Darmstaedter Echo
5.11.2007

Luftig wie Salzburger Nockerl
Musiktheater: Dew inszeniert Mozart in Darmstadt: „Apollo et Hyacinthus" und „Die Schuldigkeit des Ersten Gebots"

Von Heinz Zietsch

DARMSTADT. Wie zwei völlig verschiedene Seiten einer Medaille wirken die beiden Kurzopern des 1767 erst elfjährigen Mozart: das lateinische Intermedium „Apollo et Hyacinthus" (KV 38) und das geistliche Singspiel „Die Schuldigkeit des Ersten Gebots" (KV 35). Höfisch, rokokohaft und tragisch, mit einem optimistischen Ausgang ins Positive gewendet, wirkt das lateinisch gesungene Stück auf einen Text des Paters Rufinus Widl, während das auf Deutsch aufgeführte Singspiel recht komödiantisch daherkommt und von volkstümlicher Frömmigkeit geprägt ist, die gut für den Abschluss eines zweiteiligen Opernabends passt. Entsprechend begeistert war auch das Publikum am Ende der gut drei Stunden dauernden Premiere am Samstagabend im Großen Haus des Staatstheaters Darmstadt.

Vor einem Jahr, am 25. August 2006, hatte der Darmstädter Intendant John Dew die beiden Werke bei den Salzburger Festspielen mit seinem bewährten Team inszeniert: in den Bühnenbildern von Heinz Balthes und den Kostümen von José-Manuel Vázquez – und er hatte dort damit viel Erfolg. Daraus ist für Darmstadt durch die Kooperation mit den Festspielen jetzt ein Mitbringsel aus Salzburg geworden. Mozarts Geburtsstadt lässt vielfach grüßen in der „Schuldigkeit des Ersten Gebots". Man sieht im Bühnenbild auf einem Vorhang, der wie in einem Moritatenstück verschiedene Ansichten öffnet, das Salzburger Stadtbild, eine typische Landschaft aus der dortigen Umgebung und am Bühnenrand Gräberschmuck und Tafeln, wie man sie auf den Friedhöfen dieser Stadt finden kann.

In Salzburg hat auf der Bühne der Universitäts-Aula noch ein gewisser Bär Bruno in dem geistlichen Singspiel sein Unwesen getrieben. Doch dessen Zeit ist jetzt vorbei. In Darmstadt ist dafür der Löwe (Moreno Fuentes vom Tanztheater) los, der von einem um sich selbst tanzenden und kreiselnden verschlafenen Jäger (An-Chi Tsao, ebenfalls vom Tanztheater) verfolgt wird. Dann ist da noch ein veritabler wie gewichtiger und pausbäckiger Posaunen-Engel (Ulrich Conzen aus dem Orchester), der mit seinem historischen Instrument den dröge werdenden Christen wachzurütteln versucht. Dennoch, die Darmstädter Inszenierung wirkt weniger umtriebig als die Salzburger. Zumal die Sänger komödiantisch spontaner den Stoff umsetzen und damit gerade so weit gehen, dass nicht alles in Klamauk ausartet. Dew grübelt nicht über den heute theologisch fragwürdig gewordenen Inhalt nach, sondern inszeniert das Werkchen wie es ist: als ein Stück volkstümliches Bauerntheater. Schließlich kommt die kasperlartige Figur des Hans Wurst ja auch aus dem Salzburger Land.

Markus Durst spielt jenen lauen Christen mit gelenken, sicheren Tönen. Er schläft lieber mit seiner langen weißen Zipfelmütze, als aufzustehen und zu arbeiten. Wunderbar, wie er das herausspielt. Sein eifriger Partner ist der mönchische Christgeist Jeffrey Treganza, dessen Widerpart auch gleich zur Stelle ist: Aki Hashimoto als teuflischer Weltgeist in grünen Lederhosen. Gewandt und gewieft in Gesang wie in der Darstellung – das Publikum hat die Sängerin sofort ins Herz geschlossen. Susanne Serfling ist als Gerechtigkeit im Stile des Petrus nicht mehr wiederzuerkennen, es sei denn, man hört genau auf ihre geschmeidige Stimme. Und die Barmherzigkeit von Anja Vincken, die wie die Himmelskönigin Maria über allem thront und mit warmer, intensiver Stimme am Geschehen teilnimmt, muss mit ansehen, wie die Teufel und Teufelinnen von allen Seiten auf die Bühne kommen und sich sogar einiger Zuschauerreihen bemächtigen.

