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18. Dezember 2007

Oper Frankfurt 13. Januar 2008
Giacomo Puccini Il trittico

Noch während seiner Arbeit an La fanciulla del West fasste Giacomo Puccini (1858-1924) den Entschluss, drei Einakter für eine abendfüllende Aufführung zu vertonen.

Die Kurzopern weisen mit ihrer dramatischen, lyrischen bzw. buffonesken Musiksprache eine äußerst unterschiedliche Form auf und wurden unter dem Titel Il trittico am 14. Dezember 1918 an der Metropolitan Opera in New York mit großem Erfolg uraufgeführt.

Zum Inhalt: Il tabarro erzählt die Dreiecksgeschichte zwischen der jungen Giorgetta, derem älteren Ehemann Michele – dem Kapitän eines Schleppkahns – und dessen Nebenbuhler Luigi, welche für diesen tödlich endet. Suor Angelica hingegen ist in einem Kloster angesiedelt. Die Heldin nahm einst auf Druck ihrer adeligen Familie nach der Geburt ihres unehelichen Kindes den Schleier und muss nun durch ihre hartherzige Tante erfahren, dass ihr Sohn bereits vor Jahren verstorben ist. Daraufhin begeht die verzweifelte Angelica Selbstmord. Heiter verläuft die Geschichte des florentinischen Schlitzohres Gianni Schicchi, dem es durch einen Trick gelingt, das Erbe des kürzlich verstorbenen Buoso Donati an sich zu bringen sowie das Liebesglück seiner Tochter Lauretta zu sichern.

Innerhalb kürzester Zeit etablierte sich der junge Italiener Nicola Luisotti an den Opernhäusern der Welt als einer der meistgefragten Dirigenten seiner Zeit. Die Oper Frankfurt ist daher stolz und glücklich, ihren Zuschauern anlässlich dieser Produktion das Hausdebüt Luisottis präsentieren zu können. Mit ihm alterniert für zwei Vorstellungen der junge Israeli Yuval Zorn. Nach Verdis Maskenball kehrt der gebürtige Frankfurter Claus Guth an den Main zurück. Zuvor führten ihn u.a. Verdis Luisa Miller an die Bayerische Staatsoper in München und Wagners Die Meistersinger von Nürnberg an die Dresdner Semperoper. Star dieser mit Gästen und Ensemblemitgliedern und Chorsolisten der Oper Frankfurt hochkarätig besetzen Produktion ist der Bariton ÿeljko Luÿiÿ als Michele bzw. Gianni Schicchi, der ab kommender Saison das Ensemble der Oper Frankfurt verlassen wird, um verstärkt seiner Gastiertätigkeit nachkommen zu können. In diesem Rahmen wird er aber immer wieder an den Main zurückkehren.

Quelle: Oper Frankfurt

 

Frankfurter Rundschau
7. Januar 2008

Puccini
Die Toten, die Lebenden und die Springlebendigen
Kommenden Sonntag gibt es nach dreißig Jahren das erste Mal wieder Puccinis "Il trittico" in der Frankfurter Oper.
VON ARNO WIDMANN

Gestern wurde im Holzfoyer ein Oper Extra dazu geboten, eine etwa einstündige Einführung also in dieses Triptychon aus den drei kleinen Opern "Il tabarro" (Der Mantel), "Suor Angelica"(Schwester Angelika) und "Gianni Schicchi". Der Dramaturg des Hauses, Norbert Abels, machte das wie immer in bester Laune und sehr souverän.

Nicola Luisotti, der zukünftige Musikdirektor der San Francisco Opera, betonte die Unterschiedlichkeit der drei Opern, jede habe ihre eigene musikalische Farbe. Luisotti schwärmte singend, pfeifend und prustend vor Lachen vom "Trittico". "Ich darf ihnen versichern", erklärte Norbert Abels dem Publikum, "unser Orchester wird es fast so gut machen wie Luisotti es ihnen gerade vormacht."

