Eine Oper mit Tarnkappe Von Jan-Geert Wolff Das Staatstheater widmet sich eigentlich der Muse und nicht der Archäologie. Doch auch hier wird gelegentlich "gegraben" und manch wunderlicher und wunderbar präsentierter Fund an die Oberfläche, sprich auf die Bühne gezaubert. Ein solches Fundstück ist das Oratorium "La Giuditta" von Pietro Alessandro Gasparo Scarlatti, der am 2. Mai 1660 geboren wurde und vor seinem Tod am 24. Oktober 1725 neun Söhne zeugte - einer davon war der ebenfalls als Komponist zu großen Ehren gekommene Domenico Scarlatti (1685-1757). Alessandro Scarlattis Oratorien behandeln neben christlich-allegorischen Themen und Heiligenlegenden vor allem Geschichten aus dem Alten Testament, wobei besonders diese mit den musikalischen und dramaturgischen Mitteln der damals zeitgenössischen Oper gestaltet, jedoch konzertant aufgeführt wurden, um das bestehende päpstliche Verdikt gegen Bühnenaufführungen in Rom zu umgehen. Eine ironische Fußnote ist hierbei, dass Scarlatti die Textgrundlage von "La Giuditta" ausgerechnet von Kardinal Pietro Ottoboni (1667-1740) bekam, der auch als Mäzen und Librettist wirkte. Ottoboni war ein Großneffe des gleichnamigen Kardinals, der 1689 als Alexander VIII. zum Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche gewählt wurde. Scarlattis Oratorien sind also eigentlich Opern mit Tarnkappe: Den musikalischen Stil von Scarlattis Werken dieses Genres prägen die Da capo-Arien mit durchlaufender Generalbassbegleitung, wobei Streicher die Ritornelle zu Beginn und am Schluss gestalten, während der Arien jedoch schweigen. Scarlatti verzahnt hier Instrumental- sowie Vokalpartien und stellt seine kontrapunktischen Künste zur Schau. Die unkonventionelle Musiksprache des Komponisten wirkt durch Brüche, Verkürzungen und offene Formen. "La Giuditta" beschreibt das Wirken einer visionären und mutigen Heldin. Die Geschichte stammt aus dem apokryphen Buch Judith: König Nebukadnezar will sein Reich vergrößern und schickt seine Truppen auf den Weg. Die Israeliten widersetzen sich diesen Plänen allerdings. Hier setzt Scarlattis Oratorium ein: Nebukadnezar hat ein Heer nach Betulia geschickt, um das Volk zu Steuerzahlungen zu zwingen. Judith (Giuditta) plant die Rettung ihrer Stadt und schleicht ins feindliche Lager, wo sie den Feldherrn Holofernes mit ihrer Schönheit betört und ihn nach einem fulminanten Bankett im Schlaf den Kopf abschlägt. Diese blutige Tat bedeutet für Betulia allerdings die Rettung. Erfolge feierte man in Mainz mit der szenischen Umsetzung von Oratorien bereits mit Stücken wie Antonio Vivaldis "Juditha triumphans" oder dem "Elias" von Felix Mendelssohn-Bartholdy. Mit Scarlattis "La Giuditta", das in Mainz am 13. Oktober in italienischer Sprache und mit deutschen Übertiteln aufgeführt wird, eröffnet das Staatstheater eine Operntrilogie, die über drei Spielzeiten unter dem Motto "Gottes starke Töchter" die Vorstellung unbekannter Werke des Barock und der Frühklassik sowie eine Uraufführung plant; so ist für die Spielzeit 2008/2009 die Wiederaufführung von Christoph Willibald Glucks Oper "La Semiramide riconosciuta" vorgesehen, gefolgt von einer Auftragskomposition für diese Reihe. Die musikalische Leitung des aktuellen Projekts "La Giuditta" hat Clemens Heil, die Inszenierung liegt in den Händen von Ariala Siegert. Siegert wurde in Dresden von Gret Palucca zur Tänzerin ausgebildet und wirkte als Choreographin nachhaltig auf die Weiterentwicklung des deutschen Ausdruckstanzes. Die fruchtbare Zusammenarbeit mit dem Architekten und Bühnenbildner Hans Diether Schaal an den Bühnen von Bielefeld, Chemnitz, Dessau und der Komischen Oper Berlin findet auch am Mainzer Staatstheater eine Fortsetzung. Für Bühne und Kostüme zeichnet Susanne Maier-Staufen verantwortlich. Die Aufführung von Scarlattis "La Giuditta" findet in Kooperation mit der Mainzer Hochschule für Musik und der Internationalen Sommerschule "Singing Summer" unter der künstlerischen Gesamtleitung der Mainzer Gesangsprofessorin Claudia Eder statt. |
