Schwetzinger Zeitung
26. April 2007

Stadt im Fahnenschmuck: Bühne frei für Festspielreigen
Heute Auftakt zur 56. Schwetzinger Festspielsaison / Weltweit größtes Radio-Festival für Klassische Musik

Von unserem Redaktionsmitglied Birger Weinmann

Vorhang auf - das Spiel kann beginnen! Mit der Premiere der Oper "Il Giustino" in einer Koproduktion der Schwetzinger Festspiele mit dem Grand Theatre National du Luxembourg erfolgt heute Abend im Rokokotheater der Auftakt zur 56. Schwetzinger Festspielsaison. Bis 10. Juni erwartet die Besucher ein Opern- und Konzertprogramm von höchstem Niveau - ganz im Zeichen der Schwetzinger Dramaturgie "Altes wiederentdecken, Neues initiieren, dem Nachwuchs eine Chance".

Die Schwetzinger Festspiele präsentieren seit nunmehr 55 Jahren Opern und Konzerte aus dem Rokokotheater und den Konzertsälen des Schlosses. Mehr als 35 Opernkompositionen wurden von den Schwetzinger Festspielen bislang in Auftrag gegeben und hier uraufgeführt. Die Liste der Komponisten liest sich wie ein "Who is Who" der Musikgeschichte seit 1945. Ob Hans Werner Henze oder Werner Egk, ob Udo Zimmermann, Aribert Reimann, Salvatore Sciarrino oder Adriana Hölszky, sie alle hinterließen mit ihren für Schwetzingen komponierten Werken deutliche Spuren in der Operngeschichte der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Größtes Radio-Festival

Neben dem Opernprogramm ist der Konzertbereich die zweite Säule der Festspiele. Kammer- und Orchesterkonzerte sowie Klavier- und Liederabende sind dabei wesentlicher Programmbestandteil. Weltstars stehen neben jungen, wenig bekannten Künstlern und Ensembles auf der Konzertbühne. Sängerinnen wie Jessye Norman, Cecilia Bartoli oder Teresa Berganza sangen schon in Schwetzingen, lange bevor sie zu internationalen Stars wurden. Durch den internationalen Programmaustausch der Rundfunkanstalten erleben nicht nur die Festspielbesucher das Schwetzinger Opern- und Konzertprogramm. Mit jährlich rund 700 Rundfunkausstrahlungen weltweit entstand das größte Radio-Festival für Klassische Musik.

"Der kulturelle Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erschöpft sich nicht allein darin, das Musikleben des Sendegebiets zu spiegeln, sondern auch Kunst zu initiieren, in Auftrag zu geben und eigene Akzente zu setzen. Die Schwetzinger Festspiele sind ein vitales Beispiel öffentlich-rechtlichen Kulturengagements", unterstreicht der Leiter der Schwetzinger Festspiele, Bernhard Hermann, die besondere Bedeutung des Kulturreignisses auch für den ausrichtenden Südwestrundfunk.

"Es ist seit langem mein Wunsch, für die nordeuropäische Musik eine Lanze zu brechen", erläutert Festspiel-Geschäftsführer Peter Stieber die Intention für die Konzertreihe "Nordische Welten". Stieber, der zugleich als Leiter des Konzertprogramms firmiert, sieht im 100. Todestag des Norwegers Edvard Grieg und 50. Todestag des Finnen Jean Sibellus den äußeren Anlass, sich in der Saison verstärkt dem Norden zuzuwenden. "Gehen Sie mit uns auf Entdeckungsreise und seien Sie offen für neue Anregungen", macht Peter Stieber im Gespräch mit unserer Zeitung Musikfreunden Lust, bei den elf Konzerten des Zyklus mehr als 20 Komponisten aus nordischen Ländern kennen zu lernen.

Darüber hinaus werden die Schwetzinger Festspiele auch in diesem Jahr ihrem Ruf als Forum junger Künstler gerecht. Dies unterstreichen sechs Matinee-Konzerte "Vier plus zwei" und natürlich die 18. Woche der Begegnung junger Musiker - heuer mit dem Gastland Finnland.

Und für all jene, denen Klassik pur nicht prickelnd genug ist, empfiehlt Bernhard Hermann von der Festspielleitung die "Grenzgänge" als ideale Ergänzung: Percussion mit Peter Sadlo, Weltmusik mit Triology, Posaunen-Sound mit Christian Lindberg und eine barocke Geisterfahrt mit den Red Priests bieten wahrlich Nichtalltägliches.