Claus Guth, der Regisseur, der in Frankfurt zuletzt mit seinem "Un ballo in maschera" Erfolg hatte, betonte bei aller Unterschiedlichkeit der drei Teile des Triptychon doch die Einheit des Ganzen. Seine Inszenierung bindet die drei Geschichten zusammen. Sie spielen jetzt alle zur selben Zeit. So soll klarer werden, dass es in allen ganz wesentlich auch um die Anwesenheit des Todes und der Toten in jeder Gegenwart gehe. Es ist Guths erster Puccini. Der Frankfurter Intendant Bernd Loebe musste ihn mit einigen E-Mails traktieren, bis Guth überzeugt war, dass Puccini ihm etwas zu sagen hatte und dass er mit Puccini dem Publikum etwas werde sagen können.

Carlos Krause, der schon 1977 den Simone in "Gianni Schicchi" sang, wird es - inzwischen 72 Jahre alt - auch diesmal wieder tun. Julia Juon - sie sang an Domingos Seite die Kundry im "Parsifal" - wird in allen drei Stücken singen und zwar so verschiedene Rollen wie die der gestrengen Prinzessin in "Suor Angelica" und das "Frettchen" in "Il tabarro". Die Besucher der sonntäglichen Matinee ließ sie als eiskalte Prinzessin kräftig frösteln.

Die Frankfurter Oper wäre freilich nicht die Frankfurter Oper wenn es nicht auch neue Sänger zu hören gäbe. Der Tenor Massimiliano Pisapia ist einer davon. Er sieht exakt so aus, wie ein italienischer Tenor seit Enrico Caruso auszusehen hat: klein, massiv mit einem enormen Blasebalg, der ihn auch in den höchsten Höhen noch mit der schönsten Atemluft versorgt.

Die Sensation freilich ist eine junge Sängerin aus einer südafrikanischen Buren-Familie, die in San Francisco Gesang studierte und die Bernd Loebe nach nur einmal Vorsingen am Schopf packte und nach Frankfurt verschleppte. Sie durfte und musste sofort acht Verträge unterschreiben. Zu unserem Glück.

Kommenden Sonntag hat sie ihren ersten Bühnenauftritt als Giorgetta in "Il tabarro". Elza van den Heever heißt die junge Frau mit mächtigen Armen und einer gewaltigen Stimme. Viel zu viel für das Holzfoyer der Frankfurter Oper. Wenn sie durchgesungen hätte, wäre der Saal geplatzt wie Oskar Matzeraths Glühbirnen. Die Stimme immer mächtiger wachsen lassen - das kann sie auf so beeindruckende Weise, dass man am liebsten nur dem zuhören möchte - ganz frei von aller Handlung, von allem Sinn. Nicola Luisotti war so begeistert, dass er nicht nur lauthals "brava, brava" rief, sondern mit beiden Händen mit voller Wucht auf den Tisch vor ihm einschlug.

Das Publikum hätte es ihm gerne nachgetan. Aber es hatte keinen Tisch zur Verfügung. So klatschte es sich die Hände wund.

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Dokument erstellt am 06.01.2008 um 16:56:02 Uhr
Letzte Änderung am 07.01.2008 um 11:33:12 Uhr
Erscheinungsdatum 07.01.2008

 

Frankfurter Allgemeine Zeitung
8. Januar 2008

„Il trittico" an der Oper Frankfurt
„Ein Todesarten-Zyklus"

Von Guido Holze

Claus Guth
Bringt Puccini in Frankfurt auf die Bühne: Claus Guth

Die drei Operneinakter, die Giacomo Puccini unter dem Titel „Il trittico" zusammengefasst hat, sollen nach Ansicht von Claus Guth Anschluss an einen „verborgenen Verbindungskanal" besitzen. So stellte der Regisseur, der „Das Tryptichon" an der Oper Frankfurt für die Premiere am Sonntag inszeniert, bei der Einführungsveranstaltung „Oper extra" heraus, dass es in den oft separat und in Kombination mit anderen Stücken gespielten Kurzopern durchweg um das Thema Tod gehe: In „Il tabarro" erwürgt der Seine-Schiffer Michele den Liebhaber seiner jungen Frau, in „Suor Angelica" bringt sich die Titelheldin um, die als Ordensschwester vom Tod ihres unehelich geborenen Sohns erfährt, und in „Gianni Schicchi" versammelt sich die Verwandtschaft gleich zu Beginn um einen Leichnam in der Hoffnung auf eine große Erbschaft.

