DIE WELT
21. Juli 2008

Bayreuther Festspiele
Parsifal-Zeitreise geht auch ins Dritte Reich

An diesem Freitag findet in Bayreuth die letzte Premiere unter Wolfgang Wagner statt. Stefan Herheim inszeniert das Stück, das Wagner-Fan Adolf Hitler besonders gefiel, als düstere deutsche Zeitreise. Damit setzten die Festspiele auf das Regietheater – und sind auf dem richtigen Weg.

Von Friedrich Pohl

Auf den Fluren hinter der Bühne des Bayreuther Festspielhauses liegen viele Leichen, Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg, blutverschmiert, verstümmelt, zerfetzt. Es sind Requisiten für die "Parsifal"-Premiere, und sie machen eines klar: Regisseur Stefan Herheim geht mit dem Werk nicht zimperlich um. Sein "Parsifal" wird an diesem Freitag die letzte Bayreuther Premiere der Ära Wolfgang Wagner sein, der Ende August sein Amt als Leiter der Festspiele abgibt. Seine Töchter Eva Wagner-Pasquier und Katharina Wagner werden ihm nachfolgen.

Es gibt dankbarere Aufgaben, als "Parsifal" (Uraufführung 1882) zu inszenieren. Zwar ist es ein Werk mit betörender Musik, aber dramaturgisch alles andere als eine Offenbarung. Grob zusammengefasst wird Titelheld Parsifal darin unvermittelt Zeuge eines Rituals. König Amfortas enthüllt den heiligen Gral, der ihm und seinen Rittern neue Lebenskraft spendet. Doch Amfortas sehnt seinen Tod herbei, weil er an einer nicht heilenden Wunde leidet. Laut Vorhersehung wird ihm nur ein "reiner Tor" mithilfe eines bestimmten Speeres helfen können. Dummerweise befindet sich der Speer im Besitz des bösartigen Zauberers Klingsor. Doch Parsifal bezwingt ihn und kann Amfortas am Ende erlösen.

"Parsifal" als Reise durch die Geschichte

Es bedarf schon größerer Regiekünste, um dieses gelegentlich fünf Stunden dauernde "Bühnenweihfestspiel" nicht langweilig werden zu lassen. Obendrein ist kaum ein anderes Werk Wagners so unterschiedlich gedeutet worden. Mal als mystisch humanes Drama, dann als antisemitische Rassenlehre, später als Verherrlichungsoper für Buddhisten und Vegetarier. Herheims Dramaturg Alexander Meier-Dörzenbach sagt: "Geht man allein vom ,Parsifal'-Text aus, hat man eine weihevolle Sülze. Die vielen spannenden Widersprüche der Oper werden erst im Zusammenspiel mit der Musik deutlich."

Leicht zu skandalisieren ist "Parsifal", schließlich war es eine der Opern, die Wagner-Fan Adolf Hitler besonders am Herzen lagen. Der schrieb seinerzeit: "Aus ,Parsifal' baue ich mir meine Religion." Hitler entwickelte in den Dreißigerjahren mit Maler Alfred Roller sogar Bühnenbilder für die Bayreuther Aufführungen. Herheim wird das nicht ausblenden. Sein "Parsifal" ist als eine Zeitreise durch Deutschland angelegt, von Kaiser Wilhelm II. über das Dritte Reich bis zur Bonner Republik.

Der Aufstieg des 38-jährigen Herheim zum Bayreuth-Regisseur verlief rasant. Als Teenager war er hochtalentierter Cellist. Um professioneller Musiker zu werden, fehlte ihm jedoch die Disziplin. 1994 zog Herheim dann nach Hamburg, wo er bei Regielegende Götz Friedrich studierte. Seine Abschlussarbeit, Mozarts "Zauberflöte", hinterließ offenbar einen gewaltigen Eindruck. Vor allem bei Komponist und Intendant Peter Ruzicka, der fortan ein wichtiger Förderer Herheims wurde.

