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21.02.2007

Oper Frankfurt, 4. März 2007
Wolfgang Amadeus Mozart Le Nozze di Figaro

Mit Le nozze di Figaro bewies Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) ein großes Maß an politischer Kühnheit: Wurde doch die literarische Vorlage des Werkes, Beaumarchais’ La folle journée, ou Le mariage de Figaro, nicht nur in Frankreich, sondern auch in Wien verboten.


v.l.n.r.: Jenny Carlstedt (Cherubino; hinter dem Stuhl), Johannes Martin Kränzle (Graf Almaviva), Miah Persson (Susanna) (Bild: Monika Rittershaus)

Dabei hatte der Librettist Lorenzo da Ponte mit diplomatischem Geschick die politische Brisanz des Stoffes entschärft. Als die Oper am 1. Mai 1786 am Wiener Burgtheater uraufgeführt wurde, war die Wirkung zwar nicht mehr ganz so revolutionär wie die des Originals – ein Affront gegen den Adel war sie jedoch allemal. Die Adaption spiegelt eine zeitlos gültige, menschliche Komödie, die zunächst aus besagten Gründen auf Ablehnung stieß, allmählich aber zu einer der beliebtesten Mozart-Opern aufrückte.

Zum Inhalt: Als das Diener-Paar Figaro und Susanna heiraten möchte, pocht deren Dienstherr, Graf Almaviva, auf das „Recht der ersten Nacht" mit der Braut. Damit bringt er nicht nur die Verlobten, sondern auch die eigene Gattin Rosina sowie fast alle Schlossbewohner gegen sich auf. Was folgt ist ein Tag voller Intrigen, Verkleidungen, Verwirrungen und Irrungen, an dessen Ende der Graf das Nachsehen hat ...

Die musikalische Leitung dieser Neuinszenierung liegt bei der Britin Julia Jones, die sich in Frankfurt bereits als Dirigentin von Mozarts Entführung aus dem Serail (2003) und Finta semplice (2006) vorgestellt hat. Letzte Gastengagements führten sie u.a. an die Opernhäuser von Wien und Stuttgart. Auch der Regisseur Guillaume Bernardi ist am Main kein Unbekannter: Im Bockenheimer Depot inszenierte er Haydns Isola disabitata (2003) und Neikrugs Through Roses (2006). Maria Fontosh, ehemaliges Ensemblemitglied, kehrt als Gräfin nach Frankfurt zurück, wo die Russin in der vorigen Saison als Marie in der Verkauften Braut erfolgreich war. Miah Persson, dem Frankfurter Opernpublikum als Gouvernante in Brittens Turn of the Screw (2002) bekannt, singt die Susanna. In dieser Partie führten sie letzte Gastengagements an die Berliner Staatsoper und das Royal Opera House in London. Gäste sind auch Birgit Schmickler als Alternativbesetzung der Marzelline sowie Kammersänger Carlos Krause als Antonio. Alle weiteren Partien sind mit Ensemblemitgliedern der Oper Frankfurt besetzt, darunter Simon Bailey als Figaro. Zudem alternieren Johannes Martin Kränzle und Michael Nagy als Graf Almaviva sowie Jenny Carlstedt und Annette Stricker als Cherubino.

 

Franfurter Neue Presse
26.02.2007

„Mozart bringt ganz normale Menschen auf die Bühne"
Am 4. März hat „Figaros Hochzeit – Le nozze di Figaro" an der Oper Frankfurt Premiere. Regie führt Guillaume Bernardi.

Von Birgit Popp

Für die musikalische Leitung kehrt Julia Jones ans Pult des Museumsorchesters zurück. Ein wichtiger Baustein in der Karriere der britischen Dirigentin war 2003 die Frankfurter Neuinszenierung von Mozarts „Die Entführung aus dem Serail". Im vergangenen Jahr oblag Jones in Zusammenarbeit mit dem Regisseur Christof Loy auch die musikalische Leitung bei Mozarts „La finta semplice" in Frankfurt.

Die berufliche Laufbahn der Dirigentin ist nach dem Abschluss ihrer Ausbildung in London eng mit Deutschland verbunden. Erste Engagements führten sie an die Oper Köln, das Stadttheater Ulm, das Staatstheater Darmstadt und nach Stuttgart. Mittlerweile erhält Jones, die von 1998 bis 2002 Chefdirigentin der Basler Oper war, Einladungen bis hin nach Amerika und Australien, und sie ist häufiger Gast an international renommierten Häusern wie der Wiener Staatsoper.