Claus Guth, der aus Frankfurt stammt und hier an der Oper zuletzt im Jahr 2005 Verdis „Maskenball" in Szene setzte, sprach daher von einem „Todesarten-Zyklus". Oft werde in den drei Stücken zudem über Verstorbene gesprochen. Und diese „unsichtbaren Linien zu den Toten" hätten ihn besonders interessiert. Die Toten sollen in seiner Inszenierung so präsent sein wie die Lebenden. Den „Schlüssel" zu der Produktion liefere das Bild der Fähre, verriet der Bühnenbildner Christian Schmidt.

„Homogenität" der Stücke

Dabei handelt es sich um eine Metapher der griechischen Mythologie: Der Fährmann Charon geleitet die Toten über den Fluss Styx in die Unterwelt. Und der Einsatz der großen Drehbühne soll zudem die „Homogenität" der Stücke verdeutlichen. Möglich würden so „filmische Schnitte und Wirkungen". Das „historisch Bilderbogenhafte" der Handlungen, die um 1900, um 1700 und um 1300 anzusiedeln sind, sei dabei vom Produktionsteam negiert worden. Es werde ein „Personal aus der Jetzt-Zeit" gezeigt, jedoch in unterschiedlichen Milieus. Verbindend wirken soll auch, dass alle Hauptpersonen in ihrer „eingemauerten Welt" lebten: wie im Gefängnis auf dem Fischerboot, im Kloster oder gefangen im „Geiz und Habenwollen", so Guth.

Chefdramaturg Norbert Abels wies darauf hin, dass „Il trittico" während des Ersten Weltkriegs entstand, als der Tod allgegenwärtig war. Millionen Tote gab es nicht nur auf den Schlachtfeldern, sondern auch infolge einer weltweiten Grippeepidemie, und Puccini selbst war zu dieser Zeit vermutlich schon an Krebs erkrankt. Bald nach der New Yorker Uraufführung 1918 habe es jedoch – zum Leidwesen des Komponiosten – Bestrebungen gegeben, „Il trittico" auseinanderzureißen. Ein Erfolg war nur die Komödie „Gianni Schicchi", während „Der Mantel" und „Schwester Angelica" kühl aufgenommen wurden.

Ein „Meisterwerk der Orchestration"

Der italienische Gastdirigent Nicola Luisotti beschrieb die Einakter als musikalisch unterschiedlich. „Il tabbaro" bilde in dunklem Ton oft die ruhige Bewegung des Flusses, der Seine, nach. In „Suor Angelica" herrsche eine ungeduldige Atmosphäre, da jede der Nonnen im Kloster auf Besuch warte, jedoch wende sich die Musik, als Angelica ihren Selbstmord beschließe. „Gianni Schicchi" sei ein „Meisterwerk der Orchestration". Begleitet von Francesca Zamponi am Klavier, gaben Elza van den Heever als Giorgetta, Julia Juon, die als Fürstin und Zita zu erleben sein wird, und Massimiliano Pisapia als Rinuccio Kostproben aus ihren Partien.

Premiere am Sonntag um 18 Uhr, weitere Vorstellungen am 17., 19., 25. und 27. Januar sowie 1., 3., 9., 14. und 22. Februar.