main-rheiner.de Eine Oper mit Tarnkappe Von Jan-Geert Wolff Das Staatstheater widmet sich eigentlich der Muse und nicht der Archäologie. Doch auch hier wird gelegentlich „gegraben" und manch wunderlicher und wunderbar präsentierter Fund an die Oberfläche, sprich auf die Bühne gezaubert. Ein solches Fundstück ist das Oratorium „La Giuditta" von Pietro Alessandro Gasparo Scarlatti, der am 2. Mai 1660 geboren wurde und vor seinem Tod am 24. Oktober 1725 neun Söhne zeugte – einer davon war der ebenfalls als Komponist zu großen Ehren gekommene Domenico Scarlatti (1685-1757). Alessandro Scarlattis Oratorien behandeln neben christlich-allegorischen Themen und Heiligenlegenden vor allem Geschichten aus dem Alten Testament, wobei besonders diese mit den musikalischen und dramaturgischen Mitteln der damals zeitgenössischen Oper gestaltet, jedoch konzertant aufgeführt wurden, um das bestehende päpstliche Verdikt gegen Bühnenaufführungen in Rom zu umgehen. Eine ironische Fußnote ist hierbei, dass Scarlatti die Textgrundlage von „La Giuditta" ausgerechnet von Kardinal Pietro Ottoboni (1667-1740) bekam, der auch als Mäzen und Librettist wirkte. Ottoboni war ein Großneffe des gleichnamigen Kardinals, der 1689 als Alexander VIII. zum Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche gewählt wurde. Scarlattis Oratorien sind also eigentlich Opern mit Tarnkappe: Den musikalischen Stil von Scarlattis Werken dieses Genres prägen die Da capo-Arien mit durchlaufender Generalbassbegleitung, wobei Streicher die Ritornelle zu Beginn und am Schluss gestalten, während der Arien jedoch schweigen. Scarlatti verzahnt hier Instrumental-sowie Vokalpartien und stellt seine kontrapunktischen Künste zur Schau. Die unkonventionelle Musiksprache des Komponisten wirkt durch Brüche, Verkürzungen und offene Formen. „La Giuditta" beschreibt das Wirken einer visionären und mutigen Heldin. Die Geschichte stammt aus dem apokryphen Buch Judith: König Nebukadnezar will sein Reich vergrößern und schickt seine Truppen auf den Weg. Die Israeliten widersetzen sich diesen Plänen allerdings. Hier setzt Scarlattis Oratorium ein: Nebukadnezar hat ein Heer nach Betulia geschickt, um das Volk zu Steuerzahlungen zu zwingen. Judith (Giuditta) plant die Rettung ihrer Stadt und schleicht ins feindliche Lager, wo sie den Feldherrn Holofernes mit ihrer Schönheit betört und ihn nach einem fulminanten Bankett im Schlaf den Kopf abschlägt. Diese blutige Tat bedeutet für Betulia allerdings die Rettung. Erfolge feierte man in Mainz mit der szenischen Umsetzung von Oratorien bereits mit Stücken wie Antonio Vivaldis „Juditha triumphans" oder dem „Elias" von Felix Mendelssohn-Bartholdy. Mit Scarlattis „La Giuditta", das in Mainz am 13. Oktober in italienischer Sprache und mit deutschen Übertiteln aufgeführt wird, eröffnet das Staatstheater eine Operntrilogie, die über drei Spielzeiten unter dem Motto „Gottes starke Töchter" die Vorstellung unbekannter Werke des Barock und der Frühklassik sowie eine Uraufführung plant; so ist für die Spielzeit 2008/2009 die Wiederaufführung von Christoph Willibald Glucks Oper „La Semiramide