Darmstaedter Echo
7. Februar 2008

Die Wunde ist die Wende
Ausblick: Norbert Schmittberg im Gespräch über seine Titelrolle in Wagners „Parsifal" – Premiere am Sonntag in Darmstadt

Von Heinz Zietsch

DARMSTADT. Als der Darmstädter Intendant John Dew in Wiesbaden mit der „Götterdämmerung" seine Inszenierung von Richard Wagners „Ring" beendete und die Partie des Siegfried in die Nähe der Christusgestalt rückte, aber als Helden mitsamt seinen Erlösungsgedanken scheitern ließ, da war geradezu offensichtlich, dass danach der „Parsifal" folgen musste. Zum einen rückt dieses Stück den Erlösungsgedanken in den Vordergrund, zum anderen zeigt es aber auch einen Helden wie Parsifal, der nach langem Suchen ans Ziel gelangt, indem er Amfortas von seinem Leiden erlöst und als dessen Nachfolger Gralskönig wird. Jetzt inszeniert Dew das Werk, das der Komponist „Bühnenweihfestspiel" nannte und das am 26. Juli 1882 im Bayreuther Festspielhaus uraufgeführt wurde, am Staatstheater Darmstadt. Die Bühnenbilder entwarf Heinz Balthes, die Kostüme José-Manuel Vázquez. Am Sonntag (10.) ist Premiere im Großen Haus.

Für den aus Köln stammenden Norbert Schmittberg (Jahrgang 1963) ist die Titelpartie ein Rollendebüt. Er ist in Darmstadt kein Unbekannter, hat er doch die schwierige Titelpartie in Orffs „Oedipus" glänzend gemeistert. Seit einem Jahr hat sich Schmittberg mit dem Parsifal beschäftigt, berichtet der Tenor in einem Gespräch. Überhaupt sei es für die meisten Sänger seines Faches das Ziel, möglichst alle Wagner-Rollen in dieser Stimmlage zu gestalten. „Parsifal" sei das vielschichtigste Werk Wagners. Von der Musik wie vom Sujet her das tiefste Stück, das sowohl philosophisch wie religiös geprägt sei, sagt Schmittberg. Zu bewundern sei in diesem Zusammenhang auch die Leistung des Zuschauers, die dieser dem Musiktheaterstück entgegenbringen müsse. Begeistert ist der Tenor von der Arbeit des Generalmusikdirektors Stefan Blunier und des Orchesters: „Was die beiden hier leisten, das ist unglaublich."

Nach einem ruhigen Beginn im ersten Akt geht es im zweiten Akt erst richtig los, meint der Tenor. Für ihn ist Parsifal ein Heilsbringer, zunächst ein tumber, reiner Tor, der aber keineswegs dumm sei, sondern noch nicht erfahren und welthellsichtig genug. Der Titelheld wisse zunächst nichts von seiner Vergangenheit. Wie das Küken im Ei, sozusagen unter einer Glocke sei Parsifal herangewachsen, erläutert Schmittberg. Deshalb begibt sich der anfängliche Tor, der noch nicht einmal weiß, wie er heißt, auf die Suche, um endlich die Welt kennen zu lernen Die entscheidende Wende in seinem Leben ist der Kuss Kundrys – zur Verführung gedacht. Doch Parsifal widersteht und begreift, durch „Mitleid wissend" wie es bei Wagner heißt, die Wunde und die daraus resultierenden Qualen des Amfortas, die dieser sich zugezogen hat, weil er den Verführungskünsten Kundrys eben nicht widerstehen konnte. Jetzt weiß Parsifal um seine Berufung.

Die Gestalt der Kundry ist für Schmittberg ein „Überwesen" und sei als solches nicht richtig greifbar. Äußerlich sei sie zwar vielen Veränderungen unterworfen, doch innerlich sei sie die Rastlose, die Unerlöste. Gurnemanz ist in diesem Stück eine Klammer, eine kommentierende Figur, die den Zuschauer auf den Stand der Dinge bringt.

Musikalisch ist der „Parsifal" Wagners harmonisch wohl fortschrittlichste Partitur nach „Tristan und Isolde". Der Komponist Arnold Schönberg, dessen Werk sich in seinen Anfängen ganz entschieden auf Wagner gestützt hat, erkannte darin die Emanzipation der Dissonanz, die im Grunde nicht mehr aufgelöst wird und daher für sich steht. Tatsächlich erkannte Wagner selbst die Querverbindungen im „Parsifal" und im „Tristan" in der musikalischen Schilderung der Qualen und der damit verbundenen Klagen. In einem Brief bemerkt der Komponist, Amfortas sei der „Tristan des dritten Aufzuges mit einer undenklichen Steigerung".

Wie wird die Aufführung in Darmstadt? Da meint Schmittberg: „Ich glaube, es gibt ein Fest für die Augen", zumal der technische Apparat des Theaters vielfältig genutzt werde.

Die erste Aufführung des „Parsifal" ist am Sonntag (10.) im Großen Haus des Staatstheaters Darmstadt (Premieren-Abo PM). Die Aufführung beginnt bereits um 16 Uhr und dauert mit zwei Pausen (50 und 40 Minuten) nach Angaben des Theaters insgesamt sechs Stunden.

 

Darmstaedter Echo
6. Februar 2008

Darmstadt. Schmittberg singt Parsifal

Darmstädter Opernfreunde kennen Norbert Schmittberg bereits von seinem Auftritt als Tyrann Ödipus in dem Musiktheater von Carl Orff. Jetzt singt der aus Köln stammende Tenor die Titelrolle in „Parsifal". Für den Sänger ist es das tiefste Werk Richard Wagners, das sowohl philosophisch als auch religiös geprägt sei. Besonders begeistert äußert sich Schmittberg über die Zusammenarbeit mit Generalmusikdirektor Stefan Blunier und dem Orchester des Staatstheaters. Die „Parsifal"-Inszenierung des Intendanten John Dew hat am Sonntag (10.) um 16 Uhr Premiere im Großen Haus. Zwei lange Pausen eingerechnet, soll die Aufführung rund sechs Stunden dauern. job