Nachdem der Makedonierfürst Alexander das Perserreich eingenommen hatte, führte ihn sein beispielloser Eroberungswillen in bislang unbekannte Gebiete – nach Indien und ins heutige Pakistan. Durchaus nicht immer ließ er Milde walten über jene, die sich ihm entgegenstellten, er tat es freilich im Fall des Fürsten Poros. Obwohl dieser sich geweigert hatte, Alexander wie gefordert als Gott anzubeten, endete er nicht wie andere am Kreuz, sondern wurde später sogar zum Statthalter ernannt. Dem Wiener Hofpoeten Metastasio dient Alexanders gegen Poros erwiesene Milde im Jahrhundert des aufgeklärten Absolutismus als Exempel mustergültiger Fürstentugend, und wie schon manch damaliger Fürst vor ihm, lässt sich gern nun auch der kurpfälzische im schönen Zerrspiegel der Oper von Metastasio auf Alexanderformat hochloben. Eingeladen hierzu wird einer der interessantesten Komponisten jener Zeit, Gian Franceso de Majo. Neben Jommelli und Traetta ist er der Dritte im Bund modern gesinnter Italiener, die zu jener Zeit nach Dramatisierung der Opera Seria streben. Mozart hört seine Musik in Neapel, und nur ein Wort fällt ihm ein: Belissima!

 

Mannheimer Morgen / Morgenmagazin
29. Mai 2008

INTERVIEW: Günter Krämer über seine Inszenierung der Barockoper "Alessandro" für das Mannheimer Nationaltheater
"Ich mag diese alberne Poesie"

Günter KrämerMannheim. Zurzeit führt er am Nationaltheater Regie. Nach der Premiere der Barock-Oper "Alessandro" am 31. Mai, 19.30 Uhr, kommt Verdis "Nabucco" in Venedig dran. Dann zieht es Günter Krämer nach Paris zu Wagners "Ring des Nibelungen". Während der viel gefragte Regisseur durch Europa reist, steht er mit Mannheim in ständiger Verbindung. Er war übrigens einmal ein Mannheimer; als Lehrer hat er in der Quadratestadt unterrichtet.

Herr Krämer, Sie wissen, wie genau die Theaterliebhaber den Regisseuren auf die Finger sehen?

GÜNTER KRÄMER: Ich bin immer bestens informiert. Meine Frau wohnt in Mannheim und ist eine fanatische Mannheimerin.

Sie haben das Nationaltheater noch zu Zeiten des Intendanten Hans Schüler erlebt. Wie begann denn Ihre Mannheimer Theater-"Karriere"?

KRÄMER: Als Statist. Damals fanden die Aufführungen noch in der Schauburg statt. Ich erinnere mich besonders an Schülers "Lohengrin"-Inszenierung; ich musste dem Lohengrin das Schwert abnehmen. Später im neuen Haus bin ich von der Oper zum Schauspiel übergewechselt, weil es da lebhafter zuging. Meine Statisten-Zeit endete, als ich in Heidelberg studierte.

Bleiben wir beim Thema Statisten: Für den "Alessandro" wurde Bühnenvolk gesucht. War die Suche erfolgreich?

KRÄMER: Ja, sehr. Es haben sich viele Interessenten für den Bewegungschor gemeldet, die indische Tänze beherrschen, und drei ältere Herren, die bereit sind, nackt als indische Bettelpriester aufzutreten. Damit ist keine Provokation beabsichtigt; die Priester werden am Anfang der Oper bei einer Straßenszene gebraucht. Sie soll das Bild einer fremden Kultur abgeben, in der Nacktheit etwas Selbstverständliches ist.

Sie wollen das Publikum nach Indien entführen?

KRÄMER: Nein, der Gegenstand meiner Ideen ist der Hang zur Repräsentation am Mannheimer Hof. "Alessandro" entstand 1766 als Huldigungsoper. Darin musste also dem Kurfürsten zum Namenstag pausenlos gehuldigt werden. Mit dem Eroberer Alexander, der eine edle Seele hat und immer verzeiht, war natürlich Carl Theodor gemeint. Ich stelle die Handlung in einen Rahmen: Die Schauspielerin Traute Hoess inszeniert als Kurfürstin zur Feier des Namenstags ein Indien, wie es uns die Tourismusbranche vorgaukelt. Oder anders gesagt: Sie holt Klein-Bollywood in den Gemeindesaal von ... Castrop-Rauxel vielleicht.

Was reizt Sie an dieser ausgegrabenen Barock-Oper des Italieners Gian Francesco de Majo?

KRÄMER: Der Grund, weshalb ich die Regie übernommen habe, war die alberne Poesie der deutschen Übersetzung; ich mag diese Second-Hand-Lyrik nach der Methode "Reim dich, oder ich fress' dich". Außerdem kann man mit einem Fragment schön umgehen. "Alessandro" ist ja ohne die Rezitative erhalten geblieben.

Wodurch ersetzen Sie den fehlenden Text?

KRÄMER: Ich habe Sprechrollen eingeführt. Und die von mir sehr geschätzte Theaterautorin Friederike Roth hat zwei Monologe über die Oper als Verzauberungsinstrument geschrieben. Darin betrachtet sie Mord und Totschlag von der feinen Ebene der Komödie aus: "Alle Gemetzelten, alle Erdolchten", heißt es da, "ja, in der Oper leben sie weiter. Auferstehung feiern sie immer und ewig."

Wie beurteilen Sie die Musik?

KRÄMER: Sie erinnert an den jungen Mozart. Die traditionellen Verzierungen kann man beim besten Willen nicht verwenden, um einer Figur individuelle Züge zu geben. Auf dem Klavier erkennt man allenfalls eine starke Melodik. Aber als ich das Orchester bei den Proben hörte, war ich überrascht. Der Dirigent Tito Ceccherini, der mir unendlich gut gefällt, entdeckt in den Noten eine gewisse Erotik.

Monika Lanzendörfer