Frankfurter Allgemeine Zeitung
28. Januar 2008, Nr. 23 / Seite 35

Und Aschenputtel schlägt sie alle tot
Mit Revuetreppe: Die Haute-Couture-Oper "Fashion" von Bob Goody und Giorgio Battistelli wurde als schrilles Schickeria-Spektakel in Düsseldorf uraufgeführt.

Glotzt nicht so romantisch" provozierte der Zwischenvorhang bei der "Dreigroschenoper"-Uraufführung die Bürger. Den "roaring twenties" war die Oper mit ihren hohen, überlebensgroßen Gefühlen, Wagnerianischen Erlösungssüchten und Menschheitsbotschaften suspekt: "Tristan und Isolde" taugten zum zynischen Zitat. Die Sujets der "Zeitoper" sollten möglichst alltäglich-trivial sein, emotionsarm und garantiert metaphysikfrei, die Dramaturgie und Musik revuehaft additiv mit Montageelementen der aktuellen, speziell amerikanischen Popularmusik. Kreneks "Jonny spielt auf", Hindemiths "Neues vom Tage", Schönbergs "Von heute auf morgen" standen unter der Devise Scherz, Satire, Ironie - und möglichst keine tiefere Bedeutung. Allzu viel ist von dieser durchaus produktiven Ästhetik nicht übriggeblieben. Dies freilich gilt fürs gesamte leicht-frivole Genre. Schon die Operette funktioniert immer weniger, setzt sie doch in ihren parodistischen Zügen die Existenz oder zumindest Kenntnis feudaler, militärischer und bourgeoiser Gesellschaftsmuster voraus: Was man durch den Kakao ziehen will, muss man wenigstens als Relikt kennen. Das Musical ist weithin im Kommerz versackt, Anspruchsvolleres wie etwa Stephen Sondheims "Sweeney Todd" ist zu "sophisticated", erst recht manches von Mauricio Kagels subversivem Musiktheater.

Allenfalls in den angelsächsischen Ländern lebt noch die Tradition von schrägem Boulevard und music hall, abgeschmeckt mit schwarzem Humor. Stücke wie "Punch and Judy" oder "Shockheaded Peter" zeugen immer noch von der Vitalität der Böse-Buben-Bühne als Sex-and-Crime-Varieté. An ebendiese fühlte man sich nun lebhaft im Düsseldorfer Opernhaus erinnert bei der Uraufführung von "The Fashion", einer "Modischen Oper" des italienischen Komponisten Giorgio Battistelli auf einen Text des Engländers Bob Goody: einer Folge grell-grimmiger Schlaglichter auf die Glamour-Welt der Mode und Models - gewiss keine Literaturoper, eher ein satirisches Zeitstück zum Thema "Vanity Fair", darin der Modestadt Düsseldorf exakt verpasst.

Battistelli glaubt an die Weiterexistenz der Gattung Oper, zumal auf der Basis gewichtiger literarischer Vorlagen: Ernst Jüngers "Auf den Marmorklippen", García Marquez' "Herbst des Patriarchen", gar Shakespeares "Richard III.". Er sucht die ernsten Stoffe, die Abgründe der Gewalt. Nun zog es ihn zum Lockeren, zum giftigen Vaudeville. Und mit bösem Blick hat Goody hinter die Kulissen der Mode-Glitzerfassaden geleuchtet, die tragikomischen Grotesken im Gemenge aus Kommerz und Sex, Narzissmus und Rivalität hervorgehoben. Als Kulturkritik ist dies nicht sonderlich tiefgründig, der Text selber auch eher eine immerhin bunt schillernde Seifenblase. Mehr freilich wäre womöglich weniger: Wo Schein und Sein so ineinander changieren, Kreativität, Geschäft, Eitelkeit und Eifersucht zusammengehören, ist die Analyse des Getriebes wenig ergiebig, will man nicht nur pauschal die ganze Sphäre denunzieren.

