt niemand sich auf

Von unserem Redaktionsmitglied Stefan M. Dettlinger

Es bleibt schwierig. Da präsentieren die Schwetzinger Festspiele mit Bernhard Langs Musiktheater "Der Alte vom Berge" ein wirkliches Uraufführungswagnis, das in seiner musikalischen Radikalität und seiner postmodernen Klangcollage, in seiner politischen Aktualität und seiner sexuellen Obszönität bewegen, anstoßen oder gar schockieren könnte - und was herrscht am Ende? Einhellige Freude, herzlicher Beifall und eine Art Sich-selbst-und-die-Neue-Musik-Feiern, als ginge es nicht um die Sache, also das Werk und was es mitzuteilen hat, sondern um künstlerische Affirmation, um Publikumserfolg, um Musiktheater als Ort geistiger Flucht und emotionaler Sehnsucht.

Was ist geschehen? Wir erlebten ein Werk über den so genannten Assassinen-Orden, eine Art Gotteskrieger, eine Elite-Killertruppe, die der Herrscher Hassan i Sabah (11./12. Jahrhundert) züchtete und die in seinem Namen terroristische Anschläge verübte. Wir hörten eine Menge Musik, die mit einer Mixtur aus popmusikalischen Rhythmen, sphärischen Stimmungen und minimalistischen Wiederholungsschleifen hochgradig faszinierte und überraschte - und vom Radiosinfoniorchester samt Elektronik unter Rolf Gupta exzellent umgesetzt wurde. Wir hörten schließlich sechs wunderbare Stimmen, deren Miteinander besonders am Beginn des zweiten Teils im Rokokotheater eine neue Prägung des - sich seit Jahrzehnten in der Krise befindenden - aktuellen Operngesangs erahnen ließ.

Das Problem: Dies hätte gereicht, denn eine Geschichte gab es so wenig wie ein fassbares Libretto, dafür Episodisches und zu Erahnendes. Hier wurde inszeniert, was keiner Inszenierung bedurfte. "Der Alte vom Berge", das Synonym für Hassan, hat mehr von einem Oratorium als von einem Musiktheater, doch George Delnon, dessen gepflegte Arbeiten wir gerade hier in Schwetzingen schätzen gelernt haben, hatte die Aufgabe, trotzdem etwas zu erzählen. Er tat es in teils hyperästhetischen, teils filmisch-realistischen Bildern.

Dabei fing alles recht spannend an. Wir saßen im Kammermusiksaal des Schwetzinger Schlosses, wo der erste Teil des Abends gespielt wurde. Langsam kehrte Ruhe ein, als plötzlich ein alter Mercedes-Benz aus den 1970ern vor das Schloss rollte, aus dem seltsame schwarze Gestalten ausstiegen. Spannung. Unbehagen machte sich breit, ja, fast so etwas wie Angst. Ist das schon das Stück oder ein Überfall? Noch mehr Spannung. Doch was dann geschah, war eher albern. In einer Art James-Bond-Persiflage mit einem Hauch RAF-Ästhetik wurden Plattitüden aus dem Krimi-Genre durchdekliniert, Saddams Maske durfte die von George W. Bush küssen, die sechs multiplen Krieger ritzten sich die Pulsadern auf, schluckten Rauschgift und fuhrwerkten mit Papp-Wummen herum wie Kinder zur Fastnacht. Das war schon ziemlich lächerlich, und wäre nicht der schönklingende und rhythmisch akzentuierte Gesang von Ruth Weber (Sopran), Raminta Babickaité (Mezzo), des wunderbaren Daniel Gloger und Tim Severloh (Counter), Ekkehard Abele und Assaf Levitin (Bass-Bariton) gewesen - man hätte die Sache nur schwerlich hinnehmen können.

Der zweite Teil aber gelang Delnon deutlich besser, weil er sich im Bühnenbild von Roland Aeschlimann auf seine für ihn typische Bildersprache verließ und einen Raum der Träume schuf, der der Intention des Komponisten, die "künstlichen Paradiese" darzustellen, wohl sehr nahe kam. Hier erlebten wir auch einen Funken Narration. Hier fielen, unter dem massiven Einfluss von Drogen, die Hüllen, hier fand Sex statt, ja, eine wahre Orgie bis zu Sado-Maso-Spielchen und exzessiver Selbstbefriedigung - all dies verquickt mit einer modernen Form der Vokalpolyphonie, für die man sich wahrlich begeistern konnte. Die "künstlichen Paradiese" stehen natürlich für das, was Islamisten auch heute ihren Selbstmordattentätern versprechen: dass sie in ein himmlisches Reich kommen voller Milch, Honig und unbefleckter Frauen.

