Ein „Otello" im Mafiamilieu BAD WILDBAD. Wie Rossinis Vertonung des „Barbier von Sevilla" die einst erfolgreiche von Giovanni Paisiello verdrängte, so sorgte Verdis Fassung des „Otello"-Stoffes für das Ende der Bühnenkarriere des 1816 uraufgeführten „Otello" von Rossini. Bis zur Premiere von Verdis „Otello" 1887 war der von Rossini ein ständiger Gast auf den Opernbühnen der Welt, danach brach die Aufführungstradition fast sofort ab. Rossinis „Otello" ist auf der Bühne eine Rarität, für die sich nun „Rossini in Wildbad" im Kurhaus mit einiger musikalischer Überzeugungskraft einsetzte.
Rossinis „Otello" unterscheidet sich von dem Verdis in zentralen Punkten: Einerseits benötigt der Schwan von Pesaro fünf Tenöre, auch Jago ist eine Tenorpartie, keine Baritonrolle wie bei Verdi. Aber entscheidender ist, dass Rossinis Librettist Berio de Salsa nicht direkt auf Shakespeares Tragödie zurückgriff, sondern sich auf zeitgenössische italienische Bearbeitungen des Stoffes stützte. So spielt Rosinis „Otello" nicht auf Zypern sondern in Venedig, der erfolgreiche Feldherr Otello und Desdemona sind noch nicht offiziell verheiratet und Desdemonas Vater Elmiro will seine Tochter unbedingt gegen alle Widerstände Rodrigo zur Frau geben. Die von Jago eingefädelte Intrige, die Otellos Eifersucht ins Maßlose steigern soll und in Desdemonas Ermordung kulminiert, wird nicht durch ein verlorenes Taschentuch, sondern durch einen abgefangenen Liebesbrief angeheizt. Auch musikalisch sind die Akzente im Vergleich zu Verdi anders gesetzt. Jago ist ein etwas blässlich gezeichneter Intrigant aus dem Opernfundus, dem alles Abgründige abgeht, was bei Verdi im „Credo" seinen Höhepunkt findet. Dafür wird die um ihre Liebe kämpfende Desdemona von Rossini äußerst differenziert gezeichnet. Und der dritte Akt gehört mit seinen Gewittermusik-Einschüben und der psychologisch ausgefeilten Personenzeichnung zum Bedeutendsten, was Rossini je geschrieben hat. Hochmotiviertes Orchester Im bestens besuchten Kurhaus war der in Bad Wildbad häufig engagierte Dirigent Antonio Fogliani am Pult der hochmotivierten und trotz kleinerer Schwächen der Blechbläser sehr überzeugend agierenden Virtuosi Brunensis von den ersten Takten an ein souveräner Sachwalter Rossinis. Sorgfältig im Detail, gelang es ihm, Spannungsbögen aufzubauen und die klanglichen Möglichkeiten der Partitur auszukosten. Jessica Pratts Desdmona profitierte nicht nur von der Agilität ihres klangschönen Soprans, auch die sich steigernde Intensität der Durchdringung der Partie begeisterte. Michael Spyres sang einen kraftvoll-zuverlässigen Otello mit wenig persönlicher Note, während Filippo Adami als sein Rivale Rodrigo trotz Koloraturgeläufigkeit und manch fein herausgearbeitetem Detail zu oft an den Aufschwüngen der sehr hoch liegenden Tenorpartie und an der Intonationssicherheit scheiterte. Giorgio Truccos solider Jago blieb recht blass, während Ugo Guagliardo mit wuchtiger Bassautorität aber wenig Klangfarben Desdemonas bestimmenden Vater sang. Aufhorchen ließ mit klangschönem Mezzosopran Geraldine Chauvet als Desdemonas Vertraute Emilia, ebenso Leonardo Cortellazi mit seinem Gondellied. Annette Hornbacher rückte den „Otello" mit der Kostümbildnerin Claudia Möbius und dem Bühnenbildner Anton Lukas, der für den ersten Akt einen heruntergekommenen Versammlungsort schuf, die weiteren Akte von abgestorbener Natur prägen ließ, nah an die Gegenwart heran. Otello ist bei ihr kein Mohr, sondern ein ob seines Erfolges beneideter Außenseiter. Allzu hilfreich ist die Ansiedlung im Mafiamilieu (vom soliden Philharmonische Chor Transilvania Cluj verkörpert) indes nicht. Ein kokainschnupfender Jago und so manches anderer Detail aus dem Fundus des in die Jahre gekommenen Regietheaters waren nicht sonderlich erhellend. Thomas Weiss | |
Rossini in Wildbad Festeggia vent'anni il festival rossiniano di Bad Wildbad, osservatorio per giovani talenti del belcanto. Accanto ai rossiniani "Otello" e "Italiana", la riesumazione del "Don Giovanni" di Pacini e la prima esecuzione assoluta di "Kolonos"di Wolfgang Rihm a confronto col rossiniano "Edipo a Colono" nel concerto del ventennale. Peccato per i dilettanteschi allestimenti, tradizionale punto debole di un festival che potrebbe a buon titolo ambire ad occupare un posto di punta fra i più illustri festival europei.
Stefano Nardelli | |