Text: F.A.Z.
Bildmaterial: picture-alliance / dpa/dpaweb

 

Frankfurter Allgemeine Zeitung
11. Januar 2008

Oper
Variationen über Leben und Tod

Von Guido Holze

Nicola Luisotti
Nicola Luisotti

Am liebsten hätte Claus Guth die drei Einakter ohne Pausen spielen lassen, gleichsam als ein einziges Stück. Aber das ist dem Publikum bei Aufführungsdauern von etwa einer Stunde für jede der Kurzopern nicht zuzumuten. Der Zusammenhang der drei Teile von Giacomo Puccinis „Il trittico" soll in Guths Inszenierung, die an der Oper Frankfurt morgen um 18 Uhr Premiere hat, trotzdem deutlich werden. Guth lässt „Il tabarro", „Suor Angelica" und „Gianni Schicchi" von modern ausgestattetem Personal in einem einzigen, vielteiligen Bühnenbild spielen.

Christian Schmidt hat es so auf die große Drehbühne der Oper gebaut, dass fließende Übergänge von Raum zu Raum und filmische Schnitte von Szene zu Szene möglich werden. Wie es in Fernsehserien zu Beginn einer neuen Folge geschieht, soll nach den zwei Pausen zu Anfang des jeweils nächsten Einakters etwas gezeigt werden, das an den „Cliffhanger", den spannenden Schlusseffekt der vorangegangenen Oper, anknüpft.

Dunkle Klangfarben, lichtes Klangbild

Für Guth hängen die drei Opern, die oft separat und in Kombination mit anderen Stücken aufgeführt werden, stärker zusammen als angenommen. Das ihnen gemeinsame Motiv scheint dem Regisseur der Tod, das ihnen gemeinsame Thema das Verhältnis zwischen diesem Tod und dem Leben zu sein. Puccinis alternder Fluss-Schiffer Michele, der in „Il tabarro" („Der Mantel") den Liebhaber seiner jungen Frau erwürgt, sei so ein „Beispiel für jemanden, der schon im Leben gestorben ist". Die Beziehung des Ehepaars sei durch den frühen Tod ihres Kindes „irreparabel gescheitert", sagt der gebürtige Frankfurter, der am Opernhaus seiner Heimatstadt 2005 Verdis „Maskenball" inszenierte. Michele sei „erstarrt, vereist, er läuft herum, aber er ist für mich tot".

Nicola Luisotti ergänzt, ähnlich wie in Puccinis „Madame Butterfly" sei auch diese Story zum Schluss nicht beendet, sondern laufe im Kopf der Zuschauer weiter. Wie Guth betont auch der italienische Gastdirigent die inhaltlichen Beziehungen der drei Einakter. Er hebt jedoch hervor, dass sie musikalisch völlig verschieden gestaltet seien. Rechnung tragen soll der unterschiedlichen Atmosphäre der Opern ihre Beleuchtung: den dunklen Klangfarben von „Il tabarro" ebenso wie dem lichten Klangbild von „Suor Angelica" („Schwester Angelica"). Für sie ist das vorgesehen, was Luisotti als „eternal blue" bezeichnet, ein überirdisch-ewiges Blau. Der helle Komödien-Ton von „Gianni Schicchi" schließlich erhält ein klares, realistisches Licht.

Eine weitere Klammer des Triptychons sieht Guth in der „klaustrophobischen Situation", die sämtliche Teile des Abends aufbauten. Am deutlichsten werde sie im Kloster, in das Angelica gehen müsse, weil sie ein uneheliches Kind zur Welt gebracht habe. Sie halte sich dort nur noch am Leben, weil sie auf eine gemeinsame Existenz mit dem kleinen Sohn hoffe. Als ihr die hartherzige Tante unerwartet mitteile, dieser sei längst gestorben, ändere sich mit Angelicas Beschluss zum Suizid schlagartig die Musik, beschreibt Luisotti: Sie stellt Angelica im Tod die Vereinigung mit dem Kind in Aussicht, „aber nicht in traurigem, sondern in euphorischem Sinne".

Himmel und Hölle

Als Hauptperson im klassischen Sinne sei Angelica dabei nicht zu sehen: „Es gibt viele Angelicas im Konvent, die auf etwas warten", bringt es Luisotti auf den Punkt. Die Handlung könnte zudem auch in einem Gefängnis spielen oder in einem „extremen Pensionat", so Guth. Auch in „Gianni Schicchi" schließlich gehe es um „Tote, die keine Toten sind, sondern im Kopf der Lebenden einen Platz einnehmen". Die Biographien aller wichtigen Figuren der Stücke seien „geprägt durch etwas, das vorher passiert ist, und von Menschen, die nicht mehr leben".