Es sind wirklich tolle Bilder, die hier gelingen, Bilder voller Unstofflichkeit, Irrealität, Traumhaftigkeit, und einen großen Anteil daran haben das Licht von Hermann Münzer und die Video-Projektionen von Christoph Schödel, die den Guckkasten-Würfel auf der Bühne mit spektakulären Licht-Effekten bespielen.

Dass Bernhard Langs komplexe Partitur nach einer Kette von aggressiv herausgeschrienen "Kills" am Ende mit einem Machaut-Madrigal über das preußische Pendant der Assassinen, die "Stecher" Kaiser Friedrichs des Großen, endet, scheint nur konsequent, denn nach der üppigen Klangflut, für die Lang sich reichlich am Kiosk der Postmoderne bediente, haben diese reinen Intervalle und Harmonien eine säubernde Wirkung. "Nichts ist wahr. Alles ist erlaubt", will Lang damit sagen. Das erinnert an das postmoderne "Alles geht". Aber ein Oratorium als Musiktheater zu inszenieren, das geht dann doch nicht.

 

WIESBADENER KURIER
23.05.2007

Satansmesse mit Pop-Soundtrack
Musiktheater "Der Alte vom Berge" in Delnons Inszenierung uraufgeführt

Von Volker Milch


Cool - Opernauftritt der etwas anderen Art zum Auftakt der Uraufführung.
Foto: Rittershaus

SCHWETZINGEN. Die Zeichen stehen auf Dekadenz. Rabenschwarz gekleidete Sänger mit gruftigem Teint entsteigen einem alten Benz, nähern sich dem Schloss, starren, bevor sie eintreten, durch die Scheiben in den Kammermusik-Saal. Hier hat sich das Publikum zum ersten Teil der Uraufführung von Bernhard Langs Musiktheater "Der Alte vom Berge" versammelt. Im Hintergrund, unter dem Kronleuchter, dirigiert Rolf Gupta Musiker des Radio-Sinfonieorchesters Stuttgart.

Langs Opus ist "für sechs Stimmen, elektrisches Orchester und Mehrkanalzuspielung" geschrieben. Georges Delnon inszeniert im Bühnenbild von Roland Aeschlimann - zusammen mit Marie-Thérèse Jossen (Kostüme) eine bewährte Konstellation, die aus Delnons Zeit als Mainzer Intendant bestens bekannt ist. Nun wird Schwetzingens alljährliche Novität mit Delnons neuem Arbeitsplatz koproduziert, dem Theater Basel.

Die Situation im Kammermusiksaal ist allerdings keine von der stadttheaterlich-gemütlichen Art. Zu dicht rücken die Sänger dem Publikum auf die Pelle, versammeln sich auf einem zentralen Tisch zum Table Dance und beschwören in einer spiritistischen Sitzung offenbar den Geist von Hasan-i Sabbah, dem Alten vom Berge, der die mörderischen Fidawis der mittelalterlichen Assassinen-Sekte zum blinden Gehorsam abrichtete. Aktuelle Islamisten-Bezüge beschränken sich szenisch auf eine Osama-Maske, die heftig mit George W. Bush knutscht. Überhaupt scheint sich Lang um politisch korrekte Ausgewogenheit zu bemühen: Am Schluss des Werks steht nämlich eine mittelhochdeutsche Dichtung, die von Kaiser Friedrich erzählt, der seinerseits Kinder zu mörderischen "Stechern" ausbilden lässt.

Da sind wir dann aber schon nach dem Umzug ins Rokoko-Theater im zweiten Teil, und mit einem "falschen Zitat" von Guillaume de Machaut geht es im Epilog so richtig retromäßig um einige Jahrhunderte zurück. Die Countertenöre Daniel Gloger und Tim Severloh tragen zur Aura alter Musik bei, stark gefordert neben Ruth Weber (Sopran), Raminta Babickaité (Mezzo), Ekkehard Abele und Assaf Levitin (Bassbariton).