Schlingensief erntete wenig Gegenliebe

Mit Herheim (2007 von der Fachzeitschrift "Opernwelt" zum "Regisseur des Jahres" gewählt) unternehmen die Festspiele den spürbaren Versuch, der Wagner-Rezeption neue Impulse zu geben. Damit war es jahrzehntelang nicht weit her. Gerade "Parsifal" wurde hier lange Zeit äußerst betulich auf die Bühne gebracht wurde. Ausgerechnet am Entstehungsort, wo Richard Wagner doch einst forderte: "Kinder! Macht Neues!" Deshalb vertraute die Festspielleitung 2004 dem Regisseur Christoph Schlingensief das Werk an.

Ein lobenswerter Versuch, auch wenn Schlingensiefs eigenwilliger Stil auf wenig Gegenliebe stieß. Spottende Kritiker tauften das Produkt "Hasifal", weil am Ende ein als Fruchtbarkeitssymbol dienender Hase verwest. Schlingensiefs Regie lief nur drei Jahre. Mit etwas Glück konnte man dafür sogar noch unmittelbar vor der Vorstellung Karten bekommen. Ein Unding für Bayreuther Verhältnisse, wo sich jedes Jahr eine halbe Million Menschen um 50.000 Tickets bewerben.

Mit "Parsifal" hat Herheim noch eine Rechnung offen. "Furchtbar" waren seine Erinnerungen an die ersten Aufführungen, die er als zwölfjähriger Statist auf der Bühne seiner Heimatstadt Oslo miterlebte. Bis dahin liebte er alle Opern. Bei "Parsifal" merkte er, "dass Musiktheater auch etwas erschreckend Unschönes sein kann". Der kleine Stefan war froh über jede Wartestunde, die er in der Kantine verbringen durfte. "Ich spürte ein großes Unbehagen bei der Musik."

Bayreuth setzt auf Regietheater

Daran hat sich lange Zeit nichts geändert. Als ihn die Berliner Staatsoper Unter den Linden vor einigen Jahren bat, "Parsifal" zu inszenieren, sagte er ab. Erst beim Ruf aus Bayreuth, "vom Gral", wie Herheim es nennt, konnte er nicht widerstehen. Seitdem hat er einen sehr "schmerzhaften" Prozess hinter sich. Viele Ideen hat er entworfen, viele verworfen.

In seinem Zeitreisen-"Parsifal" wird bisweilen Bayreuth selbst thematisiert, deutlich ist die Villa Wahnfried auf der Bühne zu erkennen. Mit dieser Selbstreflexion knüpft Herheim an die vergangene Premiere der "Meistersinger" von Katharina Wagner an. Auch sie hatte Bayreuth auf die Bühne gebracht und stellte das eigene Festspielpublikum als kritikunfähige Menge dar, wofür sie sich von aufgebrachten Besuchern viele "Buhs" und harsche Kritik abholen musste. Reaktionen, die auch Herheim kennt: "Aber letztendlich tröstet es mich irgendwie, dass Kunst noch so viel bewirken kann."

Egal ob Herheims Konzept vom durch die Geschichte zur Erkenntnis gelangenden Parsifal am Ende aufgeht - das neue Bayreuth tut gut daran, auf das gern gescholtene Regietheater zu setzen, was in den nächsten Jahren mit Hans Neuenfels, der zuletzt mit seiner Berliner "Idomeneo"-Inszenierung von sich reden machte, und Nachwuchsstar Sebastian Baumgarten auch geschieht. Vielleicht werden sie sich an der Aufgabe übernehmen, vielleicht werden sie sogar den Ort entweihen, was genau genommen gar nicht so schlimm wäre. Doch das ist allemal erfrischender als inhaltsleere Rekonstruktionen wie sie beispielsweise Tankred Dorst im Jahr 2006 bei "Der Ring des Nibelungen" vornahm.

Ein wenig Vertrauen ist auch bei Herheim angebracht. Seine Inszenierung von Mozarts "Entführung aus dem Serail" in Salzburg entwickelte sich mit der Zeit zum Publikumsrenner und wird mittlerweile immer wieder als Referenz zitiert. Dabei wurden die ersten Aufführungen 2003 regelrecht attackiert. Das Publikum schmiss mit Programmheften, buhte und protestierte bisweilen so heftig, dass die Aufführung minutenlang unterbrochen werden musste.

