Allgemeine Zeitung
27.09.2008

Oper für Wiener Hof erstmals in Mainz
"La Semiramide riconosciuta" im Kleinen Haus

Mit der Inszenierung von "La Semiramide riconosciuta" am 16. Oktober im Kleinen Haus wird Christoph Willibald Glucks erste Oper für den Wiener Hof erstmals seit ihrer Uraufführung 1748 in Mainz zu sehen sein.

Von Daniel Honsack

Das Werk wurde rechtzeitig zum Geburtstag von Kaiserin Maria Theresia von Österreich im Jahr 1748 fertig. Gerade hatte sie den achtjährigen Thronfolgekrieg mit dem Aachener Friedensschluss für sich entschieden und damit den Wiener Thron gesichert.

Vor der Premiere

So wurde dieses geschichtsträchtige Jahr auch ein bedeutendes für den aufstrebenden Komponisten Christoph Willibald Gluck. Er sollte zum Geburtstag eine Oper schreiben, die nach ihrer Premiere 27 mal aufgeführt wurde und anschließend verschwand. Die Arbeitsstelle "Gluck-Gesamtausgabe" hat das Werk wieder entdeckt, und so wurde die Partitur 1994 erstmals gedruckt, nachdem eine gut erhaltene Abschrift in der Wiener Nationalbibliothek aufgefunden worden war. Erst jetzt, für die Aufführung in Mainz, wurde das komplette Stimmenmaterial in Druck gegeben. Der Mainzer Operndirektor Hajo Fouquet bezeichnet die Oper "La Semiramide riconosciuta" als "gutes und interessantes Werk". "Sie war unter all dem, was wir gesichtet haben, genau der richtige Beitrag für unsere Trilogie", sagt er. Die Reihe steht unter dem Titel "Gottes starke Töchter".

Die Oper handelt von der babylonischen Königin Semiramis, die ihren Gatten ermordet hat und nun in Männerkleidern regiert. Die Geschichte gibt alles her: Liebe, Eifersucht, politische und private Intrigen. Um das Werk in seinem historischen und musikalischen Zusammenhang angemessen zu würdigen, haben die an der Wiederaufführung beteiligten Institutionen, die Akademie der Wissenschaften und der Literatur, das Staatstheater und die Hochschule für Musik drei Veranstaltungen um die Premiere platziert. "Es geht uns darum, dem interessierten Laien über den Kern der Sache zu informieren", so Prof. Dr. Daniela Pihilippi von der Arbeitsstelle "Gluck-Gesamtausgabe". Editorische Fragen werden ebenso behandelt wie musikalische Besonderheiten. "Diese Art von Musik war sehr stark Gelegenheitsmusik zu bestimmten Anlässen", erläutert ihre Kollegin Tanja Gölz das Brachliegen der Oper. Die Handlung hatte seinerzeit durchaus einen politischen Reiz. Schließlich handelte es sich sowohl bei Maria Theresia als auch bei Semiramis um Frauen, die um ihren Herrschaftsanspruch kämpfen mussten. Musikdramaturgin Anne do Paco verspricht eine "opulente Ausstattung", für die der Regisseur und Bühnenbildner Peer Boysen steht. Er habe die Oper "sehr leicht inszeniert", verrät sie. Fouquet ergänzt, dass es weniger eine politische Geschichte als eine Charakterstudie werde. "Peer Boysen gibt den Figuren Gesichter, die wir heute gut nachvollziehen können", sagt er.

 

Allgemeine Zeitung
16.10.2008

Virtuoses Intrigenspiel à la "Tatort"
Im Staatstheater feiert heute fast vergessene Gluck-Oper "La Semiramide" Premiere

Von Daniel Honsack


Die hochmotivierten Studenten von der Mainzer Musikhochschuile, hier Dmitry Egorov und Anne Catherine Wagner, lassen Glucks Oper von neuem funkeln. Foto: Staatstheater/Martina Pipprich

Die Oper "La Semiramide" von Christoph Willibald Gluck nach einem Libretto von Pietro Metastasio wurde vor 260 Jahren zur Eröffnung des Wiener Burgtheaters uraufgeführt und verschwand danach in der Versenkung. Im Kleinen Haus des Staatstheaters hat sie heute Premiere.

Die Geschichte hat den Hintergrund einer "Tatort"-Folge. Semiramis hat ihren Mann Nino, König von Babylon ermordet und hat seine Stelle eingenommen. Sie tarnt sich so gut, dass alle Welt denkt, sie sei er. Unerkannt leitet sie die Brautwerbung um ihre Tochter, Prinzessin Tamiri, ein und begutachtet drei Erfolg versprechende Bewerber: Mireto ist Semiramis´ Bruder, Scitalce ein ehemaliger Geliebter, der sie im Gegensatz zum Bruder erkennt. Dritter im Bunde ist Ircano. Intrigenwirtschaft politischer wie höchst privater Natur ist programmiert.

Vor einigen Jahren entdeckten Gluck-Forscher die Oper wieder und forcierten den Druck der Partitur. Nun stehen auch die Einzelstimmen zur Verfügung, so dass wieder an eine Aufführung gedacht werden kann. Am Mainzer Staatstheater kann dieses Ereignis dank einer Kooperation zwischen Bühne, Forschung und Lehre gefeiert werden. Die Arbeitsstelle "Gluck Gesamtausgabe" an der Mainzer Akademie für Wissenschaft und Literatur, die für die Neuedition der Gluck-Werke verantwortlich ist, lieferte das Fundament, die Mainzer Musikhochschule die Akteure, das Staatstheater Raum, Knowhow und professionelle Arbeitsbedingungen.

Mit Kapellmeister Michael Millard übernahm ein Kenner der Epoche die musikalische Leitung. Als Regisseur wurde Peer Boysen gewonnen, der an etlichen renommierten Häusern tätig war. In Mainz waren zuletzt seine Inszenierungen von Verdis "Don Carlos" und Webers "Freischütz" zu sehen.

Der Regisseur äußert sich geradezu verliebt über die musikalische Struktur und deren Untiefen, mit denen er es bei Glucks Oper zu tun hat. Und er lobt die "Vitalität und das Direkte" seiner Sänger. "Hier ist alles über Phantasie und Autosuggestion gegangen", schwärmt er. Die Studierenden seien "offen, ernsthaft und vom Theater noch nicht korrumpiert" und Millard ergänzt aus musikalischer Sicht, dass die jungen Sänger "sehr formbar und voller Energie" seien. So kann Boysen die Charaktere "aberwitzig aufeinander prallen" lassen.

Auch von der Kooperation kann Boysen nur Gutes berichten: "Ich finde, das müsste sich jedes Theater leisten können."