Der für seinen Crossover-Stil bekannte, U- und E-Musik munter mischende Tonkünstler Lang, Jahrgang 1957, bedient sich aber vor allem aus jenen Jahrzehnten, die der reiferen Jugend seiner Generation womöglich als wilde Zeiten präsent sind - eine schrille Mixtur aus Computer-Sound, Pop, klassischem Instrumentarium und Countertenor-Arioso. Das Äquivalent zum musikalischen Allerlei ist das auf einer Internet-Recherche basierende Libretto, das statt traditioneller Dialoge ein Digital-Dada bietet, Bruchstücke zum Thema Hassan, Hasch und Houris aus dem globalen Internet-Bewusstseinsstrom. Da für Lang linear erzählte Geschichten eine "problematische Sache" sind, betreibt er deren Dekonstruktion - und der Regisseur muss sehen, was er aus Sinn-Fragmenten zusammenbastelt, damit das Publikum bei der Stange bleibt. Georges Delnon hat bereits in ähnlich heiklen Aufgaben wie Mark Andrés "...22,13..." oder Fredrik Zellers "Zaubern" großes Geschick bewiesen, und die Phantasie verlässt ihn auch dieses Mal nicht, wie die Konzeption des ersten Teils als spiritistische Sitzung einer Satanisten-Gruppe oder die Visualisierung des Paradieses im Theater zeigen.

Die ruchlose, allgemein mit Spannung erwartete Orgie erweist sich allerdings als vorabendtaugliche Leibesübung im hautfarbenen Trikot. Solche Schein-Nacktheit passt freilich auch wieder ins ästhetische Konzept, das im von William S. Burroughs zitierten Wahlspruch Hassans steckt: "Nothing is true, everything is permitted". Nichts also ist wahr, alles erlaubt. Das Publikum aber verhält sich konventionell-linear und klatscht brav für die tapferen Interpreten.

 

Esslinger Zeitung
21.05.2007

Der Alte vom Berge
Gefangen im Rhythmus der Loops: Bernhard Langs Musiktheater bei den Schwetzinger Festspielen uraufgeführt

Von Dietholf Zerweck

Schwetzingen. „Assassination! Assassination! Assassination!" skandieren die sechs schwarz gekleideten Sänger auf dem kreisrunden Tisch im Zirkelbau des Schwetzinger Schlosses, und die aggressiven Loops vom mit E-Gitarren und Synthesizer verstärkten Radio-Sinfonieorchester vervielfachen die Wiederholungs-Effekte der musikalischen Struktur. Man sitzt in vier Zuhörer-Blöcken in diesem ersten Teil von Bernhard Langs Musiktheater „Der Alte vom Berge", in konzentrischen Kreisen angeordnet um das spiritistische Zentrum wie bei einer Séance. Denn hier geht es am Anfang darum, die Geister eines gewissen Hasan-i-Sabbah und seiner Gefolgsleute zu beschwören, die im Mittelalter als orientalischer Assassinen-Orden das Handwerk des politischen Mordes betrieben.

Freiheitskämpfer oder Terroristen?

Darum geht es dem österreichischen Avantgarde-Komponisten in seinem nun in Schwetzingen uraufgeführten Stück nicht. Aus seiner Internet-Recherche über den „Alten vom Berge", bei der er auf Texte von William S. Burroughs, Fitz Hugh Ludlow, Aleister Crowley und Coleridge stieß, konstruierte er mit Hilfe eines Textcomputers ein Libretto, welches die gleichen Strukturen abbildet wie seine Komposition. Lang nennt das „Differenz/Wiederholung". Minimale Text- und Musikfloskeln werden ständig variiert und repetiert, woraus etwas Manisch-Zwanghaftes entsteht, was dem Gegenstand dieses Musiktheaters überaus angemessen ist. Dieses „loop-basierte" Musiktheater mit seinen maschinengewehrartig attackierenden, virtuos gesungenen und rezitierten Wortketten macht das Gefangensein, die Fixiertheit und das Verbohrtsein in einer Ideologie prägnant. Vor allem im ersten Teil. Er handelt vom Aufstieg Hasans, eines charismatischen Wahrheitssuchers, Asketen und religiösen Fanatikers, den Lang in manchen Szenen auch ironisch kommentiert.