 

Frankfurter Allgemeine Zeitung
26. Juli 2008

Bayreuther Festspiele
Ein Festspielsommermärchen

Von Julia Spinola

Siebenundfünfzig Jahre lang hat Wolfgang Wagner die Geschicke auf dem Grünen Hügel gelenkt. Bis 1966 tat er dies gemeinsam mit seinem Bruder Wieland. Mit der gestern eröffneten Saison der Bayreuther Festspiele nimmt der greise Wagner-Enkel nun endgültig seinen Abschied als Festspielpatriarch. Wer ihm an der Spitze des Festivals nachfolgen soll, das wird der zuständige Stiftungsrat Anfang September zu entscheiden haben. Dann erst wird die viermonatige Frist, innerhalb deren sich die Mitglieder der Familie Wagner sowie externe Kandidaten um die Leitung bewerben können, abgelaufen sein.

Schon im April, noch vor Eröffnung des Verfahrens, hatten die Minister Thomas Goppel (München) und Bernd Neumann (Berlin) versucht, auf schnellem Wege Fakten zu schaffen, indem sie Wolfgang Wagners Töchter Katharina und Eva Wagner-Pasquier in einem Brief dazu aufforderten, als Duo zu kandidieren. Zu diesem Zeitpunkt lag dem Stiftungsrat bereits eine gemeinsame Bewerbung von Eva Wagner-Pasquier und Wieland Wagners Tochter Nike vor. Nachdem der regelwidrige Eingriff der öffentlichen Hand auf harsche Kritik gestoßen war, besannen sich die verantwortlichen Vertreter aus Bund, Land, Stadt und der mäzenatischen „Gesellschaft der Freunde von Bayreuth" immerhin auf die Wahrung des formal korrekten Verfahrens.

Wolfgang Wagners Wunschmaid

Anzeichen dafür, dass innerhalb des Stiftungsrates nun die lange überfällige substantielle Diskussion über die künstlerische, intellektuelle und praktische Befähigung der Kandidaten stattfindet, gibt es bislang noch nicht. Dafür suggeriert das seit Monaten auf Hochtouren laufende Eindrucksmanagement von Wolfgangs Wunschmaid Katharina bereits jetzt siegesgewiss den Beginn einer neuen Ära. In Nachrichtenmeldungen, Anzeigentexten und Interviews wird uns Katharina als künftige Leiterin des Festivals untergejubelt.

Ihr gezielt lanciertes Image ist das einer bodenständigen, grundnormalen, von jedweder Gedankenblässe unangekränkelten Frau, die (nach eigenen Angaben in der „Bunten") lieber putzt, statt Regie zu führen, weil man da „sofort sieht, dass etwas gemacht wurde". Entsprechend konzentrieren sich ihre Ideen für Bayreuth bislang auf das Ersinnen medialer Vermittlungs- und Vermarktungsstrategien, die in der Tat sofort ins Auge springen. Ablesen lassen sie sich an der neu gestalteten, mit Werbetexten, „Festspiel Podcast", „Video Guide" und „Live dabei Portal" aufgemöbelten Internetseite der Festspiele oder an den geplanten Live-Übertragungen ihrer „Meistersinger"-Inszenierung im Internet und auf den Festplatz in Bayreuth.

Wagner für alle

Mit ihrem Slogan „Wagner für alle" geben Katharina Wagner und ihr umtriebiges Management vor, an die Intentionen des Urgroßvaters anknüpfen zu wollen. Tatsächlich setzt das Medienspektakel, das sich nun vor die Werke zu schieben beginnt, in neuem Gewand bloß jenes höfische „Kostüm- und Schminke-Wesen" fort, vor dem Richard Wagner seinerzeit so graute, dass er nach dem unsichtbaren Orchester am liebsten auch das unsichtbare Theater erfunden hätte: Triumph der Mittel über den Zweck.

Die Wagnersche Idee einer Demokratisierung der Kunst zielte auf die Ermöglichung einer konzentrierten, von Konventionen unverstellten Erfahrung der Kunstwerke, auf ästhetische Bildung im emphatischen Sinne. Das logenfreie Festspielhaus verdankt seine architektonischen Besonderheiten deshalb nicht zuletzt auch Wagners Wunsch danach, dass sich die genuin aus musikalischem Geist gezeugten, dabei alle Sinne erfassenden künstlerischen Suggestionen seiner Werke möglichst traumnah und ungestört entfalten mögen.