Worum geht es? Im Five Seasons Hotel wird die große Modenschau vorbereitet und die Mailänder Haute-Couture-Diva Maria erwartet, samt ihrem Supermodel und Lover Tarquin. Doch das Zimmermädchen Meli ist verschwunden, hat sich zum Dressman gemausert, der den endlich auftauchenden Tarquin beseitigt und kurzerhand alle Rivalen und Rivalinnen erschlägt. Es ist ein wenig die alte Aschenputtel-Geschichte, angereichert mit der Hosenrollen-Doppelgeschlechtlichkeit aus "Rosenkavalier" und "Arabella", alles schön ins grell Schwarz-Gallige gewendet: keine schlechte britische Tradition. Und Film-Assoziationen an Fellini und Altman bleiben nicht aus.

Battistelli ist sich weitgehend treu geblieben, hat eine in sich stringente Partitur geschrieben, in der dunkle Register, kompakte Gesten eine erhebliche Rolle spielen. Er versucht nicht, sich leichter zu geben, als er ist, und den Versuchungen eines poppigen Stilmix widersteht er. Gerade in der ersten Hälfte des Stückes ist der Widerstreit zwischen seinem seriösen Ton und all dem vergifteten Small Talk keineswegs reizlos. Später, wenn die Intrige drastisch-brutaler, aus Scherz zunehmend Ernst wird, gewinnt auch seine Musik an satirisch-sarkastischer Agilität und Schärfe, burlesker Energie, lässt sogar Kurt-Weill-Anklänge heraushören. Gegen Schluss wird rasante Motorik immer mehr zur auch theatralischen Antriebskraft. Da tauchen neue Facetten von Battistellis Komponieren auf.

Dass solche Werke besonderer inszenatorischer Schubkraft bedürfen, ist banal. In diesem Fall freilich sind Thema, Gattung, Institution und Werk besonders eng aufeinander bezogen. Denn auch die Oper lebt von der Fiktion, der Lust an Verkleidung und Exhibition, Rollenspielen, der Mixtur aus (Handwerks-)Betrieb und Fassaden-Glamour samt Starkult. Michael Simon hat ein entsprechend mobiles Ambiente inklusive Revuetreppe auf die Bühne gebracht, die grotesken und Slapstick-Komponenten geschärft, obligat superschlanke Models ihre Auftritte servieren lassen - und insgesamt ein schrilles Schickeria-Spektakel präsentiert. Wobei zwei diabolisch-zynischen, akrobatisch agilen Conférencier-Typen eine besonders hinterhältig-boshafte Funktion zukam. Richtig ätzend allerdings wurde die Show erst gegen Schluss. Oper blieb Oper, der Broadway jedenfalls fern. Das Düsseldorfer Ensemble bewährte sich vorzüglich, gerade im auch halbseiden Abseitigen. John Fiore hielt die Aufführung sicher zusammen. Der Zwittercharakter von Musiktheater und Society-Kolportage wollte nicht weichen. Dafür war es immerhin keine Literatur-Oper über eine erhabene Vorlage. Buntes Gift kann auch heilsam sein.

GERHARD R. KOCH

 

Westdeutsche Zeitung
28. Januar 2008

BÜHNE
Rheinoper: Schöne grelle Warteschleife
Uraufführung: Das Auftragswerk der Rheinoper „The Fashion" ging erstmals über die Bühne. Es ist eine „modische Oper in zwölf Szenen".

Von Sophia Willems


Presse und Hörfunk sind vor Ort (v.l.) Elisabeth Selle (Viv),
Jeanne Piland (Modedesignerin Maria Maria) und Steven Harrison (Mick).
(Foto: Eduard Straub)

Düsseldorf. „Wir haben uns immer gewünscht, die Menschen sollen sich mehr der Mode widmen! Nun sind sie alle kollektiv in die Falle gegangen." Dieser Ausspruch stammt nicht etwa von einem steifen Anti-Modisten, sondern von Wolfgang Joop.

Und zu finden ist er im Programmheft der Oper „The Fashion", dem Auftragswerk der Düsseldorfer Rheinoper, das am Samstag uraufgeführt wurde. Und noch einer stimmt Joop zumindest im Grundton bei: „Mode bleibt Mode, bis sie den Leuten zum Halse heraushängt!" Sagt Karl Lagerfeld, und er wird es wissen.