„Nothing is true, everything is permitted" singen die Protagonisten angesichts ihrer eigenen Mythos- und Legendenbeschwörung. Blinder Gehorsam, Jenseitsverheißung und Rekrutierung zu Selbstmordattentätern sind Ziele des Hasan-Ordens, die meist vom Sechser-Kollektiv vorgetragen werden, aus dem sich einzelne Sänger auch solistisch artikulieren. Georges Delnons Inszenierung setzt dabei auf Interaktion und Gruppenzwang, lässt die Sänger auch mitten im Publikum agieren, bündelt sie aber immer wieder in der Mitte um und auf dem runden Tisch. Zu Beginn der Aufführung sind die Fenster zum Park noch offen, während des über Lautsprecher eingespielten elektronischen Wellensalats fährt eine Limousine vor, aus der die in schickes Schwarz gekleideten Gestalten steigen und lauernd wie Gangstertypen oder Untergrundkämpfer den Saal betreten. Ruth Weber (Sopran), Raminta Babickaité (Mezzosopran), Daniel Gloger und Tim Severloh (Countertenor, Ekkehard Abele und Assaf Levitin (Bassbariton) verkörpern das kantatenhaft arrangierte Material Bernhard Langs während dieser knapp einstündigen Performance, bei der Orchester in einem Nebenraum assistiert, mit grandioser singdarstellerischer Präsenz.

Ganz anders gestaltet sich der zweite Teil im Rokokotheater. Hier herrscht die gewohnte Aufführungssituation vor, mit dem RSO unter der vorzüglichen Leitung von Rolf Gupta im Orchestergraben und der aufwändigen, hinter einem transparenten Video-Screen hydraulisch beweglichen Bühne Roland Aeschlimanns. War zuvor nur in einer kurzen Maskenszene mit Bush und Osama Bin Laden als Spiel-Kontrahenten eine Assoziation angedeutet worden, so arbeitet Lang nun mit mehrschichtigen Analogien. Haschisch und Visionen von Xanadu, psychedelische Träume und Houris im Paradies, Sexgurus und Schwarze Messen werden zu einem Vexierbild von Gegenwart und Assassinen-Geschichte verquickt. Hier verliert die Musik ihre rhythmische und dynamische Präzision, wird teilweise romantisch eingefärbt und arios. Der Schluss erklingt im Parkett: wie ein betörendes Madrigal hat Bernhard Lang ein mittelhochdeutsches Gedicht über Friedrich II. und seine Jungknappen vertont, die am Kaiserhof zu „Stechern" trainiert werden und so das Mordhandwerk erlernen. So nah wie die Sänger dem Publikum hat Lang seinen Stoff vom orientalischen Ursprung ans Abendland gerückt.

 