Neben Verdi ist einer der Schwerpunkte ihrer Arbeit Mozart: „Ich möchte ungern auf einen Komponisten festgelegt werden, aber sicherlich ist es so, dass meine Dirigate der Werke von Mozart sehr viel Aufmerksamkeit in den letzten Jahren gefunden haben. Am Anfang meiner Laufbahn habe ich viel mehr Verdi gespielt. Ich liebe Verdi sehr, aber auch Wagner und Puccini sowie Händel. Bei Mozart fühle ich mich sehr wohl, und ich dirigiere nicht nur seine Opern, sondern auch seine Sinfonien sehr gerne."

An Mozarts Opern fasziniert Julia Jones sowohl die Musik als auch der Inhalt: „Mozart war ein sehr offener Mensch, und er hat meist wie in ,Le nozze di Figaro‘ sehr ‚normale Menschen‘ dargestellt. Musikalisch ist er in der Lage, mit sehr einfachen Mitteln eine große Wirkung zu erzielen und große, intensive Gefühle auszudrücken. In die Melodie legt er dabei sehr viel Seele. Manchmal ist es sogar nur ein einziger Ton, mit dem er sehr viel aussagt, wie in ‚Die Entführung aus dem Serail‘ mit der Oboe am Beginn der Konstanze-Arie ‚Ach, ich liebte‘. Er besitzt eine einfache Art und Weise, in Musik Menschliches auszudrücken, was man nicht mit Worten beschreiben kann."

Obwohl Mozarts Librettist Lorenzo da Ponte bereits geschickt den politischen Sprengstoff in Beaumarchais’ literarischer Vorlage „Der tolle Tag" entschärft hatte, war die Kritik am Adel dennoch unüberseh- und -hörbar. „Ich denke, Mozart ist eine absolut geniale Mischung aus Dramaturgie und Musik gelungen, die die Zuhörer über dreieinhalb Stunden fesselt und die mit viel Finesse, mit vielen Einfällen, genialem Text und genialer Orchestrierung unterschwellig doch diese Revolution zeigt. Weniger in direkten Textpassagen als durch Töne zwischen den Zeilen und mit der Intonation der Worte, damit meine ich, wie die Worte betont sind, wie die Farbe eines Textes ist und wie Mozart dies mit dem Orchester umsetzt." Als Beispiel dafür nennt Jones jene Arie des Grafen „Se vuol ballare, Signor Contino", die als Menuett sehr ironisch interpretiert werden könne.

Zur Begleitung der Rezitative wird die studierte Pianistin ein Hammerklavier statt eines Cembalos einsetzen. „Mozart hat selbst beides benutzt. Dort, wo es geht, ziehe ich das Hammerklavier dem Cembalo vor, denn es besitzt mehr Farben", sagt sie. Eine weitere Besonderheit wird es im Frankfurter Orchester geben: „Wir werden, was unüblich für das normale Repertoire-Theater ist, auf Naturtrompeten und Naturhörnern spielen. Wir genießen in Frankfurt den Luxus, im Orchester Musiker zu haben, die diese Naturinstrumente spielen können. Der Klang der modernen Instrumente ist verschönert, weicher und großzügiger. Die alten Instrumente besitzen dagegen einen durchsichtigeren, bissigeren Klang, der besser durchgreift. Es ist eine ganz andere Klangwelt."

Mit Simon Bailey als Figaro, Johannes Martin Kränzle und Neuzugang Michael Nagy alternierend als Graf Almaviva, Jenny Carlstedt beziehungsweise Annette Stricker als Cherubino und Britta Stallmeister im April 2007 als Susanna ist neben dem ehemaligen Ensemblemitglied Maria Fontosh als Gräfin Almaviva und dem Gast Miah Persson als Susanne ein Großteil der Hauptpartien bei der Premiere mit Frankfurter Ensemblemitgliedern besetzt. „Es ist eine fantastische Besetzung", schwärmt Julia Jones. „Das ist das Schöne an Mozarts Opern, dass man sie oft mit Sängern aus dem eigenen Haus besetzen kann. Mozart zu singen, ist sehr gesund für die Stimme. Es pflegt die Stimme, aber es ist durchaus viel schwieriger, als es klingt. Bei Mozart hört man einfach alles, auch die kleinsten Fehler!"