Giorgio Battistelli ist für Musik und Gesang, Bob Goody für das Libretto verantwortlich, Michael Simon führt Regie, Volker Weinhart taucht die Bühne, das „Hotel Five Seasons", in eine Flut von Farben – vom Kalkweiß bis zum Rot am Schluss in der „Blutbad"-Szene. Aber hier darf man nichts zu ernst nehmen, schon der Name „Fünf Jahreszeiten" macht deutlich, dass wir es eher mit Karneval zu tun haben.

Aber das ist gründlich daneben gegangen. Man kann ja noch lachen über die Karikaturen einer schrillen Modejournalistin oder die von Jeanne Piland so schön giftig gespielte und gesungene Mailänder Designerin Maria Maria. Aber dass Handlung und Texte dermaßen trivial bleiben – „Du bist die Butter auf meinem Toast", lautet eine Liebeserklärung –, ist fast eine Publikumsbeschimpfung.

Die „Kabeljau-Kollektion" stinkt vom Kopfe her

Im Hotel wird eine Modenschau vorbereitet. Das Zimmermädchen Meli soll gefeuert werden, weil sie immer zu spät kommt. Dann trifft Modedesignerin Maria Maria ein, doch ihr männliches Topmodel Tarquin ist erkrankt. Meli findet die Kollektion, schlüpft als „Mel Martini" hinein und hat einen Sensationserfolg. Am Ende gibt es ein Blutbad.

Die Musik ist schlicht uninspiriert. Komponiert für konventionelles Sinfonieorchester, beeindrucken nur das verstärkte Schlagwerk, die Geiger und die gegen Ende sich in einem fulminanten Crescendo entladenden Kontrabässe und Celli. Doch feinere musikalische Farben, Zwischentöne und Finessen etwa von Blasinstrumenten fehlen völlig. Viel Lärm um nichts.

Dafür wird geradezu brillant gesungen, aber auch skurril gespielt, unter anderen von Bruce Rankin, Monique Simon, Daniel Djambazian, Tony Tizzi und Steven Harrison, Jörg Waschinski und Elisabeth Selle vom Jungen Ensemble Rheinoper.

Besonders bemerkenswert aber sind die Kostüme von Stephen Galloway – bizarr, schrill, schräg, kreischend bunt, steuern sie mitunter geradezu höhnische Kommentare auf die Charaktere bei. Und Galloway steuerte auch die exellenten Choreographien bei. Der gelernte Tänzer wurde einst von William Forsythe für das Frankfurter Ballett engagiert, war selbst Model und gestaltet die Prêt-a-porter-Shows des italienischen Modedesigners Ennio Capasa.

Ein Perfektionist, dessen Arbeit sich für diese Inszenierung bezahlt machte. Hier allerdings sah die Kollektion der Models aus, als hätte Vivienne Westwood sie mit einem verrutschten Kajal-Stift nachgezogen – kommentierte ein Kollege. Kajal passt insofern auch, als Maria Maria eine „Kabeljau-Kollektion" kreiert hat, der aber nun im Koma liegt. Darüber lache, wer will.

Der Drehbühne ist man nach diesem Abend fürs erste überdrüssig. Dass Michael Simon sich ihrer so auffällig oft bedient, legt die Interpretation nahe: Die ganze Branche ist nichts als eine bunt aufgemotzte Warteschleife.

DIE OPER
Dauer:
90 Minuten ohne Pause
Aufführungen: 29. Januar und 1., 9., 12., 14., 17. und 23. Februar.
Karten gibt es unter der Rufnummer 0211/8925211
Giorgio Battistelli

Werdegang: Geboren 25. April 1953 in Albano Laziale, Studium von Klavier, Musikgeschichte und Komposition, 1978 Diplom. 1975 Seminare bei Karlheinz Stockhausen und Mauricio Kagel in Köln. Mehrere Opernaufführungen. Seit Ende 1996 Künstlerischer Leiter der Arena di Verona.

Düsseldorf: Die Rheinoper arbeitet seit über zehn Jahren mit ihm zusammen. 1997 führte sie Battistellis „Die Orchesterprobe" nach Fellini auf, 23. Januar 2007 folgte „Richard III" nach Shakespeare.

