Pforzheimer Zeitung
13.07.08

Rolle als Statistin: Ellen Eberlein auf der Wildbader Rossini-Bühne

Auch in diesem Jahr hat sich Ellen Eberlein überlegt, eine Karte für das Bad Wildbader Rossinifestival zu kaufen. Doch ein spontanes Telefonat machte sie von der Opernbesucherin zur Akteurin beim größten jährlichen Kulturereignis der Kurstadt.


Bühnenluft schnuppert die Wahl-Wildbaderin Ellen Eberlein seit ihrem Engagement als Statistin für das Rossini-Stück „Die Italienerin in Algier". In der kommenden Woche steht sie unter anderem als Verkäuferin (siehe Foto) im Bad Wildbader Kurhaus vor großem Publikum.

„Nachdem der Statisten-Aufruf ein zweites Mal veröffentlicht wurde, dachte ich, dass es schade ist, dass sich wohl noch immer zu wenige gemeldet haben", erzählt die Wahl-Wildbaderin mit blitzenden, braunen Augen. Gerade mal zehn Minuten nach ihrem Anruf im Rossini-Mitarbeiterbüro stand sie vor Thorsten Kreissig, dem Mann, der für das Stück „Die Italienerin in Algier" die Fäden in der Hand hat.

Unbesehen engagiert

Der Regisseur habe sie und eine weitere Frau quasi unbesehen engagiert, erzählt die aufgeweckte 63-Jährige und zuckt mit einem Lächeln die Schultern. Bisweilen kann sie es noch immer nicht ganz glauben, dass sie auf einer Bühne steht; oder im kleinen Kursaal zwischen den Requisiten für das Rossini-Stück „Die Italienerin in Algier" auf einem lilafarbenen Sofa sitzt und in den Ablaufplan für die nächste Probe schaut. Auf der Bühne wird aus Ellen Eberlein dann eine Verkäuferin, eine Bauarbeiterin und eine Putzfrau.

„Das ist aufregend, eine überaus positive Erfahrung", bilanziert die gebürtige Birkenfelderin. Sie habe sich vor den mittlerweile mehr als 30 Probenstunden völlig falsche Vorstellungen von der Statistentätigkeit und dem Drumherum gemacht. „Ich dachte da steht man mehr oder weniger still in der Ecke rum", gesteht sie..

Bevor sie ihre erste Probe für „Die Italienerin" hatte, wurde sie gefragt, ob sie Zeit für eine Beleuchtungsprobe habe. „So stand sie vier Stunden für die Regisseurin Annette Hornbacher und das Stück „Otello" auf der Bühne. Gut erinnert sie sich an ihre Verwunderung, als sie dabei auch gebeten wurde, sich bäuchlings auf ein Tuch am vorderen Bühnenrand zu legen. „Das war die Position der sterbenden Desdemona", erklärt sie und fügt an, dass die Solistin nicht wie sie selbst nur auf dem Bauch liege: „Die muss dabei auch noch singen."

Mittlerweile weiß die Mutter zweier erwachsener Söhne nicht nur, was eine Beleuchtungsprobe oder eine szenische Aufführung ist. Sie fühlt sich richtiggehend heimisch in dem „manchmal arg chaotisch wirkenden Bühnenzirkus". Das liege daran, dass vom Regisseur, über dessen Assistent bis hin zu den Künstlern und dem Dirigenten alle sehr nett seien. Beeindruckt zeigt sich Ellen Eberlein in mehrfacher Hinsicht: „Der Regisseur gibt den ganzen Tag abwechselnd Anweisungen auf Deutsch, Englisch und in weiteren Sprachen." Auch mache man sich keine Vorstellung wie viel Leute im Hintergrund einer solchen Aufführung tätig sind– ohne, dass man sie sehe.

Als Statist müsse man flexibel und geduldig sein, hat die 63-Jährige festgestellt. Zwar gebe es einen Ablaufplan, der vor der nächsten Probe ausgeteilt werde. „Aber das kann sich schnell ändern." Anstelle dann als Bauarbeiterin ein großes Zeichenbrett auf der Bühne zu verschieben oder einen Einsatz mit den blau- und rot-weißen Pollern zu haben, sitze sie dann eine Stunde oder länger herum, weil stattdessen mit den Solisten geprobt werde.

Vor großem Publikum

Nachdem die energiegeladene Seniorin bemerkt hat, wie viel Zeit ihre Statistenrolle in Anspruch nimmt, hat sie sich einen kleinen Urlaub genehmigt. Ihren Sohn, in dessen Firma sie arbeitet, freuts. Auch eine Freundin hat bereits voller Neugier eine Probe mit Ellen Eberlein angeschaut. Und falls ihre Schwiegertochter noch Eintrittskarten bekommt, spielt Ellen Eberlein kommende Woche nicht nur vor großem Publikum, sondern auch vor ein paar bekannten Gesichtern.

Viola Krauss