Neue Merker
17. Mai 2007

Schwetzinger Festspiele
Bernhard Lang Der Alte vom Berge

Mit seiner 3.Oper hat sich der österreichische Komponist Bernhard Lang (Jg.'57) von der rein experimentellen Oper hin zu einer sehr statuarischen Handlungsoper bewegt. Wie Lang auch in einem Interview vor der UA betont, hat er Texte über den sog. Assassinenorden auf englisch aus dem Internet zusammengestellt, die sich wohl in erster Linie auf den islamistisch religiösen Führer Hasan-i Sabbah, der im 13.Jahrhundert im Vorderen Orient gelebt hat, beziehen. Dieser schart eine Gruppe junger Leute um sich, die er gezielt zum Töten ausbildet, um feindliche politische Führer auszuschalten. Bernhard Langs Musik dazu ist heterogen: Einerseits elektronische Musik auf eingespielten 'Samplern', andererseits (oft auch gleichzeitig) live Orchestergruppe (sehr gute Mitglieder des RSO Stuttgart) mit Gesang in einem weitgehend atonalen repetitiven, oft sehr schnellen Stil. Das Vokalsextett ist für 2 (Mezzo-)Soprane, 2 Countertenöre und 2 Bassnbaritöne geschrieben und hält illustre Aufgaben bereit. Der 1.Akt findet im Kammermusiksaal statt. Sechs schwarzgekleidete Personen entsteigen im Freien einer Limousine und streben der der Rotonde in der Saalmitte zu, wo sie in rituell und mit fast spastischen Bewegungen in ein Anrufen des Namen Hasan-i Sabbah verfallen und sich bis zur scharfen Akzentuierung des "Kill" in eine gewisse Rage singen. Sie erklimmen den runden Tisch, ritzen sich Pulse und Oberkörper (Mutproben) auf und ziehen sich Bush- und Bin-Laden-Masken über. Mit Messern werden Tötungsrituale angedeutet. Danach fordern sie das Publikum auf, mit ihnen ins Rokokotheater zu übersiedeln, auf dessen Bühne Roland Äschlimann eine bunt ausgeleuchtete, hinter Gazéschleier angedeutete aufsteigende Bühne gebaut hat. In diese setzt Regisseur Georges Delnon die mittlerweile "Fidawi", Jünger, den Freuden des Paradieses aus. Dabei kommen besonders die Männer der Gruppe auf ihre orgiastischen Kosten,wenn sie mit einer wie an einem Kreuz hängenden "Scharlachfrau" (Marie Kerkhoff), Geschlechtsverkehr simulieren. Die anderen 6 Jungfrauen werden in weit entfernter Stellung von Statistinnen in Ganzkörpermasken gegeben. Hier symbolisiert die Musik oft psychedelisch den Haschischrausch. In einem Epilog mit einem an Monteverdi gemahnenden Madrigal über Kaiser Friedrich, der Kinder zu 'Stechern' (Mörder ) ausbilden liess, schön und konzertant(!) gesungen, endet der Abend. Somit bleibt eigentlich in erster Linie die musikal. Gestaltung interessant, die unter dem Dirigenten Rolf Gupta, der mit seinem sicheren Schlag die intrikaten Rhythmen meisterhaft zusammenfinden liess. Ruth Weber ist ein ganz hoher gehaltvoller Sopran in der Art von Claudia Barainsky, Raminta Babickaité mit spielerischem Talent und sattem wohlklingenden Mezzo eine Hoffnung. Bei den Herren ragen der Countertenor Daniel Gloger und der Bassbariton Ekkehard Abele mit soignierter englischer Diktion heraus.

Friedeon Rosén

 

Schwäbische Zeitung
Mai 2007

Islamischer Terror im Rokokotheater der Schwetzinger Festspiele

Schwetzingen (dpa). Mit Beifall und vereinzelten Bravo-Rufen ist die Uraufführung des Musiktheaters "Der Alte vom Berge" im Rahmen der Schwetzinger Festspiele aufgenommen worden. In dem Stück für sechs Stimmen, elektrisches Orchester und Mehrkanalzuspielung des österreichischen Komponisten Bernhard Lang geht es um die Rekrutierung von islamischen Terroristen.

Ein schwarzer Mercedes hält vor dem Schwetzinger Rokokotheater. Sechs schwarz gekleidete Terroristen, darunter zwei Countertenöre und zwei Sopranistinnen, steigen aus dem Wagen und nehmen die in einem Nebenraum wartenden Zuschauer als musikalische Geiseln. Es geht um die sektiererische Gruppe der "Assassinen". Ihr historisch im frühen Mittelalter belegter Anführer Hassan-i-Sabbah plante im 11. Jahrhundert im heutigen Iran die Errichtung eines islamischen Gottesstaates. Dafür rekrutierte er wie Osama bin Laden von einer Bergfestung aus willfährige junge Männer und erzog diese zu bedingungslosen Kämpfern. Eingängig wird dabei auch die Rolle von fundamentalisierten Frauen und ihrem unbedingten Willen zum Terror dargestellt.

Per Gehirnwäsche, mit Blut-Ritualen und Drogenkonsum werden die "Assassinen" schließlich zu bedingungslosen Selbstmord-Attentätern programmiert. Dabei lernen sie im Rauschzustand das vermeintliche Paradies in Form einer Sex-Orgie kennen - eine Szene, die von Regisseur Georges Delnon eher langatmig und unbeholfen dargestellt wird. Die Terroristen können den Garten Eden, in dem nackte Jungfrauen auf sie warten, nur durch Selbstopferung erreichen.

Die zweistündige Inszenierung überzeugte durch ihre Aktualität und durchaus hörbare, eingängige neue Musik mit Percussion-Elementen ­ gespielt vom Radio-Sinfonieorchester Stuttgart unter Leitung von Rolf Gupta. Das Stück hatte jedoch immer wieder Längen. Außer den nur bedingt aufregenden orgiastischen Elementen hätte Bernhard Lang den Zuschauer beispielsweise durch einen Sich-musikalisch-in-die-Luft-sprengenden Terroristen noch mehr schockieren müssen. So konnte die absolute Bedingungslosigkeit der am Schluss wie normale Menschen gekleideten Gotteskrieger in der teilweise zu braven Inszenierung nur erahnt werden.