 

Rheinische Post
28.01.2008

Premiere in Düsseldorf
Die Modewelt im Opernfummel

VON WOLFRAM GOERTZ


Modedesignerin Maria (Jeanne Piland, Mitte) wird
von den Boulevardjournalisten Viv (Elisabeth Selle)
und Micky (Steven Harrison) heimgesucht.
Foto: Straub

Düsseldorf (RP). „Fashion" heißt die neue Oper des Komponisten Giorgio Battistelli und des Textdichters Bob Goody. Das modebewusste Düsseldorf war bei der Premiere des Werks in der Rheinoper beinahe vollzählig anwesend. Hinterher herrschte Verwirrung, wie man „Fashion" finden durfte.

Düsseldorf Es ist nun schon ein paar Jahre her, dass Karl Lagerfeld einen überzogenen Prozess führte: Er ließ dem Filmregisseur Robert Altman untersagen, in dessen Satire „Prêt-à-porter" seinen Namen fallen zu lassen. Jetzt hat Lagerfeld nicht geklagt, obwohl er abermals in eine Verhohnepipelung hineingerät: in der Oper „Fashion". Seine Düsseldorfer Spione haben ihm souffliert: „Brauchst du nicht ernst zu nehmen, Zopfi! Ist ein Schmarrn!" Dabei taucht Karl hier ebenso auf wie Coco - als devote Hündchen einer hysterischen Designerin. Nun, Altmans Film war ein subtiler Geniestreich, der in die Zwölf traf. Die Oper ist ein Witz, den man abschütteln kann wie Schuppen.

Dabei sind Schuppen hier durchaus zulässig: In „Fashion" geht es ums Tohuwabohu kurz vor der Präsentation der neuen „Fisch"-Collection. Dabei ergeben sich Abläufe, Details, Wendungen, die der Comedy und dem englischen Nonsense entborgt sind; die Handlung beleuchtet sich fortwährend mit dem Ironiescheinwerfer. Wer das nicht gleich kapiert, wird mit Täfelchen belehrt, dass hier eine ganze Branche und ein alter Theatertrick (die Hosenrolle) persifliert werden. 75 Minuten dauert das Opus, das anfangs zäh ist (mit dem kürzungswürdigen „Good morning"-Gehampel), dann aber an Fahrt gewinnt. „Fashion" besitzt als Stück wenig Format, es ist weder komisch noch ulkig; die Parallelen zum Kino (zu „Tootsie", „Victor/Victoria" und „Der Teufel trägt Prada") fallen deprimierend für den Neuling aus. Trotzdem fühlten wir uns nach der Premiere insgesamt eher amüsiert und nicht gelangweilt. Vielleicht handelt es sich um jene Sorte Klimbim, die in Deutschland die Klientel der Humoroffenen zu schätzen weiß: Nicht alles auf Erden muss Sinn haben, nicht einmal der Unsinn.

Die freundliche Aufnahme bei der Premiere gilt einer Produktion, die das Stück selbstsicher erzählt und sich künstlerisch befreit. Das Hotel, in dem „Fashion" spielt, besitzt eine lustige Rezeption, die in einer mörderischen Aktion mit einer Palme verziert wird. Diese Rezeption ist Rettungsinsel für überspanntes Personal und tuntige Quakbrüder. Man sieht Gekrabbel, Gefuchtel und süßes schwules Posieren. Der abgespreizte kleine Finger wird zum Erkennungszeichen, doch Michael Simon, der Regisseur und Ausstatter, übertreibt es nicht. Das ist gut. Dass er TV-Comedy nicht 1:1 nachbetet, ist noch besser. Opern-Echtzeit läuft langsamer als das Fernsehen.

Grandios ist nun freilich die Bühne, sie rettet den Abend. Sie dreht sich, schneidet das Hotel der Handlung an wie eine Torte, gibt hier ein offenes Penthouse zu erkennen, da die quietschende Eingangshalle, dort die Hintertreppe. Die Garderobe trifft in einem massiven Schrank ein, der über die Treppe hochgewuchtet wird - und zwar von den famosen Tänzern Tony Rizzi und Anton Skrzypiciel, den Teufelchen der Oper. Das ist eine kleine Szene, an der Spaß zu haben erlaubt ist.

