Frankfurter Neue Presse
22.03.2008

Die Treue der Herzensdamen wird auf die Probe gestellt
Mozarts „Cosí fan tutte" hat am Ostermontag an der Oper Frankfurt Premiere. Es dirigiert Julia Jones. Regie führt Christof Loy.

Von Birgit Popp

Beim dritten und letzten gemeinsame Werk von Mozart und seinem „Figaro"- und „Don-Giovanni"-Librettisten Lorenzo da Ponte, das 1790 in Wien uraufgeführt wurde, ist die Treue beziehungsweise Treulosigkeit der Frau ein zentrales, wenn auch zum Teil nur vordergründiges Thema. Wie schon der Titel „Cosí fan tutte" verrät, ist die Oper aus Männersicht geschrieben. Wörtlich aus dem Italienischen übersetzt, heißt er „So machen (es) alle". Der Buchstabe „e" statt eines „i" am Ende von „tutte" zeigt, dass sich „alle" nur auf weibliche Personen bezieht. Doch in Da Pontes Libretto, das einzige der drei Mozart-Gemeinschaftsproduktionen, das nicht auf einem Schauspiel oder eine literarische Vorlage beruht, sind es keineswegs die Damen, die die Initiative ergreifen, sondern die Männer, wobei eine Wette der Ausgangspunkt ist. Auch der Untertitel „La scuola degli amanti" (Die Schule der Liebenden) verspricht nur auf den ersten Blick ein besseres Verständnis der Situation, denn was sollen die Liebenden eigentlich in dieser Schule lernen? Vielleicht sich und die anderen Menschen besser kennenzulernen – ein durchaus im Sinne der Aufklärung des Mozart-Zeitalters stehender Anspruch – oder das Wesen der Liebe vielleicht?

Die Antwort auf dieses Verwirrspiel menschlicher Gefühle, bei dem sich am Ende die beiden Schwestern Fiordiligi (die in Frankfurt debütierende Schwedin Agneta Eichenholz) und Dorabella (Jenny Carlstedt) auf die Intrige Don Alfonsos (Johannes Martin Kränzle) und des Hausmädchens Despina (Barbara Zechmeister) hin in den verkleideten Verlobten der jeweils anderen verlieben, versuchen Regisseur Christof Loy und Dirigentin Julia Jones zu finden. Das leitende Duo hat in Frankfurt bereits große Erfolge mit den Inszenierungen der Mozart-Opern „Die Entführung aus dem Serail", „La finta semplice" und „Le nozze di Figaro" gefeiert. Trotz des teilweise komödienhaften Charakters des Werkes sieht Julia Jones in der Komposition dessen Ernsthaftigkeit: „Die Musik ist in jeder Nummer, mit jeder Note absolut ernst zu nehmen. Wir wollen ,Cosí fan tutte‘ deswegen ungekürzt spielen und ohne die Striche auskommen, mit denen diese Oper sonst zurechtgestutzt wird. Ich glaube, dass Mozart im Allgemeinen besser wusste, was dramatisch erforderlich ist, und ich bin überzeugt, dass sich mit den sonst gestrichenen Nummern ein runder Bogen spannt, der das ganze Stück letztlich auch stringenter zusammenhält."

Die beiden befreundeten Soldaten, die die Treue ihrer beiden Herzensdamen auf die Probe stellen und desillusioniert werden, verkörpern der finnische Tenor Topi Lehtipuu (Ferrando) und das Frankfurter Ensemblemitglied Michael Nagy (Guglielmo). Der in Stuttgart aufgewachsene Bariton mit ungarischen Wurzeln hat seinen Weg vor zwei Jahren in die Main-Metropole über die Komische Oper in Berlin gefunden. Am Frankfurter Opernhaus glänzte der passionierte Liedinterpret bisher unter anderem in der Rolle des Wolfram in Wagners „Tannhäuser" ebenso wie in der ergreifenden Interpretation von Hans Scholl in Zimmermanns „Weiße Rose". Seine umfassende musikalische Ausbildung erhielt der begeisterte Hobbykoch bei den Stuttgarter Hymnus-Chorknaben, später studierte er Gesang, Liedgestaltung und Dirigieren in Stuttgart, Mannheim und Saarbrücken. Anfangs lagen dem Fischer-Dieskau-Verehrer Lied und Oratorium mehr am Herzen als die Oper. „Blut geleckt, was die Oper betrifft, habe ich während des Studiums durch die Junge Oper Stuttgart", sagt Nagy. Das Wichtigste als Operninterpret ist für ihn, dass man in einer Geschichte ist und den Moment musikalisch leben und sich mit der Stimme und der körperlichen Ausdrucksfähigkeit mitteilen darf, „die musikalische und darstellerische Identifikation mit der Rolle". Und da dürfte der Sänger in Christof Loy, in dessen „Nozze"-Inszenierung er bereits den Grafen Almaviva gegeben hat, den kongenialen Partner als Regisseur gefunden haben.