Islamischer Terror im Rokokotheater der Schwetzinger Festspiele

Schwetzingen (dpa) Mit Beifall und vereinzelten Bravo-Rufen ist die Uraufführung des Musiktheaters "Der Alte vom Berge" im Rahmen der Schwetzinger Festspiele aufgenommen worden. In dem Stück für sechs Stimmen, elektrisches Orchester und Mehrkanalzuspielung des österreichischen Komponisten Bernhard Lang geht es um die Rekrutierung von islamischen Terroristen.

Ein schwarzer Mercedes hält vor dem Schwetzinger Rokokotheater. Sechs schwarz gekleidete Terroristen, darunter zwei Countertenöre und zwei Sopranistinnen, steigen aus dem Wagen und nehmen die in einem Nebenraum wartenden Zuschauer als musikalische Geiseln. Es geht um die sektiererische Gruppe der "Assassinen". Ihr historisch im frühen Mittelalter belegter Anführer Hassan-i-Sabbah plante im 11. Jahrhundert im heutigen Iran die Errichtung eines islamischen Gottesstaates. Dafür rekrutierte er wie Osama bin Laden von einer Bergfestung aus willfährige junge Männer und erzog diese zu bedingungslosen Kämpfern. Eingängig wird dabei auch die Rolle von fundamentalisierten Frauen und ihrem unbedingten Willen zum Terror dargestellt.

Per Gehirnwäsche, mit Blut-Ritualen und Drogenkonsum werden die "Assassinen" schließlich zu bedingungslosen Selbstmord-Attentätern programmiert. Dabei lernen sie im Rauschzustand das vermeintliche Paradies in Form einer Sex-Orgie kennen - eine Szene, die von Regisseur Georges Delnon eher langatmig und unbeholfen dargestellt wird. Die Terroristen können den Garten Eden, in dem nackte Jungfrauen auf sie warten, nur durch Selbstopferung erreichen.

Die zweistündige Inszenierung überzeugte durch ihre Aktualität und durchaus hörbare, eingängige neue Musik mit Percussion-Elementen ­ gespielt vom Radio-Sinfonieorchester Stuttgart unter Leitung von Rolf Gupta. Das Stück hatte jedoch immer wieder Längen. Außer den nur bedingt aufregenden orgiastischen Elementen hätte Bernhard Lang den Zuschauer beispielsweise durch einen Sich-musikalisch-in-die-Luft-sprengenden Terroristen noch mehr schockieren müssen. So konnte die absolute Bedingungslosigkeit der am Schluss wie normale Menschen gekleideten Gotteskrieger in der teilweise zu braven Inszenierung nur erahnt werden.

 

Il giornale della musica
21 maggio 2007

Le mille facce di un mito

La seconda produzione operistica del Festival di Schwetzingen è dedicata alla figura e al mito di Hassan el Sabath, il Vecchio delle montagne. Bernhard Lang compone una partitura ed un libretto che nella complessa frammentarietà ipertestuale restituisce le mille facce del mito. Convincono sia la realizzazione scenica di Georges Delnon che quella musicale grazie alle ottime prestazioni dei solisti vocali e del complesso della Radio-Sinfonieorchester di Stoccarda.

Alla figura di Hassan el Sabath, il Vecchio delle montagne, e ai suoi uomini, gli Hashshashin, i fumatori di hashish, è dedicato l'ultimo lavoro del compositore austriaco Bernhard Lang, seconda produzione operistica del Festival di Schwetzingen 2007. Soggetto di studi storici ma anche di miti e leggende, Hassan el Sabath visse nella Persia del secolo XI. Parte del suo mito è legata all'uso di droghe che somministrava ai fedelissimi guerrieri per mostrar loro il paradiso e legarli così al loro patto di sangue. Fedele alla sua estetica del Teatro delle Ripetizioni, Lang costruisce un tessuto sonoro di microcellule tematiche ripetute e continuamente variate, che realizzano compiutamente l'idea di narrazione sincronica alla base della sua concezione teatrale nel complesso intreccio con un libretto costruito con frammenti testuali che attraversano la storia, omaggiano William S. Borroughs, e citano persino Bush e la sua guerra verbale a Osama Bin Laden, l'ultimo discendente di una generazione di mistici-guerieri come Hassan.

