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Theater an der Wien Magazin Musik der Worte Der heimliche künstlerische Höhepunkt der Salzburger Festspiele war heuer die Aufführung einer Oper des zwanzigsten Jahrhunderts. Das mit suggestiven Klangwirkungen operierende Musiktheaterstück Luci mie traditrici, im deutschen Sprachraum unter dem Titel Die tödliche Blume bekannt, zählt nicht zufällig zu den meistgespielten Werken der Moderne. Der aus Palermo stammende Komponist Salvatore Sciarrino, Jahrgang 1947, wählte für diesen knappen Zweiakter die von Genie und Leidenschaft geprägte Lebensgeschichte des Renaissancekomponisten Carlo Gesualdo, Fürst von Venosa, zum Ausgangspunkt für ein von allen direkten inhaltlichen Bezügen abgehobenes, zeichenhaftes Spiel um die ewigen Themen Liebe, Eifersucht und Tod. Es besticht durch seine emotionale Intensität und nimmt auch den mit zeitgenössischen Klängen nicht vertrauten Hörer mühelos mit auf eine musikalische Reise durch feinste seelische Regungen.
Hinreißend schön, mit prächtigen Farben und eindrucksvollen, an Filmmusik gemahnenden Effekten ist auch der Orchesterpart der Oper, bei dem die virtuosen Mitglieder des Klangforum Wien, angeführt von Flötistin Eva Furrer, ihre Kompetenz ausspielen können. Am Pult steht mit Beat Furrer ein Komponist, der sich seinerseits auf spannendes Musiktheater versteht und mit Sciarrino in langjähriger Freundschaft verbunden ist. memo |
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Salvatore Sciarinnos „Tödliche Blume" – konzertant am 14.12. Beim Sciarrino-Schwerpunkt in Salzburg 2008, auch bei Wiener Festwochen einst schon einmal szenisch gezeigt: Die Oper „Luci mie traditrici" (übersetzt etwa „Meine verräterischen Augen"). Diese zeitlose „Tragödie der Liebe, des Blutes und der Unausweichlichkeit", wie der geniale Komponisten-Außenseiter, der längst mit seinen Werken im Mittelpunkt des Musiklebens steht, seine Oper genannt hat, nimmt ihren Ausgang von einem Barockdrama, das den Mord des Renaissancefürsten und Komponisten Gesualdo an seiner Frau und deren Liebhaber verarbeitet. Es hätte in Salzburg Klaus Michael Grüber, der gemeinsam mit Peter Stein der Berliner „Schaubühne" als Regisseur in den 70-er und achtziger Jahren zur Weltgeltung verhalf, inszenieren sollen. Doch am 23. Juni ist er tragischerweise mit 67 Jahren verstorben. So zeichnete die für Bühne und Kostüme gewählte Rebecca Horn auch für die Regie in der Kollegienkirche verantwortlich. Die musikalische Leitung hatte Beat Furrer als Dirigent des Klangforums. An der Besetzung für Salzburg ändert sich bei der konzertanten Aufführung in Wien nichts, allerdings steht Otto Katzameier diesmal nicht als „Il Malaspina" zur Verfügung. Statt ihm ist Tomothy Sharp aufgeboten und statt Kai Wessel singt Andrew Watts „L’ospite". Aus der (guten) Werkeinführung für Wien: Der Renaissance-Komponist Carlo Gesualdo, eine der schillerndsten Persönlichkeiten der Musikgeschichte, hat immer wieder nachfolgende Generationen inspiriert, so beispielsweise Igor Strawinski in den "Tres sacrae cantiones" sowie in der Madrigal-Bearbeitung Monumentum pro Gesualdo di Venosa ad CD annum. Ebenfalls eine Madrigal-Bearbeitung ist Le voci sottovetro des 1947 in Palermo geborenen Salvatore Sciarrino, dessen Auseinandersetzung mit Gesualdo in einer Burleske in der Tradition des sizilianischen Puppentheaters (Terribile e spaventosa storia del Principe di Venosa e della bella Maria) und in der 1998 uraufgeführten Oper Luci mie traditrici ihren Niederschlag findet. 1590 ermordet Gesualdo aus Eifersucht seine Gemahlin Maria d'Avoalos und deren Geliebten Fabrizio Carafa, und schon 1664 wird das blutige Ereignis in Il tradimento per l'onore von Giacinto Andrea Cicognini anhand einer fiktiven Personenkonstellation neu erzählt. Cicogninis barocke Tragödie nimmt Sciarrino zum Ausgangspunkt seiner Erzählung von der Vergänglichkeit der Liebe: Beschwören der Mann und seine Gemahlin am Morgen noch ihre ewige Liebe, so verfällt sie am Mittag leidenschaftlich einem Gast und gibt sich ihm hin. Der unglücklich in seine Herrin verliebte Diener verrät das intime Stelldichein, doch der Entehrte scheint seiner Gemahlin zu vergeben. Als sie jedoch Nachts den Vorhang zu ihrem Bette öffnet, findet sie dort die Leiche des Geliebten und stirbt durch den Dolch ihres Gemahls. Am Ende der Oper finden sich die beiden in der Intimität der ersten Szene wieder. Die inneren Vorgänge der Protagonisten faszinierten den Komponisten […] und so schreibt Sciarrino lakonisch in seine Partitur: Poco succede, quasi niente. (Wenig geschieht, sozusagen nichts.)" |
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