Demokratisierung als Popularisierung

Nun muss man sich den technischen Möglichkeiten selbstverständlich nicht verschließen. Es ist nichts dagegen einzuwenden, wenn gelungene Produktionen aus dem Festspielhaus übertragen oder aufgezeichnet werden. Man sollte sich jedoch darüber im Klaren sein, dass der Rezeptionsraum, den die Freiluftübertragung auf einer Großleinwand eröffnet, in erster Linie der Gemeinschaftsbildung einer neuen Generation eventsüchtiger Wagnerianer dienen kann. So können zwar Neugier und Informationsbedürfnisse gestillt werden, aber mehr als ein behelfsmäßiger Ersatz wird damit nicht geboten. Das „Public Viewing" als eine künstlerische Reform im Sinne Richard Wagners auszugeben, wie Katharina Wagner es tut, grenzt an Zynismus.

In den letzten, ermüdenden Jahren der langen Ära Wolfgang Wagner steckten die Festspiele fest zwischen provinziellem Muff und Boulevardisierung. Nun werden die Weichen für die Zukunft gestellt, und man muss sich entscheiden: Hält man es mit den Wagnerianern oder mit Richard Wagner? Sucht man nur nach einem neuen Label oder nach einem künstlerischen Neuanfang? Überlässt man die Festspiele angelernten Regisseurinnen und technokratischen Politikern, die bald als Gesellschafter mit im Boot sitzen, oder sollen sie wieder dem Reich der Kunst gehören, so wie sie gedacht waren: als ein Ort der gesteigerten Werkerfahrung?

 

Sueddeutsche Zeitung
25. Juli 2008

Bayreuther Festspiele
Die Hysterie-Maschine
Die Bayreuther Festspiele stehen vor einem Neubeginn, der hoffentlich so radikal sein wird wie Wagners Œuvre. Die Nachfolgefrage bleibt umstritten. Teilen sich Wolfgang Wagners Töchter die Leitung?

Von Reinhard J. Brembeck

Die diesjährigen Festspiele in Bayreuth werden die letzten sein, die Wolfgang Wagner ausrichtet. Seit 1951 ist er Chef in Bayreuth - eine gewaltig lange Zeit. Nun aber steht ein Wechsel an.

Nach diesen Festspielen wird Wagner zurücktreten und der Stiftungsrat eine Nachfolgerin, einen Nachfolger benennen. Nach dem jetzigen Stand der Dinge wird es sich dabei wohl um Wagners Töchter Katharina und Eva handeln. Nur böse Zungen vermuten, dass es sich dabei um ein typisch bayerisches Gentlemen's Agreement handeln könnte.

Nun ist es in diesem historischen Moment des Umbruchs durchaus einmal reizvoll, über die Zukunft dieser so seltsamen wie weltberühmten Opernfestspiele nachzudenken - ohne diese Zukunft gleich an konkreten Namen festzumachen. Was, zugegeben, schwierig ist. Denn die Festspiele wurden seit ihrer ersten Austragung 1876 regelmäßig von einem Wagner oder einer eingeheirateten Frau geleitet.

Zweitens ist das hysterische öffentliche Interesse an Wagner, seinen Opern und diesem Festival unlösbar mit dieser Familiengeschichte verknüpft. Weil interne Schlammschlachten dieses Künstlerclans - die Wagners pflegen das Komponieren, Inszenieren, Akademisieren - genüsslich öffentlich gemacht werden, ist Bayreuth nicht nur für die höheren Feuilletons interessant, sondern auch für den niederen Boulevard. Auch hierin zeigt sich der welt- und menschheitsumfassende Anspruch des Wagner'schen Œuvres.

Luxuriöser Wahnsinn

Eine andere, fast schon perverse Besonderheit Bayreuths ist dadurch gegeben, dass hier nur ein paar Wochen im Jahr de facto ausschließlich die sieben großen Werke Wagners gespielt werden. Das ist Luxus, das ist Wahnsinn, das ist die pure Verachtung der in der kapitalistischen Welt gängigen Regeln - und damit durchaus im Sinne Wagners.

Soll man diesen betörenden Irrsinn ändern? Viele meinen: ja. Das Programm durch andere Stücke erweitern, sich neuer Musik zuwenden, Zusatzfestival(s) zu anderen Jahreszeiten . . . Die Vorschläge, die in diese Richtung gehen, sind unübersehbar und bunt.