Mozart hat nur den ersten und einzig erhaltenen Teil dieses dreiteiligen Singspiels komponiert; die anderen beiden, jedoch heute verschollenen Teile stammen von Michael Haydn und Anton Cajetan Adlgasser. Wie soll man das nicht komplette Werk beenden? Da hat Dew eine witzige Lösung gefunden: Ein Teufel packt den Dirigenten Martin Lukas Meister, der auch die Rezitative am Cembalo begleitete, am Schlafittchen und entführt ihn. Zuvor hat er noch einen Höllenlärm entfacht, als der Christgeist anschaulich dem oberflächlichen Christen zeigte, wie sie in der Hölle schmoren.

Während das „Erste Gebot" mehr dem barocken, volkstümlichen Geist verpflichtet ist, steht „Apollo et Hyacinthus" dem vorklassischen Stil und der Zeit der Empfindsamkeit mit weiten Intervallsprüngen und ausladenden Themen nahe. Gerade die lyrischen Seiten, die Mozarts Nähe zu menschlichen Gefühlen offenbaren, lotet Meister mit dem schwungvoll musizierenden Orchester aus. Während das Salzburger Sinfonieorchester des Mozarteums stärker die Details ausmusizierte, gelingt Meister der Blick aufs Ganze, der große Bogen. Balthes entwarf eine klassische, idyllisch-südliche Landschaft, zu der die von Vázquez kostümierten klassischen Gestalten wunderbar hineinpassen, die sich darin bis in die höfischen Gesten hinein rokokohaft abgezirkelt bewegen.

Am Ende begleitet sogar die Illusion einer Meeresbrandung das Geschehen um Liebe, Intrige, Freundesverrat und heimtückischen Mord. Doch weil Pater Widl, der Librettist, die gleichgeschlechtliche Liebe zwischen Apollo und Hyacinthus nicht schicklich befinden durfte, erfand er die Figur der Königstochter Melia hinzu. Zephyr bringt aus Eifersucht seinen Freund Hyacinthus um. Daraufhin verwandelt Apollo Zephyr in einen Wind und Hyacinthus in die gleichnamige Blume. Apollo hat nun freie Hand für Melia, was Dew zu Recht eher distanziert zeigt.

Hier glänzte vor allem Aki Hashimoto als Melia mit passgenau sitzenden Koloraturen und intensiv ausgesungenen Tönen, die sie wie Girlanden zu winden verstand. Susanne Serfling als Hyacinthus parierte mit ausdrucksstarkem Sopran, der nicht zuletzt in der Tiefe eine dramatische Tonlage anvisierte. Etwas zu geradlinig versah Stefanie Schaefer den Apollo. Dem König Oebalus verlieh Maximilian Kiener mächtige Statur, der diese Partie auch in Salzburg sang. Niina Kiefer hatte mit sicher geführter Stimme den undankbaren Part des Zephyr übernommen; Thomas Mehnert umriss die Rolle des Opferpriesters.

Beide Stücke umschmeicheln auf witzige Weise Auge und Ohren. Selbst Kinder dürften damit keine Probleme haben. Dew ist mit diesen frühen Mozart-Werken eine Inszenierung gelungen, die luftig, leicht und locker anmutet wie ein berühmter Nachtisch aus dem Geburtsort des Komponisten: Salzburger Nockerln.

Weitere Aufführungen am (Samstag (10.) und 23. November jeweils um 19.30 Uhr. Kartentelefon 06151 2811600.

 

egotrip.de
november 2007

Barokkoko pur bei Bühnenbild und Szenerie
Mozarts frühe Singspiele "Apollo et Hyacinthus" und "Die Schuldigkeit des Ersten Gebots" im Staatstheater Darmstadt

Im Jahr 2006 herrschte weltweit der Mozartwahn - man feierte die 200. Wiederkehr seines Geburtstags. Dass seine - ungeliebte - Geburtsstadt sich zu diesem Anlass besonders ins Zeug legen würde, war selbstverständlichkeit. Also plante man, sämtliche mozarteischen Bühnenwerke einschließlich der ersten zarten Versuche auf die Salzburger Bühne zu bringen, und setzte diesen kühnen Plan auch erfolgreich in die Tat um. Das Jahr ist um und die Gemüter haben sich wieder beruhigt, und jetzt kann man die Früchte dieses Jahres in Ruhe und ohne den Trubel des Jubiläums genießen.