Diviso in due grandi blocchi più un breve epilogo, la prima parte racconta l'identità ed il mito con un ritmo incalzante e continuamente variato, mentre la seconda ("Il paradiso artificiale") indugia in una staticità estatica con richiami palesi ad un certo rock psichedelico anni '70. Georges Delnon sfrutta questa dualità, creando due ambienti distinti per il racconto: la Kammermusiksaal per la concretezza della prima parte dove il pubblico ascolta i frammenti della vita e del mito di Hassan disposto in circolo attorno ad un tavolo/scena, il teatro per le visioni paradisiache della seconda parte. Del tutto convincente la prova dei sei performers e del gruppo di strumentisti della Radio-Sinfonieorchester di Stoccarda diretti con perizia da Rolf Gupta.

Stefano Nardelli

 

diario
162007

All'Opera a Schwetzingen
Un bel vecchio
Dall'antica Persia a oggi con Bernhard Lang

di Gianluigi Mattietti

Sangue, droga, attentati terroristici. Materia esplosiva, come sempre, quella usata da Bernhard lang nella sua nuova opera, Der Alte vom Berge (Il vecchio della montagna). Materia che ha catturato e insieme scioccato il pubblico del Festival di Schwetzingen. L'opera rievoca la figura di Hasan ibn Sabbah (1034-1124), che diffuse nell'antica Persia la fede ismailita e che fu a capo della setra degli Assassini, un gruppo sciita di guerrieri fedelissimi, legati da un patto di sangue, abituati a drogarsi per vedere il paradiso prima di compiere efferate azioni omicide, mirate a colpire califfi e visir sunniti (lo stesso nome della setta al-Hasisyyun, secondo una controversa etimologia, potrebbe derivare dall’uso dell’hashish). Hasan conquistò anche la fortezza di Alamut (nelle montagne dell’Iran centro-occidentale) che divenne il suo quartier generale fino alla sua morte, avvenuta alla veneranda età di novant’anni. La sua vita è stata fonte di miti e leggende, raccontata da molti scrittori, la sua setta è stata considerata capostipite di tutti i gruppi di terrorismo islamico, Alamut fu distrutta dai mongoli nel 1256, ma si continuò a favoleggiare dei suoi giardini e delle sue biblioteche.

Lang ha scritto un libretto fatto di continue cesure, ripetizioni di parole, sillabe, fonemi: già quasi una partitura nella quale si mescolano testi medievali, frammenti di Borroughs, ma anche documenti della Cia, parole pronunciate da Bush e da Osama bin Laden (considerato discendente di quella stessa stirpe di mistici-guerrieri). Materia esplosiva, dicevamo, come la musica (per sei voci ensemble ed elettronica), scritta nel tipico stile duro e aggressivo del cinquantenne compositore austriaco, aperto a influenze molteplici, anche della musica techno e del rap.

La regia di Georges Delnon faceva di tutto per evocare da quelle storie antiche le moderne paure legate al terrorismo islamico e agli attentati suicidi, collocando le due parti dell’opera in due ambienti diversi: la prima parte, nella Kammermusiksaal, iniziava con l’arrivo dei sei cantanti a bordo di una Mercedes nera, figure punk che agivano al centro della sala (e a strettissimo contatto con il pubblico) mimando cruenti riti iniziatici (si sfregiavano a sangue con un pugnale, e mostravano vistose cicatrici), esibendosi in grottesche danze mascherati da Bush, da Osama, da clown (come dire che è un po’ la stessa cosa), sniffando coca, puntando pistole di cartone contro il pubblico, in un mix delirante di crudeltà ed estetica da cartoon; nella seconda parte (ll paradiso artficiale), rappresentata sul palcoscenico del Rokokotheater, tutto improvvisamente diventava più lento, visionario, psichedelico: un Eden stilizzato immerso in una lasciva penombra attraversata da bagliori rossastri, e da apparizioni di donne conturbanti avvolto da concertati vocali di grande seduzione armonica. Credibili scenicamente, molto volenterosi, anche se vocalmente acerbi, i sei giovani interpreti erano accompagnati dalla Radio-Sinfonieorchester di Stoccarda diretta con perizia da Rolf Gupta.