 

Frankfurter Rundschau
22.03.2008

Nicht rund, nicht schön
Julia Jones' "Così fan tutte" ist Arbeit am präzisen Klang

VON STEFAN SCHICKHAUS

Es muss eine harte Woche gewesen sein für die Musiker des Frankfurter Museumsorchesters. Mahlers Neunte und Brittens "Lucretia" mussten einstudiert werden, "Ariane" und "La Bohème" standen auf dem Opernspielplan. Da kommen mehr Dienste zusammen als in einer Schokoladenfabrik vor Ostern. Und dann folgt ja noch Mozarts "Così fan tutte", die Premiere steht für den Ostermontag an. Aus dem Orchester heißt es, die Dirigentin dieser Produktion verstand den passenden Schalter umzulegen. Julia Jones konnte in der ersten Probe gleich binnen fünf Minuten das Orchester umkrempeln und für sich gewinnen. Allein das ist schon eine Leistung in dieser Arbeitswoche.

Die Sympathien waren nicht immer schon so ungeteilt für die britische Dirigentin, verrät einer der Frankfurter Orchestergeiger. Als sie 2003 zum ersten Mal für eine Mozart-Oper an die städtische Bühne kam, polarisierte ihre Art des Dirigierens noch stark. Julia Jones weiß, was sie will und wie sie es bekommt: Einen tänzerischen, vitalen, federnden Mozart-Ton, den mittlerweile auch Orchester ohne Bekenntnis zur so genannten historisch informierten Aufführungspraxis darzustellen in der Lage sein müssen.

Das haben die Musiker jedoch schnell schätzen gelernt, und manche sehen in einem solchen Mozart sogar eine Form der Entspannung - nach Dauerdruck mit Puccini und Mahler nun ein sprechendes Musizieren in kleinen Sinneinheiten, mit wenig Vibrato, wenig legato. Julia Jones, hört man von einem der Geiger, "duldet kein Dienstspiel" und dirigiere bewusst an gegen jede Form von Opernroutine. Und sie erklärt nicht viel mit Worten, das schätzen Musiker ohnehin. Sie zeigt einfach, wo es langgeht.

Wenn die Dirigentin nach der "Entführung aus dem Serail" (2003), "La finta semplice" (2006) und "Le nozze di Figaro" (2007) jetzt ihre nächste Mozart-Oper für Frankfurt realisiert, wird es im Orchestergraben nicht "verkrampft historisch" zugehen. So jedenfalls sehen die Musiker ihre Positionierung. Die Britin ist neben Karen Kamensek und Sian Edwards die dritte Frau mit regelmäßigen Auftritten am Dirigentenpult der Oper Frankfurt, und sie ist die mit Abstand beliebteste beim Museumsorchester. Sie favorisiert die Blechblasinstrumente nach klassischer Bauart, also ohne Ventile, nur mit Naturtönen auskommend.

"Così fan tutte" aber hält für die Hornisten eine Arie in E-Dur bereit, die nur mit modernem Gerät sauber und zuverlässig zu lösen ist. Mit Naturtrompeten und Pauken aber ist man auch in Frankfurt dem verpflichtet, was man früher als Originalklang bezeichnete und was mit Julia Jones im Frankfurter Orchestergraben Einzug gehalten hat. Der Klang wird dadurch prägnanter, charakteristischer, weniger massiv. "Und nicht so schön und rund", wie Julia Jones es formuliert. Mit einem solchen Mozart ist man unbedingt auf der Höhe der Zeit.

Ein möglichst spritziger Mozart-Ton soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass "Così fan tutte" eine desolate Angelegenheit ist. Diese Oper nennt sich zwar ein Dramma giocoso, doch ist sie im Grunde eine Tragödie. Seelische Grausamkeit könnte man ihr jederzeit und mit allem Recht vorwerfen. Es ist ein böses Spiel, das Don Alfonso einfädelt, um die Untreue zweier liebender Frauen zu provozieren. Zuletzt hatte Annegret Ritzel diese Oper vor acht Jahren in der Frankfurter Oper inszeniert, doch war ihre Sicht darauf "vergleichsweise traditionell", sagt die Sängerin Barbara Zechmeister, die damals wie heute in der Rolle des Dienstmädchens Despina zu erleben ist.