Apollo et Hyacinthus:
Niina Keitel (Zephyrus), Susanne Serfling (Hyacinthus), Stefanie Schaefer (Apollo)

Darmstadts Intendant John Dew hatte sich an dem Salzburger Wettbewerb mit der Inszenierung von Mozarts Erstlingswerken für die Bühne beteiligt. Im zarten Alter von sage und schreibe 11 (elf!) Jahren hatte Mozart für die Salzburger Bühne die Musik für die im Titel genannten Werke komponiert. John Dew ging es bei dieser Inszenierung vor allem darum, den Stil der damaligen Aufführungspraxis soweit möglich nachzuempfinden, ohne jedoch eine bloße Kopie vermeintlicher historischer Inszenierungen zu liefern. In diesem Zusammenhang hat er sich mit dem Wesen der Theaterbeleuchtung im 18. Jahrhundert beschäftigt und unter anderem festgestellt, dass die damalige Kerzenbeleuchtung nur eine sehr schwache Lichtwirkung entwickelte und die Bühne oftmals dunkler war als der Zuschauerraum, wo das Publikum gern die Texte mitlas. Andererseits ließ die schwache Beleuchtung die gemalten Kulissen - Landschaften, Personengruppen und Ähnliches - plastisch und erstaunlich realistisch zur Geltung kommen, was Versuche mit stark reduzierter (elektrischer) Beleuchtung bestätigten. Dew hat daraus seine Konsequenzen gezogen und für seine Inszenierung das Licht auf der Bühne stark reduziert. Außerdem setzt er auf ein Bühnenbild, wie es wohl im 18. Jahrhundert üblich gewesen sein mag.

Das Singspiel "Apollo et Hyacinthus" handelt von der Liebe des Gottes Apollo zum Königssohn Hyacinthus. Als Apollo Hycinthus versehentlich mit einem Diskus tötet, lässt er aus dessen Grab eine schöne Pflanze - die Hyazinthe - wachsen. Spätere Mythologien fügten Hyacinthus' Freund Zephyr hinzu, der aus Eifersucht Apollos Diskus auf Hyacinthus lenkt. Apollo verwandelt ihn zur Strafe in den Westwind. Im klerikalen Salzburg des 18. Jahrhundert hatte man mit der inhärenten Homoerotik dieses Stückes so seine Probleme, vor allem, da alle Partien von Knaben gesungen wurden. Flugs erfand man also eine Schwester Hyacinthus', Melia, um die sowohl Apollo als auch Zephyr werben, und blieb so in unkritischen Fahrwassern. Da die Aufführung Teil einer jährlichen Feier der großen Lateinschulen war, waren die Texte natürlich in Latein gehalten. Als Komponisten hatte man den elfjährigen Mozart ausersehen, der als vielbejubeltes Wunderkind gerade von einer längeren Konzertreise nach Salzburg zurückgekehrt war.

Apollo et Hyacinthus:
Aki Hashimoto (Melia), Maximilian Kiener (Oebalus)

Bühnenbildner Heinz Balthes hat die Bühne mit ausgemalten Historienbildern perspektivisch verengt. Vorne erheben sich an beiden Seiten die grauen Fassaden von Prachtbauten des 18. Jahrhunderts mit Säulen und Statuen, dahinter decken hohe Bäume ganz im Stil der klassischen Naturverehrung die halbe Bühne zu. Die verbleibende Lücke gibt einen ironischen Blick auf ein Foto der Salzburger Alpen frei. Vor diesem intensiven Kultur- und Naturbild agiert die kleine Gruppe der mythischen Gestalten in farbenfrohen, doch steifen Kostümen. Wie Figuren einer Spieluhr bewegen sich die Personen auf der Bühne voreinander und umeinander herum, die Arme geziert seitwärts gestreckt und die Hände maniriert erhoben. Perücken und bleiche Schminke vervollständigen den puppenhaften Eindruck. Das Orchester sitzt im erhöhten Graben voll einsehbar für das Publikum und wird so zum sichtbaren Bestandteil der Inszenierung.