 

Franfurter Neue Presse
03.03.2007

Figaros hochpolitische Hochzeit

Mit „Le nozze di Figaro" bewies Mozart ein großes Maß an politischer Kühnheit, denn die literarische Vorlage des Werks, Beaumarchais’ „La folle journée, ou La mariage de Figaro" wurde seinerzeit nicht nur in Frankreich, sondern auch in Wien verboten. Librettist Lorenzo da Ponte hatte den Stoff zwar entschärft, aber bei ihrer Uraufführung am 1. Mai 1786 am Wiener Burgtheater war die Mozart-Oper immer noch ein Affront gegen den Adel: Graf besteht bei Hochzeit seines Dienerpaars auf das „Recht der ersten Nacht" bei der Braut. Die musikalische Leitung der Frankfurter Neuinszenierung hat Julia Jones, Regisseur ist Guillaume Bernardi.

 

Frankfurt Rundschau
03.03.2007

Passt perfekt
Sopranistin Miah Persson vor der Frankfurter "Figaro"-Premiere


"Ich dachte, die Leute wollen mich anhören, nicht anschauen", sagt Miah Persson. (FR)

Frankfurter Rundschau: "So schön sind die Divas von morgen!" war kürzlich eine Bilderfolge in der Zeitschrift "Bunte" überschrieben, und Sie waren da als Nummer eins gezeigt bei den Verfolgerinnen der Super-Diva Anna Netrebko. Wie wichtig, Frau Persson, ist es denn für eine junge Sopranistin, schön zu sein?

Miah Persson: Ich kann nur sagen: Darum kümmere ich mich kein bisschen. Es ist einzig wichtig, eine gute Sängerin und eine gute Darstellerin zu sein.

Nun, dass Sie sich nicht darum kümmern, ist nur die halbe Antwort. Eine Marktbedeutung hat Aussehen wohl trotzdem.

Ich sehe nun einmal so aus, wie ich aussehe. Wenn den Leuten das gefällt, umso besser. Es ist natürlich angenehmer, die Nummer eins der gutaussehenden Sopranistinnen zu sein als die Nummer eins der schlechtaussehenden. Es ist jedenfalls eine Schande, dass dem Aussehen solch eine Bedeutung zukommt in unserem Fach, in dem es doch um ganz andere Qualitäten gehen sollte. Aber es passt in die Zeit: Alles ist heute derart fixiert auf Äußerlichkeiten, darauf, ob man dick oder dünn ist, auf Überflüssigkeiten eben.

Aber gutes Aussehen verkauft sich gut, auch in der Klassik. Nehmen Sie die aktuelle Klassik-CD-Bestseller-Liste: Die ersten 17 Alben zeigen das Gesicht der Künstlerin oder des Künstlers. Früher wurde auch mal abstrakt bebildert, mit einem Gemälde etwa - heute geht alles über die Person. Die Person scheint wichtiger zu sein als die Musik. Unterscheidet sich hier die Klassik überhaupt noch vom Pop-Business?

Ach, das mit den Bildern auf den CDs finde ich eigentlich eine gute Sache. Im heutigen Überangebot an klassischen CD-Aufnahmen findet man über das Foto schneller, was man sucht. Ich denke, die Leute kaufen die CDs doch noch wegen der Musik, nicht wegen der Hübschheit des "pretty girl" auf dem Cover. Oder ich hoffe es zumindest. Hm, ich dachte, die Leute wollen mich anhören, nicht anschauen.

Letzten Sommer war in Salzburg jeder überrascht, wie sehr eine Diva wie Anna Netrebko sich doch als gar nicht Diven-hafte Ensemblesängerin einbringen konnte, als sie die Susanna sang in Mozarts "Figaro". Susanna und Diva - geht das nicht zusammen?

Händel, Haydn oder Mozart bieten nie diese Bravoura, die man bei Verdi oder Puccini etwa findet. Gerade von Mozart gibt es natürlich fantastische große Arien, aber eine Donna Anna oder eine Figaro-Gräfin ist hier nie mit einer Violetta oder einer Mimi vergleichbar. In diesem Sinne stellt Mozart nicht dieses Bild zur Verfügung, in dem sich Diven spiegeln können.

Was genau muss dieses Bild enthalten? Emotionen?

Oh, man kann überhaupt nicht sagen, Mozart würde das Emotionale fehlen! Mozart gestattet aber nicht die Selbstdarstellung; und nicht, die Spitzentöne ewig auszudehnen, Fermaten darauf zu setzen, all das, was das Publikum so sehr kitzelt. Mozart-Opern sind meistens Ensemble-Opern, hier interagieren Charaktere. Ich kann das nur aus der Mozart-Perspektive sagen, eine Tosca habe ich noch nie gesungen. Wenn das jemals kommen sollte, sind es jedenfalls noch etliche Jahre bis dahin. Es ist nicht mein Stimmtyp. Eine Mimi in La Bohème allerdings würde mich schon reizen. Aber ob das jemals kommen wird, wie gesagt, ich kann es nicht beeinflussen. Die Nannetta im Falstaff war bislang auch mein einziger Verdi.