riconosciuta" vorgesehen, gefolgt von einer Auftragskomposition für diese Reihe. Die musikalische Leitung des aktuellen Projekts „La Giuditta" hat Clemens Heil, die Inszenierung liegt in den Händen von Ariala Siegert. Siegert wurde in Dresden von Gret Palucca zur Tänzerin ausgebildet und wirkte als Choreographin nachhaltig auf die Weiterentwicklung des deutschen Ausdruckstanzes. Die fruchtbare Zusammenarbeit mit dem Architekten und Bühnenbildner Hans Diether Schaal an den Bühnen von Bielefeld, Chemnitz, Dessau und der Komischen Oper Berlin findet auch am Mainzer Staatstheater eine Fortsetzung. Für Bühne und Kostüme zeichnet Susanne Maier-Staufen verantwortlich. Die Aufführung von Scarlattis „La Giuditta" findet in Kooperation mit der Mainzer Hochschule für Musik und der Internationalen Sommerschule „Singing Summer" unter der künstlerischen Gesamtleitung der Mainzer Gesangsprofessorin Claudia Eder statt. |
Musiktheater wie ein Thriller Zum Auftakt der sich über drei Spielzeiten erstreckenden Operntriologie "Gottes starke Töchter" hat "La Guiditta" von Alessandro Scarlatti am 13. Oktober Premiere im Kleinen Haus des Staatstheaters. Von Daniel Honsack Tatjana Charalgina in "La Guiditta" - ein Werk zwischen Oper und Oratorium. Foto: Martina Pipprich Die Geschichte, die erzählt wird, ist so eindrucksvoll wie grausam. Der Feldherr Holofernes ist auf Geheiß von Nebukadnezar aufgebrochen, um das Volk von Betulia zu Steuerzahlungen zu zwingen. Die schöne Judith will ihre Stadt retten und gelangt heimlich in das feindliche Lager, wo Holofernes ihrem Zauber erliegt. Als er betrunken in den Schlaf fällt, wird er von Judith enthauptet, ihr Volk ist gerettet. Diese alttestamentarische Geschichte hat Alessandro Scarlatti Ende des 17. Jahrhunderts zu einem szenischen Oratorium unter dem Titel "La Giuditta" geformt, das nun am 13. Oktober im Kleinen Haus des Staatstheaters Premiere feiert. Das Werk ist damit Vor der Premiere gleichzeitig der Auftakt zu einer Operntrilogie, die sich über drei Spielzeiten hinweg erstreckt und das Motto "Gottes starke Töchter" trägt. In die Produktion wird das "Junge Ensemble" einbezogen sein, außerdem wird hierfür eng mit der Mainzer Musikhochschule zusammengearbeitet. Von dem Werk gibt es lediglich zwei CD-Aufnahmen, "szenische Aufführungen sind uns nicht bekannt", sagt Musikdramaturgin Anne do Paço und bezeichnet das Stück als "sehr theaterwirksam". Gespielt wird die erste Fassung von 1694, hinzu kommt noch ein Schlaflied aus einer späteren Fassung, das an das Ende des Stückes gestellt wird. Regisseurin Arila Siegert spricht von einer "sehr dramatischen Musik", die in Szene gesetzt wird. Bei ihr bekommt jeder Darsteller eine wichtige Rolle zugeordnet. Selbst die Statisten-Rollen werden von Sängern besetzt, die bei den Vorstellungen alternierend auch Hauptrollen übernehmen. Das Stück beginnt in Siegerts Deutung in einer jüdischen Privatvilla, die von Holofernes geräumt wird. Auf der Bühne des Kleinen Hauses will sie einen "starken, imposanten Raum" erschaffen. Clemens Heil, der die musikalische Leitung hat, zeigt sich von der Ambivalenz des Stückes fasziniert, das sowohl Oper als auch Oratorium ist und Arien aufweist, "die die gesamte menschliche Leidenspalette" abbilden. "Das Stück ist wie ein Thriller", findet der Dirigent und sieht die "musikalischen Ebenen virtuos miteinander verbunden". Für Arila Siegert ist das Stück "poetisch und zweideutig", sie erkennt den Figuren verschiedene Gesichter zu und entdeckt auch einen erotischen Moment, der zwar umspielt, aber nie explizit genannt wird. |