Vorstellbar ist das alles unter der Voraussetzung, dass die Politik mehr Geld nach Bayreuth pumpt, um diese Ausweitungen bezahlen zu können. Zudem müsste die Festspielleitung nach und nach von Wagners Nachfahren genommen und in der Dauer auf ein paar Jahre beschränkt werden, so dass regelmäßige ästhetische Wechsel garantiert wären.

Das aber bedeutet den Weg hin zur heute gängigen Festivalnormalität, die, von den jeweiligen mehr oder minder stimmungsvollen Aufführungsorten einmal losgelöst, meist eine gewisse ästhetische Uniformität mit sich bringt.

Maßlose Ansprüche

Das allerdings verdient Wagner nicht, dieser krudeste unter den großen Opernkomponisten, dessen in befremdlichen Pathologien befangenen Stücke ihren maßlosen und fragwürdigen Anspruch auf Allgemeingültigkeit lauter und lockender herausschreien als alle anderen Opern der Musikgeschichte.

Deshalb muss gerade Bayreuth, was der Tod jeder anderen Kulturinstitution wäre, hemmungslos subjektiv, eigenbrötlerisch und eben auch ein bisschen seltsam sein. Was etwa durch ein "Ja" zur dynastischen Führung, die so gar nicht nach Befähigung fragt, genauso gewährleistet wird wie durch die rigide und festivalmarktferne Beschränkung auf die sieben großen Werke.

Doch wenn man vom Prinzip der lebenslangen Bayreuth-Führerschaft wegkommen will, das durch Wolfgang Wagners allzu langes Ausharren auf seinem Posten diskreditiert wurde, dann wird der Stiftungsrat nicht nur sehr bald schon die Nachfolgefrage für die demnächst zu bestimmenden Nachfolger angehen, er wird sich auch neue Unmöglichkeiten und Besonderheiten für dieses Festival ausdenken müssen.

Allerdings sollte man die Möglichkeiten Bayreuths, in der Wagner-Vermittlung heute die Führungsrolle beanspruchen zu können, nicht überschätzen. Das ist aus den verschiedensten Gründen überhaupt nicht möglich. Allein schon, weil das Festspielhaus längst zu einem Gedenkort geworden ist.

Von Schatten zermalmt

In dessen übermächtiger Geschichte werden Eigenart und Verhängnis deutscher Geschichte und Kunstproduktion greifbarer als sonstwo. Gegen diese Geschichte aber kann keine Neuinszenierung etwas ausrichten, sie wird allein schon von deren Schatten zermalmt und marginalisiert. Das gilt letztlich sogar für Chéreaus legendären "Ring", und diesem Schicksal wird auch Stefan Herheims diesjähriger "Parsifal" nicht entrinnen können.

So zerfällt Bayreuth in einen geistesgeschichtlich relevanten Gedenkort und in einen sich nach und nach modernisierenden Theaterbetrieb, dessen Möglichkeiten allerdings noch allzu eingeschränkt sind. Anders als andere Festivals muss Bayreuth sich durch nur eine Neuinszenierung pro Jahr positionieren und definieren. Das ist herzlich wenig.

So kann sich in kurzer Zeit kaum jemand als Chef profilieren, so kann keine für Bayreuth unverwechselbar typische Ästhetik entwickelt werden. Vor allem aber bekommt jede einzelne Neueinstudierung ein ungeheures Bedeutungsgewicht übergestülpt, das elegant zu tragen nur wenige Regisseure, Sänger und Dirigenten in der Lage sind.

Will ein Künstler, wie zuletzt Lars von Trier, tatsächlich einmal das Neue und noch nie Gesehene, dann scheitert er an den technischen Gegebenheiten, an organisatorischen Zwängen und finanziellen Beschränkungen. Allein dass Christoph Schlingensief für seinen "Parsifal" eine im Festspielhaus bis dato nicht vorhandene Drehbühne benötigte, riss ein Riesenloch in den knappen Festspielgeldbeutel.

Und Dirigenten, die wie Roger Norrington Wagner von Grund auf umkrempeln würden, werden gar nicht erst eingeladen. Wohl auch, weil man den Zorn eines Wagnerpublikums fürchtet, dessen Geduld durch die vielen eigenwilligen Regisseure der letzten Jahre sowieso schon strapaziert wurde.