Festspielgewand angelegt

Die kulturhistorisch bedeutende Theater- und Landschaftsarchitektur des Schwetzinger Schlosses mit den historischen Konzertsälen, dem einzigen im Zeitstil der Erbauung erhaltenen Hoftheater in Deutschland und der weitläufigen Parkanlage geben den Festspielen natürlich ihr einmaliges Ambiente. Tausende von Besuchern lassen sich alljährlich von diesem besonderen Flair beeindrucken.

Rechtzeitig zum heutigen Festivalauftakt hat sich auch die Stadt herausgeputzt, wie Wolfgang Leberecht vom Amt für Wirtschaftsförderung erklärt. Leberecht verweist auf den neuen und einheitlichen Fahnenschmuck am Bellamar, Rondell, Palais Hirsch, an der Carl-Theodor-Brücke sowie zwischen Rathaus und "Adler Post", mit der die Stadt ihr Versprechen einlöste, das sie bei der Informationsveranstaltung zu den Festspielen im Palais Hirsch gegeben hat.

Bleibt zu hoffen, dass auch das eine oder andere Geschäft in der Innenstadt noch mitzieht und seine Schaufenster festspielmäßig dekoriert. Gute Beispiele sind willkommen und gerne gesehen, wie Vertreter der Stadtverwaltung und der Festspielleitung bereits im Vorfeld des großen Kulturereignisses unisono zum Ausdruck brachten.

 

SWR2
März 2007

Giovanni Legrenzi Il Giustino

Die Geschichte Giustinos schildert einen jener sagenhaften Aufstiege vom Bauern zum Kaiser, wie sie nicht nur im Märchen, sondern manchmal sogar tatsächlich vorkommen. Der Werdegang Kaiser Justins I. ist so eine wahre Begebenheit: Der arme Bauer Justinos wurde Soldat in Byzanz, stieg zum Befehlshaber der Palastwache auf und nutzte nach dem Tode des Kaisers Anastasios I. eine höfische Intrige, um sich selbst krönen zu lassen.

Der literarisch versierte venezianische Anwalt Nicolò Beregan, der mehrere Libretti schrieb, hat diesen Stoff zum Opernlibretto geschmiedet, indem er die Geschichte um zahlreiche Nebenhandlungen voller Liebe, Gefahr und Verwirrung, Götter und Ungeheuer bereicherte.

"Il Giustino" wurde zum spektakulären Theaterereignis: Zum einen, weil die Vielfältigkeit der Bühnenbilder, die vom Ochsengespann bis zum Hofball reichten, eine pomphafte Ausstattung und den umfangreichen Einsatz der Bühnenmaschinerie ermöglichten. Und vor allem aber auch durch die Musik des schon zu Lebzeiten berühmten venezianischen Barockkomponisten Giovanni Legrenzi (1626 bis 1690), dessen Instrumentalwerke später sogar Johann Sebastian Bach intensiv studierte. So gab es in den Jahren nach der venezianischen Uraufführung von 1683 zahlreiche Aufführungen der Oper in ganz Italien. Alessandro Scarlatti richtete sie sogar für eine neapolitanische Aufführung neu ein. Und noch im 18. Jahrhundert gehörten Arien aus "Il Giustino" zu den beliebtesten Vorsingstücken um Anstellung bemühter Sänger.

Für Legrenzi war "Il Giustino" eine der letzten Opern (und seine letzte vollständig erhaltene), da er nach seiner Berufung als Erster Kapellmeister an San Marco im Jahre 1685 keine Bühnenwerke mehr komponierte. Dieses Alterswerk zeichnet sich durch eine große Formenvielfalt der Arien aus, sowie vor allem durch die Verstärkung der instrumentalen Mittel, durch die Legrenzis Musik so lebendig wirkt. Bereits im Jahre 2000 stellte Thomas Hengelbrock bei den Schwetzinger Festspielen mit "La divisione del mondo" eindrucksvoll unter Beweis, wie viel Esprit und Spannung in den Opern Giovanni Legrenzis steckt.

 

 

Thomas Hengelbrock im Interview
Il Giustino: "Platz für wunderbare Ausgrabungen und Raritäten"

Thomas HengelbrockDer Dirigent Thomas Hengelbrock übernahm bei den Schwetzinger Festspielen  bereits für neun Opernproduktionen die musikalische Leitung. Mit dem von ihm -gegründeten Balthasar-Neumann-Ensemble hat er in Vergessenheit geratene Opernraritäten wie "La Didone" von Francesco Cavalli und "Telemaco" von Alessandro Scarlatti aufgeführt.