Gleich wird in die Klamotten des Stars Tarquin das rotzig-verlogene Zimmermädchen Mel steigen; Tarquin (Verballhornung des Quinquin aus Strauss’ „Rosenkavalier") wird also von Mel ersetzt, und fast ist der Betrachter enttäuscht, dass die netzbestrumpften Beine von Kristen Leich (die auch hinreißend glühend singt) in Hosen versteckt werden. Nun, da später die Eleven ihr neues Outfit lockend zeigen, kommen die Fleischbeschauer beiderlei Geschlechts im Saal noch genügend auf ihre Kosten.

Zu den Farben und Materialien der Garderobe (Stephen Galloway) kann der Rezensent lediglich sagen: Fische und Frösche fühlen sich hier wohl. Aquazoo mit Tönen. Wie überhaupt die „Fashion"-Welt glasig ist, künstlich, kalt lächelnd und sauerstoffarm. Die einzige Person mit menschlicher Vielschichtigkeit ist die Designerin Maria selbst; Jeanne Piland singt sie mit großer Expression. Hochpreis für die solistischen Damen und Herren Selle, Rankin, Harrison und Waschinski.

Die Musik erfindet für den Laufsteg die Variante des „Schleiertanzes" - stärkster Moment einer illustrativen Partitur, die geschäftig tut, oft zu laut ist und klimatische Überreiztheit verbreitet. Sie ist nicht cool, sondern hyperaktiv, um ihre Leere zu überdecken. Die ewigen Glissandi, chromatischen Trippelschritte und Blechgewitter sind abtörnend. Battistelli ist ein unentdeckter Filmmusikkomponist, der immerzu Opern zur Vertonung angeboten bekommt und nie ablehnt. Manches glückt ihm, manches nicht - wie „Fashion" zum Beispiel.

Freilich ist die Betreuung hinreißend; die Düsseldorfer Symphoniker unter dem gut gelaunten John Fiore lassen sich nie lumpen, man hört tolle gruppendynamische Prozesse (fugierter Einsatz der Kontrabässe) und präzise Schläge in den Solarplexus der Hörer (Blech). Meisterlich die Schlagwerker.

Es tritt also der schöne Fall ein, dass ein Stück von seiner Uraufführungsproduktion vor dem Catwalk in die Vergessenheit bewahrt wird.

 

Online Musik Magazin
28.Januar 2008

Mode-Oper ohne Bodenhaftung

Von Stefan Schmöe

Düsseldorf boomt. Die Stadt ist schuldenfrei, die Immobilienpreise steigen, und die Modemessen stehen vor der Tür. Als Modestadt sieht man sich gern, und so hat die Rheinoper eine große Oper zum Thema „Mode" in Auftrag gegeben. Komponist ist der Italiener Giorgio Battistelli, Jahrgang 1953, der bereits 1995/96 als „Composer in residence" in Düsseldorf seine Orchesterprobe (nach Federico Fellini) zur Uraufführung brachte. In der vergangenen Spielzeit war im Theaterzelt am Landtag Richard III. (unsere Rezension) als deutsche Erstaufführung zu sehen. Die Vorfreude auf das neueste Werk des Italieners war so groß, dass gleich die komplette Spielzeit unter das Motto „Oper ist fashion" gestellt wurde.


Zimmermädchen Meli (Kristen Leich)
mit den Türstehern Bow (Tony Rizzi) und Scrape (Anton Skrzypiciel)

Das englischsprachige Libretto zu Fashion von Bob Goody erzählt eine ziemlich banale Geschichte: Tarquin, das männliche Starmodel einer Modeshow, sagt nach einem Streit mit der Stardesignerin Maria Maria (gleichzeitig Geliebte Tarquins) den Auftritt ab, und das Zimmermädchen Meli wittert seine Chance: Als Mann verkleidet schleicht sie sich ein und wird zum Star – und alle verlieben sich in den schönen Unbekannten. Ganz neu sind die hier verwendeten Motive nicht, und das Libretto lebt weniger von der Handlung als von der bewusst trivialen Sprache, die oft in (englischen) Knüttelversen vor sich hin reimt. (in der neueren deutschen Literatur hatte wohl am ehesten Robert Gernhardt, man denke an seine Texte für Otto Waalkes, die Gabe zu solcher hintersinnigen Albernheit).