Ungewisse Zukunft

Das ist eine an vielen Häuser praktizierte und nie so recht überzeugende Mischkalkulation, die avancierte Inszenierungen durch den Balsam traditionellen Musizierens abmildert.

Wie soll Bayreuths Zukunft aussehen? Möglichst abwechslungsreich, möglichst bunt, möglichst kühn, möglichst radikal. Wagner verträgt das nicht nur, seine kaum weniger bunten, kühnen und radikalen Werke fordern das sogar.

So sollten sich die für die Nachfolge Verantwortlichen nicht durch den Gedenkort, die Tradition oder gar die Traditionalisten einschüchtern lassen. Richard Wagner hätte allen Kompromissen den Kampf angesagt.

 

CORRIERE DELLA SERA
26 luglio 2008

Festival Al via la rassegna che dopo una lunga "guerra di successione" sarà guidata da due figlie del vecchio Wolfgang
Wagner sfida italiana
Gatti dirige la maratona "Parsifal"
E Bayreuth sbarca anche sul web

DAL NOSTRO INVIATO BAYREUTH

Nel momento che precede l' inizio di una nuova epoca nel tempio wagneriano, Bayreuth premia un direttore italiano. Daniele Gatti ha aperto il Festival ieri, con una maratona cominciata alle quattro del pomeriggio e finita alle undici di sera con ben 10 minuti di applausi, davanti al Cancelliere Angela Merkel: Parsifal è l' opera che il compositore concepì per questo teatro. Collocato sulle verdi colline, è il primo edificio che si scorge appena usciti dalla stazione, e gli occhi si riempiono di Wagner ovunque, dalla strada dei Nibelunghi agli alberghi che espongono il suo busto nelle reception, e gli spettatori camminano lungo il viale alberato che porta alla sala dove si sente ogni sospiro come pellegrini, tutti in smoking, contando poi i secondi in più o in meno rispetto alle passate esecuzioni della musica che conosce l' abisso e l' estasi ma restando del tutto aperti alle soluzione registiche più ardite o scombiccherate.

Gatti è il quinto italiano nella storia di Bayreuth, dopo Toscanini, de Sabata, Erede e Sinopoli: e se si pensa all' altro grande debutto che lo aspetta, il 7 dicembre alla Scala nel segno del Don Carlo verdiano, per lui è davvero l' anno d' oro. La nuova epoca comincia entro il 31 agosto, quando l' 89enne Wolfgang Wagner, dopo 59 anni, lascerà il comando del Festival. Qui la musica è un affare di famiglia, lo statuto prevede un discendente del compositore e la saga con quattro donne in lista d' attesa dilaniate dalle faide potrebbe essere il soggetto di una seconda Tetralogia. L' ipotesi più credibile è quella auspicata da Wolfgang, la cogestione delle sue due figlie, le sorellastre (e pronipoti di Richard) Eva Pasquier-Wagner, 63 anni, e Katharina Wagner nata dal matrimonio con la seconda moglie ed ex segretaria Gudrun. Katharina, bella, bionda, giovane e tosta, scalpita come una Valchiria e intanto, dopo un esordio sbagliato come regista e in attesa del bis per un probabile Ring, quest' anno lancia Wagner online: da domani la prima dei Mastri cantori di Norimberga si potrà seguire live via internet pagando 49 euro (il sito è: www.bayreuther-festspiele.de), accanto a una proiezione gratuita in piazza. "Ogni anno - dice Katharina - riceviamo lamentele perché non si trovano i biglietti, con la tecnologia arriveremo anche ai giovani ma niente sostituirà l' emozione dello spettacolo dal vivo".

Ed entriamo allora nel Parsifal di Gatti. Se Bayreuth è un laboratorio di regia, Gatti accentua invece il lavoro teatrale, è uno spettacolo fortemente recitato dai cantanti, in una visione che si apre solenne e ieratica, una meditazione sacra che si chiude nella depressione più cupa. Se per Sinopoli, che qui era un habituée, Wagner significava una riflessione sulla morte del mito per ricordare l'eterna solitudine dell' uomo, Gatti propone "un punto di vista più cristiano", l'elevazione spirituale del Santo Graal, e quindi si è calato per la prima volta nel tempio con molta personalità, cercando la sua strada dopo la prova generale romana in forma di concerto. Del cast è rimasto l' Amfortas di Detlef Roth e le fanciulle in fiore. Mentre abbiamo Christopher Ventris come Parsifal, il coreano Kwangchul Youn come Gurnemanz e la giapponese Mihoko Fujimura come Kundry.