Der Ablauf unterteilt sich gemäß der damaligen Aufführungspraxis in Rezitative und Arien. Erstere sorgen für den Handlungsfortschritt und werden vom Orchester nur sparsam begleitet, gerade genug, um Metrik und Tonlage abzusichern. Die Arien dagagen drücken die Seelenlage des jeweiligen Protagonisten aus und finden im Orchester einen selbständigen Partner, der die seelsiche Befindlichkeit auch instrumental zum Ausdruck bringt. Auch wenn die Musik des elfjährigen Mozart an vielen Stellen ein wenig konventionell wirkt, eben angelehnt an die damals gültigen Vorbilder, bricht doch immer wieder die typisch mozartsche Musikalität durch, entweder in seiner generellen Melodie- und Harmonieführung, oder aber bis hin zu einzelnen musikalischen Figuren, die immer wieder an spätere Werke erinnern. Gerade dieses - erste - Singspiel weckt wiederholt Assoziationen an das letzte, die "Zauberflöte". Vor allem in den Arien und den - bis dahin ungewohnten - Duetten zeigt Mozart neue Ansätze der Bühnenmusik, und die Frische dieser Musik ist trotz der konventionellen Handlung - eben unverfänglicher weil mythologischer Stoff - nicht zu überhören. Besondere Intensität ist der Todesszene eigen, bei der man sich fragt, wie ein Elfjähriger die Situation eines in den Armen des eigenen Vaters sterbenden jungen Mannes nachempfinden und musikalisch gestalten konnte. Je weiter die Handlung fortschreitet, desto mehr lässt sich der Zuschauer trotz lateinischer Sprache und fehlender Übertitel in das Bühnengeschehen hineinziehen. Die Betroffenheit über die im Grunde genommen unrealistische und "nur" allegorische Handlung beruht hauptsächlich auf der Wirkung der Musik und der gekonnten Umsetzung durch die Interpreten.

Maximilian Kiener spielt einen ratlosen, wie an Marionettenfäden geführten König Oebalus, Aki Hashimoto gibt seiner Tochter Melia den weichen Schmelz der umworbenen Frau und der vom Tod des Bruder schwer getroffenen Schwester. Niina Keitel verleiht dem Zyphir die notwendige stimmliche Präsenz und Susanne Serfling schließlich hat als Hyacinthus den Löwenanteil des Abends zu bewältigen. Sie tut dies mit darstellerischer Bravour und einer in allen Lagen sicheren und stets ausgesprochen präsenten Stimme. Allerdings ist anzumerken, dass die Darsteller darstellerisch alle an die eher steifen Bewegungsmuster des 18. Jahrhunderts gebunden waren und ihre schauspielerischen Fähigkeiten nicht im gleichen Maße wie in anderen Opern zum Tragen bringen konnten.

Die Schuldigkeit des Ersten Gebots:
Markus Durst (Ein Christ), Aki Hashimoto (Weltgeist)

Nach der Pause kam Mozarts zweites Frühwerk zur Aufführung, das zeitlich eigentlich das erste war und auch deutllich einfacher "gestrickt" ist. Man sieht an diesen beiden mit nur zwei Monaten zeitlicher Distanz geschriebenen Werken die erstaunliche Entwicklung, die Mozart in dieser kurzen Zeit durchgemacht hat. "Die Schuldigkeit des ersten Gebots" ist ein eher burlesker Stoff, der geradezu die Mittel der opera buffa provoziert. Aus diesem Grund hat Dew wohl auch die Reihenfolge gewählt, da ein ernster Stoff nach einem burlesken dem Publikum wohl schwerer zu vermitteln gewesen wäre. In dem als Oratorium eingestuften und zur Fastenzeit gespielten Werk - zu dieser Zeit waren Theater und Opernhäuser geschlossen - geht es um die Erziehung des Menschen zum geläuterten Christen. Mozarts Teil bildet nur den Auftakt einer dreiteiligen Folge, deren Folgeteile von Michael Haydn und einem lokalen Komponisten verfasst wurden und seitdem verschollen sind. Wie man auch vom Theater weiß, lässt sich das Volk weniger durch ernste Ermahnungen als durch deftige Späße und handfeste Drohungen beeindrucken, und nach dieser Erkenntnis verläuft auch die Dramaturgie des Stücks: zu Beginn sinnieren die Barmherzigkeit und die Gerechtigkeit über die Welt und die Menschen, den frommen Glauben und den eitlen Tand der Welt. Der hinzukommende Christgeist schlägt vor, dem Menschen die Hölle plastisch vor Augen zu führen, um ihn zu läutern. Dabei muss er jedoch permanent gegen den Weltgeist (Mephisto!) kämpfen, der sich die Schwächen des Menschen zunutze macht und ihm permanent die angenehmen Seiten des Lebens - Spiel, Jagd, Essen udn Trinken, Erotik - vorführt. Der brave Christ liegt im Bett und wird schon im Schlaf vom frömmlerischen Christgeist in Mönchskutte und mit Tonsur sowie dem teuflischen Weltgeist - rote Teufelsfratze, Alpentracht und Teufelsschweif - umworben. Dazu ziehen die verschiedenen Mitspieler dieses Erbauungsspektakels immer wieder neue Bildervorhänge vor die Rückwand: mal ein naives Salzburg-Bild mit Kirchen und Festung, mal eine Naturidylle, mal die kleinbürgerliche Stube des Christen, mal Marienbilder. Sehr naturalistisch lassen die göttlichen Kräfte die scheußlichen "Puppen tanzen": teuflische Kobolde, die aus allen Ritzen lugen und sogar ihren Weg durchs Publikum suchen, oder einen gewaltigen Löwen, der alle Weltz einschließlich des Jägers, der ihn eigentlich verjagen soll, in Angst und Schrecken versetzt. Als der teuflische Weltgeist den Christen zu sehr in seinen Machtbereich zieht, gibt der als Arzt verkleidete Christgeist seinem Schützling ein Stück Papier, auf dem der Weg zur Seligkeit notiert ist - die Einhaltung der zehn Gebote. Am Ende von Mozarts Teil neigt der Christenmensch doch deutlich zu dem wesentlich spannenderen Unterhaltungsangebot des Weltgeistes, aber es stehen ja noch zwei läuternde Teile aus.

