Konzeptionsnotizen von Achim Freyer

Im Taumel ihrer rauschhaften Feste einer Herrenwelt, die dem einen Bild: Frau nachjagt, sucht Violetta sich im Spiegel als Frau zu definieren, ihre Todesnähe verdrängend. Der angekündigte neue Gast, Alfredo, verwirrt Violettas Entschlüsse, sich ganz dem Vergnügen hinzugeben. Die große, reine Liebe ergreift von ihr Besitz. Ihr Wettlauf zwischen Liebe und Tod wird beschleunigt durch den Einbruch der gesellschaftlichen Außenwelt, der Gefährlichkeit wirtschaftlicher, religiöser und konventioneller Vorurteile und Interessen. Der Vater Alfredos fordert Violettas Verzicht auf den Sohn. Der feste Glaube und Violettas Wissen um den nahenden Tod geben ihr Kraft zu diesem Opfer. Im Geben liegt ihre Hoffnung auf Versöhnung mit dem Himmel und auf Erfüllung der Liebe jenseits der Welt.

Verdi erzählt das Phänomen Liebe in drei Archetypen: Als Flucht vorwärts vor der einmaligen, Himmel und Hölle vereinenden reinen Liebe in ihre Veräußerung und Vervielfältigung. Als ein Bekenntnis zu der erfüllenden, alles umfassenden immateriellen Liebe im materiellen Körper. Als Flucht rückwärts in die seelische Vereinigung der Liebenden im Zustande der Auflösung des Körpers, im Tode.Diese großen Themen, über und mit einer Figur erzählt, bedürfen der Bilder, die dem Zuschauer Raum schaffen für das eigene Bearbeiten von Erfahrungen, Ahnungen, Verdrängungen und Ängsten. Der Weg - Die Flucht - Das Licht - Das Schwarz - Die Leere - Der Schuh - Das Kleid - Der Spiegel - Der Schrank - Die Braut. Sie bilden zugleich Überrealitäten, Irritationen, Dejavues, Traum und Lebenserinnerungen. Der Raum schafft die Orte, in denen die Zeit unaufhaltsam, mit ihrem Personal sich vermischend, ins Schwarze tanzt, ein jäher Strudel in den unendlichen Abgrund, über ihm der unbegreifbare weiße Engel: Liebe. Verdi fördert das große Weinen in uns; Lachen und Weinen, Jubel und Schmerz in einem Zustand. Dem ausschließlichen Ja zum geliebten Gegenstand mit seiner Aura und seinen Peripherien, erfüllt den ganzen Lebensraum. Der Verlust des geliebten Gegenstandes lässt noch immer die schmerzenden Ränder zurück .Verdi ist der geniale Meister, diese doppelten Böden schmerzhaft erfahrbar zu machen. In seiner Darstellung größter Liebeseuphorien bleibt mit seinen Tanzrhythmen der Triumph des Todes abgründig präsent.

 


“Fra Wagner e Verdi”

schizzo di Achim Freyer per la Traviata di scena a Mannheim a partire dall’8 dicembre
(per gentile concessione dell’autore)