Stardesignerin Maria Maria (Jeanne Piland)
zwischen den Klatschreportern Viv (Elisabeth Selle) und Micky (Steven Harrison)

Düsseldorf nimmt sich also musiktheatralisch selbst auf die Schippe? Schön wär's. Mit Lokalkolorit hat Regisseur Michael Simon überhaupt nichts am Hut. Die Kostüme (Stephan Galloway) nehmen den dräuenden Karneval vorweg – schrill, abgefahren, aber ohne jeden Realitäts- oder Zeitbezug. Hier wird nichts parodiert oder karikiert, hier wird im verfremdenden Sperrholz-Bühnenbild vor sich hin geblödelt, mal mehr und mal weniger lustig. Simon hat sich längst einen Personalstil als Markenzeichen zugelegt (unbestimmt abstrakt mit Beleuchtungseffekt oder, wie hier, mit Videoprojektion). Darin zitiert er sich bereits selbst: Die Sitzbank vor weißer Projektionsfläche aus Gounods Faust erscheint hier - diesmal in Schräglage – wieder.

Mit Installationskunst ist der bösen Gesellschaftskomödie, die Fashion zumindest vom Text her sein möchte, aber nicht beizukommen. Wenigstens wäre ein halbwegs realistischer Rahmen erforderlich, in dem eine Geschichte erzählt werden könnte. In seiner gezielten Albernheit weckt das Libretto Assoziationen an die britische Komikergruppe „Monty Python"; deren Sketche aber bauen darauf auf, dass eine vordergründig seriöse Situation von Absurditäten unterwandert und schließlich bis zum Kollaps durchsetzt wird. In dieser Inszenierung ist bereits alles zersetzt. Was bleibt, ist mäßige Unterhaltung und phasenweise Langeweile. Geradezu desaströs ist der Schluss, als wolle Simon demonstrativ auf die Schwäche des Librettos hinweisen: Wo die Handlung auf eine große finale Pointe hinausläuft, passiert – nichts. Es steht an dieser Stelle aber auch nichts in Libretto und Partitur, was zu inszenieren lohnte. Die Oper hört einfach auf.


Aus dem Zimmermädchen Meli ist das vermeintliche männliche Model Mel geworden (Kristen Leich, r.)
- und da kommt das echte Topmodel Tarquin (Jörg Waschinski) denkbar unpassend

Die Musik Giorgio Battistellis ist da stark, wo sie sich auf den schnoddrigen Text einlässt und auch das Vulgäre nicht scheut. Aber anstatt durchgehend einen „schrägen" Tonfall zu suchen, weicht der Komponist gerne in die Tradition der großen belcantistischen Oper mit ihren großen Gefühlen aus: Mit kantablen Gesangslinien, was auch heißt: mit viel Zeit für den Text. Dadurch nehmen die Übertitel manche sprachliche Pointe vorweg, lange bevor sie ausgesungen ist. Das betrifft vor allem die Partie der Designerin Maria Maria. Große Musikkomödien wie Verdis Falstaff oder Puccinis Gianni Schicchi funktionieren, weil der vorherrschende Parlando-Ton nur an ausgewählten Stellen (dort aber umso effektvoller) von lyrischen Phrasen durchbrochen wird. In Fashion fehlt solche Parlando-Leichtigkeit fast vollständig, und deshalb zündet der ironische Funke nicht. Oft grummelt es in den tiefen Instrumenten, darüber liegt eine dissonant verzerrte, aber immer noch erkennbare Melodie – scharf genug, um modern zu sein, expressiv genug, um sich in die Tradition einzureihen. Diesem Verfahren ist an sich nichts vorzuwerfen, es hat auch in Richard III. funktioniert; aber in der Komödie wirkt es austauschbar, dem Sujet oft nicht angemessen, und auch nicht frei von Abnutzungserscheinungen. Und warum in aller Welt aber komponiert der Traditionalist Battistelli in einer Komödie nicht ein einziges Mal ein richtiges mehrstimmiges Ensemble, was sich von der Story her geradezu aufdrängen würde?