Christof Loy, dessen Frankfurter Debüt-Inszenierung "Die Entführung aus dem Serail" eine Meisterleistung klarer Personenregie war, geht "Così fan tutte" weitaus ernster an, offener reduziert auf die wesentlichen Konflikte. Aber wie stand es, quasi prophetisch, damals schon hier in der FR? Das "leicht bittere Beziehungsdrama" des "Entführung"-Singspiels gebe "einen Vorgeschmack auf die Endstation ,Così fan tutte'."

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Dokument erstellt am 22.03.2008 um 00:12:01 Uhr
Erscheinungsdatum 22.03.2008 | Ausgabe: R2NO | Seite: 13

 

Offenbach-Post
22.03.2008

Die Britin Julia Jones dirigiert "Cosi fan tutte"
Nur in Frankfurt auf Mozart abonniert


Julia Jones

Ihr Mozart-Klang biete klare Sicht auf kompositorische Gegebenheiten bei energischen Tempi und viel Feingefühl, rühmt die gestrenge Kritik. Die Dirigentin Julia Jones mischt eine schwindende Männer-Domäne auf. In Frankfurt steht sie bei der Neuinszenierung von "Cosi fan tutte" am Pult. Regie führt Christof Loy. Erstmals zu Gast sind die schwedische Sopranistin Agneta Eichenholz und der finnische Tenor Topi Lehtipuu. Premiere hat das Lehrstück um Liebe und die Verführbarkeit von Menschen am Ostermontag in der Oper am Willy-Brandt-Platz (18 Uhr).

Wieder Mozart, wieder mit Christof Loy: Eine Mozart-Spezialistin sei sie nur in Frankfurt. Daran ist Intendant Bernd Loebe nicht ganz unschuldig, entgegnet die Britin freundlich, aber bestimmt in perfektem Deutsch. Und mit Christof Loy, beide haben in Frankfurt eine viel beachtete "Entführung" herausgebracht, arbeite sie schon seit 1992 zusammen, "weil wir über Musik ähnlich denken und empfinden". Erstes gemeinsam herausgebrachtes Stück war übrigens eine Operette, Franz Lehàrs "Lustige Witwe" in Ulm. Mittlerweile ging die viel gefragte Dirigentin auch bei den Salzburger Festspielen auf Erfolgskurs.

In seiner ersten "Cosi fan tutte"-Inszenierung werfe Loy einen besonderen Blick auf Don Alfonso (gesungen von Johannes Martin Kränzle), so die Britin. Der wettet mit den Offizieren Guglielmo und Ferrando, dass auch ihre Ehefrauen verführbar seien, und gewinnt. War sich Alfonso sicher, das abgekartete Spiel zu gewinnen? Hat er bereits ähnliche Erfahrungen gemacht, oder will er nur eine junge Liebe zerstören? Ein Dramma giocoso, bei dem letztlich alle Beteiligten Verletzungen davontragen und am Ende in eine unsichere Zukunft entlassen werden. Denn Mozarts Helden sind Menschen mit Schwächen, so der zeitlos moderne Opern-Kern.

In Frankfurt setze Loy auf einfache Bühnenlösungen, deutet Jones an. Es gibt keine Requisiten, nur die wechselvollen Beziehungen der Personen zueinander zählen. Ein aktueller Ansatz: Die Emotionen werden hoch gekocht, Gefühle liegen blank, was auch die Musik widerspiegelt. Das alles erfahrbar zu machen, muss man intensiv proben, sagt Jones, die den Musikern ein dickes Lob zollt. Die waren zuletzt mit Britten-Oper und Konzerten stark gefordert. Dass sich dies nicht auf die Probenarbeit ausgewirkt hat, verblüfft die Dirigentin.

Vom viel zitierten Originalklang zeigt sich Jones nicht unbedingt beeindruckt. Allein der Umgang mit dem Vibrato hat es ihr angetan. Da sei die so genannte historische Musizierpraxis viel näher an der menschlichen Stimme. Bei Mozart funktioniere fast jede Auffassung und sei zudem auch legitim, meint die Dirigentin, die als Pianistin begann: Ersten Klavierunterricht erhielt sie von der Oma einer Freundin. Nach dem Musikstudium in London begann sie als Korrepetitorin in Köln und Stuttgart, war bis 2002 Chefdirigentin am Theater Basel und ist aus großen Opernhäusern zwischen Wien und Berlin nicht wegzudenken. Gern reisen müsse man bei so vielen Terminen, sagt die international renommierte Dirigentin, die Fremdsprachen schätzt. Lieblingslektüre ist derzeit ein Krimi von Agatha Christie. Allerdings auf französisch.

KLAUS ACKERMANN