Il regista norvegese Stefan Hereim le mette la parrucca bionda e un paio d' ali blu cobalto e nonostante il colore diverso lei "è" l' Angelo Azzurro Marlene Dietrich. Le allegorie ci sono. Ma Gatti avvisa: per Bayreuth è una concezione teatrale più tradizionale del solito. L' elemento unificante è la villa di Wahnfried, che qui fu la dimora di Wagner. Parsifal emblema di un pangermanesimo incombente, col protagonista, il "puro folle" ignaro di tutto che impara a riconoscere gli effetti della violenza, Hereim rilegge la storia di una nazione "che si è costantemente affidata a figure di redentori e ha sempre dovuto rielaborare il proprio passato, in cerca di una possibile redenzione".

Il primo atto è ambientato nel 1882, quando Parsifal debuttò, e la foresta non è che il giardino di villa Wahnfried. Nel secondo atto siamo alla fine della prima Guerra Mondiale, e poi gli anni 30, il passaggio di Weimar e la caduta del Terzo Reich che è la caduta del castello di Klingsor. Il terzo atto è la ricostruzione del Paese, ed ecco il Parlamento dell' odierna Germania. C' è un secondo elemento che unifica ed è il letto dove avvengono le azioni più importanti: dove giacciono i cavalieri nell' ospedale militare, dove si esalta il dolore di Amfortas reso come Cristo con la corona di spine; il letto dove viene partorito Parsifal e dove Kundry cerca di sedurlo. Ma ieri il rito wagneriano è stato sedotto da Daniele Gatti che ha cercato il suo Graal nella compassione e nell' umanità, e più che seguire una storia i tedeschi ritrovano se stessi.

Valerio Cappelli

 

Agence France Press
26 July 2008

Stefan Herheim's new 'Parsifal' opera cheered in Bayreuth

BAYREUTH, Germany (AFP) — A highly intellectual and visually-packed reading of Richard Wagner's final opera "Parsifal" by Norwegian director Stefan Herheim, was rapturously received by the first-night audience of the prestigious Bayreuth Festival on Friday. This year's only new production on the town's legendary "Green Hill" took the audience on an intriguing time journey through German history, from the 19th century of Kaiser Wilhelm through to the 1930s and the rise of Nazism. It also provided a learned and scholarly exploration of the history of "Parsifal" itself, Wagner' "stage consecrational festival-play" written specifically for Bayreuth's Festspielhaus theatre.

"Parsifal" was premiered in Bayreuth in 1882 and not allowed to be performed outside the Festspielhaus until 1913. In Herheim's dazzingly multi-layered reading, Wagner's Bayreuth home Wahnfried and the Festspielhaus itself feature prominently. In the garden of Wahnfried, for example, where Wagner now lies buried, the director assembles the social elite of Wilhelminian society around the master's grave. Klingsor's magical kingdom in Act II is a field hospital during World War I where nurses and flower maidens attend to wounded soldiers. Later on, swastika flags are raised over Wahnfried and the flower maidens appear in Nazi SS uniforms, but the house is quickly burned and destroyed under Allied bombing. The final act is set in the post-war Bundestag in Bonn, which was the German capital until reunification in 1989.

Musically, Italian maestro Daniele Gatti, making his Bayreuth debut, gave one of the slowest-ever readings of Wagner's longest opera, stretching the score out to four hours and 40 minutes, excluding two hour-long intervals. While that may have been singer-friendly, for some audience members it was too long and Gatti was greeted with a few boos when he took his bows. The singers shone with exemplary diction and strong acting, notably British tenor Christopher Ventris in the title role and German baritone Detlef Roth as Amfortas. Korean bass Kwangchul Youn was also cheered for his portrayal of Gurnemanz. The Bayreuth Festival is set to continue Saturday with a performance of "Tristan and Isolde" in a revival of Christoph Marthaler's bleak reading last seen in the Festspielhaus in 2006.