So versammeln sich zu Beginn der Komödie in der Hoffnung auf eine Erbschaft die Verwandten um einen Verstorbenen. Gianni Schicchi, „ein Typ, der seine Hände überall im Spiel hat", wie Luisotti meint, deichselt die Sache zu seinen Gunsten und sichert zugleich das Liebesglück seiner Tochter. Dante habe seinen Gianni „in die Hölle gesteckt", Puccini erhebe Schicchi nun in den Himmel. Mit Recht, wie Regisseur und Dirigent finden: „Die Kriminellen im Stück sind die Donatis."

Die Premiere findet am Sonntag um 18 Uhr statt, die nächsten Aufführungen folgen am 17., 19., 25. und 27. Januar um jeweils 19 Uhr.

Text: F.A.Z.
Bildmaterial: picture-alliance / dpa/dpaweb

 

Frankfurter Neue Presse
09.01.2008

Der Tod ist die größte Macht des Schicksals
Als erste Premiere für 2008 zeigt die Oper Frankfurt am 13. Januar „Il trittico" von Giacomo Puccini. Dirigat: Nicola Luisotti.

Von Birgit Popp

Wie der Titel „Il trittico – Das Triptychon" verrät, besteht das Werk aus drei Opern: „Il tabarro" (Der Mantel), „Suor Angelica" (Schwester Angelica) und „Gianni Schicchi". Von Puccini in den Jahren 1916–18 während des Ersten Weltkriegs als vorletztes Werk komponiert, waren diese drei Variationen über den Tod von Anfang an als Dreiteiler geplant. Vorbild für Puccini, dessen Schwester Ramelde als Nonne im Kloster lebte, war zum Teil Dante Alighieris „Göttliche Komödie" (1321).

In „Il tabarro" tötet der alternde Schiffer Michele seinen jungen Rivalen (Carlo Ventre), um die Gunst seiner jungen Frau Giorgetta (Elza van der Heever). In der lyrisch angelegten „Sour Angelica" erfährt die Nonne Angelica (Danielle Halbwachs) von ihrer kaltherzigen, adligen Tante (Julia Juon), dass ihr uneheliches Kind, wegen dem sie einst ins Kloster gehen musste, bereits vor einigen Jahren gestorben ist. Sie wählt daraufhin den Freitod. In der burlesken Komödie „Gianni Schicchi" haut das Florentiner Schlitzohr die Verwandtschaft des verstorbenen Buoso Donati, dessen Erbe sie sich mit Hilfe Gianni Schicchis erschleichen will, übers Ohr und verhilft seiner eigenen Tochter Lauretta (Juanita Lascarro) und deren Geliebtem Rinuccio (Massimilian Pisapia), einem Neffen des Buoso Donattis, zum beachtlichen Vermögen.

Die musikalische Leitung aller drei Stücke obliegt dem italienischen Dirigenten Nicola Luisotti, der seinen internationalen Durchbruch 2002 mit dem Dirigat von „Il trovatore" in Stuttgart erzielte und seitdem an allen bedeutenden Opernhäusern der Welt Erfolge feiert. Regie führt der gebürtige Frankfurter Claus Guth, der in Frankfurt bereits „Un ballo in maschera" inszenierte. In den Partien des Michele und des Gianni Schicchi ist der zum Weltstar avancierte Bariton Zeljko Lucic zu hören, für den es seine letzte szenische Premiere als Frankfurter Ensemblemitglied sein wird. Lucic, der das Zentrum seines künstlerischen Wirkens sonst bei Verdi sieht, ist von der Partie des Michele begeistert. „Leider ist dies ja nicht oft der Fall gewesen, aber in dieser Oper hat Puccini für den Bariton geschrieben. Den Marcello habe ich in ,La bohème’ gerne gesungen, aber ansonsten bin ich kein Puccini-Fan, und so war ich auch erst etwas enttäuscht, dass meine letzte Premiere als Ensemblemitglied in Frankfurt ,Il trittico’ sein sollte. Aber als ich begann, das Stück zu studieren, habe ich bemerkt, dass ,Il tabarro’ ein Meisterwerk ist. Ich liebe diese Partie, die wirklich schön zu singen ist, aber auch inhaltlich konnte ich mich von Anfang an in ihr finden." Sängerisch weniger anspruchsvoll ist der Gianni Schicchi: „Das ist eine Komödie pur, die vor allem eine schauspielerische Leistung verlangt. Sie macht mir aber viel Spaß, denn es liegt auch in meinem Charakter, komödiantisch zu sein."