2007 wird die von Ihnen bearbeitete Fassung von "Il Giustino" aufgeführt. Wie kann man sich die "Ausgrabung" dieser Barockoper von Giovanni Legrenzi vorstellen?

Es gibt zwei Partituren dieses Werks, eine venezianische Urfassung von Legrenzi und eine neapolitanische Version seines Schülers Alessandro Scarlatti. Scarlatti hat die Partitur geändert, eigene Arien hineingesetzt oder Dinge entfernt. Wir haben beide Werke neu ediert, Teile ergänzt, beispielsweise dieOrchesterritornelle, von denen nur die Bassstimme und winzige Bruchstücke der anderen Stimmen erhalten sind. Gelegentlich konnten wir auf Scarlatti zurückgreifen, oft mussten wir rekonstruieren, um eine spielbare Partitur herzustellen. Jetzt aber haben wir uns entschlossen, Legrenzis Erstfassung aufzuführen – ohne die Einfügungen von Scarlatti.

Was ist das Besondere, das Innovative an Legrenzis Kompositionen?

Der "Giustino" von Legrenzi war eine ungeheuer populäre und von sehr vielen Komponisten geschätzte Oper, die in ganz Europa nachgespielt wurde. Dieser Erfolg hat dazu geführt, dass viele andere Komponisten wie Händel oder Vivaldi den Text vertont haben. Allerdings hat keine der nachfolgenden Kompositionen auch nur annähernd die Popularität von Legrenzis  "Giustino" erreicht. Legrenzi ist sicher stilistisch als ganz wichtiges Bindeglied zwischen Monteverdi und Händel einzuordnen. Er hat Komponisten wie Scarlatti und Händel den Boden bereitet. Ein Musikwissenschaftler, der um 1910 auf Legrenzis Partituren stieß, rief vor Begeisterung: "Legrenzi ist doch der Puccini des Barock." In der Tat ist er ein Genie der Melodie, der wie kaum ein anderer Barockkomponist für die menschliche Stimme schreibt und sich alle technischen Möglichkeiten der Stimme zu Nutze macht.

Sie arbeiten in Schwetzingen immer mit Ihren eigenen Ensembles. Welche Vorteile hat das?

Eine Oper von Giovanni Legrenzi kann man nur mit einem Orchester wie dem Balthasar-Neumann-Ensemble aufführen. Sie brauchen so viele historische Instrumente: Harfen, Lauten, Theorben, Gamben. Es würde wenig Sinn machen, Legrenzi mit einem modernen Instrumentarium zu spielen. Man könnte nicht so tief in das Werk eindringen. Ansonsten arbeite ich natürlich schon mit anderen Orchestern und Opernhäusern. Gerade habe ich den "Idomeneo" in Paris gemacht. Aber das Balthasar-Neumann-Ensemble ist Hingabe, der bedingungslose Einsatz der Musiker für das, was sie tun. 

Ziel des Schwetzinger Schulprojekts ist, jungen Musikhörern die Tür zur Welt der Klassik zu öffnen. Was bedeutet Ihnen die Arbeit mit Schülern?

Ich glaube, dass es sehr wichtig ist, – und mir persönlich macht es auch immer wieder sehr großen Spaß – das, was wir tun, auch an die nächste und die übernächste Generation weiterzugeben. Bei dem katastrophalen Zustand des Musikunterrichts an deutschen Schulen ist es nötig, dass wir Musiker selbst die Initiative in dieser Richtung ergreifen. Meine Erfahrung ist, dass es uns möglich ist zu zeigen, mit welcher Intensität, Lust und Leidenschaft man heute klassische oder allgemein alte Musik spielen kann, dass das genauso fetzig und zum Teil auch ausgeflippt ist wie eine moderne Popgruppe, wie die Toten Hosen etwa. So nehmen wir den Schülern die Berührungsängste, die sie mitbringen.

Sie haben bereits neun Opern in Schwetzingen aufgeführt. Was verbinden Sie mit Schwetzingen?

Sozusagen als "Artist in Residence" habe ich ein besonderes Verhältnis über die elf Jahre zu Schwetzingen entwickelt. Ich bin sehr froh, dass es einen Platz in der deutschen Opernlandschaft gibt, wo es möglich ist, solche wunderbaren Ausgrabungen und Raritäten vorstellen zu können wie "La divisione del mondo" oder "Il Mitridate" oder wie jetzt Legrenzis "Il Giustino".