Die Schuldigkeit des Ersten Gebots:
Jeffrey Treganza (Christgeist), Susanne Serfling (Gerechtigkeit)

Die Inszenierung enthält viele witzige und originelle Elemente, so dass die Lacher nicht ausbleiben. Allerdings zieht sich die spannungsarme und eher auf Erziehung ausgerichtete Handlung etwas in die Länge. Einige zusätzliche Kürzungen wären hier vielleicht angebracht gewesen. Jeffrey Treganza spielt den Christgeist doppelbödig als frömmlerischen Mönch, der jedoch auch gegen elementare menschliche Regungen nicht gefeit ist, so wenn er einen Sieg gegen den Weltgeist mit geballten Fäusten feiert, doch diese schändliche Geste sofort mit einem hastig geschlagenen Kreuz büßt. Die Kirche kommt in dieser Figur nicht unbedingt so edel weg, wie sie sich selbst gesehen haben mag. Aki Hashimoto zieht dagegen als schlitzohriger Weltgeist alle Register der Verführung und der Diesseitigkeit und stiehlt dem betenden Christgeist damit eins ums andere Mal die Show - natürlich im Sinne der Regie. Darüber wachen aus dem blauen Himmel Susanne Serfling und Anja Vincken als Gerechtigkeit und Barmherzigkeit, die jedoch angesichts eines tobenden Löwen ihre jenseitige Abgeklärtheit auch einmal verlieren können. Markus Durst schließlich gibt einen so harmlosen wie desorientierten Christen mit Schlafmütze, der sich täglich zwischen dem langweiligen Guten und dem spannenden Bösen entscheiden muss und dabei einigen Wankelmut zeigt.

Neben den geschilderten darstellerischen Qualitäten zeigen die Sänger durchweg auch stimmlich sehr gute Leistungen. Vor allem Jeffrey Treganza und Aki Hashimoto haben hier ein umfangreiches Repertoire abzudecken, das sie beide professionell und mit viel Spaß am Spiel absolvieren. Ihnen schließt sich Markus Durst mit einer klaren und gut artikulierten Tenorpartie an, so dass sich ein geschlossener gesanglicher Gesamteindruck ergibt.

Martin Lukas Meister führt das Orchester mit viel Feingefühl, vor allem in den Rezitativen, aber auch bei den Arien oder Zwischenspielen des Orchesters, in denen er die musikalischen Qualitäten dieses mozartschen Frühwerks deutlich zum Ausdruck bringt. Zum Dank für diese gute Leistung entführte ihn dann zum Schluss der Weltgeist gewaltsam vom Dirigentenpult in die Katakomben des Staatstheaters. Glücklicherweise kam er rechtzeitig zum Schlussapplaus wieder aus der Geiselhaft frei, sodass er sich zusammen mit dem gesamten Ensemble dem begeisterten Beifall des Publikums stellen konnte.

Frank Raudszus

Alle Fotos © Barbara Aumüller