Beide Partien sind für Zeljko Lucic Rollendebüts, und das nächste in einer Puccini-Oper steht für 2011 in „Tosca" mit der Glanzpartie des Scarpia an. Ganz in seinem Element als Verdi-Bariton darf sich der gebürtige Serbe bei einem weiteren Debüt als Jago in den konzertanten „Otello"-Aufführungen am 2. und 6. April in der Frankfurter Alten Oper fühlen. Für Mai war in Frankfurt zudem die Wiederaufnahme von Verdis „Macbeth" in der blutrünstigen Inszenierung von Calixto Bieito mit Zeljko Lucic in der Titelpartie geplant, ist aber durch eine Serie von Verdis „Traviata" ersetzt worden. „Die eigentliche Tragödie war die Inszenierung, und so bin ich froh, dass der ,Macbeth’ durch „Traviata" ausgetauscht wurde, in der ich den Germont singen werde. Für mich schließt sich damit der Kreis. Am 4. September 1998 habe ich in dieser Partie meine allererste Vorstellung in Frankfurt gegeben, und der Germont wird meine letzte Partie als Ensemblemitglied sein." Obwohl sein künstlerischer Schwerpunkt in Zukunft – neben Auftritten an den Staatsopern in München und Wien – vor allem in den USA und dort an der New Yorker Met liegen wird, will Lucic der Frankfurter Oper als Gastsänger treu bleiben und mit seiner Familie auch weiterhin in Frankfurt wohnen. „Ich habe schon über mehrere Jahre Verträge mit der Frankfurter Oper geschlossen und werde in fast jeder Spielzeit hier zu hören sein." Von dem in Frankfurt debütierenden Dirigenten Nicola Luisotti spricht Zeljko Lucic in höchsten Tönen. „Ich habe mit ihm schon 2005 für ,La forza del destino’ in San Francisco, wo er 2009 Generalmusikdirektor wird, zusammengearbeitet, und für mich steht er auf einem Niveau mit Paolo Carignani oder Fabio Luisi. Er ist einer der ganz Großen."

 

OFFENBACH POST
12. Januar 2008

Eine Frau übernimmt schwierige Opern-Fälle
Julia Juon zeigt in Puccinis Triptychon gleich drei Charaktere

Julia Juon
Julia Juon

Rechts neben dem Bad ist das Schlafzimmer, durch eine Tür gelangt man an die einladende Bar. Einer menschlichen Versuchsanstalt scheint das kühle Mobiliar auf der Drehbühne entlehnt. Die fragwürdigen Helden des noch zweifelhafteren TV-Formats "Big Brother" könnten hier gleich einziehen. Eine Treppe, Markenzeichen des Bayreuth-erfahrenen Regisseurs Claus Guth, führt in eine Art Oberwelt. Dort sitzt Julia Juon wie verloren in einem Kinosessel, eine Frau für schwierige Opernfälle.

In jedem der drei Einakter ist die Schweizer Mezzosopranistin präsent, von Giacomo Puccini als "Il Trittico" herausgebracht. Das Triptychon - "Il Tabarro", "Suor Angelica" und "Gianni Schicchi" - hat am Sonntag Premiere, geleitet vom jungen Italiener Nicola Luisotti, in Frankfurt erstmals am Dirigierpult. Den bauernschlauen Schicchi singt Zeljko Lucic, Star der wieder einmal hochkarätig besetzten Produktion.