 

Schwetzinger Zeitung
27. April 2007

140 Stunden Hörvergnügen voller Energie
Wie Komponist Bernhard Lang und Regisseur Nicolas Brieger ihre Festspiel-Premieren sehen

Von unserer Mitarbeiterin Sibylle M. Derr

"Absolut energetisierend" empfand es der österreichische Komponist Bernhard Lang sein Musiktheater "Der Alte vom Berge" zu schreiben, das bei den gestern begonnenen Schwetzinger Festspielen seine Uraufführung am 17. Mai im Rokokotheater feiern wird. Die Geschichte um eine mittelalterliche orientalische Sekte, die aus ideologischer Sicht politische Morde verübte, habe ihn schon seit Jahren beschäftigt, erzählt der mehrfach ausgezeichnete zeitgenössische Komponist den Journalisten bei der Pressekonferenz gestern Nachmittag. Danach wurden die Festspiele dann mit der Oper "Il Giustino" eröffnet.

Angeregt durch Prof. Klaus-Peter Kehr, der zusammen mit dem Leiter der Festspiele, Bernhard Hermann, die Pressekonferenz moderierte, bekannte Lang, dass es "eine absolute Notwendigkeit auch in der neuen Oper zu singen" gäbe. Diese Texte besäßen eine Intention, "sie wollen sich aussprechen und aussingen". Lang sprach von einem emotionalen Transport.

Das größte Radio-Klassikfestival der Welt, das auf allen fünf Kontinenten ausgestrahlt wird und mit seinen zwei Opernproduktionen und 38 Konzerten sogar noch Salzburg an die Wand spielt, wird 85 bis 90 Stunden im Radio und etwa 49 Stunden lang im Fernsehen zu erleben sein. Zum Auftakt des Festivals der Superlative, das dieses Jahr im Zeichen nordischer Welten und des Baltikums steht, feierte gestern Abend die Aufführung von Giovanni Legrenzis "Il Giustino" Premiere.

Eigentlich könne auch hier von einer Uraufführung gesprochen werden, meinte Kehr. Denn nach 324 Jahren wird die Oper zum ersten Mal wieder gespielt. Warum ist diese Oper so erfolgreich? Für Nicolas Brieger, den Regisseur der Oper, die einen venezianischen Hintergrund hat, ist es das uralte Thema von Gewalt und Leidenschaft. Er erwähnte den barocken Vanitas-Begriff, der die Vergänglichkeit alles Irdischen besonders im 17. Jahrhundert spiegelt. Die Kampfmaschine "Giustino" verglich Brieger mit dem modernen Menschen, der unter allen Umständen Karriere anstrebt. So ist es bezeichnend, dass Giustino erst im Abstieg und in der Schwäche beginnt, menschliche Regungen und Gefühle zu entwickeln. Er gewinnt an "Zartheit und Schönheit in dem Moment, wo er beginnt, eine Frau zu lieben."

Peter Stieber, der Geschäftsführer der Festspiele und künstlerische Leiter im Sektor Konzerte, stellte die 38 Konzerte, die 2007 geboten werden, in einen Rahmen von acht thematischen Blöcken. Er freute sich besonders, dass er dieses Jahr die Geigenlegende Gidon Kremer (60) gewinnen konnte. Als einer der vielen musikalischen Leckerbissen darf wohl das Konzert der "Cappella Gregoriana Di Venezia" am 31. Mai im Dom zu Speyer gelten. Es stehen gregorianische Choräle und Musik von Claudio Monteverdi auf dem Programm, "also Musik, die ursprünglich für den Markusdom komponiert wurde", so Stieber. Andrea Marcon, dem die Leitung obliegt, will mit dem Nachhall von zehn Sekunden, der bei dem romanischen Bauwerk aus dem 11. Jahrhundert typisch ist, spielen.

Zur Woche der Begegnung junger Musiker in der zweiten Maihälfte werden dieses Jahr junge Finnen eintreffen. Schwetzingen und Deutschland würden bei den jungen Menschen immer in guter Erinnerung bleiben, weiß Stieber aus Erfahrung.

 

Schwetzinger Zeitung
25. April 2007

Spaßvogel und Tollpatsch schnell ins Herz geschlossen
150 Schüler besuchen Orchesterhauptprobe von "Il Giustino" bei den Schwetzinger Festspielen / Schüler loben "Action"