"Richtige" Models gibt's auch, und die umlagern hier Designerin Maria Maria (Jeanne Piland, mitte). Links steht eine Figur namens "Jeanne Paul" (Monique Simon), die für die Handlung aber so unwichtig ist, dass sie nicht einmal in der Inhaltsangabe im Programmheft auftaucht.

Überzeugend gelingt die musikalische Umsetzung. John Fiore leitet die Düsseldorfer Symphoniker umsichtig und hält gut die Balance zur Bühne, ohne den vollen Klang aufzugeben. Vielleicht könnte man die Partitur stärker kammermusikalisch akzentuieren; andererseits lässt Fiore das spielen, was man schließlich eingekauft hat: Große Oper. Kristen Leich singt das Zimmermädchen Meli mit schlanker, dennoch intensiver Stimme, die dem Rollenwechsel zum männlichen Model Mel mit hinreichend knabenhafter Färbung gut gerecht wird, und überzeugt auch durch pointierte Deklamation. Jeanne Piland gibt der Designerin Maria Maria die Züge einer alternden Diva, gleichwohl mit leuchtender Stimme. Dass lyrische Emphase mit versierter Linienführung den ironischen Charakter nicht unbedingt hervorhebt, ist dem Komponisten, nicht der Sängerin anzukreiden. Bruce Rankin und Daniel Djambazian erweisen sich als komödiantische Charakterdarsteller. Günes Gürle hat sicher schon bessere Abende gesungen als diesen mit einem etwas lustlosen Max, dem Liebhaber des Zimmermädchens. Brillant agieren Tony und Anton Skrzypiciel als Türsteher – mit skurrilen Tanzeinlagen und effektvollem Sprechgesang. Hier hat die Inszenierung ihre besten Momente (wie überhaupt die Personenregie durchaus überzeugt und vom Ensemble engagiert umgesetzt wird). Jörg Waschinski singt das Starmodel Tarquin mit schöner, flexibler und kräftiger Altus-Stimme – aber warum komponiert Battistelli nur eine so kleine Partie, wenn er schon einen Countertenor einfordert? Die kleine Einlage als singender Aufzug (!), die Waschiski zusätzlich bekommt, macht das auch nicht wett. Die Models der Agentur A ONE sind hübsch anzusehen. Nur gibt es auf der Bühne niemanden, der das tut – Statisterie gibt es nicht. Das Showpublikum sitzt im Zuschauerraum. Und applaudiert höflich.

FAZIT
Am guten Düsseldorfer Ensemble liegt es nicht, dass Fashion die hohen Erwartungen an das Auftragswerk nur ansatzweise einlöst. Vielleicht kann ein anderes Regiekonzept die Komödie, die zu wenig komisch ist, retten – als Klamauk in schrillen Kostümen hinterlässt die Oper nur mäßigen Eindruck.

 

www.Opernnetz.de
28. Januar 2008

Halbgott

  

„Meine Kenntnisse von Oper waren gleich Null und von der Mode verstand ich noch weniger" – so die Worte von Librettist Bob Goody im Programmheft der Düsseldorfer Uraufführung von The Fashion von Giorgio Battistelli. Battistelli macht einen Fischzug durch sein Kompositionsrepertoire, reiht wummerndes Schlagzeug, grummelnde Streicher, schrille Bläser-Crescendi, retardierende Ostinati aneinander. Michael Simon baut eine bizarr erscheinende Bühne, die aber nicht mehr ist als eine Show-Treppe mit zwei versetzten Kisten – ein bisschen „zerrupft", ohne Atmosphäre, aber auf der Personen albern agieren und ins Publikum singen können. Heraus kommt ein Flop in Bunt, ein fahrlässiges Vergehen an der Idee des Musiktheaters: keine schlüssige Geschichte, keine innovative Musik, keine Chancen für den Gesang, keine optisch-überzeugenden Bilder – vor allem aber: keine glaubwürdigen Emotionen, kein „Gesamtkunstwerk".