Der Tod ist in Claus Guths Inszenierung allgegenwärtig: Im Sozialdrama "Der Mantel", einer tödlichen Dreiecksgeschichte, spielt Julia Juon eine Lumpensammlerin. Von aristokratischem Geblüt überbringt sie "Schwester Angelika" die Nachricht vom Tod ihres unehelichen Kindes, der die Ordensfrau in den Selbstmord treibt. "Das extreme Gegenteil von Frugola, der Frau eines trinkfesten Hafenarbeiters", so Julia Juon. Schließlich mimt sie in der Erbfälscher-Komödie - auch hier ist der Tote präsent - noch ein "altes geldgieriges Weib", wie sie lachend anmerkt. Das fühlt sich dem Bauerntölpel haushoch überlegen - und wird doch von ihm aufs Kreuz gelegt.

"Mal lyrischer Mezzo, mal dramatischer Alt, mal komische Alte": Puccinis Musik sei so perfekt auf diese Rollen abgestimmt, dass es ihr mühelos gelinge, sich auf der Bühne mental immer wieder neu einzustellen. Sie zu erarbeiten, sei schon schwieriger, zumal auf Italienisch für eine überaus erfolgreiche Sängerin des deutschen Fachs. Das hat Julia Juon in den großen Wagner-Partien, aber auch in "Frau ohne Schatten" (Richard Strauss) oder als Gräfin Geschwitz ("Lulu" von Alban Berg) auf den großen Opernbühnen von Berlin bis Barcelona nachgewiesen.

Zwiespältige Frauencharaktere haben es ihr angetan. So gehört die Kundry aus Wagners "Parsifal" zu ihren Lieblingsrollen, die sie auch in der Frankfurter Neuinszenierung verkörperte. "Es gibt 1 000 Möglichkeiten Kundry darzustellen, jeder Regisseur sieht etwas anderes in ihr. Das macht die Sache so spannend", sagt Dame Juon, die zum modernen Regietheater keinerlei Berührungsängste kennt. Wie weit sie hier gehe, sei allemal eine Frage der Überzeugungskraft der Regisseure … Bei großen Partien gebe es allerdings physische Grenzen - bei aller Liebe zum Bühnensport.

Was das noch immer aktuelle Regietheater anbetrifft, hat die Sängerin eine dezidierte Meinung. "Man muss nicht Oper machen wie vor 50 Jahren", sagt Julia Juon. Die Musik sei zwar alt, aber die Oper selbst kein Museum. Wagners Rheintöchter etwa (aus dem "Ring") hätten zur Entstehungszeit der Tetralogie revolutionär gewirkt. Diesen Geist gelte es auch auf heutige Inszenierungen zu übertragen. Zu ihren zukünftigen Plänen und Wünschen gehört nicht nur die Annina ("Rosenkavalier" von Richard Strauss) am Liceu Barcelona oder die Adelaide ("Arabella"), sondern auch die Küsterin aus Janaceks "Jenufa", aber in tschechischer Originalsprache. "Da muss man Worte ohne Vokale, nur aus Konsonanten singen", stellt sich Julia Juon augenzwinkernd der Herausforderung. Und: Bei jeder Fremdsprache habe sie neue Resonanzräume ihrer Stimme entdeckt.

Im Übrigen ist die Schweizerin eine überzeugte Wahl-Hessin. Mit ihrem Ehemann, dem ebenfalls international renommierten Bühnenbildner Hermann Feuchter (in Frankfurt hat er "Tiefland" ausgestattet), entspannt sie am liebsten in ihrem "Landsitz" in Kassel, wo Herkules und Wilhelmshöhe locken. In der Badewanne singt sie übrigens nicht, aber am Wannenrand - und ist wieder bei Puccinis "Triptychon". Denn in der Wanne liege eine Leiche …

KLAUS ACKERMANN