Dafür haben Sie umso häufiger die Susanna gesungen, im vergangenen Jahr auch in Covent Garden in London und an der Berliner Staatsoper. Ist diese Partie Ihnen wichtiger als andere große Mozart-Rollen?

Ich liebe sie mehr als alle anderen. Die Susanna war die erste Rolle, die ich überhaupt auf einer Bühne gesungen habe, 1998 in Schweden, alleine deshalb wird sie immer einen ganz speziellen Platz in meinem Herzen haben. Der Ambitus der Partie passt perfekt zu meiner Stimme, das Temperament passt ebenso perfekt zu meiner Person. Wenn ich sage, es ist leicht für mich, die Susanna zu singen, heißt das nicht, dass es von alleine geht auf der Bühne. Aber die Partie kommt ganz natürlich zu mir, wie selbstverständlich. Nehmen Sie die Pamina aus der Zauberflöte: Die empfinde ich als schwierig, weil der Charakter dahinter nicht definiert ist, sie ist ein Spielball zwischen den starken Charakteren. Oder nehmen Sie die Cosi fan tutte-Fiordiligi, die ich jetzt zum ersten Mal gesungen habe: Eine ganz aufrechte, akkurate, noble Rolle, auch da musste ich mich erst einfinden, sie war mir erst einmal fremd. Susanna aber ist ein ganz lebendiges Ding.

Was ist das wichtigste, damit eine "Figaro"-Produktion gelingt? Das Tempo? Die Präzision?

Das Ensemble, das ein homogenes sein muss. Und die Balance zwischen der Komödie und dem, was damals als gefährlich eingestuft wurde an diesem Stück. Das ursprüngliche Beaumarchais-Theaterstück war ja in Wien verboten, ein Friseur und eine Kammerzofe als clevere Protagonisten, die die Szene beherrschen, galten nunmal als gefährlich für das System. Die Oper hat viele dunkle Momente, etwa die das "Recht der ersten Nacht" betreffend, und ebenso viel komödiantisches Potenzial. Das muss einfach gut ausbalanciert sein.

Diese Oper ist, wegen all der in der aristokratischen Welt verankerten Themen, äußerst schwer nur in die heutige Zeit zu transformieren. Haben Sie schon einmal eine gelungene aktualisierte Inszenierung gesehen? Und was denkt jetzt der Regisseur Guillaume Bernardi darüber?

Nein, ich habe noch nie eine sozusagen moderne Version gesungen, und ich denke auch nicht, dass das funktionieren würde. Hier in Frankfurt spielen wir in einem zeitlich nicht fixierten Raum, in leicht modifizierten, aber jedenfalls historisch wirkenden Kostümen, aber vom Bewegungsvokabular her ganz klar in der Ära der Aristokratie des 18. Jahrhunderts. Wie das nach außen nun wirkt, kann ich aber gar nicht sagen, denn als Susanna bin ich so gut wie durchgehend auf der Bühne. Bei Probenbeginn der ersten Szene fühlte ich mich etwas beengt, denn Susannas und Figaros Kammer misst gerade einmal drei auf drei Meter. Aber wir vergrößern uns von Akt zu Akt.

Interview: Stefan Schickhaus

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Dokument erstellt am 02.03.2007 um 16:56:02 Uhr
Letzte Änderung am 02.03.2007 um 17:30:47 Uhr
Erscheinungsdatum 03.03.2007

Interview

Miah Persson gilt als eine der führenden lyrischen Sopranistinnen ihrer Generation. Als Susanna in Mozarts "Le Nozze di Figaro" gab die Schwedin vor neun Jahren ihr Bühnendebüt, seitdem zählt die Partie zu ihren Favoriten. Zuletzt sang sie die Poppea in Händels "Agrippina" am Brüsseler Théâtre de la Monnaie und am Théâtre des Champs-Elysees in Paris.

An der Oper Frankfurt ist Miah Persson nun ebenfalls als Susanna zu hören. Die "Figaro"-Inszenierung von Guillaume Bernardi hat am Sonntag, 18 Uhr, Premiere, Julia Jones dirigiert.