Es geht um das Zimmermädchen Meli, das in die Rolle des Top-Models Tarquin schlüpft und dadurch Konflikte mit der Mode-Designerin Maria auslöst, die ihre Kollektion vorstellen will, die auf einer Fisch-Vision basiert („cod is god", ergibt sich als schwachsinnige Pointe). Das wird in anderthalb Stunden mit einem „Humor" vermittelt, der sich in zappelndem Agieren erschöpft und an missglückte karnevalistische Aktionen erinnert.

John Fiore dirigiert die Düsseldorfer Symphoniker durchaus elanvoll, kostet die Battistelli-Effekte dynamisch aus – doch es will nicht gelingen, eine Struktur hörbar werden zu lassen. Kristen Leich hat als Meli sichtlich Spaß an der Rolle, sieht attraktiv-modelhaft aus, artikuliert konzentriert-stimmsicher, hat aber wenig Gelegenheit zu längeren Passagen intensiven Singens. Jeanne Piland nutzt die geringen Chancen zu sängerischer Präsentation mit herrlich blühenden Bogen – alle anderen (und das sind mit Günes Gürle und Bruce Rankin und anderen immerhin die „großen" Solisten der Deutschen Oper am Rhein) bleiben auf gelegentliches Singen reduziert.

Das Düsseldorfer Publikum (es ist die Premiere des Freundeskreises der Deutschen Oper am Rhein) ist neunzig Minuten lang perplex ob der Dürftigkeit des Gebotenen. Da es sich um ein Auftragswerk der Rheinoper handelt, stellt sich anschließend bei manchem Freundeskreis-Mitglied die Frage, wie denn eine solch desolate Produktion zur Aufführung kommen konnte. (frs)

nnnnn Musik
nnnnn Gesang
nnnnn Regie
nnnnn Bühne
nnnnn Publikum
nnnnn Chat-Faktor

 

Il giornale della musica
27 gennaio 2008

Com'è seria la moda di Battistelli

Buon successo della nuova opera "modaiola" di Giorgio Battistelli, che compone una partitura sontuosa per un libretto esile e non privo di luoghi comuni sul mondo della moda. Lo spettacolo di Michel Simon si fa apprezzare per la mano leggera e la scorrevolezza quasi da musical e conta su un buon cast, convincente fin nei ruoli minori.


M. Simon (Jeanne Paul) e J. Piland (Maria Maria).
Foto Eduard Straub

Definita spiritosamente "modische Oper", l'ultima creazione di Giorgio Battistelli è un oggetto strano, quasi bicefalo. Non potrebbe essere partitura più battistelliana nell'articolata concezione musicale, nell'accurata e sontuosa tessitura orchestrale e nella riuscita fusione di materiali eterogenei (c'è anche del jazz), che sul piano vocale spaziano dallo Sprechgesang che spezza il declamato talora arricchito da ensemble che rimandano alle forme chiuse del melodramma tradizionale. Poco battistelliano invece il brillante ma esile libretto (regge appena i 75' di durata del lavoro), ricco di tutti gli stereotipi inevitabili, si direbbe, quando si parla di moda (nemmeno Altman riuscì ad evitarli del tutto nel suo "Prêt-à-porter"). Al centro di "The Fashion" c'è l'ultima sfilata della stilista milanese (!) Maria Maria nell'Hotel Five Seasons. C'è poi la frustrazione della cameriera Meli che, per desiderio di affermazione, si finge modello e ruba a Tarquin, top model e toyboy dell'egocentrica e fragile Maria, scena e amante. C'è, inevitabile, l'ambivalenza sessuale fra Mel/Meli e Maria ma soprattutto Max, il facchino, che le fa il filo da cameriera e che ne è fatalmente attratto anche dalla versione maschile. E c'è infine un'inattesa esplosione di violenza che vira in nero la commedia nel finale.

Lo spettacolo di Michael Simon, anche autore della scena fra pop e concettuale, ha la leggerezza e i tempi di un musical e soprattutto resiste all'effetto facile. Cast azzeccato e adeguato fin nei ruoli minori. Da citare le protagoniste Jeanne Piland e Kristen Leich e gli ottimi caratteristi Tony Rizzi e Anton Skrzypiciel come Bow e Scrape. Ottimi gli strumentisti dei Düsseldorfer Symphoniker guidati da John Fiore, che offre una lettura solida e ricca di colori della partitura.

Stefano Nardelli