Von unserer Mitarbeiterin Sibylle M. Derr

Eine Probe ist nicht dazu da, dass alles glatt verläuft. Bis zum zweiten Teil der Orchesterhauptprobe von Giovanni Legrenzis "Il Giustino" im Rokokotheater, hatte man zwar das Gefühl, dass Unvorhersehbares aus der Perfektion des Opernalltags seit langem getilgt ist. Und dann passierte es, das kleine Malheur, als keiner mehr daran dachte. Il Brillo (Thomas Stache), der schmalzlockige echte Tollpatsch im Elvis Presley-Verschnitt, stieg im letzten Akt mit einem Tablett voller gefüllter Sektgläser von der Bühne und verteilte die perlende Köstlichkeit an die Honoratioren der Opernproduktion. Doch da stolperte der Spaßvogel, den vor allem die Fünftklässler des Hebelgymnasiums so in ihr Herz geschlossen hatten, weil er die vierstündige Aufführung um heitere Momente bereicherte und das kühle Nass stürzte zu Boden. Ein Musiker des Balthasar Neumann Ensembles aus der hinteren Orchesterreihe echauffierte sich: "So etwas kann er doch nicht machen! Da werden doch die Noten nass!" Aber sei's drum.

Die Sektgläser waren nur aus Plastik und nass wurde nur der Boden. Eine so spritzig begossene Orchesterhauptprobe muss ja erfolgversprechend sein. Für die rund 150 Schüler, die der ersten Probe mit Kostümen und Requisiten am Montagnachmittag beiwohnten, war es jedenfalls ein Highlight. Eines, das dank der BASF, die das Projekt "Oper macht Schule" seit Jahren sponsort, noch lange im Gedächtnis haften wird.

Von den sechs Gymnasien aus der Region, die ihre Schüler entsandt hatten, nahmen je 36 vom Hebel-Gymnasium Schwetzingen und vom Carl-Friedrich-Gauss-Gymnasium Hockenheim teil. Vor allem die Fünftklässler waren in ihrem Element. Sie fanden es voll cool, dass ein Ungeheuer darin vorkam und dass es dank Brillo einiges zu lachen gab.

Die Musik der Oper, seit mehr als 300 Jahren nicht mehr gespielt, gefiel ihnen sehr und sie könnten sich durchaus vorstellen, Barockopern auch daheim zu hören. Verwirrend fanden sie allerdings, dass manche Männer "so komisch hoch singen" wie der Countertenor Terry Wey in der Rolle des Andronico und Frauen als Männer verkleidet auftreten. Lukas fand es schön, dass das Kaiserpaar am Ende des ersten Teils wieder zusammenfand.

Die Zwölftklässler des Hebel-Gymnasiums lobten, dass "die Oper inhaltlich relativ modern rüberkommt", dass es nicht zu bierernst zugeht, sondern auflockernde Szenen vorhanden sind, dass es, und darin stimmten sie mit den Fünftklässlern überein, recht viel Action gab. Wie schon Hengelbrock erläuterte, waren Opern im Barock zum Amusement gedacht, man aß und unterhielt sich währenddessen und nicht selten flog mal ein Hühnerknochen in Richtung Bühne, wenn einem etwas nicht passte. Ältere, vor allem gut situierte Herren nutzten die Gunst der Stunde, um mit Damen Verabredungen zu treffen, manch' ein Paar verschwand nach einer Stunde in ein dahinter liegendes Separée. Die von Thomas Hengelbrock, dem musikalischen Leiter der Produktion, in das Werk eingeführten Schüler fanden diese venezianische Oper in italienischer Sprache durchaus unterhaltsam, also ganz in ihrem barocken Lebensgefühl wiedergegeben. Allerdings, das meinte Maximilian, gebe es Momente, die á la Hollywood wirkten, also ein wenig kitschig waren.

Andronico etwa, der in bonbonfarbenen Kleidchen, hohen grünen Schuhen und Handtäschchen auf die Bühne kommt, Eufemia (Delphine Galou), die mit ihrem knappen pinkfarbenen Kleidchen, den schwarzen Netzstrümpfen und roten Stiefeletten im Moulin Rouge besser aufgehoben wäre.

Der Bauer Giustino, wörtlich der "Gerechte", wird trotz tugendhaften Benehmens und heldenhafter Taten mehrfach in ein Strichmuster von Intrigen geschleust, aus dem ihm am Ende nur eine höhere Macht befreien kann. Eine wunderbare Geschichte um Liebe, Eifersucht, Rache und Verrat, die heute so aktuell ist wie ehedem. "Man darf auf der Sonne keine Flecken vermuten", muss Anastasio am Ende seinen Irrtum erkennen.

Das Libretto des venezianischen Anwalts Niccoló Beregan steht exemplarisch für den Metaphernreichtum barocker Lyrik. Die Oper ist gespickt mit poetisch verpackten Weisheiten, die sich wie ein Anleitung zum Glücklichsein begreifen lassen. "Am Unglück schärft sich die Tugend", erfährt man da, oder "Nur der wird glücklich, der Fortuna festhält".